Vietnam
Kriege in Vietnam (ehem. Nord- und Südvietnam) seit 1945
Indochina (Dekolonistaion, 'Erster Indochinakrieg', 1946 - 1954)
AKUF-Datenbanknr.: |
9 |
Kriegsdauer: |
09.03.1946 - 01.06.1954 |
Kriegstyp: |
D-2 |
Kriegsbeendigung |
durch Vermittlung Dritter (internat. Konferenz) |
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Kriegführende |
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Seite A |
Frankreich |
Seite B |
Khmer Vietminh (später "Roter Khmer") [1]/Vietminh [2] |
zusätzlich zu Seite B |
Pathet Lao [3] |
KONFLIKTGEGENSTAND UND -ZIELE
Die nationalen Einheitsfronten der drei indochinesischen Länder, die hauptsächlich durch die jeweiligen kommunistischen Bewegungen angeführt wurden, leisteten Widerstand gegen Truppen der ehemaligen Kolonialmacht Frankreich, die sich nach dem Zweiten Weltkrieg um die Wiedererrichtung ihres 1940 an Japan verlorenen und 1945 für unabhängig erklärten Kolonialreiches Indochina bemühte. Hauptziel auf seiten der von der vietnamesischen KP dominierten Befreiungsbewegungen war die nationale Unabhängigkeit, hinter dem auch die systemumgestaltenden Ziele der kommunistischen Parteien zeitweise zurücktraten. [4] Hauptkampfgebiet war der Norden Vietnams, wo die Vietminh-Streitkräfte der am 2. September 1945 proklamierten Demokratischen Republik Vietnam (DRV) die Hauptlast trugen, aber auch die kommunistische Bewegung am stärksten etabliert war. Im weiteren Verlauf breitete sich der Krieg auch auf die Nachbarländer aus.
ERGEBNISSE DES KRIEGES
Nach der Niederlage Frankreichs bei Dien Bien Phu 1954 wurde auf der Genfer Indochina-Konferenz nach Abschluß eines Waffenstillstandes über eine Konfliktlösung verhandelt. Gemäß der dort gefaßten Beschlüsse wurden alle drei indochinesischen Staaten unabhängig. Vietnam wurde entlang des 17. Breitengrades in einen kommunistischen Norden und einen westlich orientierten Süden geteilt. Später durchzuführende Wahlen sollten die staatliche Einheit wiederherstellen. In Laos erhielten die Kommunisten zwei Provinzen als Einflußgebiet zugesprochen, mit der Auflage, eine Koalitionsregierung mit den Royalisten zu schließen und später Wahlen abzuhalten. Die kommunistische Bewegung in Kambodscha bekam keine Territorialgewinne zugesprochen, sollte aber an den freien Wahlen im Jahr darauf teilnehmen. Die gesellschaftlichen Probleme innerhalb der einzelnen Staaten blieben ungelöst und bildeten den Konfliktstoff späterer Kriege (vgl. Kriege Nr. 41, 99 und 132).
ANMERKUNGEN
[1] Die Hauptaktivität des militärischen Widerstandes in Kamboscha ging von der dortigen kommunistischen Bewegung aus. Diese, bis in die 60er Jahre von der nordvietnamesischen KP stark dominierte kommunistische Bewegung übernahm seit ca. 1950 die Führung im (verglichen mit Vietnam und Laos) 'bescheidenen' militärischen Widerstand gegen die französische Kolonialmacht im antikolonialen Mehrfraktionenbündnis der Khmer Issarak-Bewegung (Freie Khmer; Kurzform für Nekhum Issarak Khmer - Front für ein freies Kambodscha, gegründet im August 1945). Die provietnamesische kommunistische Bewegung Kambodschas - auch Khmer Vietminh genannt - war von 1930 bis 1951 Teil der von den nordvietnamesischen Kommunisten geleiteten Kommunistischen Partei Indochinas (KPIC), wurde dann nach deren formaler Auflösung zugunsten dreier nationaler KP's in Vietnam, Laos und Kambodscha in Revolutionäre Volkspartei Kambodschas (RVPK) oder Khanak Pak Pracheachon Pakdevoath Khmer umbenannt. Diese blieb weiterhin von Vietnam abhängig. Im September 1960 erfolgte eine weitere Umbenennung in Kommunistische Partei Kampucheas (KPK), die ab 1963 zunehmend von der maoistischen Pol-Pot-Fraktion, den Roten Khmer, beherrscht wurde.
