Äthiopien
Kriege in Äthiopien seit 1945
Äthiopien (Eritrea, 1962 - 1991)
AKUF-Datenbanknr. |
63 |
Kriegsdauer |
1962 - 5/1991 |
Kriegstyp |
B-2 |
Kriegsbeendigung |
durch militärischen Sieg |
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Kriegführende |
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Seite A |
Eritrean Liberation Front (ELF)1 (1962 - 1981) / Eritrean Liberation Front-Popular Liberation Forces (ELF-PLF)2 (1969 - 1988) / Eritrean Peoples Liberation Front (EPLF)3 (1976 - 5/1991) |
Seite B |
Äthiopien |
KONFLIKTGEGENSTAND UND -ZIELE
Das spätere Eritrea wurde Ende des letzten Jahrhunderts gegen den Widerstand Äthiopiens, das gleichfalls Ambitionen auf das Gebiet hatte, von Italien kolonisiert. Eritrea, am Roten Meer gelegen, diente Italien als Quelle agrarischer Rohstoffe, als Siedlungsgebiet für italienische Auswanderer und 1935/36 vor allem als Aufmarsch- und Rekrutierungsregion für die Eroberung Äthiopiens. 1941 wurde Eritrea von Großbritannien besetzt. 1950 unterstellte die UNO das Gebiet Eritrea - mit Autonomiestatus - Äthiopien. Äthiopien jedoch höhlte diesen Status schrittweise aus und verleibte sich 1962 Eritrea ein. Gegen diese Annexion und die damit verbundene ökonomische Ausbeutung und sozio-kulturelle Benachteiligung durch Äthiopien formierten sich militante Widerstandsbewegungen.
1962 nahm die ELF den bewaffneten Kampf für ein eigenständiges Eritrea auf. Nach Spaltung der Widerstandsbewegung und internen Kämpfen zwischen ELF und der sich neu formierenden sozialrevolutionären EPLF Anfang der 70er Jahre verdrängte die EPLF die ELF fast vollständig und führte danach den Widerstand gegen die äthiopische Zentralregierung unangefochten an.
ERGEBNISSE DES KRIEGES
Die Erfolge der EPLF, die ihre Offensiven nach mehrjähriger Unterbrechung seit 1988 wieder mit der Tigray Peoples Liberation Front (TPLF) koordinierte (vgl. Krieg Nr. 122), trugen entscheidend zum Sturz des Mengistu-Regimes in Addis Abeba 1991 und zur Auflösung der äthiopischen Armee bei. Für die Bevölkerung Eritreas eröffnete sich danach die Chance zur Selbstbestimmung. Nach einem Referendum wurde Eritrea im Mai 1993 unabhängig.
Dem Krieg fielen mehrere hunderttausend Menschen zum Opfer. Ackerbau, Handel, Verkehr und Versorgung wurden in Eritrea schwer beeinträchtigt.
ANMERKUNGEN
1 Die 1960 gegründete ELF verlor ab 1969 durch verschiedene Abspaltungen, die u.a. 1976 zur Gründung der EPLF führten, und durch militärische Auseinandersetzungen mit anderen Befreiungsbewegungen (vor allem der EPLF) ihre dominierende Stellung. Nach weiteren Spaltungen in den 80er Jahren versuchten 1988/89 vier Untergruppierungen der ELF erneut zu einem Bündnis zu kommen, vor allem wohl, um bei möglichen Verhandlungen mit der äthiopischen Regierung neben der EPLF als Verhandlungspartner bestehen zu können. Militärisch scheint die ELF seit ihrer Niederlage gegen die EPLF 1981 keine Rolle mehr gespielt zu haben.
2 1969 nach internen Konflikten in der ELF von dieser als Abspaltung unter Leitung eines der Gründer der ELF (Osman Saleh Sabbe) entstanden. Die ELF-PLF arbeitete ab 1971/72 mit zwei weiteren Abspaltungen der ELF, der sog. PLF2 und der sog. Ala-Gruppe zusammen, die sich beide ihrerseits 1973 vereinigten und den Kern der späteren EPLF bildeten.
