Nicaragua
Kriege in Nicaragua seit 1945
Nicaragua (Contra, 1981 - 1990)
AKUF-Datenbanknr.: |
151 |
Kriegsdauer: |
4/1981¹ - 1990 |
Kriegstyp: |
A-1 |
Kriegsbeendigung |
durch Vermittlung Dritter (Regionalstaat(en)) |
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Kriegführende |
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Seite A |
Contra² |
Seite B |
Nicaragua |
Intervention zugunsten A |
Honduras (1981 - ?) |
KONFLIKTGEGENSTAND UND -ZIELE
Der Konflikt entzündete sich an den gesellschaftlichen Neugestaltungsversuchen, die die sandinistisch geführte Regierung nach dem Sturz der Somozadiktatur in Angriff nahm. Das zentrale Ziel der militärischen Führungscliquen in der Contra war die Wiederherstellung der alten diktatorischen Ordnung in Nicaragua, gepaart mit persönlichen Machtinteressen. Die Neuausrichtung der US-amerikanischen Nicaraguapolitik nach dem Machtantritt der konservativen Reagan-Administration war ein wesentlicher Grund, daß der innernicaraguanische Interessenkonflikt zu einem Krieg eskalieren konnte. Die Contra, die kaum Verankerung in der Bevölkerung besaß, wäre ohne die enorme finanzielle und militärische Unterstützung seitens der USA binnen kürzester Frist auseinandergefallen.
Die sandinistische Politik der "nationalen Integration", die unterschiedliche ethnische Gruppen zu einem einheitlichen Nationalstaat verbinden wollte, führte außerdem zu Auseinandersetzungen zwischen den indianischen Minderheiten der Atlantikküste (vor allem Miskitos) und der sandinistisch geführten Regierung, die die spanischsprachige Mestizenbevölkerung der Pazifikseite repräsentierte.
ERGEBNISSE DES KRIEGES
Am 25. Februar 1990 verloren die Sandinisten die Präsidentschafts- und Parlamentswahlen gegen die Vereinigte Nicaraguanische Opposition (UNO), einem Wahlbündnis aus zurückgekehrten Contraführern, traditionellen Links- und Rechtsparteien sowie ihren zahlreichen Abspaltungen. Während die Wahlvorbereitungen in Nicaragua liefen, einigten sich die zentralamerikanischen Präsidenten im August 1989 auf Mechanismen zur Auflösung der Contra, die bis zum 8. Dezember 1989 abgeschlossen sein sollte. Allerdings folgte nur ein Teil der Contra-Verbände der Aufforderung, sich in Waffenstillstandszonen zu sammeln und sich von einer internationalen Kommission unter Aufsicht der Vereinten Nationen entwaffnen zu lassen. Selbst nach der Machtübergabe der Sandinisten an die UNO-Regierung im April 1990 zogen weiterhin marodierende Contra-Verbände durch das Land.
Der Krieg hat ca. 60.000 Menschenleben gefordert. In Verbindung mit der US-amerikanischen Wirtschaftsblockade hat er Nicaragua in den ökonomischen Ruin getrieben und den Lebensstandard der Bevölkerung auf das Niveau der 50er Jahre zurückgeworfen. Mitverantwortlich hierfür waren aber auch Widersprüche und Inkompetenzen in der Wirtschafts- und Verwaltungspolitik der Sandinisten.
ANMERKUNGEN
[1] Beginn und Ende des Krieges lassen sich nicht eindeutig datieren. Bereits 1980 reorganisierten sich aus Nicaragua geflüchtete ehemalige Nationalgardisten in ersten kleinen, konterrevolutionären Rebellengruppen in Honduras (vgl. Krieg Nr. 129).