[2] Kurzform für Vietnam Doc Lap Dong Minh Hoi (Liga für die Unabhängigkeit Vietnams), die im Mai 1941 von der vietnamesisch dominierten KPIC als Organisation der nationalen Einheitsfront gegen die französische Kolonialherrschaft gegründet wurde. Sie bildete den Kern der Streitkräfte der im September 1945 von Ho Chi Minh im Norden Vietnams ausgerufenen Demokratischen Republik Vietnam (DRV), die dann nach der Landesteilung durch die Genfer Indochinakonferenz im Zweiten Indochinakrieg als reguläre nordvietnamesische Regierungs-truppen eingriffen (vgl. Krieg Nr. 41). Die Bezeichnung Vietcong (Kurzform für Viet Nam Cong Sam - Vietnamesische Kommunisten) als Oberbegriff für die kommunistische Bewegung in Vietnam ist weniger gebräuchlich.
[3] Ähnlich wie in Vietnam (und auch eingeschränkt in Kambodscha) ging auch in Laos die Hauptaktivität des antikolonialen militärischen Widerstandes von der laotischen kommunistischen Bewegung aus. Diese übernahm ab 1950 die Führung der 1945 gegründeten antikolonialen Bewegung von Nationalisten und Kommunisten, der Lao Itsala (Freie Lao bzw. Bewegung für ein freies Laos, auch Lao Issara geschrieben). Dieses Bündnis ging im August 1950 teilweise in der Neo Lao Itsala (Front für ein freies Laos) auf. Ab 1950 wurde sie kommunistisch dominiert und ist besser bekannt unter der Bezeichnung Pathet Lao (Land der Lao).
[4] Obwohl in allen drei indochinesischen Staaten auf Veranlassung des unterliegenden Japans die Unabhängigkeit proklamiert worden war, kann man aufgrund der gemeinsamen kolonialen Geschichte, des identischen Konfliktgegenstandes und der militärstrategischen Einbeziehung Gesamtindochinas auf seiten der Hauptbeteiligten die Auseinandersetzungen als einen Krieg werten. Für Frankreich ging es um die Wiedererlangung seiner Großkolonie Indochina, die aus seiner Sicht ein zusammenhängendes Gebiet verschiedener Verwaltungseinheiten war. Die vietnamesisch dominierte Kommunistische Partei Indochinas (KPIC) begriff sich als führende Kraft im Kampf um die gesamte indochinesische Unabhängigkeit.
Reinhardt te Heesen
Südvietnam ("Zweiter Indochinakrieg", 1957 - 1975)
AKUF-Datenbanknr.: |
41 |
Kriegsdauer: |
1957 - 29.04.1975 |
Kriegstyp: |
A-1/AC-1 |
Kriegsbeendigung |
durch militärischen Krieg Seite A |
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Kriegführende |
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Seite A |
Front National de Libération (FNL) [1] |
Seite B |
Südvietnam |
Intervention zugunsten A: |
Nordvietnam (04.08.1964 - 29.04.1975) |
Intervention zugunsten B: |
Vereinigte Staaten von Amerika (4.8.1964 - 28.1.1973) / Südkorea (1.5.1965-28.1.1973) / Philippinen (1.10.1966 - 28.1.1973) / Australien (7.2.1965-20.12.1972) / Neuseeland (7.2.1965 - 1971) |
KONFLIKTGEGENSTAND UND -ZIELE
Die von Nordvietnam, der UdSSR und der VR China unterstützte FNL-Guerilla kämpfte gegen die hauptsächlich von den USA massiv unterstützte südvietnamesische Regierung und die US-amerikanischen Interventionstruppen um die politische Herrschaft in Südvietnam. Nachdem das Regime [2] der südvietnamesischen Republik Vietnam die gemäß der Genfer Indochinakonferenz von 1954 (vgl. Krieg Nr. 9) vorgesehenen Wahlen zur späteren Wiedervereinigung Vietnams verhinderte, kämpften die südvietnamesische Vietminh-Guerilla und Truppen der nordvietnamesischen Demokratischen Republik Vietnam für die kommunistische Umgestaltung der Gesellschaft und die Vereinigung mit Nordvietnam.