3 Nach Auseinandersetzungen in der ELF-PLF (inkl. PLF2 und Ala-Gruppe) über einen Zusammenschluß mit der ELF zog sich Osman Saleh Sabbe mit einer kleinen Kampftruppe in den Sudan zurück; die zurückbleibende Mehrheit, die einen Anschluß an die ELF ablehnte (unter Ramadan Mohammed Nur und Isagas Afeworki), gründete 1976 die EPLF.
Siegfried Schröder / Peter Körner
Äthiopien (Ogaden I, 1963 - 1964)
AKUF-Datenbanknr. |
71 |
Kriegsdauer |
8/1963 - 12/1964 |
Kriegstyp |
B-2/BC-2/B-2 [1] |
Kriegsbeendigung |
durch militärischen Sieg Seite B |
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Kriegführende |
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Seite A |
Ogaden-Befreiungsfront [2] |
Seite B |
Äthiopien |
Seite A |
Somalia (6.2.1964 - 30.3.1964) |
KONFLIKTGEGENSTAND UND -ZIELE
1963 formierte sich die Ogaden-Befreiungsfront, eine Organisation der im äthiopischen Ogaden lebenden Somali-Nomaden, zu einer "Befreiungsarmee" und einer "Provisorischen Revolutionären Regierung". Von der äthiopischen Regierung forderte sie die Rücknahme von Besteuerungsbeschlüssen und das Zugeständnis von Autonomie. Die Autonomie sollte die ungehinderte Grenzüberschreitung nach Somalia einschließen, denn die Nomaden waren auf ihre traditionellen Wanderungen zu Weiden und Wasserstellen angewiesen. Obschon größere Eigenständigkeit oder sogar Sezession zu den Zielen des Ogaden-Aufstandes zählten, war der Anschluß an Somalia kein ausdrückliches Kriegsziel. Im Rahmen des Krieges kam es im Zeitraum zwischen dem 6. Februar und dem 31. März 1964 zu einem militärischen Konflikt zwischen Äthiopien und Somalia, der auf Vermittlung der OAU beendet wurde.
ERGEBNISSE DES KRIEGES
In dem Waffenstillstandsabkommen vom 30. März 1964, das die militärische Konfrontation zwischen Äthiopien und Somalia beendete, verpflichtete sich Somalia, die Unterstützung der Ogaden-Befreiungsfront einzustellen. In der zweiten Hälfte des Jahres 1964 gewannen äthiopische Regierungstruppen die territoriale Kontrolle über den Ogaden zurück. Danach versuchte die äthiopische Regierung, durch Maßnahmen wie Brunnen- und Schulbau sowie verbesserte medizinische Versorgung für die Nomaden den sozialen Sprengstoff in der Region zu entschärfen. Doch auch in den folgenden Jahren waren vereinzelte Sabotage-Aktionen gegen das Zentralregime zu verzeichnen. 1975 kam es erneut zum Krieg (vgl. Krieg Nr. 127).
Der Krieg forderte mindestens 2.000 Todesopfer.
ANMERKUNGEN
[1] Ob israelische Geheimdienstspezialisten in äthiopischen Anti-Guerilla-Einheiten eingesetzt worden sind, ist ebensowenig bewiesen wie die Vermutung, daß somalische Soldaten auf der Seite der Ogaden-Befreiungsfront mitgekämpft haben (vgl. Matthies 1977:205-207).
[2] Inhaltliche, personelle und organisatorische Kontinuitäten mit der später auftretenden Western Somali Liberation Front (WSLF) sind ungeklärt.
Siegfried Schröder / Peter Körner
Äthiopien (Ogaden II, 1975 - 1984)
AKUF-Datenbanknr. |
127 |
Kriegsdauer |
1975 - 1984 |
Kriegstyp |
B-2/BC-1/B-1 [1] |
Kriegsbeendigung |
durch Vermittlung Dritter (sonstiger Drittstaaten) |
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Kriegführende |
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Seite A |
Somalia (7/1977 - 3/1978)/Western Somali Liberation Front (WSLF) [2] |
Seite B |
Äthiopien |
Intervention zugunsten Seite B |
Kuba (22.12.1977 - 1984) |
KONFLIKTGEGENSTAND UND -ZIELE
Der von Somalia unterstützte Aufstand der WSLF gegen die äthiopische Zentralregierung hatte das Ziel, den von Somali bevölkerten Ogaden von Äthiopien abzuspalten. In einer zweiten Phase, die von Juli 1977 bis März 1978 dauerte, eskalierte der Krieg zu einem Krieg zwischen Äthiopien und Somalia; dabei strebte Somalia direkt die Angliederung des Ogaden an sein Staatsgebiet an. Nach der militärischen Niederlage Somalias beschränkte sich der Krieg auf eine langjährige militärische Konfrontation der WSLF-Guerilla mit dem äthiopischen Staat. Je mehr sich das Blatt zuungunsten der Guerilla wendete, desto mehr ließ sie von dem Sezessionsziel ab und verlagerte die Zielsetzung in Richtung Selbstbestimmungsrecht und Autonomie.
