Afrika
Kriege und bewaffnete Konflikte in Afrika seit 1945
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Entwicklungstrends seit 1945
In Afrika südlich der Sahara wurden von 1945-1997 insgesamt 52 Kriege geführt, davon nur 4 vor 1960. Bis zu diesem Jahr standen fast alle der heutigen Staaten unter europäischer Kolonialherrschaft, sind also im Vergleich zu denen aller anderen Weltregionen relativ jung. Dabei wurden bei der Entlassung in die Unabhängigkeit in aller Regel koloniale Grenzziehungen übernommen und vorkoloniale, geografische oder ethnische Zugehörigkeiten blieben bei den jeweiligen Staatsgründungen unberücksichtigt. Gab es in Afrika südlich der Sahara vor 1960 nur wenige Kriege, so ist es in der Folgezeit im Wechsel mit Asien die Weltregion, in der jährlich die meisten Kriege geführt wurden. Grob lässt sich der afrikanische Kontinent in fünf Subregionen unterteilen: Westafrika, Zentralafrika, Ostafrika und südliches Afrika. Nordafrika wird zum Vorderen und Mittleren Orient gerechnet.
Im Vergleich der Weltregionen weist Afrika nur eine geringe Anzahl zwischenstaatlicher Kriege auf. Diese Beobachtung verliert auch dann nicht ihre Gültigkeit, wenn man die komplexen Kriege mit in Betracht zieht, die sowohl innerstaatlich wie zwischenstaatlich geführt wurden. Mit etwa 20 Prozent ist auch der Anteil an Kriegen, die eine Sezession oder größere Autonomie zum Gegenstand hatten, vergleichsweise gering. Diese beiden statistischen Ergebnisse sind umso auffälliger, wenn man die häufig als künstlich und von daher als konfliktträchtig angesehenen Grenzziehungen in Betracht zieht. Auf den ersten Blick ebenfalls erstaunlich Afrika ist die geringe Zahl von 6 Kriegen, die für eine Dekolonisation begonnen wurden. Hiervon entfallen wiederum die Hälfte auf die erst in den 1960er Jahren in den portugiesischen Kolonien begonnenen Kriege. Dagegen bilden Antiregime-Kriege, die den Sturz der Regierung zum Ziel haben, mit etwa 40 Prozent zahlenmäßig den bedeutendsten Kriegstyp. Mit rund einem Drittel gibt es aber auch einen relativ hohen Anteil an Mischtypen.
Besonders lange dauerten die Kriege in Äthiopien (um die Unabhängigkeit Eritreas und in der Folge auch anderer Landesteile), in Angola, Mosambik und Namibia, im Süden des Sudan und im Tschad. Insbesondere das Kriegsgeschehen in Angola macht die Veränderung oder die unterschiedliche Interpretation von Konflikthintergründen deutlich: Begann der Krieg 1961 als Kampf gegen die portugiesische Kolonialherrschaft, so wurde er nach der Erlangung der Unabhängigkeit 1975 im Rahmen des Ost-West-Konflikts interpretiert, um in den 1990er Jahren zum typischen Krieg um Rohstoffe (Diamanten, Erdöl) zu werden. Dabei blieben die Hauptakteure im Wesentlichen gleich.
Im Folgenden wird eine kurze Übersicht über die bedeutendsten Kriege in Afrika südlich der Sahara gegeben:
Kriege in Westafrika
Im Vergleich zu den anderen afrikanischen Subregionen fanden bis zur zweiten Hälfte der 1980er Jahre in Westafrika relativ wenige Kriege statt. Lediglich zwei Kriegen kommt bis zu dieser Zeit eine größere Bedeutung zu. Dabei stand der Krieg um die Unabhängigkeit der kleinen portugiesischen Kolonie Guinea-Bissau (1963-1974) im Schatten der Dekolonisationskriege gegen Portugal im südlichen Afrika. Ab 1989 wurde die Subregion dann zu einer der Hauptkrisenregionen mit mehreren verschiedenen Kriegszentren. Weniger bedeutend in ihrer Intensität und öffentlichen Wahrnehmung waren dabei der noch andauernde Krieg in Senegal um die Sezession der Casamance sowie die bis Mitte der 1990er Jahre dauernden Aufstände der Tuareg in Niger und Mali.