Nach dem Zwischenfall im Golf von Tongking 1964, bei dem nordvietnamesische Kanonenboote angeblich US-amerikanische Schiffe beschossen, eskalierte der Vietnamkrieg. Die USA bombardierten Nordvietnam und erhofften, damit eine Einstellung der personellen und materiellen Hilfe Hanois für die südvietnamesischen Vietcong-Guerilla zu erreichen.
Mitte der 60er Jahre griff der Vietnamkrieg auf die militärischen Konflikte in Laos und 1970 auf Kambodscha über (vgl. Kriege Nr. 76 und 99).
ERGEBNISSE DES KRIEGES
Der Konflikt endete 1975 mit dem Sieg der FNL über die südvietnamesischen Regierungstruppen, nachdem die USA 1973, aufgrund innenpolitischen Drucks, ihre militärischen Kontingente nach Abschluß eines Waffenstillstandsvertrages abgezogen hatten. Vietnam wurde unter kommunistischer Herrschaft wiedervereinigt. Dieser Sieg zog den Erfolg der kommunistischen Bewegungen in Laos und Kambodscha nach sich.
Die schlimmsten Folgen dieses Krieges für die gesamte Region waren die ungeheure Zahl von Zivil- und Militärtoten, Verwundeten und Verstümmelten sowie verwaisten Kindern. Riesige Flüchtlingsströme, die Verwüstung und Verödung großer Landstriche infolge US-amerikanischer Großbombardements und Entlaubungsaktionen sowie die nachhaltige Beeinträchtigung der Wirtschaft, aber auch die Isolation durch das Wirtschaftembargo der westlichen Industriemächte bis 1991, behinderten massiv die Entwicklungsmöglichkeiten des Nachkriegs-Vietnams.
Die USA hatten während des Zweiten Indochinakrieges 56.221 Tote, 303.605 Verwundete und schätzungsweise 135-140 Mrd. US-$ an Kosten zu verzeichnen. Auf die US-Streitkräfte hatten die Verluste und der Rückzug aus Vietnam eine nachhaltige, demoralisierende Wirkung (Vietnam-Syndrom). - Schätzungen über die Gesamtopfer dieses Krieges sprechen von über zwei Millionen Toten.
ANMERKUNGEN
[1] Am 20. Dezember 1960 gegründete Einheitsfront aus ca. 20 verschiedenen, teils oppositionellen revolutionären Parteien und Religionsgruppen unter eindeutiger kommunistischer Führung; besser unter dem Namen Vietcong (Kurzform für "Viet Nam Cong San" - vietnamesische Kommunisten) bekannt. Nach dem Sieg und der Wiedervereinigung Vietnams wurde die FNL bedeutungslos. Nordvietnamesische Kader übernahmen meist die Verwaltung in Südvietnam, da viele führende Mitglieder des Vietminh nach der Tet-Offensive 1968 enttarnt und von südvietnamesischem Militär hingerichtet worden waren.
[2] Das korrupte und autoritär-repressive Regime des katholischen Diem-Clans wurde Ende 1963, nachdem es zunehmend buddhistische Geistliche verfolgt hatte, durch einen blutigen Putsch von einem nicht minder repressiven Militärregime abgelöst.
Reinhardt te Heesen
Vietnam (FULRO, 1964 - 1992)
AKUF-Datenbanknr.: |
178 |
Kriegsdauer: |
20.09.1964 - 10/1992 |
Kriegstyp: |
B-2 |
Kriegsbeendigung |
durch Abbruch der Kämpfe |
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Kriegführende |
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Seite A |
Force unifiée pour la libération des races opprimées (FULRO) [1] |
Seite B |
Nordvietnam |
KONFLIKTGEGENSTAND UND -ZIELE
Die FULRO kämpfte für die Autonomie bzw. Unabhängigkeit der ca. 30 Bergstämme (der "Dega") im vietnamesischen, kambodschanischen und laotischen Hochland. Ihre Guerillaaktivitäten richteten sich seit dem Abzug der Franzosen fast ausschließlich gegen die in das Hochland eindringenden vietnamesischen Siedler und Soldaten. Die FULRO unterstützte während des Zweiten Indochinakrieges (vgl. Krieg Nr. 41) die US-Truppen gegen die Vietminh. Im Gegenzug wurde die FULRO-Guerilla trainiert und ausgerüstet. Außerdem wurde ihr für die Zeit nach Beendigung des Indochinakrieges Autonomie in Aussicht gestellt. Nach dem Rückzug der USA aus Indochina war die FULRO jedoch auf sich gestellt. Zwischen Anfang 1976 und Ende 1978 fanden in der FULRO-Führung blutige politische "Säuberungen" statt, deren Hintergrund vermutlich Rivalitäten zwischen den verschiedenen ethnischen Gruppen war, und die FULRO in den Folgejahren stark schwächten. 1979 verlegte die FULRO ihr Hauptquartier in das unwegsame Dschungelgebiet jenseits der kambodschanischen Grenze.