ERGEBNISSE DES KRIEGES
Der Eroberungskrieg Somalias endete mit einer militärischen Niederlage und dem territorialen Status quo ante. Der Guerilla-Krieg der Ogaden-Somali gegen Äthiopien führte zur Auszehrung der WSLF, ohne daß diese ihr Minimalziel Autonomie erreichen konnte.
Die Kriegshandlungen forderten ca. 109.000 Todesopfer und zahlreiche Verwundete, darunter ein erheblicher Teil während der zwischenstaatlichen Konfrontation Äthiopien-Somalia 1977/78. Weitere Folgen waren Vertreibung, Verwüstung und Hunger. Etwa 840.000 Menschen flüchteten aus dem Ogaden nach Somalia.
ANMERKUNGEN
[1] Bis zu 1.500 Militärberater aus der UdSSR und der DDR sollen ab Ende 1977 das Regime in Addis Abeba unterstützt haben (1988 noch über 400), vor allem in technischen Fragen und militärischer Führung, möglicherweise auch in der direkten Führung von Kampfeinheiten und als Piloten (Matthies 1987a; ACR; Hofmeier 1989a).
[2] Die WSLF scheint zeitweise mit der Somali Abo Liberation Front (SALF), einer duch Teile der Oromo-Ethnie im Süden Äthiopiens sowie durch Somalia unterstützten Rebellenbewegung, zusammengearbeitet zu haben. Ausmaß und Kontinuität dieser Zusammenarbeit lassen sich nicht abschätzen (vgl. ACR, u.a. 1979/80).
Siegfried Schröder
Äthiopien (Tigray, 1975 - 1991)
AKUF-Datenbanknr. |
122 |
Kriegsdauer |
1975 - 5/1991 |
Kriegstyp |
B-2/BA-2 |
Kriegsbeendigung |
durch militärischen Sieg Seite A |
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Kriegführende |
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Seite A |
Tigray Peoples Liberation Front (TPLF) [1] / Tigray Liberation Front (TLF) [2] (1975 - 1976) / Ethiopian Peoples Revolutionary Party (EPRP) / Ethiopian Democratic Union (EDU) [3] (1977 - 5/1991) / Ethiopian Peoples Democratic Movement (EPDM) [4] (11/1980 - 5/1991) |
Seite B |
Äthiopien |
KONFLIKTGEGENSTAND UND -ZIELE
Bis in die späten 80er Jahre ging es den Widerstandsgruppen um gerechtere ökonomische und politische Beteiligung der im Norden gelegenen Tigray-Region; Ziele waren eine ausgewogenere Ressourcenverteilung und regionale Autonomie, evtl. sogar Sezession. Spätestens seit dem Zusammenschluß der TPLF mit der EPDM wurde die ehedem regionalistisch-ethnische Ausrichtung zugunsten einer nationalen, gesamtäthiopischen Orientierung aufgegeben (Demokratisierung/Dezentralisierung).
ERGEBNISSE DES KRIEGES Die EPRDF wurde nach dem Sturz der Zentralregierung zur dominierenden Kraft und stellte den Präsidenten. Eine einberufene Nationalkonferenz beschloß eine Charta, die u.a. den Völkern Äthiopiens das Recht auf Selbstbestimmung zugesteht. Äthiopien selbst wurde vorerst in 14 Regionen aufgeteilt und die Truppen der EPRDF übernahmen auf Beschluß des Parlaments nationale Verteidigungsaufgaben. Hieraus aber resultierte neuer Konfliktstoff unter den Ethnien Äthiopiens (vgl. Krieg Nr. 131).
