Pakistan
Kriege in Pakistan seit 1945
Indien (Kaschmir I, Azad Kashmiri Forces, 1947 - 1949)
AKUF-Datenbanknr.: |
13 |
Kriegsdauer: |
22.10.1947 - 01.01.1949 |
Kriegstyp: |
A-2/AC-2 |
Kriegsbeendigung |
durch Vermittlung Dritter (UNO) |
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Kriegführende |
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Seite A |
Paschtunen [1] |
Seite B |
Kaschmir |
zuätzlich Seite A: |
Truppen Azad Kashmiri-Forces (10/1947 - 01/1949) |
Intervention zugunsten A: |
Pakistan (5/1948 - 1/1949) |
Intervention zugunsten B: |
Indien (27.10.1947 - 1/1949) |
KONFLIKTGEGENSTAND UND -ZIELE
Kaschmir, das unter britischer Kolonialherrschaft als Fürstentum seine eigenständige Organisationsstruktur behalten hatte und nach der Teilung des Subkontinents in Indien und Pakistan im August 1947 de jure ein unabhängiger Staat war, sollte zu einem späteren Zeitpunkt seinen Anschluß - wie alle 554 Fürstentümer - entweder an Indien oder an Pakistan vollziehen. Der hinduistische Maharadscha (bei einer 85%igen muslimischen Bevölkerungsmehrheit) versuchte, sich durch Taktieren beide Möglichkeiten offenzuhalten. Die muslimische Unabhängigkeitsbewegung wurde unterdrückt. Ab dem 22. Oktober 1947 jedoch infiltrierten Paschtunen, die unter dem Befehl pakistanischer Offiziere standen, von Pakistan aus kommend Kaschmir und versuchten, mit Waffengewalt eine Entscheidung zugunsten eines Anschlusses an Pakistan zu forcieren. Der größte Teil der mehrheitlich muslimischen, kaschmirischen Truppen desertierte und reorganisierte sich als Truppe des im eroberten Poonch ausgerufenen "Azad (freien) Kaschmir". Daraufhin bat der Maharadscha am 26. Oktober Indien um militärischen Beistand, den dieses nur nach dem Anschluß Kaschmirs an die Indische Union zu leisten bereit war. Einen Tag später griff die indische Armee in den Krieg ein.
Unter dem Druck der Muslim-Liga und der eigenen muslimischen Bevölkerung stehend, beabsichtigte daraufhin die pakistanische Regierung, zugunsten Azad-Kaschmirs zu intervenieren. Anfangs konnte ein britischer Offizier, Oberbefehlshaber der pakistanischen Armee, mit der Drohung, alle britischen Offiziere zurückzuziehen, einen pakistanischen Kriegseintritt verhindern. Dies änderte sich jedoch mit der Frühjahrsoffensive Indiens 1948, durch die alle Kaschmir betreffenden Verhandlungen torpediert wurden. Unter dem Druck einer neuerlichen Flüchtlingswelle sowie aufgrund der Sperrung des für Pakistan lebenswichtigen Induswassers griffen im Mai pakistanische Truppen im wesentlichen in Nordkaschmir in den Krieg auf seiten der Aufständischen ein. Brines (1968:78) bewertet den pakistanischen Vorstoß als Initiative, ein möglichst großes Gebiet Kaschmirs vor der zur erwartenden Teilung zu besetzen, während Frey (1978:37) den pakistanischen Kriegseintritt als rein defensiv interpretiert, der nur zum Schutze der Grenze sowie der ökonomisch wichtigen Staubecken des Flusses Jhelum erfolgte.
ERGEBNISSE DES KRIEGES
Als Ergebnis der Kriegshandlungen wurde Kaschmir geteilt. Zwei Drittel Kaschmirs erhielt Indien zugesprochen, das es später als Unionsstaat "Jammu und Kaschmir", der nach der indischen Verfassung eine Sonderstellung einnimmt, eingliederte; das restliche Drittel - der gebirgige Norden - bildete im wesentlichen "Azad-Kaschmir", das de facto von Pakistan verwaltet wird. Einige kleinere Gebietseinheiten sind direkt Pakistan eingegliedert worden. Das von der UNO geforderte und vom indischen Premierminister Nehru in Aussicht gestellte Referendum über die Zukunft Kaschmirs steht weiterhin aus. [2]
Mindestens 3.000 Menschen kamen bei den Kämpfen ums Leben.
