Guatemala
Kriege in Guatemala seit 1945
Guatemala (Exilanten, 1954)
AKUF-Datenbanknr.: |
31 |
Kriegsdauer: |
18.06.1954 - 01.07.1954 |
Kriegstyp: |
A-1 |
Kriegsbeendigung |
durch militärischen Sieg Seite A |
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Kriegführende |
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Seite A |
Exilguatemalteken und Söldner unter US-Kommando |
Seite B |
Guatemala¹ |
Intervention zugunsten A: |
Vereinigte Staaten von Amerika² |
KONFLIKTGEGENSTAND UND -ZIELE
Ziel der Invasion der Exilgualtemalteken war der Sturz der demokratisch gewählten, sozialreformerischen und an nationalen Interessen orientierten Arbenz-Regierung. Jacobo Arbenz (seit 1950 im Amt) trieb die nach der "Revolution" von 1944 von seinem Amtsvorgänger Arévalo eingeleitete bürgerliche Strukturreformpolitik konsequent voran. Er wurde von einem breiten Parteienbündnis unterstützt, dem außer bürgerlich reformorientierten Parteien auch die Kommunistische Partei Guatemalas angehörte. Kernstücke seiner Reformpolitik bildeten die Durchführung einer Landreform und die Einleitung eines binnenmarktorientierten, kapitalistischen Industrialisierungsprozesses. Obgleich es sich um einen bürgerlichen Reformprozeß handelte, wurde er aufgrund seines demokratischen Charakters - wie die aktive Einbeziehung der Gewerkschafts- und Bauernorganisationen - und insbesondere aufgrund seiner Souveränitätspolitik von der US-Regierung im Zeichen des Kalten Krieges als kommunistische Bedrohung der westlichen Hemisphäre interpretiert. Konfliktpunkt war unter anderem auch die Enteignung brachliegender Ländereien der United Fruit Company im Rahmen der Agrarreformpolitik. Daher unterstützte die US-Regierung die Opposition der Oligarchie und rechter Militärs gegen die Arbenz-Regierung und organisierte über die CIA die Invasion von 1954.
ERGEBNISSE DES KRIEGES
Nach dem Sturz der Arbenz-Regierung und der Einsetzung einer an oligarchischen Interessen orientierten Militärregierung wurden die Reformen rückgängig gemacht, die Arbeiter- und Bauernorganisationen zerschlagen, die Zwangsarbeit wiedereingeführt, Anhänger der Arbenz-Regierung verfolgt und ermordet. Im ökonomischen Bereich förderte die Militärregierung einen auf Export zielenden und an den Interessen der multinationalen Konzerne orientierten agrar- und industriekapitalistischen Entwicklungsprozess, der mit zunehmender Massenverelendung verbunden war. Die sozialen und politischen Konflikte wurden nicht gelöst. Seit dem Sturz der Arbenz-Regierung herrscht mit kurzen Phasen der Unterbrechung (in der Regel nach Repressionswellen) Bürgerkrieg in Guatemala (vgl. auch Kriege Nr. 56 und 146).
Die negativen Erfahrungen der Arbenz-Regierung in puncto Illoyalität der Streitkräfte und Wehrlosigkeit der organisierten Volksbewegung haben die Debatte, Programmatik und Strategie späterer sozialrevolutionärer Bewegungen in Lateinamerika bezüglich der Chancen, sich US-Herrschaftsansprüchen zu entziehen, nachhaltig beeinflusst. Die Auflösung und möglichst weitgehende Ersetzung des alten Militärapparates und die allgemeine Volksbewaffnung wurden als wesentliche Voraussetzungen für die Überlebensfähigkeit sozialrevolutionärer Umgestaltungsbemühungen angesehen.
ANMERKUNGEN
[1] Nur ein Teil der Regierungstruppen stand loyal zur Regierung Arbenz.
[2] Piloten der US-Luftwaffe.
Ursula Niebling
Guatemala (Exilanten, 1954)
AKUF-Datenbanknr.: |
56 |
Kriegsdauer: |
1962 - 1968¹ |
Kriegstyp: |
A-2 |
Kriegsbeendigung |
durch militärischen Sieg B |
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Kriegführende |
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Seite A |
Fuerzas Armadas Rebeldes (FAR) |
Seite B |
Guatemala |
KONFLIKTGEGENSTAND UND -ZIELE
Den Hintergrund des Krieges bildete die zunächst durch Repression in Schach gehaltene soziale und politische Konfliktsituation, die nach dem Sturz der demokratisch legitimierten Arbenz-Regierung (vgl. Krieg Nr. 31) entstanden war.