Den Kampfhandlungen in Tigray fielen über 20.000 Menschen zum Opfer.
ANMERKUNGEN
[1] 1974 als Tigray National Organisation (TNO) an der Universität Addis Abeba gegründet, 1975 in TPLF umbenannt.
[2] Wahrscheinlich 1974 als Studentenorganisation an der Universität Addis Abeba gegründet. Nach ihrer Flucht nach Eritrea fand sie Unterstützung durch die Eritrean Liberation Front (ELF) und nahm den bewaffneten Kampf auf. 1976 wurde sie durch die TPLF zerschlagen.
[3] Wahrscheinlich seit 1977 aktiv. Konservativ-monarchistische Gruppierung, 1978 von der Zentralregierung besiegt, anschließend von der TPLF in den Sudan vertrieben. Soll noch 1990 mit den äthiopischen Regierungstruppen zusammengearbeitet haben.
[4] 1980 als Abspaltung (sog. Demokratische Kräfte) der EPRP gegründet, der TPLF wohlgesonnen, gesamtäthiopisches (d.h. nicht-ethnisches) Selbstverständnis. 1988 hat sie sich mit der TPLF zur Ethiopian People's Revolutionary Democratic Front (EPRDF) zusammengeschlossen.
Siegfried Schröder / Peter Körner
Äthiopien (Oromo, 1976 - 1993)
AKUF-Datenbanknr. |
131 |
Kriegsdauer |
1975 - 1984 |
Kriegstyp |
B-2/BC-1/B-1 [1] |
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Kriegsführende |
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Seite A |
Somalia (7/1977 - 3/1978) / Western Somali Liberation Front (WSLF) [2] |
Seite B |
Äthiopien |
Intervention zugunsten B |
Kuba (22.12.1977 - 1984) |
KONFLIKTGEGENSTAND UND -ZIELE
Der von Somalia unterstützte Aufstand der WSLF gegen die äthiopische Zentralregierung hatte das Ziel, den von Somali bevölkerten Ogaden von Äthiopien abzuspalten. In einer zweiten Phase, die von Juli 1977 bis März 1978 dauerte, eskalierte der Krieg zu einem Krieg zwischen Äthiopien und Somalia; dabei strebte Somalia direkt die Angliederung des Ogaden an sein Staatsgebiet an. Nach der militärischen Niederlage Somalias beschränkte sich der Krieg auf eine langjährige militärische Konfrontation der WSLF-Guerilla mit dem äthiopischen Staat. Je mehr sich das Blatt zuungunsten der Guerilla wendete, desto mehr ließ sie von dem Sezessionsziel ab und verlagerte die Zielsetzung in Richtung Selbstbestimmungsrecht und Autonomie.
ERGEBNISSE DES KRIEGES
Der Eroberungskrieg Somalias endete mit einer militärischen Niederlage und dem territorialen Status quo ante. Der Guerilla-Krieg der Ogaden-Somali gegen Äthiopien führte zur Auszehrung der WSLF, ohne daß diese ihr Minimalziel Autonomie erreichen konnte.
Die Kriegshandlungen forderten ca. 109.000 Todesopfer und zahlreiche Verwundete, darunter ein erheblicher Teil während der zwischenstaatlichen Konfrontation Äthiopien-Somalia 1977/78. Weitere Folgen waren Vertreibung, Verwüstung und Hunger. Etwa 840.000 Menschen flüchteten aus dem Ogaden nach Somalia.
ANMERKUNGEN
[1] Bis zu 1.500 Militärberater aus der UdSSR und der DDR sollen ab Ende 1977 das Regime in Addis Abeba unterstützt haben (1988 noch über 400), vor allem in technischen Fragen und militärischer Führung, möglicherweise auch in der direkten Führung von Kampfeinheiten und als Piloten (Matthies 1987a; ACR; Hofmeier 1989a).
[2] Die WSLF scheint zeitweise mit der Somali Abo Liberation Front (SALF), einer duch Teile der Oromo-Ethnie im Süden Äthiopiens sowie durch Somalia unterstützten Rebellenbewegung, zusammengearbeitet zu haben. Ausmaß und Kontinuität dieser Zusammenarbeit lassen sich nicht abschätzen (vgl. ACR, u.a. 1979/80).