[2] Von den USA ausgerüstete exilnicaraguanische Truppen, in denen ehemalige Nationalgardisten der im Juli 1979 gestürzten Somoza-Diktatur dominierten und denen sich aus einem eigenständigen, primär ethnisch motivierten Konflikt oppositionelle Miskito-Indianer-Organisationen (MISURA, MISURASATA) der kulturell wie politisch bislang kaum integrierten nicaraguanischen Atlantikküste anschlossen. Die Contra operierte vor allem von Militärbasen in Honduras aus, teilweise mit Unterstützung hondurenischer Regierungstruppen. Eine kleinere bewaffnete antisandistische Opposition (ARDE; Zusammenschluß aus der FRS des Ex-Sandinisten Pastora, der UDN-FARN der Brüder Chamorro, der MDN Robelos und der MISURASATA unter Führung Brooklyn Riveras) kämpfte zwischen 1982 und 1986 auch von Costa Rica aus.
Ursula Niebling
Nicaragua (FSLN, 1977 - 1979)
AKUF-Datenbanknr.: |
129 |
Kriegsdauer: |
10/1977¹ - 19.07.1979 |
Kriegstyp: |
A-1 |
Kriegsbeendigung |
durch militärischen Sieg Seite A |
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Kriegführende |
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Seite A |
Frente Sandinista de Liberación Nacional (FSLN) |
Seite B |
Nicaragua |
Intervention zugunsten B |
Honduras (3/1978) |
KONFLIKTGEGENSTAND UND -ZIELE
Kleinster gemeinsamer Nenner und unmittelbares Ziel des heterogenen sozialrevolutionären und "bürgerlichen" Oppositionsbündnisses waren der Sturz der 1937 etablierten Somoza-Diktatur, der Kampf für nationale Selbstbestimmung und die Verwirklichung bürgerlicher Freiheitsrechte. Die eigentlichen Protagonisten einer bürgerlichen Revolution in Nicaragua kamen aus den Reihen der heterogenen sandinistischen Bewegung. Die "bürgerliche" Opposition hingegen, die schließlich als Restgruppe in dem auf wenige Mitglieder zusammengeschrumpften Frente Amplio Opositor verblieb, konnte nicht das Profil einer bürgerlichen Bewegung gewinnen, da ihre Vertreter noch in dem caudillistisch-paternalistischen Selbstverständnis oligarchischer Klientelpraktiken befangen blieben und glaubten, mit dem Despoten eine reale Machtteilhabe oder gar -übergabe aushandeln zu können. Dabei folgten sie in traditioneller Manier den Vorgaben der US-Regierung, die Druck in Richtung einer solchen, nicht realitätsadäquaten "Lösung" ausübte. Die Politik der Carter-Administration wiederum, der aufgrund ihres Erneuerungsanspruches nach dem Vietnam-Debakel in bezug auf eine Direktintervention die Hände gebunden waren,² verschaffte der sandinistischen Befreiungsbewegung den Handlungsspielraum, den Herrschaftskonflikt weitgehend im Rahmen der internen Kräfteverhältnisse in Nicaragua für sich zu entscheiden.
ERGEBNISSE DES KRIEGES
Zunächst wurde eine Kriegsbeendigung über die von der OAS vermittelte Verhandlungslösung erreicht. Diese sah vor, daß nach Somozas Rücktritt und der Machtübergabe an den Interimspräsidenten Urcuyo am 17. Juli 1979 dieser die Macht unverzüglich an eine fünfköpfige, vom FSLN am 16. Juni 1979 im Exil gebildete "Regierungsjunta des Nationalen Wiederaufbaus" abgeben sollte. Der Junta gehörten neben drei Vertretern des FSLN bzw. ihm nahestehender Organisationen der Begründer der noch kleinen Unternehmerpartei MDN, Robelo, sowie Violeta Camorro, Witwe des 1978 ermordeten bürgerlichen Oppositionsführers, an. Des weiteren war eine "Säuberung" der Nationalgarde vorgesehen. Diese Verhandlungslösung³ scheiterte, weil Urcuyo umgehend verkündete, bis 1981 im Amt bleiben zu wollen. Gleichzeitig forderte er die Nationalgarde zum Weiterkämpfen auf, womit der Waffenstillstand hinfällig wurde. Da sich nach Somozas Flucht die Führung der Nationalgarde ebenfalls in die USA abzusetzen begann, leistete die führungslos gewordene Garde kaum noch Widerstand. Die FSLN-Truppen konnten am 19. Juli 1979 siegreich in Managua einmarschieren.
