Kroatien
Kriege in Kroatien seit 1945
Kroatien (Serben, 1991 - 1995)
AKUF-Datenbanknr.: |
200 |
Kriegsdauer: |
7/1991 - 13.11.1995 |
Kriegstyp: |
B-2 |
Kriegsbeendigung |
durch Vermittlung der USA |
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Kriegführende |
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Seite A |
Serbische Milizen und Tschetniks¹ |
Seite B |
Kroatische Milizen und kroatische Nationalgarde² |
KONFLIKTGEGENSTAND UND -ZIELE
In Kroatien kam es seit März 1991 immer wieder zu Zusammenstößen zwischen der kroatischen Polizei, der im April des selben Jahres aus Polizeireservisten aufgestellten Nationalgarde (HV) und autonomen Freischärlerverbänden auf der einen und Milizen der serbischen Minderheit in Kroatien, serbischen Freiwilligen und Tschetniks aus Bosnien und Serbien sowie der JVA, welche die Aufstellung einer republikseigenen kroatischen Armee zu verhindern suchte, auf der anderen Seite. Mitte Juli 1991 eskalierten die Zwischenfälle zum offenen Krieg, der vor allem um das mehrheitlich von Serben bewohnte Gebiet der Krajina geführt wurde, von dem aber auch die größeren kroatischen Städte sowie Slawonien und West-Dalmatien nicht verschont blieben. In den letzteren Gebieten stellten die Serben nur eine Minderheit. Ziel Serbiens war es, die Kontrolle über ein zusammenhängendes Territorium zu bekommen, um so den Anschluß der serbisch besiedelten Gebiete an die "Bundesrepublik Jugoslawien" (Restjugoslawien) zu vollziehen, die im April 1992 von Serbien und Montenegro gegründet worden war. Kroaten und Serben betrieben bei diesem Krieg eine Politik der "ethnischen Säuberung", bei der auf beiden Seiten die jeweils andere Volksgruppe aus den eroberten Gebieten vertrieben wurde. Die JVA mischte sich zunächst nicht direkt in die Kämpfe ein, sie unterstützte aber die serbischen Freischerlerverbände. Als sich Kroatien zur Blockade der Kasernen der JVA auf ihrem Territorium entschloß, nahm dies die Armee zum Anlaß offen als kriegführende Partei in Erscheinung zu treten. Daraufhin beteiligte sie sich an dem Beschuß kroatischer Städte wie Vukovar und Dubrovnik und übernahm die Blockade kroatischer Adriahäfen.
Im November 1991 trat eine weitgehende militärische Waffenruhe ein, die allerdings nicht das Ergebnis des von den UN und der EG verhängten Waffenembargos und der Wirtschaftssanktionen war. Vielmehr hatten die serbischen Verbände fast überall rein kroatische Gebiete erreicht, wo die Angreifer nicht mehr mit lokaler Unterstützung rechnen konnten. Ferner hatte die kroatische Armee, die am 26.9.1991 aus der Polizei und der Nationalgarde gebildet wurde, ihre Verteidigungslinien konsolidiert. Nichtzuletzt befand sich die JVA in einer Umbruchphase, da sie im Begriff war von einer jugoslawischen zu einer rein serbisch dominierten Armee zu werden, nachdem das Personal der anderen Republiken aus der Bundesarmee zurückberufen oder entlassen wurde. Somit stand die JVA anfangs vor dem Problem verstärkt serbische Reservisten mobilisieren zu müssen.
Am 2.1.1992 wurde der Cyrus Vance-Friedensplan unterzeichnet, der die Stationierung von UN-Truppen (United Nations Protection Forces; UNPROFOR)³ ermöglichte. Der Auftrag der 14.000 Mann starken Truppe bestand u.a. in der Einrichtung von Schutzzonen, der Auflösung lokaler Milizen, der Überwachung des Rückzugs der JVA und der HV aus den umkämpften Gebieten sowie die Organisation der Rückkehr der vertriebenen Bevölkerung. Nachdem Kroatien Mitte Januar 1992 völkerrechtlich anerkannt wurde, flauten die Kämpfe ab. Ende Januar 1993, kurz vor Ablauf des UN-Mandats, begannen sie jedoch von neuem. Kroatien startete eine Offensive in die serbisch besetzten Gebiete der Krajina, mit dem Ziel das strategisch wichtige Hinterland von Zadar zurückzuerobern. Serbische Einheitein brachten daraufhin ihre unter UN-Kontrolle stehenden Waffen wieder in ihre Gewalt. Anfang Februar weiteten sich die Kämpfe auch auf das Hinterland von Split aus, wobei jedoch keine Seite entscheidende militärische und strategische Vorteile erzielen konnte. Im März 1994 wurde ein erneuter Waffenstillstand zwischen den Krajina-Serben und Kroatien vereinbart, der sich aber wieder als brüchig erwies.
