Kongo-Brazzaville
Kriege in Kongo-Brazzaville seit 1945
Kongo-Brazzaville (1997 - 1999)
AKUF-Datenbanknr.: |
231 |
Kriegsdauer: |
5.6.1997 - 11/1999 |
Kriegstyp: |
A-1 |
Kriegsbeendigung |
durch militärischen Sieg Seite A |
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Kriegführende |
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Seite A |
Cobra-Miliz |
Seite B |
Kongo-Brazzaville, Zoulou-Miliz |
Intervention zugunsten Seite A |
Angola |
KONFLIKTGEGENSTAND UND -ZIELE
In Kongo-Brazzaville bekämpften sich 1997 zwei Lager der etablierten politischen Elite. Beide haben an ihrer Spitze (ehemalige) Präsidenten des Landes. Sassou-Nguesso war von 1979-1992 Staatschef und wurde in 1992 Opfer des von ihm selbst eingeleiteten Demokratisierungsprozesses: Er verlor die erste freie Wahl im Staat zugunsten Pascal Lissoubas. Diese Rivalität, hinter der innenpolitischen Spannungen, regional spezifische Anhängerschaften in der Bevölkerung und vor allem ein Kampf um die Verfügungsgewalt über wirtschaftliche Ressourcen stehen, war mit der Wahl allerdings nicht beigelegt. Im Gegenteil: In 1993 und 1994 nahm sie das Ausmaß eines bewaffneten Konflikts an und eskalierte vor dem Hintergrund der für den 27. Juli 1997 anberaumten Präsidentschaftswahl im Juni 1997 zum Krieg.
Mitte Oktober wurden die Kampfhandlungen, die sich vor allem auf die Hauptstadt Brazzaville konzentrierten, die Wirtschaftsmetropole Pointe Noire hingegen weitgehend unbehelligt ließen, durch die Intervention angolanischer Truppen auf Seiten Sassou-Nguessos entscheidend beeinflußt. Angola war innenpolitisch zu dieser Intervention motiviert: Unita-Rebellen hatten im Lissouba-regierten Nachbarstaat Kongo-Brazzaville eine Rückzugsbasis, die Angola ihnen so entziehen wollte. Innerhalb weniger Tage konnte Sassou-Nguesso dank dieser Unterstützung den militärischen Sieg für sich verbuchen.
ERGEBNISSE DES KRIEGES
Lissouba und dessen exponierte Anhänger verließen das Land. Sassou-Nguesso schrieb sich die nationale Versöhnung auf die Fahnen, klagte aber gleichzeitig Lissouba und dessen Hauptverbündeten Bernard Kolélas, Ex-Bürgermeister von Brazzaville, der Menschenrechtsverletzung und weiterer Verbrechen an. Die Milizen, über die jede der Kriegsparteien verfügt und die in den Konflikten seit 1993 den Großteil der Kriegsführenden ausmachen, bestehen weiter. Auch die angolanischen Truppen befinden sich weiter im Lande. Das militärisch errungene Kriegsende vom Oktober 1997 ist somit als ein nur vorläufiges Ende zu betrachten.
Einer Wahl hat sich Sassou-Nguesso zunächst nicht gestellt; dennoch wurde er nach dem Oktober 1997 rasch von der internationalen Staatengemeinschaft anerkannt. Aufgrund des Krieges starben etwa 5.000 bis 8.000 Menschen. Etwa 700.000 Menschen wurden zu Flüchtlingen.
Christine Rosenbrock
231 Kongo-Brazzaville (aus KG 1999)
(Krieg)
Gut zwei Jahre liegt die vermeintliche Beendigung des Krieges in Kongo-Brazzaville – der militärische Sieg Sassou-Nguessos – zurück, aber von einem tatsächlichen Ende des Krieges kann keine Rede sein. Noch immer bekämpfen die Truppen des aus dem fünfmonatigen Krieg von 1997 als Sieger hervorgegangenen Sassou-Nguesso, der das Land seit Ende Oktober 1997 ohne demokratische Legitimierung regiert, die Milizen der gegnerischen Kriegspartei.