Nach einer Revolte demokratisch und nationalistisch gesinnter junger Offiziere im No-vember 1960, die mit Hilfe von Bombardierungen durch Exilkubaner und einer militärischen Machtdemonstration der US-Marine zum Aufgeben gezwungen wurden, begannen die Aufständischen mit dem Aufbau einer Guerilla. Sie hatten sich unmittelbar gegen die Politik der Regierung von General Ydígoras Fuentes gewandt, Guatemala zur Operationsbasis für die geplante Schweinebuchtinvasion in Kuba zu machen. Der Aufruf zur "nationalen Erhebung" folgte im Februar 1962. Im Dezember 1962 schlossen sich die fokistisch organisierten und vor allem in den östlichen, ländlichen Gebieten operierenden Guerillagruppen zur FAR zusammen. Gemeinsames politisches Ziel war der Sturz der Militärregierung, die Wiederherstellung der Souveränität des Landes und die Durchführung sozialer und politischer Reformen in Anknüpfung an die Reformpolitik unter Arbenz. Die Gruppen operierten aber weiterhin unabhängig voneinander, was durch die Heterogenität der sich politisch radikalisierenden Gruppierungen (trotzkistisch, linkssozialistisch, kommunistisch) mitbedingt war.
ERGEBNISSE DES KRIEGES
Wesentlich für ihre weitgehende militärische Zerschlagung im Rahmen der 1966-1968 unter US-Anleitung durchgeführten Counter-Insurgency-Offensive der Streitkräfte und der paramilitärischen Todesschwadronen gegen Rebellen und Zivilbevölkerung war ihr fokistischer Charakter. Ihre militärischen Aktionen waren relativ unverbunden mit den politischen und sozialen Kämpfen der städtischen Protestbewegungen, obgleich sie sich diesen verbunden fühlten. Außerdem verfügten sie kaum über organisierte Kontakte zur indianischen Bevölkerungsmehrheit in ihren Operationsgebieten.
Die Niederlage der FAR führte zur Revision der Guerillastrategien. Ein weiteres Ergebnis war die Festigung der Militärherrschaft, die die Grundlage dafür schuf, daß sich das Militär im Laufe der 70er Jahre zur herrschenden Bourgeoisiefraktion entwickelte. Ein auf der Basis von Überausbeutung funktionierendes Akkumulationsmodell, das soziale Reformprozesse strukturell ausschloß und damit zur weiteren Einengung politischer Handlungsspielräume führte, wurde durch den Krieg befördert und gefestigt.
ANMERKUNGEN
[1] Das Ende des Krieges ist zeitlich schwer zu bestimmen. Nach der von den USA angeleiteten Counter-Insurgency-Offensive zwischen 1966 und 1968 unter dem Kommando des Oberst Arana Osorio waren die Guerillagruppen Ende der 60er Jahre weitgehend aufgerieben worden. Bis 1972 kam es noch zu vereinzelten Guerillaaktivitäten, vor allem in den Städten. Die Reste der Guerilla revidierten ihre Strategie und arbeiteten mit anderen sozialen und politische Kräften während der 70er Jahre am Aufbau einer politischen Massenbasis in verschiedenen Regionen. Als erste der so neu entstandenen vier Guerillaorganisationen begann das Ejército Guerrillero de los Pobres (EGP) 1975 mit militärischen Aktionen. Die Verbreiterung und Systematisierung des bewaffneten Kampfes eskalierten gegen Ende der 70er/Anfang der 80er Jahre erneut zum Krieg (vgl. Krieg Nr. 146).
