Marokko
Kriege in Marokko seit 1945
Marokko (Dekolonisation, Istiqlal, 1952 - 1956)
AKUF-Datenbanknr.: |
30 |
Kriegsdauer: |
07.12.1952 - 02.03.1956 |
Kriegstyp: |
D-2 |
Kriegsbeendigung |
durch Vereinbarung ohne Vermittlung |
Kriegführende |
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Seite A |
Istiqlal |
Seite B |
Frankreich |
erst Seite B, dann A |
Berberstämme |
KONFLIKTGEGENSTAND UND -ZIELE
Im Zuge der Unabhängigkeitskämpfe gegen die Kolonialmächte und vor dem Hintergrund des Strebens der arabischen Völker nach Einigkeit bildete sich in Marokko eine Unabhängigkeitspartei (Istiqlal), deren Forderungen nach Selbständigkeit, Reformen und Demokratisierung auch der Sultan unterstützte.
ERGEBNISSE DES KRIEGES
Die Istiqlal konnte ihr politisches Ziel, eine Republik zu gründen, nicht durchsetzen. Stattdessen wurde in Marokko eine konstitutionelle Monarchie errichtet. Der Sultan Sidi Mohammed Ben Youssef, 1953 von den Franzosen abgesetzt und nach Korsika verbannt, kam als Herrscher zurück auf den Thron. Marokko erlangte die nationalstaatliche Souveränität und bekam von Frankreich damit auch das Recht auf eigene Diplomatie und eine eigene Armee zuerkannt. Maßgeblich für den Rückzug Frankreichs war die Verwicklung in den als wichtiger eingestuften Algerienkrieg (vgl. Krieg Nr. 35).
Nicole Nagel
Spanisch-Marokko (Ifni, 1957 - 1958)
AKUF-Datenbanknr.: |
47 |
Kriegsdauer: |
10/1957 - 4/1958 |
Kriegstyp: |
D-2 |
Kriegsbeendigung |
durch Vermittlung Dritter (ehem. Kolonialmacht) |
Kriegführende |
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Seite A |
Ejército de Liberatión (EL) |
Seite B |
Spanien |
KONFLIKTGEGENSTAND UND -ZIELE
Nachdem Frankreich und Spanien im Jahre 1956 Marokko in die "Unabhängigkeit" entlassen hatten, behielt Spanien weiterhin einige Protektorate auf marokkanischem Territorium: die Enklaven Ceuta und Melilla, die noch heute zu Spanien gehören, und die West-Sahara, die Spanien 1974 an Marokko und Mauretanien abtrat (vgl. Krieg Nr.123).
ERGEBNISSE DES KRIEGES
Angesichts der Aussichtslosigkeit, einen militärischen Sieg zu erzielen - eine angebotene französische Unterstützung wurde ausgeschlagen -, übergab Spanien im April 1958 die nördliche Zone von Ifni an Marokko, die es vertraglich allerdings erst 1969 erhielt. Auf spanischer Seite gab es 190 Tote, 500 Verletzte und 80 Vermißte, auf marokkanischer Seite 1.000 Tote.
Ulrike Borchardt
Marokko / Algerien ("Tindouf-Krieg", 1963 - 1964)
AKUF-Datenbanknr.: |
70 |
Kriegsdauer: |
10/1963 - 2/1964¹ |
Kriegstyp: |
C-2 |
Kriegsbeendigung |
durch Vermittlung Dritter (Regionalstaat(en)) |
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Kriegführende |
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Seite A |
Algerien |
Seite B |
Marokko |
KONFLIKTGEGENSTAND UND -ZIELE
Da es im westlichen Teil der algerischen Sahara keine exakt festgelegte Grenzlinie gibt, ließ König Hasssan II von Marokko seine Truppen ins Tindouf-Gebiet (westlicher Teil des algerischen Sahara-Gebiets) einmarschieren, um es dem von ihm, aber auch der Opposition Istiqlal angestrebten "Groß-Marokko" einzugliedern. Das Tindouf-Gebiet betrachtete Marokko als strategisch sehr bedeutsam, da es Algeriens einzigen Landzugang zur Westsahara darstellt. Daneben sind die reichen Bodenschätze (Erze und Phosphate) in der Region als wesentliches Motiv für den Grenzkonflikt zu betrachten.
ERGEBNISSE DES KRIEGES
Die marokkanischen Truppen wurden von algerischen Truppen zurückgedrängt. Die Kriegsbeendigung erfolgte durch Verhandlungen, vermittelt durch Äthiopien. Der Status quo ante wurde zwar wiederhergestellt; aber erst 1972 unterzeichnete Marokko einen Grenzvertrag mit Algerien, in dem es seine Ansprüche auf Tindouf aufgab. Der Vertrag wurde schließlich im Mai 1989 ratifiziert und am 22. Juni 1992 im marokkanischen "Bulletin Official" veröffentlicht. Bei den Kämpfen kamen ca. 1.000 Soldaten ums Leben.
ANMERKUNGEN
[1] Die Dauer des Krieges wird in der Literatur unterschiedlich angegeben: ORAE: Oktober 1963 bis Februar 1964; Dingemann: 1962; Small/Singer 1963 bis 1964.