Am prägendsten über die Subregion hinaus war zunächst der Biafra-Krieg in Nigeria (1967-1970). In Nigeria gab es im Wesentlichen drei Machtzentren - den Westen, den Osten und den Norden des Landes, die in einem föderalen System miteinander verbundenen und ausbalanciert waren. Dieses Gleichgewicht geriet 1966 durch deinen Putsch von aus dem Osten stammenden Offizieren durcheinander. Ein erfolgreicher Gegenputsch führte zu einer föderalen Neugliederung in nunmehr 12 statt zuvor 3 Bundesstaaten mit der Folge, dass die erdölreiche Biafra-Region nicht mehr der direkten Kontrolle des östlichen Machtzentrums unterlag. Dies bildete den Anlass für einen opferreichen Krieg, den sie Zentralregierung letztlich für sich entscheiden konnte.
Der bedeutendste Kriegskomplex in jüngerer Zeit entstand mit dem Krieg in Liberia (1989-1996), der in der Folge insbesondere auf Sierra Leone übergriff und hier noch andauert. Den Hintergrund bildete ein beispielloser ökonomischer Niedergang in Verbindung mit einer äußerst repressiven Regierung in Liberia. Bedeutend sind diese Kriege nicht nur wegen der Intensität mit der sie geführt wurden, sondern auch wegen der Reaktion der regionalen Staatengemeinschaft Westafrikas, die weltweit erstmalig eine eigene regionale Eingreiftruppe für die Intervention zunächst in Liberia und später in Sierra Leone schuf.
Kriege in Zentralafrika
Die Subregion Zentralafrika ist in unregelmäßigen Abständen Schauplatz von Kriegen mit größerer öffentlicher Aufmerksamkeit gewesen. Formal am längsten dauerte der Krieg im Tschad (1966-1996), dessen Kriegsgeschehen jedoch mit einer Vielzahl von wechselnden Akteuren und Akteurskonstellationen sowie libyschen und französischen Interventionen und unterschiedlichen Intensitäten schwer zu charakterisieren ist.
Die 1960er Jahre wurden entscheidend vom Kriegsgeschehen in Kongo-Kinshasa (1971 bis 1997: Zaire) geprägt. Hier wurden nach der Entlassung aus der belgischen Kolonialherrschaft eine Reihe von Kriegen mit unterschiedlichen Akteuren und Zielen geführt. Dabei war der Kampf um die Zentralregierung genauso umkämpfter Gegenstand wie die Sezession der rohstoffreichen Provinz Katanga. Diese Kriege führten zum - bis Anfang der 1990er Jahre - letzten größeren Militäreinsatz unter der Verantwortung der Vereinten Nationen. Abgesehen von einigen kleineren kriegerischen Auseinandersetzungen wurde Kongo-Kinshasa erst mit dem Feldzug von 1996/97, der zum Sturz des langjährigen Herrschers Mobutu führte, wieder zum einem wesentlichen Kriegsschauplatz.
Die zweite bedeutende Kriegsregion Zentralafrikas bildet die Region der Großen Seen mit den beiden Staaten Ruanda und Burundi. Auch hier hinterließ die belgische Kolonialherrschaft mit dem zum rassischen Gegensatz verschärften Unterschied zwischen den beiden Bevölkerungsgruppen Hutu und Tutsi eine Situation, die immer wieder zu äußerst gewaltintensiven Kriegen führte: in Ruanda (1963-1966), in Burundi (1972/73), seit 1990 in Ruanda und seit 1993 in Burundi sowie 1996/97 verknüpft mit dem Kriegsgeschehen in Kongo-Kinshasa. Trauriger Höhepunkt dieser Auseinandersetzungen war der Völkermord in Ruanda, bei dem 1994 innerhalb weniger Wochen eine halbe bis eine Million Menschen ermordet wurden.
Kriege in Ostafrika
Ostafrika bildet innerhalb Afrikas die Subregion mit der kontinuierlichsten Kriegsbelastung. Dabei waren nicht alle Staaten über den gesamten Zeitraum in gleicher Weise von Kriegen betroffen, sondern zu unterschiedlichen Zeiten bestanden unterschiedliche Zentren des Kriegsgeschehens.