Siegfried Schröder
Eritrea/Äthiopien (1998 - 2000)
AKUF-Datenbanknr. |
236 |
Kriegsdauer |
6.5.1998 - 18.6.2000 |
Kriegstyp |
C-2 |
Kriegsbeendigung |
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Kriegführende |
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Seite A |
Ähtiopien |
Seite B |
Eritrea |
KONFLIKTGEGENSTAND UND ZIELE
Der im Mai 1998 ausgebrochene Krieg zwischen Eritrea und Äthiopien wurde im Juni 2000 mit dem militärischen Sieg Äthiopiens beendet. Eritrea und Äthiopien haben noch im Juni ein Waffenstillstandsabkommen und im Dezember einen Friedensvertrag unterzeichnet. Eine UN-Blauhelmtruppe soll nun den Rückzug der äthiopischen Armee aus Eritrea überwachen und gleichzeitig eine 25 Kilometer breite Pufferzone auf eritreischem Grenzgebiet errichten, um ein Wiederaufflammen der Kämpfe zu verhindern. Der genaue Grenzverlauf zwischen den beiden Staaten soll durch ein Schiedsgericht festgelegt werden.
Der Gegenstand des Krieges war der seit der letztlich einvernehmlichen Loslösung Eritreas von Äthiopien 1993 ungeklärte Grenzverlauf zwischen beiden Staaten. Eritrea beansprucht das Territorium der ehemaligen italienischen Kolonie und beruft sich dabei auf Verträge, die 1900, 1902 und 1908 zwischen Großbritannien, Italien und Äthiopien (Abessinien) ausgehandelt wurden. Vor diesem Hintergrund beschuldigte Eritrea die nordäthiopische Regionalverwaltung von Tigray, sich bereits seit 1992 eritreisches Territorium anzueignen. Äthiopien dagegen argumentierte, dass die kolonialen Vertragsvereinbarungen niemals umgesetzt und die umstrittenen Gebiete seit jeher von Äthiopien verwaltet worden seien.
Da beide Staaten nach der Sezession Eritreas ihre freundschaftlichen Beziehungen und enge Zusammenarbeit betonten, hat der Ausbruch des Krieges im Mai 1998 sowohl die internationale Öffentlichkeit als auch die Bevölkerungen beider Staaten überrascht. Die Regierungen beider Länder sind Nachfolger der Aufstandsbewegungen, die sich im Kampf gegen die sozialistische Militärdiktatur in Äthiopien unter Mengistu Haile Mariam verbündeten und im Mai 1991 dessen Herrschaft beendeten. In Äthiopien bildete das von der ehemaligen Tigray People Liberation Front (TPLF) dominierte Bündnis Ethiopian Peoples' Revolutionary Democratic Front (EPRDF) eine Über-gangsregierung unter dem ehemaligen TPLF-Vorsitzenden Meles Zenawi. Die TPLF benötigte zur politischen Absicherung ihrer militärischen Vormachtstellung in der EPRDF und zur Konsolidierung ihres Minderheitsregimes vor allem "Ruhe" an der Nordfront, die sie sich mit der Anerkennung der Unabhängigkeit Eritreas sicherte. In Eritrea benötigte die 1994 unter dem Vorsitz von Issayas Afewerki in People's Front for Democracy and Justice (PFDJ) umbenannte ehemalige Sezessionsbewegung Eritrean People Liberation Front (EPLF) die Unterstützung der TPLF, die ihr trotz starker Widerstände in Äthiopien die Unabhängigkeit zusicherte und damit die Bildung des eritreischen Staates ermöglichte.
