Bedeutung mikropolitischen Handelns als Gesundheitsressource in entgrenzten Arbeitskontexten
Die Tendenzen der Subjektivierung und Entgrenzung von Arbeit bergen hinsichtlich ihrer Wirkung auf die psychische Gesundheit der Beschäftigten Gefahren; die hohen, weit in die private Sphäre hineinreichenden Erwartungen an Flexibilität und Engagement führen bei den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern zu Symptomen der Anspannung und Erschöpfung bis hin zum Burnout. Da von betrieblicher Seite bisher wenig getan wird, um diesen Stress zu reduzieren, rücken subjektive Bewältigungsstrategien in den Fokus. Wie kann ein gesundheitsförderlicher Umgang mit entgrenzten Arbeitskontexten gelingen? – Erste Ergebnisse unserer explorativen Untersuchung weisen darauf hin, dass mikropolitisches Handeln hier eine Schlüsselkompetenz darstellen könnte: Ein bewusster, strategischer Umgang mit Anforderungen und Erwartungen – unter taktischer Bezugnahme auf die normativen Selbstverständlichkeiten des Feldes – scheint effektive Abgrenzung zu ermöglichen und damit das Stresslevel zu senken, wo der organisationale Zugriff die eigene Balance zu zerstören droht.
Dieser Zusammenhang soll in unserer Forschungsstudie näher untersucht werden, und zwar unter Einbezug sowohl der mikropolitischen als auch der kulturellen Folie. Da wir davon ausgehen, dass die Kultur eines Faches bzw. einer Branche wesentlichen Einfluss darauf hat, wie hier sinnvoll strategisch agiert werden kann, ist die komparative Untersuchung verschiedener gesundheitsriskanter (kulturell jedoch signifikant unterschiedlicher) ‚Arbeitsfelder‘ geplant, in denen parallel die Feldkultur als normativer Rahmen und mikropolitisches Handeln zur eigenen Gesunderhaltung eruiert werden sollen.
Wir verfolgen eine duale Strategie:
- Qualitative Leitfadeninterviews mit insgesamt 20 Mitgliedern einer bzw. mehrerer ausgewählter Organisation pro Feld, mit Hilfe derer die spezifische Situation der Befragten und ihre individuellen Strategien eruiert werden sollen und die optimalerweise gleichzeitig Material liefern, das auf die Feldkultur schließen lässt
- Dokumentenanalyse (Website, Flyer, Werbeanzeigen, Kampagnen…) der Organisationen, deren Mitarbeiter/innen von uns befragt werden, um so weitere Hinweise auf lokale Normen, Werte und Leitbilder zu generieren
Bis dato haben wir ca. 20 Interviews mit Beschäftigten aus dem Arbeitsfeld „Soziale Arbeit“ geführt und parallel dazu eine Dokumentenanalyse durchgeführt. Die Untersuchung weiterer Felder ist in Planung.
Die Ergebnisse sollen theoretische Anknüpfungspunkte für die Organisationskulturforschung sowie für die organisationale Mikropolitikforschung liefern – eine Untersuchung zu mikropolitischen Strategien im Hinblick auf ein spezifisches Ziel (Gesundbleiben) in unterschiedlichen kulturellen Kontexten wurde u.E. bisher nicht durchgeführt. Praktisch möchten wir relevante Erkenntnisse für mögliche Maßnahmen der betrieblichen Gesundheitsförderung liefern; insbesondere besteht unser Ziel darin, die strategische Position von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern unter entgrenzten Bedingungen systematisch zu verbessern, d.h. sie (z.B. mit Hilfe von Workshops, individuellen Trainings etc.) in die Lage zu versetzen, ihre Gesundheit effektiv zu schützen.