Papua-Neuguinea
Kriege in Papua-Neuguinea seit 1945
Papua-Neuguinea (Bougainville, BRA, 1989 - 1998)
AKUF-Datenbanknr.: |
167 |
Kriegsdauer: |
3/1989 - 30.04.1998 |
Kriegstyp: |
B-2 |
Kriegsbeendigung |
durch Vermittlung Dritter (Neuseeland) |
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Kriegführende |
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Seite A |
Bougainville Revolutionary Army (BRA) [1] |
Seite B |
Papua-Neuguinea (Papua New Guinea Defence Forces (PNGDF)), unterstützt von Resistance Forces seit 1992 und im Frühjahr 1997 von einer Söldnertruppe der Firmen Executives Outcomes und Sandline International) |
KONFLIKTGEGENSTAND UND -ZIELE
Die Auseinandersetzungen auf der zu Papua-Neuguinea (PNG) gehörenden, etwa 8.800 Quadratkilometer großen und von rund 160.000 Menschen bewohnten Salomonen-Insel Bougainville hatten sich Ende der 80er Jahre am Streit um eine der weltgrößten Tagebau-Minen, die Panguna-Kupfermine, entzündet. Die Mine wurde vom australischen Bergbaukonzern CRA (Conzinc Riotinto of Australia, seinerzeit Tochter des britischen Bergbau-Giganten Rio Tinto Zinc) betrieben; die 1972 eröffnete Mine bildete in den 70er und 80er Jahren das Rückgrat der Volkswirtschaft PNGs. Der Minenbetrieb verursachte im Laufe der Jahre erhebliche ökologische Zerstörungen und gefährdete deswegen die materielle Existenzgrundlage und die traditionale Lebensweise der einheimischen Bevölkerung. Nachdem Forderungen der lokalen landbesitzenden Clans im Minengebiet nach Kompensationen für die Umweltzerstörungen und nach Umweltschutzauflagen für die Mine von seiten des Bergbaukonzerns und der Zentralregierung abgelehnt worden waren, legten Einheimische seit dem November 1988 den Minenbetrieb durch Sabotageaktionen still. Die Zentralregierung reagierte im März 1989 mit der Entsendung ihrer Streitkräfte, der Papua New Guinea Defence Forces (PNGDF), auf die Insel. Mitglieder der Clans aus dem Minengebiet konstituierten die Bougainville Revolutionary Army (BRA). Der Konflikt eskalierte zum Krieg. Die BRA griff bereits in den 60er und 70er Jahren virulente Sezessionsforderungen wieder auf und forderte politische Unabhängigkeit für Bougainville. In den folgenden neun Jahren wurde auf Bougainville weitgehend unbeachtet von der Weltöffentlichkeit ein blutiger Sezessionskrieg ausgetragen, dem 15.-20.000 Menschen zum Opfer gefallen sein sollen. Der BRA gelang es in der ersten Phase des Krieges - nicht zuletzt wegen des brutalen Vorgehens der PNGDF auch gegen Zivilisten - große Teile der Bevölkerung Bougainvilles auf ihre Seite zu ziehen und mit ihrer Guerillakriegführung militärische Erfolge gegen die personell und materiell überlegenen Regierungstruppen, die von Australien ausgerüstet und ausgebildet wurden, zu erzielen. Im März 1990 mußten sich die PNGDF nach einem Waffenstillstand sogar völlig von der Insel zurückziehen. Daraufhin wurde über Bougainville eine totale Blockade verhängt, an deren Auswirkungen (insbesondere Zusammenbruch der medizinischen Versorgung) in den folgenden Jahren Tausende von Menschen starben. Als Reaktion auf die Blockade proklamierte die BRA im Mai 1990 einseitig die Unabhängigkeit der "Republik Bougainville" und etablierte eine eigene Regierung, das Bougainville Interim Government (BIG). Seit 1992 eroberten die Regierungstruppen nach und nach größere Teile der Insel und insbesondere die Städte zurück. Sie wurden dabei von einheimischen Kräften, den sog. Resistance Forces, unterstützt. Letztere hatten sich aus Dorfschutzgruppen gebildet, weil sich während der uneingeschränkten BRA-Kontrolle über die Insel Teile der BRA als äußerst undiszipliniert erwiesen hatten und sich ihrerseits Übergriffe auf die Zivilbevölkerung hatten zuschulden kommen lassen. Traditionale Konflikte zwischen verschiedenen Clans, die sich entweder der BRA oder den Resistance Forces und den PNGDF anschlossen, trugen zur weiteren Diffusion des Kriegsgeschehens bei. Die BRA konnte ihr Kernland im Zentrum der Insel um die Panguna-Mine und Teile im Süden behaupten, während PNGDF und Resistance vor allem den Norden, die Küstengebiete und die Nachbarinsel Buka kontrollierten.
Mehrere Versuche zu einer Kriegsbeendigung durch eine Verhandlungslösung scheiterten in den Jahren bis 1997. Zugleich gelang es keiner Seite, einen militärischen Sieg zu erringen. Im Sommer 1996 brach eine großangelegte Offensive der Regierungstruppen nach mehreren Wochen zusammen. Und im Frühjahr 1997 scheiterte der Versuch des damaligen Premierministers Chan, durch den Einsatz einer britisch-südafrikanischen Söldnertruppe, die von den Söldnerfirmen Sandline International und Executive Outcomes gestellt wurde, die Panguna-Mine zurückzuerobern und die BRA zu zerschlagen: Große Demonstrationen in PNGs Hauptstadt Port Moresby, an denen sich auch viele Regierungssoldaten beteiligten, zwangen Chan zum Rücktritt und die Söldner außer Landes.