Sassou-Nguesso war von 1979-92 Staatschef von Kongo-Brazzaville gewesen. 1991/92 hatte er sich einer Demokratisierung seines Staates geöffnet und eine Transitionsphase vom "sozialistischen Einparteienregime" hin zu einer "präsidialen Demokratie" eingeleitet. Ergebnis der Demokratisierung war die Abwahl Sassou-Nguessos; neuer Präsident wurde Pascal Lissouba. Im Anschluß an diesen Wahlausgang war es bereits nach den vorgezogenen Parlamentswahlen im Mai 1993 zu Kampfhandlungen gekommen, die fast ein Jahr angedauert hatten. Aus dieser Zeit stammen die von den kriegführenden Parteien 1997 eingesetzten und bis jetzt eine wesentliche Rolle spielenden Milizen: die "Zoulous" bzw. "Cocoye-Milizen" des Ex-Präsidenten Lissouba, die "Kobras" der einstigen Einheitspartei "Parti congolais du travail" (PCT) des Staatsführers Sassou-Nguesso und die "Ninja-Miliz" von Bernard Kolélas (ehemaliger Bürgermeister von Brazzaville und Oppositionsführer sowie letzter Ministerpräsident Lissoubas).
Der Krieg war 1997 im Vorfeld der regulären Präsidentschaftswahlen ausgebrochen. Sassou-Nguesso hatte beabsichtigt, an der Spitze der "Forces démocratiques unies" (FDU) für die Wahl zu kandidieren. Ein Angriff der regulären Armee auf Sassou-Nguessos Wohnsitz war Anlaß zum Krieg, in dem vor allem die Hauptstadt Brazzaville stark umkämpft war. Im Oktober hatte das Eingreifen angolanischer Truppen auf Seiten Sassou-Nguessos erheblich zu dessen Sieg beigetragen. Angola hatte sich davon eine Kooperation in Bezug auf die angolanischen Rebellen versprochen, die im Lissouba-regierten Kongo ein nützliches Rückzugsgebiet hatten.
Kolélas und seine Ninjas hatten sich in den Kämpfen von 1997 zunächst neutral verhalten. Im Verlauf des Krieges schloß er sich dann Staatspräsident Lissouba an. Somit stand Kolélas bei Kriegsende auf der Verliererseite und mußte das Land verlassen. Die Ninja-Milizen zogen sich in die Pool-Region zurück. Diese Region, die um die Hauptstadt Brazzaville herum gelegen ist, ist eine traditionelle Hochburg Kolélas.
Lissouba und Kolélas sind im Oktober 1997 nach Europa geflohen. Die Rückkehr nach Kongo-Brazzaville ist ihnen verwehrt, da beide vom (neuen) kongolesischen Staat der Menschenrechtsverletzung sowie ökonomischer Verbrechen angeklagt wurden. Auch sind beide von den Spitzen ihrer Parteien entfernt worden. Kolélas und Lissouba beklagen die faktische internationale Anerkennung der neuen Staatsführung. Auch hat Lissouba in Paris eine Klage gegen den französischen Erdölkonzern Elf-Aquitaine eingereicht, den er beschuldigt, terroristische Aktionen ausgeführt zu haben und eine Teilverantwortung an Mordtaten zu tragen. Elf spielt in Kongo-Brazzaville eine erhebliche ökonomische Rolle, da der Konzern ein Quasi-Monopol an den Förderrechten der bedeutenden Erdölvorkommen des Landes hat. Elf und die französische Regierung werden beschuldigt, im Krieg Sassou-Nguesso unterstützt zu haben, da Lissouba Förderrechte an amerikanische Konkurrenzunternehmen vergeben wollte. In der Tat hat Sassou-Nguesso vor, während und nach dem Krieg ausgezeichnete Verbindungen zu französischen Staats- und Wirtschaftsvertretern unterhalten.
