Guinea
Kriege in Guinea seit 1945
Guinea (2000 - 2001)
AKUF-Datenbanknr.: |
259 |
Kriegsdauer: |
1.9. 2000 - 4/2001 |
Kriegstyp: |
A-2 |
Kriegsbeendigung |
durch militärischen Sieg Seite B |
Kriegführende |
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Seite A |
Union des Forces Démocratiques de Guinée (UFDG) |
Seite B |
Guinea |
KONFLIKTGEGENSTAND UND -ZIELE
Der im September 2000 begonnene Krieg zwischen dem guineischen Staat und der Rebellenbewegung Union des Forces Démocratiques de Guinée (UFDG) wurde mit einem militärischen Sieg Guineas im April 2001 zumindest vorläufig beendet. Der Krieg hatte eine starke internationale Komponente, da sowohl liberianische Regierungstruppen als auch sierra-leonische Rebellen der Revolutionary United Front (RUF) höchstwahrscheinlich direkt auf Seiten der Aufständischen an den Kämpfen beteiligt waren.
Die Hintergründe und Urheber der Kämpfe in Guinea sind bislang nicht mit Sicherheit festzustellen. Die guineische Regierung machte seit Beginn des Krieges die liberianische Regierung und die sierra-leonische Rebellenbewegung RUF für die Kampfhandlungen verantwortlich. Libyen und Burkina Faso wurden von ihr als Unterstützer der Rebellion bezeichnet. Wie in den Konflikten in Liberia und Sierra Leone spielten auch in Guinea ökonomische Faktoren eine wichtige Rolle. Die attackierten Regionen im Grenzgebiet sind reich an Diamanten- und Goldvorkommen. Laut Untersuchungen der UN sind Liberia, die RUF und Burkina Faso stark in den internationalen Diamantenschmuggel verwickelt. Es wird vermutet, dass die guineischen Rebellen aufgrund hieraus resultierender materieller Interessen unterstützt wurden.
Berichten zufolge waren Anführer und Beteiligte zweier gescheiterter Militärputsche der Jahre 1985 und 1996 maßgeblich für den Aufbau der guineischen Rebellengruppen verantwortlich. So übernahm im Juni 2001 der bis dahin unbekannte N'Fanly Kaba die Verantwortung für die Attacken in Guinea und erklärte, Anführer der Widerstandsbewegung Union des Forces pour une Guinee Nouvelle (UFGN) und ein enger Verbündeter der Putschisten von 1985 zu sein. Nach seinen Angaben bestand die Widerstandsbewegung aus Überlebenden der beiden Putschversuche, die sich in die Nachbarländer zurückgezogen haben sollen. Gbagbo Zoumanigui, einer der Anführer des Putschversuchs von 1996, soll der Kommandeur der Rebellen gewesen sein. Darüber hinaus bezeichnete der guineische Präsident Lansana Conté am 3. April 2001 in seiner jährlichen Rede an die Nation nicht näher genannte Oppositionspolitiker als Komplizen der Rebellen.
Zivile Oppositionskräfte in Guinea machten dagegen Präsident Conté für den Krieg mitverantwortlich. Insbesondere die katholische Kirche unter Führung von Erzbischof Robert Sarah beschuldigte die Regierung, Lager der liberianischen Rebellengruppe United Liberation Movement (ULIMO) in der Grenzregion um N'Zérékoré zu dulden. Die Regierung bestritt dies. Guinea hatte bereits in der Vergangenheit, während des Kriegs in Liberia (1989-1996) die damalige Regierung von Samuel Doe und nach dessen Sturz die Gegner des heutigen Präsidenten Charles Taylor unterstützt. Vereinzelte Angriffe liberianischer Rebellen von guineischem Territorium aus hatte es bereits 1999 gegeben, was zu Spannungen zwischen den beiden Nachbarländern führte. Diese Übergriffe verstärkten sich seit Juli 2000 (vgl. den Beitrag zu Liberia).