Nachdem Kroatien im Januar 1995 zunächst beschlossen hatte das UN-Mandat nicht zu verlängern und dann schließlich dem Verbleib einer auf 5.000 Mann verkleinerten Schutztruppe zustimmte, eskalierten die Kämpfe erneut. Anfang Mai des Jahres rückten kroatische Truppen in das seit 1991 von Serben besetzte West-Slawonien ein. Die Serben beschossen daraufhin die kroatische Hauptstadt Zagreb mit Raketen, jedoch konnten sie die Offensive nicht aufhalten. Innerhalb weniger Tage hatten die kroatischen Truppen wichtige Verkehrswege und Städte unter ihre Kontrolle gebracht. Bereits im Juni hatten kroatische Verbände darüber hinaus von bosnischem Territorium aus Knin, die Hauptstadt der Krajina-Serben, angegriffen. Anfang August erfolgte auf mehreren Fronten auch hier eine kroatische Offensive, wobei es den angreifenden Truppen binnen drei Tagen gelang, das ganze Gebiet unter ihre Kontrolle zu bringen. Als unmittelbare Folge dieser Eroberung ergoß sich ein Flüchtlingsstrom von 120.000 Serben in Richtung Bosnien-Herzegowina und Serbien.
ERGEBNISSE DES KRIEGES
Der Krieg zwischen Serbien und Kroatien fand 1995 ein vertraglich vereinbartes Ende. Der im November in Dayton (USA) paraphierte und am 14.12 in Paris von dem Präsidenten Kroatiens, Bosnien-Herzegowinas und Serbiens unterzeichnete Friedensvertrag von Dayton sah neben den Vereinbarungen für Bosnien-Herzegowina auch die Beendigung des serbisch-kroatischen Konflikts vor. Dem Abschlußdokument war unter starkem amerikanischem Vermittlungsdruck am 12.11.1995 ein Abkommen zwischen der Serbenführung in Ostslawonien und der kroatischen Regierung vorangegangen, das die Wiedereingliederung Ostslawoniens in das kroatische Staatsgebiet vorsah. Die Demilitarisierung des Gebietes und die Rückkehr der Flüchtlinge sollte für die Dauer eines Jahres von einer eigens aufgestellten Implemetation Force (IFOR) der NATO im Auftrag der UN, jedoch in eigener Führungsverantwortung, geleistet werden.
Von 1991 bis 1995 befand sich ein Drittel des kroatischen Territoriums außerhalb staatlicher Kontrolle und wurde entweder durch die UN oder die Serben kontrolliert. Die Territorialgewinne der Serben gingen jedoch 1995 wieder verloren. 40% der Industriekapazität Kroatiens und 38% der Straßenverbindungen sind durch den Krieg zerstört worden. Opferzahlen, die sich ausschließlich auf den serbisch-kroatischen Konflikt beziehen, liegen nicht vor. Insgesamt sollen 200.000 Menschen durch die Kriege im zerfallenden Jugoslawien ihr Leben verloren haben und 2,7 Millionen Menschen innerhalb des Landes vertrieben worden sein. Rund 3,8 Millionen Menschen sollen vor dem Krieg aus Kroatien und Bosnien geflohen sein.
ANMERKUNGEN
[1] Tschetniks: Irreguläre Verbände, die sich in der Tradition der Partisanen des Zweiten Weltkriegs sehen.
[2] Kroatische Nationalgarde: Ursprünglich 1974 als Polizeitruppe aufgebaut; während des Krieges in Slowenien wurden die sich in Kroatien neu bildenden Parteiarmeen in die Nationalgarde integriert.
[3] An der 13.870 Personen starken UNPROFOR beteiligten sich 31 Staaten: Ägypten, Argentinien, Australien, Bangladesch, Belgien, Brasilien, Kanada, Kolumbien, CSFR, Dänemark, Finnland, Frankreich, Ghana, Großbritannien, Irland, Kenia, Luxemburg, Malta, Nepal, Niederlande, Neuseeland, Nigeria, Norwegen, Pakistan, Polen, Portugal, Rußland, Singapur, Schweden, Schweiz und Venezuela.
Stephan Hensell