Ungarn
Kriege in Ungarn seit 1945
Ungarn (Aufstand, 1956)
AKUF-Datenbanknr.: |
43 |
Kriegsdauer: |
24.10.1956 - 10.11.1956¹ |
Kriegstyp: |
A-1 |
Kriegsbeendigung |
durch militärischen Sieg Seite B |
Kriegführende |
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Seite A |
heterogene Opposition und Teile der ungarischen Armee² |
Seite B |
Ungarn |
Intervention zugunsten B |
UdSSR |
KONFLIKTGEGENSTAND UND -ZIELE
Aufgrund einer enormen Industrialisierung nach dem Zweiten Weltkrieg, die besonders an den Bedürfnissen der UdSSR orientiert war - daher wurde in erster Linie die Schwerindustrie gefördert, während die Konsumartikelindustrie vernachlässigt wurde -, kam es in Ungarn zu Landflucht, Proletarisierung in den Städten und Verarmung ganzer Bevölkerungsteile. Ständige Erhöhungen der Plannormen, der niedrige Lebensstandard und Polizeiterror seitens der Sicherheitspolizei AVO führten zu Unzufriedenheit in der Bevölkerung.
Ein weiterer Faktor war, daß Imre Nagy, schon von 1953 bis 1955 ungarischer Ministerpräsident, mit seinem Versuch, einen liberalisierten Kommunismus einzuführen, am Widerstand der stalinistischen Fraktion gescheitert war und entmachtet wurde; sein politischer Kredit war in den Augen großer Teile der Bevölkerung verspielt. Dies wurde deutlich, als er am 24. Oktober 1956, beim Beginn der Unruhen, wieder zum Ministerpräsidenten berufen wurde.
Aus Massendemonstrationen mit 100.000 Teilnehmern am 23. Oktober 1956 in Budapest, die ihre Solidarität mit dem Widerstand der polnischen Arbeiter bekundeten, sich gegen den Stalinismus und die Anwesenheit sowjetischer Truppen in Ungarn richteten sowie freie Wahlen forderten, entwickelten sich Besetzungen und Belagerungen öffentlicher Institutionen und schließlich Schießereien.³ Sowjetische Truppen griffen ein, wurden aber bald wieder zurückgezogen. Auch Teile der ungarischen Armee gingen gegen die Aufständischen vor, Budapest wurde bombardiert. Verhandlungen mit der sowjetischen Regierung brachten die Neubesetzung von Parteiführung und Regierung mit Antistalinisten mit sich. Dennoch breitete sich der Aufstand aus und führte zu Gefechten mit AVO-Einheiten im ganzen Land. Ministerpräsident Nagy verkündete am 31. Oktober 1956 den Austritt aus dem Warschauer Pakt und die Neutralität Ungarns, während Parteichef János Kádár mit Moskau verhandelte. Ab 4. November 1956 rückten sowjetische Truppen, die vorher bereits verstärkt bzw. an den Grenzen zusammengezogen worden waren, nach Budapest vor. Heftige Gegenwehr bewaffneter Gruppen der Bevöl-kerung und von Teilen der ungarischen Armee hielt trotz sich widersprechender Angaben bis zum 10./11. November 1956 an.
ERGEBNISSE DES KRIEGES
Ungarn blieb Mitglied des Warschauer Paktes; die sowjetische Hegemonie bestand weiter. Das Nichteingreifen der Westmächte war Ausdruck der wechselseitigen Anerkennung von Einflußsphären. Auf die starke Repression gegen die am Aufstand Beteiligten folgten mit der allmählichen Konsolidierung der Zentralgewalt eine vorsichtige, schrittweise politische Liberalisierung und Wirtschaftsreformen. Mindestens 32.000 Menschen kamen durch den Krieg ums Leben.
ANMERKUNGEN
[1] Das Ende der Kampfhandlungen läßt sich nicht genau bestimmen; am 4. November 1956 gab die Sowjetunion die Zerschlagung des Aufstandes bekannt, in einzelnen Gegenden wurde jedoch noch länger gekämpft, die Aufständischen gingen zum Partisanenkrieg über. Um den 10./11. November 1956 scheint der Aufstand weitestgehend niedergeschlagen worden zu sein.
[2] Eine heterogene Oppositionsbewegung (antistalinistische Kommunisten, Arbeiterräte, Sozialdemokraten, Kleinlandwirte-Partei, Nationale Bauernpartei, konservative bis reaktionäre Gruppen) sowie Teile der ungarischen Armee.
[3] Wer die Schießereien eröffnete, ist unklar.
Peter Tautkus