Tatsächlich aber begannen zwischen den beiden Staaten in der Folge Konflikte zu schwelen, die weniger im Grenzverlauf als vielmehr in einer von beiden Staaten verfolgten, gegensätzlichen Zielsetzung wurzelten. Auf der Seite Eritreas bestand das Bestreben, sich politisch und ökonomisch von Äthiopien zu lösen. Äthiopien wiederum wollte langfristig eine ökonomische und politische Union mit Eritrea bilden. Nach der Unabhängigkeit Eritreas verfolgte Äthiopien die Strategie, durch weitreichende wirtschaftliche Zugeständnisse die Abhängigkeit Eritreas von Äthiopien zu verstärken. So schlossen Äthiopien und Eritrea ein Kooperationsabkommen, in dem der ungehinderte, zollfreie Handel vereinbart wurde, wodurch für Eritrea der große äthiopische Markt geöffnet wurde. Der zwischenstaatliche Handel wurde außerdem dadurch erleichtert, dass Eritrea die äthiopische Währung Birr übernahm und von der äthiopischen Nationalbank mit den erforderlichen Zahlungsmitteln ausgestattet wurde. Im Gegenzug wurde der eritreische Hafen in Assab zum Freihafen erklärt, und Äthiopien konnte gegen eine Nutzungsgebühr für die Hafenanlagen seine Güter zollfrei über den Hafen einführen. Außerdem durfte Äthiopien die Raffinerie in Assab nutzen, wofür Eritrea 30 Prozent des Rohöls erhielt. Eritrea, selbst ökonomisch weitgehend unterentwickelt, war zwar auf die wirtschaftliche Unterstützung Äthiopiens angewiesen, gleichzeitig jedoch darum bemüht, seine Unabhängigkeit auch wirtschaftlich abzusichern.
Erste öffentliche Auseinandersetzungen wurden schließlich Ende 1996 geführt, als Eritrea die Nutzungsgebühren für die Raffinerie in Assab um 10 Prozent anhob, woraufhin Äthiopien auf den Abbau von Rohöl zugunsten der Einfuhr petrochemischer Produkte aus anderen Staaten verzichtete. Die folgende Schließung der unrentabel gewordenen Raffinerie stellte vor allem für Eritrea einen hohen finanziellen Verlust dar, da es von nun an petrochemische Produkte vom Weltmarkt beziehen und in harter Währung bezahlen musste. Die eritreische Regierung entschied sich im November 1997 für die Einführung einer eigenen Währung, den Nakfa, und beendete damit die bislang bestehende Währungsunion mit Äthiopien. Dennoch wollte Eritrea die von der äthiopischen Zentralbank bereitgestellten Birr-Noten behalten und damit seinen Handel mit Äthiopien abwickeln. Äthiopien reagierte mit der Einführung neuer Birr-Noten und beendete die zuvor Eritrea zugestandenen Handelspräferenzen. Der zwischenstaatliche Handel wurde von nun an in harter Währung abgewickelt.
Vor dem Hintergrund wachsender wirtschaftlicher Spannungen erhielt auch die territoriale Frage neues Gewicht. Eine erste Eskalation des Grenz-konflikts zeichnete sich bereits im Juli 1997 ab, als äthiopische Armeeeinheiten in den eritreischen Grenzabschnitt um die Stadt Adi Murug einmarschierten und die eritreischen Lokalverwaltungen durch eigene Administrationen ersetzten. Im August wurde daraufhin eine bilaterale Grenzkommission eingesetzt, die es jedoch versäumte, eine zügige Lösung des Konflikts auszuarbeiten. Noch bevor die Kommission am 8. Mai 1998 zu ihrer zweiten Verhandlungsrunde zusammentraf, ereignete sich in der Grenzstadt Badme ein bis heute ungeklärter Schusswechsel zwischen eritreischen und äthiopischen Sicherheitskräften, der auf beiden Seiten Todesopfer forderte und den über zweijährigen Grenzkrieg auslöste. Am 12. Mai 1998 besetzten eritreische Streitkräfte das rund 400 Quadratkilometer umfassende Grenzgebiet im Yirga-Dreieck um die beiden Städte Badme und Shirao. Äthiopien forderte am darauf folgenden Tag den bedingungslosen Rückzug der eritreischen Truppenverbände, verlegte Militäreinheiten in großem Umfang an die Grenze und verhängte einen totalen Wirtschaftsboykott über Eritrea. Im Gegenzug schloss Eritrea die Hafenanlagen in Assab und Massawa, über die Äthiopien vor 1998 mehr als zwei Drittel seines Außenhandels abgewickelt hatte.