Nach der Machtübernahme im Oktober 1997 hatte Sassou-Nguesso eine nationale Versöhnung auf seine Fahne geschrieben. Die Entwaffnung der Milizen, entscheidender Schritt hin zu einer Befriedung des Landes, gelang aber offensichtlich nur ansatzweise; immer wieder kam es zu Gewalttaten. Im April 1998 etwa verübten Lissouba-treue Milizen einen Sabotageanschlag auf das Moukoukoulou-Wasserkraftwerk. Im November wurden bei einem Anschlag auf eine Versammlung von Würdenträgern und einer Vermittlungskommission für den Frieden in Minduli 13 Versammlungsmitglieder getötet. Bei dem Gegenschlag der Regierungstruppen starben zwanzig Ninja-Kämpfer. Solche "Säuberungsaktionen" der Regierungstruppen sollen neben willkürlichen Festnahmen auch Folterungen und illegale Hinrichtungen beinhaltet haben.
Gegen Ende des Jahres 1998 eskalierte die Situation in Brazzaville erneut. In den südlichen Vierteln der Hauptstadt, Bacongo und Makelekele, kam es zu schweren Kämpfen. Die Angaben zur Zahl der Menschen, die bei diesen Kämpfen in Brazzaville starben, reichen von mehreren Dutzend bis hin zu mehreren Tausend. Bei den Kämpfen, die sich in den Januar hinein fortsetzten und sich auch räumlich ausweiteten, wurden schwere Geschütze eingesetzt. Am 19. Dezember 1998 war von Brazzaville aus abgefeuerte Geschosse auch in Kinshasa eingeschlagen. Die Strom- und Wasserversorgung in Brazzaville war ausgefallen und es kam zu Plünderungen. Allein aufgrund dieser Krise zum Jahreswechsel sollen insgesamt 350.000 Menschen aus Brazzaville und anderen Städten des Landes geflohen sein. Geht man von einer Gesamtbevölkerungszahl von etwa 2,5 Millionen aus, so war demzufolge allein aufgrund der Krise zum Jahreswechsel 1998/99 jeder siebte Kongolese geflohen! Etwa 20.000 von ihnen sollen nach Kinshasa geflüchtet sein, die anderen haben Zuflucht in anderen Stadtvierteln Brazzavilles, vor allem aber im Hinterland gesucht.
Auch in der Pool-Region, die am 12. Dezember von Regierungstruppen abgeriegelt worden war, und in Nkayi, 300 Kilometer südwestlich von Brazzaville, fanden im Dezember 1998 schwere Kämpfe zwischen Regierungstruppen und Lissouba/Kolélas-treuen Cocoye- und Ninja-Milizen statt. In Nkayi, einer auf der Verbindungslinie von Brazzaville und Pointe-Noire gelegenen Stadt, soll es den Regierungstruppen mit Hilfe angolanischer Soldaten gelungen sein, die Ordnung in ihrem Sinne wiederherzustellen. Auch bei den Kämpfen in Dolisie im Februar 1999 sollen angolanische Truppen auf Seiten der regulären Armee mitgekämpft haben. Dolisie, ebenfalls auf der Achse Brazzaville – Pointe-Noire gelegen, glich im März einer Geisterstadt. Ein Großteil der Kämpfe aber fand in Brazzaville selbst, in der Pool-Region nahe Brazzaville und in den Städten und Gebieten entlang der Eisenbahnlinie zwischen der Hauptstadt und der Wirtschaftsmetropole Pointe-Noire statt. Seit Beginn des Jahres ist diese Eisenbahnlinie unterbrochen. Pointe-Noire selbst ist wie schon während der fünfmonatigen Kämpfe in 1997 von direkten Kampfhandlungen verschont geblieben. Im Mai fanden Kämpfe in den nördlichen Randgebieten Brazzavilles statt.
Ab Mitte des Berichtsjahres war vor allem die Region im größeren Umkreis Brazzavilles Kriegsaustragungsort, während sich in der Hauptstadt selbst relative Ruhe einstellte. So wurde im Juli aus Regierungskreisen der Tod von etwa 50 Milizionären aufgrund von Kämpfen in der Pool-Region gemeldet. Im August wurden bei schweren Gefechten nördlich der Hauptstadt mehrere Dutzend Milizionäre getötet. Am 22. und am 28. September gaben Regierungstruppen die Einnahme der Städte Zanaga im Südwesten und Kindamba etwa 100 Kilometer nordwestlich der Hauptstadt bekannt. Aussagen der Regierungsarmee zufolge sei mit Kindamba der letzte größere Stützpunkt der Kolélas-treuen Milizen eingenommen worden.