Zu den mit am intensivsten geführten Kriegen gehören die beiden Kriege im Sudan um Sezession oder Autonomie des südlichen Landesteils. Im Zuge der Entlassung des Landes aus britischer Kolonialherrschaft, die eine bereits bestehende getrennte Entwicklung des muslimisch-arabischen Nordens und des schwarzafrikanischen Südens noch gefördert hatte, rebellierten zunächst Militäreinheiten aus dem Südsudan gegen die Machtübergabe an die dem Norden des Landes entstammenden Eliten. Im Verlauf des ersten Krieges (1955-1972) bildete sich zwar im Süden eine politische und militärische Bewegung, letztlich behielt aber der Norden militärisch die Oberhand und gestand zur Beendigung des Krieges den südlichen Landesteilen begrenzte Autonomierechte zu, die aber nicht umgesetzt wurden. 1983 eskalierte der Konflikt erneut zum Krieg und wird auch zur Zeit noch weitergeführt.
In Äthiopien entwickelten sich eine Reihe von Kriegen, die um Sezession oder Autonomie geführt wurden. Am dauerhaftesten erwies sich dabei der Krieg um Eritrea (1962-1991). Eritrea wurde als ehemalige italienische Kolonie 1950 Äthiopien unterstellt und genoss einen Autonomiestatus. Dieser wurde jedoch schrittweise ausgehöhlt, so dass ab 1962 mehrere Widerstandgruppen gegen die äthiopische Zentralregierung in den Krieg zogen. Bereits in den 1960er Jahren begannen auch in anderen Regionen Äthiopiens bewaffnete Aufstände. Kriegerisch eskalierten diese aber erst Mitte der 1970er Jahre. Als Ergebnis dieser Kriege wurde die Zentralregierung 1991 militärisch besiegt, und Eritrea wurde 1993 unabhängig, nachdem bewaffnete Gruppen aus anderen Regionen (Tigray, Oromo) zunächst gemeinsam die Zentralregierung übernommen hatten.
Die Kriege, an denen Somalia direkt oder indirekt beteiligt war, standen zunächst im Zusammenhang mit somalischsprechenden Bevölkerungsteilen in Kenia und vor allem aber in Äthiopien. Sowohl beim ersten (1963/64) als auch beim zweiten Ogaden-Aufstand (1975-1984) griff Somalia zeitweise mit regulären Truppen in die Kämpfe von Rebellengruppen gegen die äthiopische Zentralregierung ein, musste aber jeweils militärische Niederlagen hinnehmen. In Kenia (1963-1967) unterstützte Somalia die dortige Rebellenbewegung nicht durch ein direktes militärisches Eingreifen. Insbesondere der zweite Aufstand im Ogaden und die direkte Konfrontation zwischen Somalia und Äthiopien wurde auch in Verbindung mit dem Ost-West-Konflikt geführt. Der seit 1988 in Somalia geführte innerstaatliche Krieg führte zwar zunächst zur Ablösung der Regierung. Machtkämpfe zwischen den verschiedenen Widerstandsgruppen führten aber ab 1991 zu einer Situation, in der von einem somalischen Staat als solchem nicht mehr gesprochen werden kann.
Zwar führte Uganda in den 1970er Jahren zwei Kriege gegen Tansania, seine gesonderte Erwähnung an dieser Stelle beruht aber auf den beiden innerstaatlichen Kriegen, die 1981-1992 und erneut seit 1995 geführt wurden. Der 1981 begonnene Krieg zerfiel dabei in zwei Phasen: Bis 1986 gelang es dabei den Aufständischen die bestehende Regierung zu stürzen. Anschließend stieß das neue Regime bis 1992 auf den militärischen Widerstand der Gefolgsleute mehrerer vorangegangener Regierungen. Die Beendigung dieses Krieges 1992 war nur von vorübergehender Dauer. 1995 begannen erneut mehrere bewaffnete Gruppierungen mit Kämpfen gegen die Zentralregierung, die bis heute andauern.