ANMERKUNGEN
[1] Auch als "Pathanen" bezeichnet.
[2] Vgl. auch Zweiter Kaschmirkrieg 1965 (Krieg Nr. 84), Krieg um den Rann-von-Kutch 1965 (Krieg Nr. 82), den Krieg auf dem Siachengletscher (Krieg Nr. 161) sowie den innerkaschmiri-schen Krieg (Krieg Nr. 188). Zu den indo-pakistanischen machtpolitischen Gegensätzen außerdem der Bangladesch-Krieg 1971 (Nr. 111). Zum Krieg als Mittel zum Anschluß der indischen Fürstentümer vgl. Krieg Nr. 15 (Hyderabad).
Jens-Peter Franke
Indien/Pakistan (Rann-von-Kutch, 1965)
AKUF-Datenbanknr.: |
82 |
Kriegsdauer: |
09.04.1965 - 01.07.1995 |
Kriegsbeendigung |
durch Vermittlung Dritter (ehem. Kolonialmacht) |
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Kriegführende |
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Seite A |
Indien |
Seite B |
Pakistan |
KONFLIKTGEGENSTAND UND -ZIELE
Vor dem Hintergrund des im Rann-von-Kutch zwischen Indien und Pakistan strittigen Grenzverlaufes entwickelte sich aus Grenzscharmützeln ein auf diese Region beschränkter Krieg.
Der Rann ist eine Salzwüste, die nur während des Monsuns von Mai bis Spätherbst einen See bildet. Pakistanische Ansprüche im Rann beziehen sich auf eine international übliche Grenzziehung in der Mitte des Sees. Indien hingegen beansprucht die traditionelle Westgrenze zwischen dem ehemaligen Fürstentum Kutch und der heute pakistanischen Provinz Sindh.
Als Konfliktursache wurden vermutete, bislang aber nicht nachgewiesene Erdölvorkommen im umstrittenen Gebiet benannt. Tatsächlich führte der latente pakistanisch-indische Konflikt, der sich 1965 zuspitzte, in den umstrittenen Grenzregionen (Rann, Kaschmir) zu ständigen Scharmützeln, die von Pakistan im Rann bewußt ausgedehnt wurden, um in einem "Testkrieg" die indische Verteidigungskraft auszuprobieren; im August folgte dann der Zweite Kaschmirkrieg (vgl. Krieg Nr. 84).
ERGEBNISSE DES KRIEGES
Die durch britische Vermittlung zustandegekommenen Verhandlungen zwischen Pakistan und Indien über die Grenzziehung an der indischen Westgrenze fanden zwischen 1966 und 1968 statt und führten zur Aufteilung des Rann mit 90% an Indien und 10% an Pakistan.
Mindestens 450 Soldaten kamen bei den Kämpfen ums Leben.
Jens-Peter Franke
Indien (Kaschmir II; Mujahids, 1965)
AKUF-Datenbanknr.: |
84 |
Kriegsdauer: |
05.08.1965 - 23.09.1965 |
Kriegstyp: |
B-2/BC-2 |
Kriegsbeendigung |
durch Vermittlung Dritter (UNO) |
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Kriegführende |
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Seite A |
Mujahids (muslimische Guerillas) [1] |
Seite B |
Indien |
zusätzlich Seite A: |
Pakistan (16.08.1965 - 23.09.1965) |
KONFLIKTGEGENSTAND UND -ZIELE
Nachdem ab dem 5. August 1965 die aus Pakistan eingesickerten Mujahids den Sicherheitskräften im indischen Teil Kaschmirs einen Guerillakrieg lieferten, überschritten am 16. August 1965 indische Truppen die Waffenstillstandslinie und drangen in den pakistanischen Teil Kaschmirs ein. Die anfänglich nur geringen Gegenmaßnahmen des pakistanischen Militärs weiteten sich Anfang September entlang der gesamten, 2.000 Kilometer langen (west-)pakistanisch-indischen Grenze zu schweren Panzerschlachten aus.
Pakistan beabsichtigte mit diesem Krieg, Kaschmir von einem vermeintlich schwachen Gegner zu befreien, zumal Indien das von Pakistan mit Unterstützung der UNO geforderte Referendum über die kaschmirische Zukunft ablehnte. Indien wollte, neben der Verhinderung der Abtrennung Kaschmirs, sein nach der Niederlage im sino-indischen Krieg 1962 angeschlagenes militärisches und politisches Selbstbewußtsein wiederherstellen.