Im Laufe des Krieges hat es eine Reihe von gescheiterten Vermittlungsinitiativen gegeben. Für das Jahr 1999 ist der im Juni vorgebrachte Mediationsversuch des zentralafrikanischen Präsidenten Ange-Félix Patasse anzuführen, den die kongolesische Regierung ablehnte. Auch eine Anfang September von acht ehemaligen Ministern der Regierung Lissouba vorgebrachte Friedensinitiative blieb erfolglos. Ihr Vorschlag hatte neben konkreten Schritten zur Erlangung eines Waffenstillstandes eine fünfjährige Übergangsphase unter Präsident Sassou-Nguesso vorgesehen. Ebenfalls im September hatte Lissouba zur Entsendung einer afrikanischen Friedenstruppe aufgerufen sowie seine Dialogbereitschaft Sassou-Nguesso gegenüber signalisiert. Mitte November schließlich gab Sassou Nguesso den Abschluß eines Abkommens mit feindlichen Rebellenführern bekannt. Dieses Abkommen sieht einen Waffenstillstand sowie eine Amnestie für diejenigen Milizionäre vor, die ihre Waffen abgeben. Kolélas allerdings bezeichnete das Abkommen als eine Finte, und ein Vertreter der Rebellenkoalition, der auch Kolélas Ninja-Miliz angehört, sagte aus, nicht an den Gesprächen beteiligt gewesen zu sein.
Die Zivilbevölkerung ist weiter in erheblichem Maße vom Krieg betroffen. Zehntausende Frauen wurden vergewaltigt. 500.000 Menschen, also etwa jeder fünfte Kongolese, sind ihres Heimes beraubt oder aus ihm vertrieben worden. Ein Großteil der Flüchtlinge hat sich monatelang in den Regenwäldern aufgehalten und dort in Ermangelung von Nahrung, sanitären Einrichtungen, Krankenhäusern, Schulen etc. gelebt. Auch in Gabun hielten sich bereits Mitte des Jahres mehrere tausend Flüchtlinge aus Kongo-Brazzaville auf. UN-Angaben zufolge sterben täglich allein an Unterernährung zehn Menschen. Die verstärkte Rückkehr von Flüchtlingen nach Brazzaville seit dem Abflauen der Kämpfe in der Hauptstadt selbst vermindert die vitalen Probleme der Menschen kaum. Die desaströsen Lebensbedingungen der Flüchtlinge wurden auch durch eine UN-Mission – die bisher einzige UN-Mission in diesem Krieg – nach Kinkala 80 Kilometer westlich der Hauptstadt im September konstatiert. Die Organisation "Ärzte ohne Grenzen", die sich vor Ort engagiert, schildert die Lage ähnlich. Bereits im August hatte die kongolesische Regierung selber ein Eingreifen der internationalen Staatengemeinschaft gewünscht, um eine humanitäre Katastrophe unter den Flüchtlingen im Südwesten des Landes zu verhindern oder abzumildern. Amnesty International zufolge übten und üben alle Kriegsbeteiligten Gewalt gegen unbewaffnete Zivilisten aus; dazu gehören Vergewaltigungen, Hinrichtungen und der Einsatz schwerer Geschütze in dichtbesiedelten Gebieten.
Weiterführende Literatur und Informationsquellen:
Elisabeth Dorier-Appril. Guerres des milices et fragmentation urbaine à Brazzaville, in: Hérodote, Nr.86/87 (1997): 182-221.
Jean-Pierre Makouta-Mboukou. La destruction de Brazzaville ou la démocratie guillotinée. Paris 1998.
www.africanews.org/central/congo/
www.unhcr.ch/world/afri/congo.htm
www.msf.org/publications/activ_rep/1999/africa/congo.htm
Christine Rosenbrock
Bewaffnete Konflikte in Kongo-Brazzaville seit 1993
- Kongo-Brazzaville (2002 - )