Ruanda
Kriege in Ruanda seit 1945
Ruanda (Tutsi-Invasion aus Burundi, Uganda und Zaïre, 1963 - 1966)
AKUF-Datenbanknr.: |
72 |
Kriegsdauer: |
20.12.1963 - 1966 |
Kriegstyp: |
A-2 |
Kriegsbeendigung |
durch militärischen Sieg (Seite B) |
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Kriegführende |
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Seite A |
Inyenzi-Gruppen der Ruanda-Tutsi [1] |
Seite B |
Ruanda |
KONFLIKTGEGENSTAND UND -ZIELE
In Ruanda und Burundi, die von Belgien seit dem Ersten Weltkrieg gemeinsam als Ruanda-Urundi verwaltet wurden und 1962 getrennt die staatliche Unabhängigkeit erlangten, hatten Tutsi bereits in vorkolonialer Zeit über die vorwiegend bäuerliche Hutu-Majorität (jeweils 80-90% der Gesamtbevölkerung) voneinander getrennte Monarchien errichtet und den Bauern Abgaben abgepreßt. Die Tutsi-Privilegien in Staat, Gesellschaft und Wirtschaft waren in der Kolonialzeit weitgehend erhalten geblieben. [2] In Ruanda rebellierten die Hutu 1959 gewaltsam gegen die Unterdrückung. Belgische Truppen brachten die Situation zunächst militärisch unter Kontrolle, doch 1961 beseitigte ein Hutu-Staatsstreich die Tutsi-Monarchie. Sowohl 1959 als auch 1961 kam es zu kriegsähnlichen Zusammenstößen zwischen Hutu und Tutsi. Zehntausende Tutsi flüchteten in die Nachbarländer, von wo aus sie vor allem ab Ende 1963 militärische Versuche unternahmen, ihre Vorherrschaft, die in Burundi bestehen geblieben war, in Ruanda wiederherzustellen.
ERGEBNISSE DES KRIEGES
Die Tutsi-Invasoren erlitten bereits Anfang 1964 eine schwere militärische Niederlage. Sie versuchten allerdings auch danach mehrmals, letztlich erfolglos, die Restauration ihrer Dominanz militärisch zu erreichen. Erst nach einem Grenzabkommen zwischen Ruanda und Burundi im Jahre 1966 beruhigte sich die Lage. Durch den Krieg wurde die Position der Hutu in Ruanda gestärkt.
Auswirkungen gab es auch im Nachbarland Burundi. Dort kam es im Oktober 1965 gegen das politisch immer instabiler werdende Tutsi-Königshaus zu einem erfolglosen Putschversuch von Tutsi-Militärs und zu einem ebenfalls erfolglosen Gegencoup von Hutu-Militärs. Bei nachfolgenden Unruhen und Massakern wurde praktisch die gesamte Hutu-Elite Burundis getötet. 1966 wurde die Monarchie vom Tutsi-Militär beseitigt. Die Hutu spielten in politischen und militärischen Führungsrollen auf Jahre hinaus keine Rolle mehr.
In Ruanda eskalierte der Hutu-Tutsi-Gegensatz 1973 - im Zusammenhang mit dem Krieg in Burundi (vgl. Krieg Nr. 113) - erneut. Die Destabilisierung der innenpolitischen Lage führte im Juli 1973 zu einem Staatsstreich und zur Errichtung eines Militärregimes. Im Oktober 1990 unternahmen im Exil lebende Ruanda-Tutsi von Uganda aus einen erneuten Invasionsversuch (vgl. Krieg Nr. 189).
Die Kriegsereignisse ab 1963 und die bürgerkriegsähnlichen Unruhen der Jahre 1959 und 1961 forderten zusammen etwa 105.000 Todesopfer, darunter nur 3.000 Militärs. Die ökonomische und politische Entwicklung wurde durch die blutigen Zusammenstöße stark beeinträchtigt.
ANMERKUNGEN
[1] Die Inyenzi-Truppen organisierten sich aus ruandischen Tutsi, die 1959 und 1961 aus Ruanda nach Burundi, Uganda und Zaïre geflüchtet waren.
[2] Der Gegensatz zwischen Hutu und Tutsi macht sich primär an dem Zugang zu und dem Ausschluß von ökonomischen Chancen, sozialen Privilegien und/oder politischem Einfluß fest. Sprachlich und kulturell gibt es zwischen beiden Völkern, die sich äußerlich stark unterscheiden - die Hutu entstammen den kleinerwüchsigen Bantu-Völkern, die Tutsi sind eine auffällig großwüchsige nilotische Gruppe -, aufgrund des jahrhundertelangen engen Zusammenlebens kaum Unterschiede. Überdies kam es durch Heirat zu vielen familiären Verflechtungen und Vermischungen.
Uwe Polley / Peter Körner
Ruanda (Rebelleninvasion aus Uganda, 1990 - 1994)
AKUF-Datenbanknr.: |
189 |
Kriegsdauer: |
01.10.1990 - 19.07.1994 |
Kriegstyp: |
A-1 [1] |
Kriegsbeendigung |
durch militärischen Sieg (Seite A); Kämpfe unterhalb der Ebene Krieg |
Kriegführende |
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Seite A |
Front Patriotique Rwandais (FPR) |
Seite B |
Ruanda |
Intervention zugunsten B |
Zaïre (5.10.1990 - 10/1990) |
KONFLIKTGEGENSTAND UND -ZIELE
Der Konflikt zwischen den Ethnien Hutu und Tutsi resultiert aus sozialen Ungleichheiten zwischen beiden Bevölkerungsgruppen, die während der Kolonialherrschaft erheblich verschärft wurden, da diese die gesellschaftliche Vorherrschaft der Tutsi förderte. Anfang der 60er Jahre (vgl. Krieg Nr. 72) war diese Dominanz blutig beseitigt worden. Hunderttausende Tutsi waren vor Verfolgung durch die Hutu in die Nachbarländer geflohen. Gegen deren Rückkehr wehrte sich das Habyarimana-Regime in Kigali mit dem Argument einer angeblichen Überbevölkerung Ruandas.