Der Zweite Kaschmirkrieg war nur ein Höhepunkt des seit der Gründung beider Staaten (1947) latent konfliktiven Verhältnisses, das in der Kaschmirproblematik nur einen, wenngleich den wohl wichtigsten Eskalationspunkt hat. Ausdruck der permanenten Spannungen zwischen beiden Staaten waren ständige Scharmützel an der Grenze (Waffenstillstandslinie) in Kaschmir, aber auch im Rann-von-Kutch, in dem die Grenzziehung strittig war.3 Bereits im Mai hatten indische Truppen die kaschmirische Waffenstillstandslinie in der Region Kargil überschritten und drei pakistanische Militärposten eingenommen, sich jedoch auf Intervention der UNO und der USA wieder zurückgezogen.
ERGEBNISSE DES KRIEGES
Eine allem Anschein nach drohende Ausweitung des Krieges durch den Eintritt der VR China auf seiten Pakistans (massive pro-pakistanische Propaganda in den chinesischen Medien, Spannungen an der chinesisch-indischen Grenze in Sikkim) führte zum Eingreifen der UNO, die schließlich einen Waffenstillstand vermitteln konnte. Die VR China, die einen Beistandspakt mit Pakistan hatte, setzte ihre Drohgebärden vermutlich dazu ein, Indien von der Eröffnung einer weiteren Front in Ostpakistan abzuhalten.
Der Status quo ante bellum wurde so, wie er nach dem Ersten Kaschmirkrieg bestanden hatte, auf der von der Sowjetunion am 10. Januar 1966 initiierten Konferenz von Taschkent wiederhergestellt. Minimale Grenzveränderungen, die sich durch den Kriegsverlauf ergeben hatten, wurden revidiert.
Mindestens 20.000 Menschen kamen bei den Kämpfen ums Leben.
ANMERKUNGEN
[1] Die Mujahids rekrutierten sich zu einem großen Teil aus Moslems aus Kaschmir, die für ein freies Kaschmir ("Azad Kaschmir") kämpften. Ob sie aus dem zu Indien oder zu Pakistan gehörenden Teil Kaschmirs stammten, ist nicht bekannt.
[2] Vgl. auch Erster Kaschmirkrieg 1947 bis 1949 (Krieg Nr. 13), Krieg um den Rann-von-Kutch 1965 (Krieg Nr. 82), Bangladesch-Krieg 1971 (Krieg Nr. 111), Siachengletscherkrieg 1984 bis 1989 (Krieg Nr. 161) sowie den innerkaschmirischen Krieg seit 1990 (Krieg Nr. 188); außerdem sino-indischer Krieg 1962 (Krieg Nr. 66).
Jens-Peter Franke
Pakistan (Bangladesch, Mukti Fauj u.a 1971)
AKUF-Datenbanknr.: |
111 |
Kriegsdauer: |
25.3.1971 - 17.12.1971 [1] |
Kriegstyp: |
B-1/BC[2]-2 |
Kriegsbeendigung |
durch militärischen Sieg Seite B |
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Kriegführende |
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Seite A |
Pakistan |
Seite B |
Verschiedene Guerillabewegungen, die häufig als "Freedom Fighters" bezeichnet werden (die größte war die Mukti Fauj ("Volksarmee")); daneben Teile der Polizeikräfte und paramilitärische Einheiten (East Bengal Regiment, East Pakistan Rifles, "Ansar") |
zusätzlich zu Seite B |
Indien (03.12.1971 - 17.12.1971) |
Intervention zugunsten B: |
Indien (6/1971 - 02.12.1971) |
KONFLIKTGEGENSTAND UND -ZIELE
Den Hintergrund des Krieges bildeten die von der bengalischen Bevölkerung Ostpakistans empfundene politische, ökonomische und sprachlich-kulturelle Benachteiligung durch Westpakistan sowie dessen innenpolitische Instabilität. Außenpolitisch kam die seit 1947 bestehende machtpolitische Rivalität zwischen Pakistan und Indien hinzu, die bereits zu drei Kriegen geführt hatte (vgl. Erster und Zweiter Kaschmirkrieg, Kriege Nr. 13 und 84; Krieg um den Rann-von-Kutch, Krieg Nr. 82).