Die Auseinandersetzungen in Guinea begannen am 1. September 2000 mit dem Angriff einer kleinen bewaffneten Gruppe auf die Ortschaft Massadou nahe der Grenze zu Liberia. Dabei kamen 45 bis 80 Menschen ums Leben, darunter ein Mitarbeiter der UN-Flüchtlingsorganisation. Die Kampfhandlungen weiteten sich schnell aus und wurden an zwei Fronten geführt. Die eine lag im Südosten an der Grenze zu Liberia um die Städte Macenta, Kissoudougou und Guekedou. Hier sollen reguläre Truppen der liberianischen Armee an den Kämpfen beteiligt gewesen sein. Am heftigsten umkämpft war hier die Stadt Macenta, wo bis Ende November 2000 allein 270 Menschen getötet wurden. Die zweite Front befand sich im Südwesten in der Umgebung der Stadt Forécariah, südlich der Hauptstadt Conakry. Dort waren wahrscheinlich Rebellen der RUF aus Sierra Leone direkt involviert. Bei den Kämpfen wurden vermutlich seitens der guineischen Regierung auch israelische und ukrainische Söldner eingesetzt. Darüber hinaus wurden etwa 20.000 Jugendliche für Selbstverteidigungsmilizen rekrutiert.
Ins Blickfeld der internationalen Öffentlichkeit gelangten die Kampfhandlungen, weil die Grenzregion bis zum Ausbruch des Krieges Aufnahmegebiet für rund 400.000 sierra-leonische und liberianische Flüchtlinge war. Diese mussten aus der umkämpften Grenzregion ins Landesinnere verlegt werden. Dabei konnten zunächst nur wenige Flüchtlinge vom United Nations High Commissioner for Refugees (UNHCR) aus dem östlichen Kampfgebiet evakuiert werden, da es keine Einigung mit der guineischen Regierung über die Errichtung von Übergangslagern im Norden des Landes gab. Guinea befürchtete hierdurch ein Vordringen der Rebellen ins Landesinnere.
Im Jahr 2001 verfolgten guineische Soldaten zurückgeschlagene Rebellen bis nach Sierra Leone hinein und lieferten sich dort wiederholt Kämpfe mit der RUF oder guineischen Dissidenten. Im April 2001 gelang es den Regierungstruppen, die Aufständischen dauerhaft nach Liberia und Sierra Leone zurückzudrängen. Danach waren die Kämpfe weitgehend beendet. In den letzten Monaten des Berichtsjahres waren Teile der guineischen Armee in Sierra Leone im Rahmen der United Nations Mission in Sierra Leone (UNAMSIL) aktiv und beteiligten sich dort an der Entwaffnung von RUF-Kämpfern. Aufgrund der früheren bewaffneten Auseinandersetzungen verlangte die RUF wiederholt den Abzug der guineischen Soldaten, was Guinea aber ablehnte. Die Aktionen guineischer Truppen scheinen sich aber in letzter Zeit weniger auf die aktive Suche nach Rebellen zu konzentrieren als auf die Sicherung der Grenze.
Am 10. September 2001 zeichneten sich positive Veränderungen im Verhältnis zu Liberia ab. Die Außenminister der beiden Staaten trafen sich zusammen mit ihrem sierra-leonischen Kollegen im Rahmen der Wirtschaftsorganisation Manu River Union in Conakry. Dabei wurde die Lösung der Konflikte in der Region beraten und ein 1986 unterzeichnetes Abkommen über das Verbot gegenseitiger Aggression und über eine Kooperation in Sicherheitsfragen bestätigt. Treffen zwischen den Präsidenten der drei Länder wurden ebenfalls verabredet.
ERGEBNISSE DES KRIEGES
Die Kämpfe haben eine unbekannte Zahl von Toten gefordert. Etwa 70.000 Guineer wurden zu Binnenflüchtlingen und nach Angaben der guineischen Regierung entstanden Sachschäden von mehr als 250 Millionen US-Dollar. Durch den Krieg wurde der Staatsapparat geschwächt und die soziale und wirtschaftliche Situation in Guinea stark destabilisiert. Menschenrechtsverletzungen und Repressionen haben drastisch zugenommen. Die Bevölkerung des östlichen Kampfgebietes organisierte von der Regierung aufgelöste Demonstrationen gegen die Präsenz der liberianischen ULIMO-Rebellen. Dabei verloren mindestens zwei Menschen ihr Leben. Ein weiteres Problem bilden die von der Regierung für den Krieg aufgestellten Milizen. Sie haben sich zu einer Gefährdung für die innere Sicherheit entwickelt und werden für eine Reihe von Überfällen in der Hauptstadt Conakry verantwortlich gemacht, bei denen bislang etwa 20 Menschen starben.
Aissatou Cherif Balde