Die nach den Neuwahlen vom Juni 1997 gebildete neue Regierung des Premierministers Bill Skate erklärte sich zu Verhandlungen mit BIG/BRA bereit. Unter Vermittlung der neuseeländischen Regierung kam es seit dem Juni 1997 in Neuseeland zu einer Reihe von Gesprächen und Verhandlungen zwischen den Konfliktparteien: BRA, und BIG einerseits, Resistance Forces, Zentralregierung und Bougainville Transitional Government (BTG, die 1995 eingesetzte, mit der Zentralregierung kooperierende Provinzregierung Bougainvilles) andererseits. Die Verhandlungen mündeten im Oktober 1997 in eine Waffenruhe, die von einer internationalen Beobachtergruppe, bestehend aus unbewaffnetem männlichem und weiblichen Zivil- und Militärpersonal aus Neuseeland, Australien, Fiji und Vanuatu, überwacht wurde. Die Waffenruhe wurde weitgehend eingehalten. Auf Bougainville kam es vielerorts zu lokalen Friedens- und Versöhnungszeremonien zwischen den verfeindeten Seiten.
ERGEBNISSE DES KRIEGES
Im Januar 1998 wurde in der Lincoln-Universität in Neuseeland von den Konfliktparteien das "Lincoln Agreement on Peace, Security and Development on Bougainville" ausgehandelt. In diesem Abkommen verpflichten sich alle Seiten zu einer friedlichen Lösung des Konflikts. Unter anderem einigte man sich auf die Überführung der Waffenruhe in einen formellen Waffenstillstand, den phasenweisen Abzug der Regierungstruppen von der Insel und die phasenweise Entwaffnung und Demobilisierung von BRA und Resistance, die Bildung. einer "Regierung der Versöhnung" und weitere Verhandlungen über den künftigen politischen Status Bougainvilles. Wie im Lincoln-Agreement vereinbart, wurde am 30. April 1998 ein Abkommen über einen "permanenten und unwiderruflichen Waffenstillstand" unterzeichnet. Seither schweigen auf Bougainville die Waffen. Der Krieg kann als mit diesem Datum beendet gelten.
Die internationale Beobachtergruppe blieb als "Peace Monitoring Group" (PMG) nach Unterzeichnung des Waffenstillstands auf Bougainville. Zudem wurde seit August 1998 eine UN-Beobachtermission zur Unterstützung des Friedensprozesses auf der Insel aktiv. Im Dezember 1998 einigten sich die wichtigsten politischen Kräfte auf Bougainville auf die Einrichtung einer "Bougainville Constituent Assembly" (BCA) und auf eine "Verfassung" für eine "Regierung der Versöhnung". Im Mai kam es zu Wahlen zu einem "Bougainville People's Congress" (BPC), Vorsitzender von dessen Exekutive wurde der ehemalige Vizepräsident des BIG, Joseph Kabui. Der BPC authorisierte seine Exekutive unter Führung von Kabui, Verhandlungen mit der Zentralregierung PNGs über die politische Zukunft Bougainvilles aufzunehmen. Zur Zeit (Sommer 1999) wird der Friedensprozeß auf Bougainville fortgeführt.
Allerdings ist dieser Prozeß noch mit einer Fülle von Problemen belastet. Der Abzug der Regierungstruppen und die Entwaffnung und die Demobilisierung von BRA und Resistance haben noch nicht begonnen. Die "law-and-Order"-Situation auf der Insel ist prekär.
Viele ehemalige jugendliche Kämpfer von BRA und Resistance sehen ohne Ausbildung, Beschäftigung und berufliche Perspektive einer ungewissen Zukunft entgegen; sie bilden ein erhebliches gewaltbereites Potential, das den Friedensprozeß destabilisieren kann, zumal es bisher weder gelungen ist, eine funktionierende Polizei und Justiz auf Bougainville aufzubauen noch die ökonomische Entwicklung (wieder) anzukurbeln. Die Wiederherstellung von Infrastruktur, Schul- und Gesundheitswesen, Beschäftigungs- und Verdienstmöglichkeiten kommt nur langsam voran. Und nicht zuletzt stehen sich bei den entscheidenden politischen Konfliktpunkten nach wie vor unvereinbare Positionen gegenüber: Während sich die relevanten politischen Kräfte auf Bougainville auf die Forderung nach Unabhängigkeit verständigt haben, lehnt die Zentralregierung PNGs dies entschieden ab. Überdies ist das Schicksal der Panguna-Mine völlig offen. Sie befindet sich immer noch unter der Kontrolle einer besonders intransigenten BRA-Fraktion unter Führung des ehemaligen BIG--Präsidenten Francis Ona.
Wiederaufbau, Versöhnung und Friedensstabiliserung auf Bougainville werden ein längerfristiger, stets gefährdeter Prozeß sein.
ANMERKUNGEN
[1] Der Widerstand der BRA-Kämpfer begann mit dem Sprengen von Strommasten, mit Pfeil und Bogen, selbstgemachten Schrotflinten und Minen, die aus im Zweiten Weltkrieg zurückgelassenen Bomben gebaut wurden. Inzwischen verfügt die BRA auch über modernere Schußwaffen.
Volker Böge