Kolumbien
Kriege in Kolumbien seit 1945
Kolumbien ("La Violencia", 1949 - 1957)
AKUF-Datenbanknr.: |
19 |
Kriegsdauer: |
21.05.1949 - 10.05.1957 |
Kriegstyp: |
A-2 |
Kriegsbeendigung |
durch Abbruch der Kämpfe |
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Kriegführende |
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Seite A |
Kolumbien |
Seite B |
Liberale Guerillagruppen (21.05.1949 - 1953) / Kommunistische Guerilla und Campesino-Guerilla |
KONFLIKTGEGENSTAND UND -ZIELE
In der ersten Phase (1949 bis 1953) stand der Widerstand liberaler und kommunistischer Guerillagruppen gegen die konservative Regierung von Laureano Gómez im Mittelpunkt. Gómez versuchte, Kolumbien in einen korporativistischen Staat nach spanischem und portugiesischem Vorbild umzuwandeln. Der zugrundeliegende soziale Konflikt betraf vor allem die Herrschaftsbeziehungen auf dem Land. Zentrum der Gewalt waren die Kaffeeanbaugebiete.
Insbesondere in der zweiten Phase (1953 bis 1957) trat dieser Konfliktgegenstand in den Mittelpunkt, als die meisten liberalen Guerillagruppen ein Amnestieangebot der Regierung annahmen, kommunistische und Campesino-Guerillagruppen dagegen weiter für Veränderungen der Agrarbesitzstruktur kämpften.
ERGEBNISSE DES KRIEGES
Seit 1953 arbeiteten die Liberale und der größte Teil der Konservativen Partei zusammen; beide unterstützten zunächst den Putsch von General Rojas Pinilla, um eine Ausbreitung der Gewalt auf die Städte zu verhindern. 1957 erfolgte der Zusammenschluß beider Parteien in der Nationalen Front. In diesem Proporzsystem wurden alle Posten und Pfründe auf lokaler, regionaler und nationaler Ebene zwischen beiden Parteien paritätisch aufgeteilt, das Präsidentenamt wechselte alle vier Jahre. Diese Regelungen sollten bis 1974 gelten, der Proporz blieb in seinen Grundfesten - mit einer kurzen Unterbrechung 1986/87 - auch darüber hinaus bestehen. In der Praxis führte er zum Ausschluß aller anderen politischen Kräfte und zur Erneuerung der klientelistischen Einbindung großer Bevölkerungsteile in das traditionale Parteiensystem durch die Ausdehnung der Staatsbürokratie.
Der Krieg forderte etwa 200.000 Menschenleben. Etwa zwei Millionen Menschen wurden vertrieben; die Besitzverhältnisse in den Kaffeeanbaugebieten wurden zugunsten der Großgrundbesitzer umstrukturiert.
Sabine Kurtenbach
Kolumbien (FARC, 1964 - andauernd)
AKUF-Datenbanknr.: |
60 |
Kriegsdauer: |
27.05.1964 - andauernd |
Kriegstyp: |
A-2 |
Kriegsbeendigung |
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Kriegführende |
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Seite A |
Kolumbien |
Seite B |
Fuerzas Aramdas Revolucionarias de Colombia (FARC) |
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Ejército Popular de Liberación (EPL)¹ (12/1976 - 12/1990) |
KONFLIKTGEGENSTAND UND -ZIELE
In der Tradition der bäuerlichen Selbstverteidigung und infolge der Verschärfung der Auseinandersetzungen im kolumbianischen Agrarsektor nach der Violencia (vgl. Krieg Nr. 19) entstand 1964 der Bloque Sur, der sich 1966 in FARC und 1982 in FARC-Ejército Popular (FARC-EP) umbenannte. Die Ziele der Guerilla waren bis 1982 im wesentlichen auf den Schutz der Landbevölkerung und die Durchsetzung einer umfassenden Agrarreform begrenzt. Seither streben die FARC auch Veränderungen der politischen Struktur, insbesondere die Ausdehnung der politischen und ökonomischen Partizipationsmöglichkeiten an.
Die einzelnen Guerillagruppen Kolumbiens haben sich teilweise gegenseitig bekämpft; die Unterschiede in Ideologie und Strategie ergeben sich z.T. aus Differenzen zwischen den von ihnen als Vorbilder genutzten internationalen Gruppen. So orientierte sich die ELN-Guerilla (vgl. Krieg Nr. 79) stärker an Kuba, während sich das EPL parallel zum sino-sowjetischen Konflikt als maoistische Fraktion von der kommunistischen Partei abspaltete. Etwa seit 1967 verfolgte das EPL eine ähnliche Strategie wie die FARC, ohne daß es zu einer engen Kooperation gekommen ist. 1987 schlossen sich zwar alle kolumbianischen Guerillagruppen in der Coordinadora Nacional Simon Bolívar zusammen, aber auch dies hatte auf ihre Zersplitterung keine Auswirkungen.
ERGEBNISSE DES KRIEGES
Da es sich um einen laufenden Konflikt handelt, gibt es noch keine endgültigen Ergebnisse.
ANMERKUNGEN
[1] Zwischen 1967 und 1990 Strategie der befreiten Gebiete, davor fokistische Orientierung (vgl. Krieg Nr. 79).