Der seit etwa 20 Jahren schwelende Grundkonflikt zwischen den beiden 1.800 Kilometer voneinander entfernten Landesteilen Pakistans eskalierte zwischen den Nationalwahlen vom Dezember 1970 und Ende März 1971 dramatisch. Auf den überwältigenden Wahlsieg der sezessionistischen, linksorientierten Awami League in Ostpakistan folgte eine parlamentarische Ost-West-Polarisierung, die ein Eingreifen der westpakistanischen Zentralregierung unausweichlich zu machen schien. Dennoch zeichnete sich zunächst eine Verhandlungslösung zwischen der Militärregierung und der Awami League ab. Der "point of no return" war jedoch erreicht, als unter dem massiven Druck der bedeutendsten westpakistanischen zivilen Oppositionspartei Z.A. Bhuttos, die jegliche Konzession an die Sezessionsbewegung ablehnte, die Militärregierung Anfang März 1971 die Eröffnungssitzung der Verfassunggebenden Versammlung aussetzte. Die daraufhin von der Awami League ausgerufene Kampagne des zivilen Ungehorsams legte das öffentliche Leben und die Verwaltung Ostpakistans lahm. Gleichzeitige Verhandlungen zwischen der Militärregierung und dem Chef der Awami League, M. Rahman, wurden von Staats- und Militärchef Y. Khan am 25. März abgebrochen. Nach dessen umgehendem Abflug aus Ostpakistan bekamen die zuvor schleichend verstärkten westpakistanischen Militäreinheiten den Einsatzbefehl. Zwar konnte am 26. März Rahman gefangengenommen werden, doch bildeten andere Politiker der Awami League in Indien eine Exilregierung, die noch am selben Tag den Staat Bangladesch proklamierte. Zur entscheidenden Kraft im Sezessionskrieg wurde faktisch allerdings die Guerillabewegung. Das politische Überleben der Exilregierung war von deren militärischen Erfolgen genauso abhängig wie vom Wohlwollen Indiens.
Die sezessionistischen Bestrebungen in Ostpakistan kamen Indiens Hegemonieanspruch in der Region entgegen. Bereits ab April 1971 übte Indien auf das in Ostpakistan stationierte westpakistanische Militär Druck aus, indem es Aufständische ausbildete und an der Grenze zu Ostpakistan das Grenzregime verschärfte. Unter dem Eindruck des auf bis zu zehn Millionen Menschen anwachsenden Flüchtlingsstroms wuchs in Indien die Bereitschaft zum offenen militärischen Eingreifen. Ab Juni 1971 drangen Einheiten der paramilitärischen Border Security Force (BSF) tiefer in ostpakistanisches Territorium vor, um in die Defensive gedrängten Guerillaverbände zu unterstützen. Die Eskalation führte zum Angriff der pakistanischen Luftwaffe auf indische Ziele am 3. Dezember, die im großen Maße Kampfhandlungen sowohl an der Grenze nach Ostpakistan als auch nach Westpakistan auslösten.
ERGEBNISSE DES KRIEGES
Im ehemaligen Ostpakistan kam es zur Gründung des 75 Millionen-Einwohner-Staates Bangladesch, dessen innere Konsolidierung infolge von Machtkämpfen, ökonomischen Krisen und Naturkastrophen jedoch ausblieb. In Westpakistan mußte angesichts des Kriegsergebnisses die Militärregierung zurücktreten; der zivile Oppositionspolitiker Z.A. Bhutto übernahm die Regierungsgeschäfte. Das Militär behielt allerdings weiterhin einen bedeutenden Einfluß auf die Politik. Das südasiatische Machtgefüge änderte sich durch die Gründung Bangladeschs nachhaltig zugunsten Indiens.
Mindestens 300.000 Menschen kamen bei den Kämpfen ums Leben.
ANMERKUNGEN
[1] Der Krieg war im Osten am 16. Dezember 1971 durch die Kapitulation der westpakistanischen Einheiten zu seinem Ende gekommen. An der Front zu Westpakistan nahm die pakistanische Armee erst am 17. Dezember einen Waffenstillstand an.