Der Sturz des Somoza-Regimes und die damit verbundene politische Machtübernahme des antisomozistischen Oppositionsbündnisses unter Führung des FSLN führte zur Auflösung der Nationalgarde und zu ihrer Ersetzung durch das sandinistische Heer. Die Enteignung der Somozagüter und ihre Umverteilung im Rahmen einer Agrarreform, eine landesweite Alphabetisierungskampagne, soziale und politische Mobilisierungs- und Organisationsprozesse der Bevölkerung, Diversifizierung der Außenabhängigkeit, Nationalisierung der Banken und des Außenhandels, Schaffung der rechtlichen, institutionellen und politischen Voraussetzungen für die Entwicklung eines bürgerlich-parlamentarischen Systems und die Legitimation der sandinistisch geführten Regierung durch Wahlen im November 1984 sowie deren demokratische Abwahl im März 1990 waren weitere Ergebnisse ihrer Herrschaft. Die Heterogenität der am Sturz der Diktatur beteiligten sozialen Protagonisten und ihre schon während des Aufstandes deutlich werdenden Interessenswidersprüche verwiesen bereits darauf, daß der Herrschaftskonflikt in Nicaragua nach dem Sturz der Diktatur erneut kriegerische Dimensionen annehmen könnte (vgl. Krieg Nr. 151).
ANMERKUNGEN
[1] Der Krieg begann im Sinne einer sich landesweit ausbreitenden, militärischen Auseinandersetzung mit der Oktoberoffensive der FSLN im Jahre 1977. Der 1961 gegründete FSLN hatte bereits in den 60er Jahren eine Reihe von Guerillaaktionen fokistischen Charakters durchgeführt. Nach der militärischen Niederlage in Pancasán 1967 revidierte er seine fokistische Strategie und konzentrierte sich in den folgenden Jahren zunächst auf politische Organisationsarbeit (Phase der "stillen Kräfteakkumulation"). Erst im Dezember 1974 trat er mit einer spektakulären Geiselnahme wieder militärisch offensiv an die Öffentlichkeit, wurde aber durch somozistische Gegenoffensive erneut in den Untergrund abgedrängt. Bis zum Beginn der Oktoberoffensive kam es punktuell zu kleineren Gefechten abgelegenen Regionen und vereinzelten Sabotageaktionen.
[2] Allerdings versuchten die USA noch am 21. Juni 1979, die OAS dazu zu bewegen, mit einer internationalen Interventionstruppe in Nicaragua einzugreifen; sie stießen aber mit ihrem Vorschlag auf fast einhellige Ablehnung, weil das Somoza-Regime in Lateinamerika nahezu isoliert war. Costa Rica, über das die Waffenhilfe (vor allem aus Panama, Venezuela, Costa Rica selbst und später auch Kuba) an die sandinistische Südfront abgewickelt wurde, hatte bereits 1978 die diplomatischen Beziehungen zu Nicaragua abgebrochen. Nachdem die Somoza-Diktatur bei der Verfolgung der Sandinisten nach den Septemberaufständen von 1978 auch costaricanisches Territorium bombardiert hatte, schloß Costa Rica einen Beistandspakt mit der damals noch sozialdemokratischen Regierung Venezuelas ab. Im Mai 1979 brach auch Mexiko die diplomatischen Beziehungen zu Nicaragua ab.
[3] Der FSLN hatte sie akzeptiert, weil ein militärischer Sieg über die Nationalgarde - zumindest kurzfristig - unrealistisch war.
Ursula Niebling