Astrid Nissen
Kolumbien (ELN, 1965 - 2006)
AKUF-Datenbanknr.: |
79 |
Kriegsdauer: |
07.01.1965 - 2006 |
Kriegstyp: |
A-2 |
Kriegsbeendigung |
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Kriegführende |
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Seite A |
Ejército Popular de Liberación (EPL)¹ (1965 - 1967) / Ejército de Liberación Nacional (ELN) |
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Kolumbien (Regierungstruppen und Todesschwadronen) |
KONFLIKTGEGENSTAND UND -ZIELE
Das ELN steht in der Tradition fokistischer Guerillagruppen der 60er Jahre, die - in Anlehnung an die von Ernesto Che Guevara entwickelte Fokus-Theorie - in den Städten vor allem von Studierenden und Intellektuellen gegründet wurden. Ihre Forderungen richteten sich auf eine Öffnung und Veränderung des bestehenden Systems. Viele Vertreter der "Gründergeneration" hatten entweder selbst in der Violencia (vgl. Krieg Nr. 19) gekämpft oder aber diese als Kinder oder Jugendliche zumindest miterlebt. Nachdem der Aufbau einer Massenbasis nicht gelang, zog sich das ELN in die ländlichen Gebiete des Nordosten zurück. Es ging ihnen aber nicht um den Schutz der Bauern oder die Errichtung von befreiten Gebieten. Sie griffen nicht zugunsten der Bauern und pächter in lokale Konflikte ein, sondern betrachteten die ländlichen Gebiete lediglich als Austragungsort des bewaffneten Kampfes. Seit den 80er Jahren liegt ein Schwerpunkt der Forderungen des ELN auf der Nationalisierung der Bodenschätze, vor allem der Erdölquellen. Aktionsgebiet sind insbesondere die Regionen, in denen multinationale Konzerne tätig sind.
ERGEBNISSE DES KRIEGES
vgl. Kolumbien (ELN) aktuell
ANMERKUNGEN
[1] Zum Zeitraum nach 1967 vgl. Krieg Nr. 60.
Astrid Nissen
Kolumbien (M-19, 1974 - 1990)
AKUF-Datenbanknr.: |
137 |
Kriegsdauer: |
1/1974 - 08.03.1990 |
Kriegstyp: |
A-2 |
Kriegsbeendigung |
durch Vereinbarung ohne Vermittlung |
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Kriegführende |
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Seite A |
Kolumbien |
Seite B |
Movimiento 19 de abril (M-19) |
KONFLIKTGEGENSTAND UND -ZIELE
Die Entstehung des M-19 hängt eng mit der Aneignung des Staates durch die beiden traditionellen Parteien, Konservative und Liberale, zusammen. In einer Art Ausschlußsystem gegenüber anderen politischen Kräften vereinbarten sie, alle Ämter in Verwaltung und Regierung proportional zwischen sich aufzuteilen; formal galt diese Vereinbarung von 1958 bis 1974, in der Praxis aber auch danach (vgl. Krieg Nr. 19). Die Gründer des M-19 stammten zum einen aus einer Abspaltung der FARC (vgl. Krieg Nr. 60), zum anderen aus Anhängern der Alianza Nacional Popular (ANAPO), einer Partei, für die General Rojas Pinilla bei den Präsidentschaftswahlen am 19. April 1970 mit einem populistischen Programm kandidiert hatte. Das Ergebnis der Wahlen ist umstritten; der reale oder vermeintliche Wahlbetrug ist der ereignisgeschichtliche Hintergrund der Entstehung des M-19.
Der M-19 machte vor allem durch spektakuläre Aktionen, wie durch den Raub des Schwertes von Simon Bolívar, von sich reden; 1980 erreichte der M-19, daß durch die Besetzung einer Botschaft in Bogotá und die Geiselnahme zahlreicher Diplomaten der Krieg in Kolumbien auch in der Weltpresse bekannt wurde. Die Gruppe vernachlässigte dagegen den Aufbau einer stabilen Basis, auch wenn sie vor allem in den städtischen, marginalisierten Bevölkerungsgruppen ein gewisses Maß an Popularität erlangte. Ziele waren die Reform und Demokratisierung des bestehenden Systems.
ERGEBNISSE DES KRIEGES
Insbesondere zwischen 1978 und 1982 wurde die Repression jeglicher Opposition gegen das bestehende System durch ein "Sicherheitsstatut" institutionalisiert. Nach dem gescheiterten Friedensprozeß während der Präsidentschaft von Belisario Betancur (1982 bis 1986) war der M-19 die erste Gruppe, die 1989 in einen Dialogprozeß mit der Regierung Virgilio Barco eintrat. Dessen Ergebnisse waren eine Amnestie für die Mitglieder des M-19, die Niederlegung der Waffen und ein Programm zur gesellschaftlichen Reintegration.
1990 etablierten sich die Ex-Guerrilleros als Partei und kandidierten bereits drei Tage nach ihrer Waffenabgabe bei den Kommunalwahlen am 11. März 1990. Bei den folgenden Senats-, Parlaments- und Präsidentschaftswahlen konnten sie sich als dritte Kraft etablieren. In der im Dezember 1990 gewählten verfassunggebenden Versammlung verfügten sie sogar über eine relative Mehrheit; allerdings war die Wahlbeteiligung mit 20 Prozent extrem niedrig. Die neue Verfassung bietet zwar die Möglichkeit zur partiellen Öffnung des politischen Systems, ob dies aber zu einem grundlegenden Wandel führt, ist nicht abzusehen.
Sabine Kurtenbach