Kriege im südlichen Afrika
Beginnend mit den 1960er Jahren und bis Anfang der 1990er Jahre bildete das südliche Afrika für fast 30 Jahre einen der Hauptkriegsschauplätze der Welt. Dabei lassen sich zwei Perioden klar unterscheiden: Bis in die zweite Hälfte der 1970 Jahre stand zunächst der Kampf gegen die portugiesische Kolonialherrschaft und gegen die Herrschaft der Nachfahren europäischer Siedler im Vordergrund. Ab 1976 erfasste das Kriegsgeschehen auch die Republik Südafrika mit ihrem Apartheidregime und wies in starke Verbindung mit dem Ost-West-Konflikt auf. Bis Mitte der 1990er Jahre konnten alle diese langandauernden Kriege mit Ausnahme der Auseinandersetzungen in Angola beendet werden.
In Angola wurde der Dekolonisationskrieg gegen Portugal seit 1961 von verschiedenen bewaffneten Gruppierungen geführt. Im Zuge der Unabhängigkeit 1975 setzte sich die MPLA mit sowjetischer und kubanischer Hilfe bei der Übernahme der Regierungsgewalt zunächst durch, wurde aber bis Anfang der 1990er Jahre vor allem durch die von der Republik Südafrika und den USA unterstützte UNITA militärisch herausgefordert. Nach dem sich abzeichnende Ende des Apartheidregimes in Südafrika und dem Abzug kubanischer Truppen schien es zunächst, als könne der Krieg mit Unterstützung einer großen UN-Blauhelmmission beendet werden. Letztlich gelang aber eine Befriedung nicht, und so bildet Angola zur Zeit den einzigen Kriegsschauplatz im südlichen Afrika.
Auf den ersten Blick wies das Kriegsgeschehen in Mosambik eine große Ähnlichkeit mit dem in Angola auf. Hier begann der Unabhängigkeitskrieg gegen Portugal 1964 und auch hier konnte mit der Dekolonisation 1975 kein dauerhafter Frieden erreicht werden. Im Gegensatz zu Angola wurde aber der Krieg gegen die Kolonialmacht nur von einer Gruppierung geführt, und der 1975 begonnene Krieg beruhte wesentlich stärker auf der Einflussnahme der Republik Südafrika als auf inneren Gegensätzen im Mosambik und der Einbeziehung in den Ost-West-Konflikt. Obwohl im Laufe des Krieges eine gewisse Verselbständigung von dem Konflikt in Südafrika erfolgte, führte das sich abzeichnende Ende des Apartheidregimes in Südafrika 1992 zu einem Ende des Krieges in Mosambik.
Von 1966 bis 1979 dauerte der Krieg von mehreren bewaffneten Gruppen aus der schwarzen Mehrheitsbevölkerung gegen das weiße Minderheitsregime in Rhodesien, das sich 1965 von Großbritannien für unabhängig erklärt hatte. Der Krieg endete mit einer Niederlage der Regierung und führte zunächst zu einer Machtteilung der siegreichen Rebellenbewegungen. Gegensätze in der neuen Regierung führten dann von 1983 bis 1988 zu einem erneuten Krieg in dem seit 1980 Simbabwe genannten Staat.
Ebenfalls 1966 begann der Krieg in Namibia. Dieses Territorium stand als Treuhandgebiet des Völkerbundes seit 1920 unter der Verwaltung der Republik Südafrika. Als diese sich 1966 weigerte, das Mandat an die UNO zu übergeben, begann der Krieg für die Unabhängigkeit Namibias. Im Zuge das sich abzeichnenden Endes des Apartheidregimes in Südafrika wurde der Krieg 1988 im Rahmen eines regionalen Friedensabkommens beendet, und Namibia wurde 1990 unabhängig.
Als letzter in der Serie der großen miteinander in Wechselbeziehungen stehenden Kriege im südlichen Afrika begann 1976 der Krieg gegen das Apartheidregime in der Republik Südafrika. Wachsender internationaler Druck ab der zweiten Hälfte der 1980er Jahre auf der einen Seite und die breite Unterstützung des schwarzen Bevölkerungsteils in der Republik Südafrika für den bewaffneten Kampf führte bei dem weißen Minderheitenregime allmählich zu der Überzeugung, dass ein Krieg nicht zu gewinnen war. Dies führte 1994 zur Beendigung des Krieges.
Wolfgang Schreiber, Stand 1997