Während der 80er Jahre formierte sich in Uganda mit der FPR eine schlagkräftige Rebellenorganisation, die sich vorwiegend aus den ca. 250.000 ruandischen Tutsis, die vor der Hutu-Machtübernahme geflohen waren, rekrutierte. Viele der FPR-Kämpfer hatten bei der National Resistance Army Ugandas Kriegserfahrungen gesammelt und dazu beigetragen, daß Museveni 1986 die Macht in Kampala erlangen konnte (vgl. Krieg Nr. 152) Der gleich zu Kriegsbeginn in Ruanda Anfang Oktober 1990 getötete FPR-Chef Fred Rwigyema war unter Museveni zum stellvertretenden Verteidigungsminister Ugandas aufgestiegen und galt als dessen Vertrauter. Im November 1989 kam es angeblich zum Bruch zwischen Rwigyema und Museveni. Nach der Entlassung aus dem ugandischen Amt organisierte Rwigyema die FPR, um das ruandische Habyarimana-Regime zu stürzen und die Rückkehr der in Uganda lebenden ruandischen Tutsi zu ermöglichen. Im Oktober 1990 griff die FPR von Uganda aus die ruandischen Truppen an.
Nachdem es zunächst den Anschein hatte, als ob sich eine ethnienübergreifende Anti-Regime-Koalition bilden würde und es auch zu Friedensverhandlungen in den Jahren 1992 und 1993 kam, eskalierten die Auseinandersetzungen 1994, und es kam zum Völkermord an der Tutsi-Bevölkerung. Zwischen April und Juli wurden mindestens 500.000 Angehörige der Tutsi von Teilen der Hutu ermordet, motiviert vor allem durch den befürchteten Machtverlust der radikalen Hutus und aufgehetzt durch Propaganda.
Erst durch das Vorrücken der FPR konnte der Genozid beendet werden, und Mitte Juli übernahm die FRR die Macht in Kigali.
ERGEBNISSE DES KRIEGES
Der anfängliche Eindruck, dass der Konflikt sich im Rahmen einer demokratischen Öffnung des Landes lösen könne, bestätigte sich durch die Ereignisse während und nach dem Völkermord 1994 nicht. Nach dem Genozid flohen mehrere hunderttausend Hutus in die Nachbarländer, vor allem nach Zaire. Die unter diesen Flüchtlingen befindlichen Rebellen kämpften in der Folgezeit gegen die neue ruandische Regierung, was 1996 zur Unterstützung Ruandas beim Sturz Mobutus in Zaire (vgl. Krieg Nr. 229) führte, aber für Ruanda keinen Frieden, sondern einen neuen Krieg brachte (vgl. Krieg Nr. 283).
ANMERKUNGEN
[1] Das Mobutu-Regime in Zaire schickte vorübergehend Soldaten nach Ruanda, die auf der Seite der ruandischen Armee kämpften; sie fielen jedoch durch Disziplinlosigkeit und Übergriffe gegen die Zivilbevölkerung auf und wurden nach einigen Tagen wieder abgezogen Auch Belgien (vorübergehend) und Frankreich entsandten Truppen, um, wie es offiziell hieß, den Schutz strategischer Einrichtungen in Kigali und die Evakuierung europäischer Bürger zu ermöglichen. Die Präsenz dieser Truppen - ungeklärt blieb, inwieweit sie tatsächlich in Kampfe verwickelt wurden - half, die militärische Kraft der ruandischen Armee gegen die Rebellen zu stärken.
Swenja Surminski /Wolfgang Schreiber
Ruanda (Rebelleninvasion aus Kongo-Kinshasa, 1997 - 2002)
AKUF-Datenbanknr.: |
283 |
Kriegsdauer: |
1997 - 05.10.2002 |
Kriegstyp: |
A-2 |
Kriegsbeendigung |
durch militärischen Sieg (Seite B) |
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Kriegführende |
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Seite A |
Interahamwe/Ex-Forces Armées Rwandaises (Ex-FAR) |
Seite B |
Ruanda |
KONFLIKTGEGENSTAND UND -ZIELE
Mit der Machtübernahme der Front Patriotique Rwandais (FPR) in Ruanda im Juli 1994 (siehe Krieg Nr. 189) wurden die Kämpfe nicht beendet, sondern unterhalb der Ebene Krieg weitergeführt. Insbesondere im ehemaligen Zaire (seit Mai 1997 Kongo-Kinshasa) konnten sich Teile der ehemaligen ruandischen Armee und der mit ihr verbündeten Hutu-Milizen derart reorganisieren, dass sie zu einem wichtigen militärischen Faktor in der Region wurden. Ihr Wiedererstarken führte im Oktober 1996 zur Unterstützung Ruandas für die Rebellen in Zaire, die wenige Monate später das Mobutu-Regime (vgl. Krieg Nr. 229).
Allerdings wurden die die Hutu-Milizen dabei nicht entscheidend geschwächt, sondern griffen aus dem Osten Kongo-Kinshasas zunächst wieder verstärkt direkt ruandisches Territorium an, was im Laufe des Jahres 1997 in einen erneuten Krieg mündete.
Swenja Surminski /Wolfgang Schreiber