ERGEBNISSE DES KRIEGES
Der einzige Erfolg der Guerilla bestand darin, die ökonomische Erschließung des Hochlandes durch die vietnamesische Zentralregierung zeitlich verzögert zu haben. Seit 1991 versuchte Hanoi, den Lebensstandard der Hochlandbewohner zu verbessern und sie in das gesellschaftliche System zu integrieren. Im Zuge der Befriedung des Kambodschakonflikts nahm sich die United Nations Transitional Authority in Cambodia (UNTAC) der FULRO an, da sie diese als fremde Streitkräfte auf kambodschanischem Territorium betrachten und daher entwaffnen mußte. Anfang Oktober 1992 wurden die letzten FULRO-Kämpfer von der UNTAC nach Pnom Penh ausgeflogen. Ob versprengte Guerillagruppen im vietnamesischen Hochland danach noch handlungsfähig sein werden, ist derzeit nicht abschätzbar.
Über die Opfer des Krieges liegen keine genauen Zahlen vor. Bis 1975 sollen 250.000 der drei Millionen zählenden Montagnards ums Leben gekommen sein. Anschließend verlor die FULRO bis 1979 8.000 ihrer 10.000 Kämpfer durch Tod oder Verhaftung.
ANMERKUNGEN
[1] Die FULRO ist 1964 von Y Bhum als Widerstandsorganisation der ca. 30 Bergvölker des vietnamesischen, kambodschanischen und laotischen Hochlandes gegründet worden. Erstmals am 20. September 1964 trat die FULRO mit Aktivitäten gegen südvietnamesische Soldaten und Siedler, die ins Hochland vordrangen, in Erscheinung.
Klaus Jürgen Gantzel / Susanne Wiesemann
China/Vietnam (1979)
AKUF-Datenbanknr.: |
142 |
Kriegsdauer: |
17.02.1979 - 19.03.1979 |
Kriegstyp: |
C-2 |
Kriegsbeendigung |
durch Abbruch der Kämpfe (Kämpfe unterhalb der Ebene Krieg) |
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Kriegführende |
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Seite A: |
Volksrepublik China |
Seite B: |
Vietnam |
KONFLIKTGEGENSTAND UND -ZIELE
Der chinesische Angriff auf Vietnam steht in direktem Zusammenhang mit der vietnamesischen Invasion Kambodschas (vgl. Krieg Nr. 132). Er war als zeitlich und territorial begrenzter militärstrategischer Grenzkonflikt angelegt, um einerseits die Ernsthaftigkeit der regionalen Hegemonieinteressen Chinas zu dokumentieren und andererseits die Kräfte Vietnams an der sino-vietnamesischen Grenze zu binden, um so das mit China verbündete Demokratische Kamputschea Pol Pots zu entlasten.
ERGEBNISSE DES KRIEGES
Am 19. März 1979 zog sich das chinesische Militär zurück. Eine Schwächung der vietnamesischen Position in Kambodscha wurde nicht erreicht; jedoch hatte der drohende Zweifrontenkrieg langfristig ökonomisch negative Folgen für Vietnam. Eine große Armee mußte finanziert werden, und diese Gelder wurden dem seit 1945 durch viele Kriege verarmten Land (vgl. Kriege Nr. 9, 34, 41, 76, 99, 132, 178 und 183) und seiner zivilen Produktion entzogen. Bis Anfang 1988 wurden noch vereinzelte Artilleriegefechte gemeldet. Seit 1989 ist die Grenze wieder für den Warenverkehr durchlässig geworden. Vereinzelte militärische Auseinandersetzungen im "Südchinesischen Meer", wo beide Staaten um Besitzrechte an den Spratly-Atollen immer wieder in Konflikt geraten, sind Ausdruck einer über den Krieg hinausweisenden, regionalen machtpolitischen Konkurrenz.
Reinhardt te Heesen