Guatemala (URNG, 1980 - 1996)
AKUF-Datenbanknr.: |
146 |
Kriegsdauer: |
1980 - 29.12.1996 |
Kriegstyp: |
A-2 |
Kriegsbeendigung |
durch Vermittlung Dritter (UNO) |
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Kriegführende |
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Seite A |
Fuerzas Armadas Rebeldes (FAR)¹ / Organización del Pueblo en Amres (ORPA)² / Ejérsito Guerrillero de los Pobres (EGP)³ / Partido Guatemalteco del Trabajo (PGT) |
Seite B |
Guatemala |
KONFLIKTGEGENSTAND UND -ZIELE
Seit dem gewaltsamen Sturz der Reformregierung Arbenz 1954 (vgl. Krieg Nr. 31) gab es immer wieder bewaffnete Versuche, die Regierung aus Militär und Agraroligarchie zu stürzen (vgl. Krieg Nr. 56). Hauptkonfliktpunkte sind die extrem ungleiche Verteilung des Landbesitzes und die in verschiedenen Intensitätswellen anhaltende staatliche Repression. Im Unterschied zu den 60er Jahren ist die indianische Bevölkerungsmehrheit an den Auseinandersetzungen nun - ihrem Bevölkerungsanteil entsprechend - beteiligt. Ethnische und sozio-ökonomische Konfliktlinien überlagern sich dabei, weil Wirtschaft und Politik des Landes von der Ladino-Oberschicht (Mischlinge zwischen Indios und Weißen) kontrolliert werden.
ERGEBNISSE DES KRIEGES
Die staatliche Repression nahm in den 80er Jahren das Ausmaß eines Völkermordes an und konnte den weiteren Aufschwung der Guerilla zwar verhindern, diese aber nicht militärisch besiegen. Die Rückkehr zu einer formaldemokratischen Regierung 1986 änderte an Repression und Bürgerkrieg wenig. Das Militär behielt vor allem bei Fragen der "inneren Sicherheit" weiterhin die vorherrschende Rolle. Der Abschluss des Friedensabkommen in El Salvador im Januar 1992 steigerte den internationalen Druck auf die gualtemaltekischen Konfliktparteien. Nach nur schleppenden Fortschritten in den vorangegangenen Jahren wurden im August 1992 die Gespräche zwischen Unidad Revolucionaria Nacional Guatemalteca (URNG [4])und Regierung wieder aufgenommen. Im Mai 1993 führt Präsident Serrano nach peruanischem Vorbild einen Selbstputsch durch, in dessen Folge nicht nur das Parlament entlassen wurde sondern auch die Grundrechte außer Kraft gesetzt wurden. In Reaktion auf dieses Vorgehen formierte sich ein breiter, alle gesellschaftlich wichtigen Gruppen umfassender Widerstand. Nur einen Monat später wählte das Parlament den bisherigen Menschenrechtsprokurator Ramiro de León Carpio zum Präsidenten. Für den Friedensprozess bedeuteten diese Veränderungen zunächst einen Rückschlag, da de León über keine ausreichende Machtbasis verfügte. Trotzdem wurden die Verhandlungen weitergeführt, und Anfang 1994 wurde schließlich ein Rahmenabkommen unterzeichnet. Im weiteren Verlauf der Jahre 1994 und 1995 kam es unter Vermittlung der UNO zur Unterzeichnung weiterer Teilabkommen und die Vereinten Nationen entsandten eine Mission (United Nations Human Rights Verification Mission in Guatemala; MINUGUA) zur Überwachung der Abkommen. Der Wahlkampf für die Parlaments- und Präsidentschaftswahlen im November 1995 unterbrach die Gespräche für kurze Zeit. Der im zweiten Wahlgang im Januar 1996 gewählte Präsident Alvaro Arzú zeigte jedoch schnell, dass der Abschluß eines umfassenden Friedensabkommens eine seiner politischen Prioritäten darstellte. Am 29. Dezember 1996 beendeten Regierung und URNG mit ihrer Unterschrift den 36 Jahre andauernden Bürgerkrieg.
Neben der Militarisierung der Gesellschaft hat die stetig ansteigende Repression in den Jahren des Bürgerkrieges etwa 100.000 Menschenleben gefordert. Darüber hinaus sind etwa 40.000 Menschen verschwunden, 250.000 Guatemalteken flohen über die Grenze nach Mexiko. Im Rahmen von Counter-Insurgency-Aktionen des Militärs wurden etwa eine Million Menschen in sogenannte strategische Dörfer zwangsumgesiedelt.
ANMERKUNGEN
[1] Ein Teil der Guerilla aus dem vorhergegangenen Krieg (vgl. Krieg Nr. 56) kämpfte unter dem alten Namen weiter.
[2] Hervorgegangen aus Teilen der FAR.
[3] Aus Resten der alten Guerilla entstanden.
[4] 1982 schlossen sich die vier Guerillabewegungen zur Unidad Revolucionaria Nacional Guatemalteca (URNG) zusammen.
Astrid Nissen