Ulrike Borchardt
Westsahara (1975 - 1991)
AKUF-Datenbanknr.: |
123 |
Kriegsdauer: |
18.11.1975 [1] - 06.09.1991 |
Kriegstyp: |
D-1/B-1 [2] |
Kriegsbeendigung |
durch Vermittlung Dritter (UNO) |
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Kriegführende |
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Seite A |
Frente Popular de Liberación de Seguia el Hamra y Rio de Oro (POLISARIO) |
Seite B |
Spanien (18.11.1975 - 28.2.1976)/Marokko; Mauretanien (10.12.1975 - 12.7.1978) |
Intervention zugunsten A |
Algerien (11/1975 - 1987) |
KONFLIKTGEGENSTAND UND -ZIELE
Schon als die Westsahara noch spanische Kolonie war (Spanisch-Sahara), forderte der marokkanische König Hassan II. im Rahmen seiner Bestrebungen zur Errichtung eines "Groß-Marokko" den Anschluß der Westsahara und unterstützte die 1973 gegründete POLISARIO, um die spanische Kolonialherrschaft zu schwächen. Nach seiner Drohung mit gewaltsamer Annexion 1974 rief Hassan II den Internationalen Gerichtshof an, der in seinem unverbindlichen Gutachten im Oktober 1975 feststellte: Zur Zeit der spanischen Inbesitznahme [3] (1887-1912) hätten weder Marokko noch Mauretanien Souveränitätsrechte über Westsahara gehabt, so daß nun gemäß der UNO-Empfehlung die Bevölkerung in einem Referendum über die Zukunft des Landes befinden sollte. Durch einen von Hassan II. inszenierten Marsch ("Grüner Marsch") von 350.000 unbewaffneten Zivilisten nach Westsahara (6. November 1975) und in Ausnutzung der innenpolitischen Krise in Spanien nach dem Tod des Diktators Franco (20. November 1975) kam es gegen algerischen Protest und gegen die UNO-Forderung nach Unabhängigkeit zu einem spanisch-marokkanischen Abkommen: Bis Februar 1976 sollte Spanien seine Truppen abziehen und die Verwaltung der Westsahara an Marokko und Mauretanien übergeben (de facto also Teilung des Landes). Unmittelbar nach dem Beginn des "Grünen Marschs" folgten die ersten militärischen Auseinandersetzungen zwischen der POLISARIO und marokkanischen Truppen.
Die POLISARIO bildete am 27. Februar 1976, einen Tag nach dem Abzug der spanischen Kolonialtruppen, eine Exilregierung in Algier und rief die "Demokratische Arabische Republik Sahara" aus. Der Süden Westsaharas wurde von mauretanischen, der Norden von marokkanischen Truppen besetzt. Kurzfristig griffen auch algerische Truppen in die Kämpfe ein; Algerien trat zum Teil aus ideologischen Gründen für das Selbstbestimmungsrecht Westsaharas ein, wohl aber mehr noch, um einen Machtzuwachs des konservativen Marokko zu verhindern. Außerdem erhielt die POLISARIO bis zur Annäherung zwischen Libyen und Marokko im Jahre 1984 libysche Unterstützung.
ERGEBNISSE DES KRIEGES
Die POLISARIO konzentrierte in der Anfangsphase ihre Angriffe auf die schwächere mauretanische Armee. Militärische Niederlagen und kriegsbedingte Wirtschaftsprobleme führten zum Sturz des mauretanischen Präsidenten Ould Daddah durch einen unblutigen Militärputsch unter Oberst Moustapha Ould Saleh und zur Einstellung der Kämpfe mit der POLISARIO. Am 5. August 1979 wurde ein "endgültiger" Friedensvertrag zwischen Mauretanien und der POLISARIO geschlossen. Daraufhin besetzte allerdings Marokko auch den mauretanischen Teil der Westsahara.
1981 erklärte sich Marokko auf dem 18. OAU-Gipfel in Nairobi prinzipiell bereit, ein Referendum in der Westsahara durchzuführen. Aber erst 1988 wurde der UNO-Friedensplan von beiden Seiten akzeptiert; seitdem gab es nur noch sporadische Gefechte kleineren Ausmaßes. Am 6. September 1991 kam es durch Vermittlung der UNO zur Unterzeichnung eines Waffenstillstandes. Die Intensität der bewaffneten Auseinandersetzungen sank danach unter die Kriegsschwelle.
Eine endgültige Lösung der Konfliktursache - die Gewährleistung eines tatsächlich unabhängigen Staates Westsahara oder Autonomie innerhalb Marokkos - mittels eines Referendums steht aufgrund der marokkanischen Hinhaltetaktik noch aus; Hauptkonfliktpunkt ist die Festlegung der Stimmberechtigten. So besteht die POLISARIO auf 74.000 Stimmberechtigten - eine Zahl, die auf dem spanischen Zensus von 1974 beruht -, während Marokko eine Erweiterung der Stimmberechtigten auf 120.000 fordert, um sämtliche mittlerweile auf dem Territorium der Westsahara lebenden Menschen am Referendum zu beteiligen.
Nach Angaben der Polisario gab es 24.000 Tote, andere Quellen sprechen von mehr als 10.000 Toten.
ANMERKUNGEN
[1] Der erste bewaffnete Angriff der POLISARIO erfolgte am 20. Mai 1973 auf eine spanische Polizeistation in El-Khanga; 1974 besiegte die POLISARIO in offener Feldschlacht bei Tfariti spanische Fremdenlegionäre. Erst im November 1975 überschritt die Intensität der Kriegshandlungen die Kriegsschwelle.
[2] Zu Beginn (bis 1976) Dekolonisationskrieg gegen Spanien, ab 1975/76 Sezessionskrieg gegen Marokko und Mauretanien. Seit der Anerkennung der Demokratischen Arabischen Republik Sahara (DARS) von 72 Staaten und ihre Aufnahme in die OAU (1982) käme auch eine Einstufung als zwischenstaatlicher Krieg (C) in Betracht (ab 1970).
[3] Bereits 1884 wurde die Westsahara durch Beschluß der Berliner Kongo-Konferenz spanische Kolonie.
Ulrike Borchardt