Die Truppenverlegung und der Wirtschaftsboykott wurden von Eritrea als Kriegserklärung und als Versuch der Beendigung der Unabhängigkeit Eritreas interpretiert und eine allgemeine Mobilmachung angeordnet. Noch im Mai und Juni besetzten eritreische Streitkräfte den zentralen Grenzabschnitt um die Städte Zalambassa und Tserona. Am 5. Juni 1998 bombardierte die äthiopische Luftwaffe den Flughafen in der eritreischen Hauptstadt Asmara und nahezu gleichzeitig wurde von Eritrea Mekele, die regionale Hauptstadt der nordäthiopischen Provinz Tigray bombardiert. Bei den eritreischen Angriffen wurden auch zivile Ziele, insbesondere eine Schule bombardiert, 51 Schüler und Lehrer getötet und 136 Menschen verwundet. Die Kämpfe dehnten sich rasch in die östliche Grenzregion, südlich der eritreischen Hafenstadt Assab aus. Unter Vermittlung des US-amerikanischen Präsidenten Bill Clinton wurde schließlich am 15. Juni 1998 eine Einstellung der Luftangriffe vereinbart. Gleichzeitig wurden die Kampfhandlungen bis auf sporadische Schusswechsel weitgehend eingestellt, was vor allem auf die einsetzende Regenzeit, durch die der Einsatz von Bodentruppen wesentlich erschwert wurde, zurückzuführen ist.
Die zeitlich begrenzte Waffenruhe wurde sowohl von Äthiopien als auch Eritrea zum Ausbau ihrer militärischen Kapazitäten genützt. Eritrea hat seine Truppenstärke bis Ende 1999 von rund 46.000 auf über 200.000, Äthiopien von etwa 120.000 auf über 300.000 Soldaten erhöht. Die Rüstungsausgaben beider Staaten stiegen stark an und sollen zwischen Mai 1998 und Februar 1999 insgesamt über 600 Millionen US-Dollar betragen haben. Die Mobilisierungskampagne wurde in beiden Staaten von einer massiven Kriegspropaganda begleitet. In Äthiopien lebende Eritreer, von denen viele bislang als äthiopische Staatsangehörige galten, wurden zu feindlichen Personen erklärt. Zwischen 1998 und 1999 wurden über 68.000 Eritreer unter dem Vorwurf der Spionage oder der Unterstützung der "eritreischen Aggression" aus Äthiopien ausgewiesen und große Teile ihres Eigentums von der äthiopischen Regierung beschlagnahmt. Zum Teil wurden sie unter Missachtung geltenden Völkerrechts ungeschützt durch Kampfgebiete transportiert und an der äthiopisch-eritreischen Grenze ausgesetzt. Zehntausende Äthiopier mit familiären Bindungen nach Eritrea sollen aus Angst vor den zunehmenden Übergriffen und Verhaftungen vorwiegend in OECD-Länder geflohen sein. Zwar behauptet Äthiopien, dass auch Eritrea äthiopische Staatsbürger ausgewiesen habe, Vermittler der Organisation of African Unity (OAU) konnten jedoch keine systematische Vertreibung in Eritrea feststellen.
Mit dem Ende der Regenzeit und nach sieben Monaten weitgehender Waffenruhe eskalierte der Krieg erneut. Bei den im Februar und März 1999 in mehreren Grenzregionen ausgetragenen Bodenkämpfen wurden tausende Soldaten getötet und zehntausende Zivilisten vertrieben. Die eritreischen Streitkräfte mussten sich bis Ende Februar aus Badme zurückziehen, worauf der eritreische Präsident Afewerki sich plötzlich zur Annahme eines bereits im Dezember 1998 von der OAU vorgelegten Friedensplanes entschied, den er zuvor kategorisch abgelehnt hatte, weil er eine Räumung und Unterstellung der nun verlorenen Gebiete unter eine internationale Schutztruppe vorsah. Anfang März konzentrierten sich die Kämpfe in der zentralen Grenzregion um Tserona und Zalambassa. Innerhalb weniger Tage sollen hier zwischen 15.000 und 20.000 Soldaten, in der Mehrzahl Äthiopier, gefallen sein. Da keine der beiden Seiten Geländegewinne erzielen konnte, ließ die Intensität der Bodenkämpfe im März 1999 nach. Anfang April begann Äthiopien erneut mit Luftangriffen auf militärische Einrichtungen in Eritrea, bombardierte im Mai und Juni die eritreischen Hafenanlagen in Massawa und Assab und verstieß damit gegen die 1998 ausgehandelte Vereinbarung.
Während der Regenzeit von Juli bis September 1999 flauten die Kämpfe erwartungsgemäß wieder ab, was den Bemühungen der OAU auf eine Beile-gung des Konfliktes neue Hoffnung verlieh. Nachdem es zunächst so aussah, als ob sich beide Seiten auf einen neuen Friedensplan einigen könnten - Eri-trea hatte dem Plan bereits zugestimmt - verkündete Zenawi pünktlich zum Ende der Regenzeit Mitte September seine Skepsis gegenüber den "techni-schen Arrangements" des OAU-Friedensplanes, der einen Rückzug Eritreas aus den seit Mai eingenommen Regionen nicht vollständig garantiere, und lehnte schließlich im Dezember 1999 den Friedensplan endgültig ab. Abge-sehen von gelegentlichen Schusswechseln eskalierte der Krieg erst im Mai 2000 erneut. Am 12. Mai startete Äthiopien eine Großoffensive und innerhalb von nur 14 Tagen gelang es den äthiopischen Truppen alle umstrittenen Grenzregionen zu erobern. Obwohl beide Seiten am 26. Mai ihre Bereitschaft zu Waffenstillstandsverhandlungen erklärten, wurden die Kämpfe mit Artilleriegefechten und äthiopischen Luftangriffen auf militärische Ziele unvermin-dert weitergeführt.
ERGEBNISSE DES KRIEGES
Zenawi erklärte die Kampfhandlungen am 31. Mai für beendet, und es begannen unter der Schirmherrschaft der OAU Friedensverhandlungen in Algier. Trotzdem wurden die Kämpfe auch noch in den in den ersten beiden Juniwochen fortgesetzt. Am 18. Juni 2000 unterzeichneten die Außenminister von Äthiopien und Eritrea schließlich eine Vereinbarung zur sofortigen Ein-stellung der militärischen Auseinandersetzungen. Eine rund 4.000 Soldaten umfassende Blauhelmtruppe soll im Rahmen der United Nations Mission in Ethiopia and Eritrea (UNMEE) den Abzug der äthiopischen Streitkräfte auf die Positionen vor Ausbruch des Krieges überwachen, eine "temporäre Sicherheitszone" zwischen den beiden Staaten errichten und den Einsatz einer neutralen Grenzkommission ermöglichen. Ende Juli wurden vom UN-Sicherheitsrat die ersten 100 Beobachter zur Vorbereitung der UNMEE in die Region entsandt.
Während des Krieges wurden zehntausende Menschen auf beiden Seiten getötet. Laut UN-Angaben sollen in Eritrea durch den Krieg fast 1 Million Menschen - und damit fast jeder dritte Eritreer - zu Binnenflüchtlingen ge-worden und über 90.000 Menschen in den Sudan geflüchtet sein. Die Mas-senflucht, die äthiopischen Deportationen von Eritreern und die durch den Krieg und eine anhaltende Dürreperiode schwer beeinträchtigte landwirtschaftliche Produktion haben in Eritrea eine Lebensmittelknappheit ausgelöst. Nach Angaben des World Food Programme (WFP) sollen über 300.000 Flüchtlinge, nach Angaben von UNICEF insgesamt 850.000 Eritreer auf internationale Nahrungsmittellieferungen angewiesen sein. Äthiopien gibt die Zahl von 350.000 während des Krieges vertriebenen Menschen an. Im südlichen Äthiopien sollen außerdem zwischen 8 und 10 Millionen Menschen von Lebensmittelknappheit bedroht sein, was jedoch eher auf die ausbleibenden Regenfälle als auf die Kriegshandlungen zurückzuführen ist. Durch den Krieg und die damit verbundenen Staatsausgaben wurde die wirtschaftliche Entwicklung in den beiden Staaten, die ohnehin bereits zu den ärmsten der Welt zählten, enorm zurückgeworfen. Gleichzeitig wurde in beiden Staaten eine Welle des Nationalismus ausgelöst und die jeweils herrschenden Regierungseliten wurden in ihrer Machtposition gestärkt.
Jutta Bakonyi