[2] 1. Phase: Sezessionskrieg gegen das westpakistanische Militär ab März 1971; 2. Phase: Zunehmende interventionistische Einsätze der indischen Grenztruppen zugunsten der Aufständischen ab Juni 1971 bis zum 2. Dezember; 3. Phase: Zwischenstaatlicher Krieg ab 3. Dezember 1971, weiterhin sezessionistische Komponente in Ostpakistan.
Jens-Peter Franke
Pakistan (Belutschistan I, BPLF, 1973 - 1977)
AKUF-Datenbanknr.: |
171 |
Kriegsdauer: |
3/1973 - 7/1977 |
Kriegstyp: |
B-2 [1] |
Kriegsbeendigung |
durch militärischen Sieg Seite B |
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Kriegführende |
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Seite A |
Baluchistan People's Liberation Front (BPLF) |
Seite B |
Pakistan |
KONFLIKTGEGENSTAND UND -ZIELE
Konfliktgegenstand war die ökonomische, soziale und politische Benachteiligung der Provinz Belutschistan in Pakistan. Die BPLF, die über eine traditional-tribale Basis verfügte, aber von zum Teil marxistisch beeinflußten Intellektuellen und Studenten (Belutschistan Students Organisation; BSO) politisch inspiriert wurde, kämpfte für ein multinationales, sozialistisches Pakistan, in dem Belutschistan ein gleichberechtigter, weitgehend unabhängiger Landesteil sein sollte. Eine Minderheit beabsichtigte, beeinflußt von dem Vorbild Bangladesch, die Sezession von Pakistan und die Zusammenfassung aller Belutschen in einem Staat. Dieses Ziel veranlaßte den Schah von Persien, den Krieg der pakistanischen Zentralregierung gegen die ethnonationalistische Bewegung Belutschistans zu unterstützen, da im Osten des Iran eine beträchtliche Minderheit von Belutschen lebt. Mit wachsender Kriegsdauer verlagerte sich die BPLF-Zielsetzung in Richtung Sezession.
ERGEBNISSE DES KRIEGES
Die Guerilla Belutschistans erreichte ihre Ziele nicht. Doch der vierjährige Krieg trug dazu bei, das 1971 durch die Niederlage gegen Indien diskreditierte pakistanische Militär als Ordnungsinstrument und politischen Faktor zu rehabilitieren und die Zivilregierung Z.A. Bhuttos zu destabilisieren. Das Militärregime Zia legte ein spezielles Entwicklungsprogramm für die Provinz auf, das die Benachteiligung jedoch nicht aufhob.
Der Krieg forderte annähernd 10.000 Todesopfer.
ANMERKUNGEN
[1] Iranische Kampfhubschrauber und Piloten beteiligten sich sporadisch an Angriffen der pakistanischen Luftwaffe auf die Belutschen-Guerilla. Hintergrund der Parteinahme des Iran für die reguläre pakistanische Armee war das Ziel der Belutschen, alle (auch die iranischen) Belut-schen in einem Nationalstaat zusammenzufassen.
Peter Körner
Pakistan/Indien (Siachengletscher)
AKUF-Datenbanknr.: |
161 |
Kriegsdauer: |
4/1984 - 1989 |
Kriegstyp: |
C-2 |
Kriegsbeendigung |
durch Abbruch der Kämpfe (Kämpfe unterhalb Ebene Krieg) |
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Kriegführende |
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Seite A |
Pakistan |
Seite B |
Indien |
KONFLIKTGEGENSTAND UND -ZIELE
Zentraler Konfliktgegenstand ist eine 4.500 km2 große, schnee- und gletscherbedeckte Hochgebirgsregion des Karakorum-Gebirges, die im Norden des von beiden Staaten seit ihrer Unabhängigkeit besetzten und umstrittenen ehemaligen Fürstenstaates Kaschmir liegt. Die Gebirgsregion war nach den beiden Kaschmirkriegen (1947/49 und 1965) bei der Festlegung der Waffenstillstandslinie ausgeklammert worden (vgl. Kriege Nr. 13 und 82). Dieser militärisch und territorial begrenzte "Nachfolgekrieg" der Kaschmirauseinandersetzungen ist - neben strategischen Gesichtspunkten - auch Ausdruck eines machtpolitischen Antagonismus beider Länder in der Region. Die Gebietsauseinandersetzung ist mittlerweile nur vordergründiges Ziel. Beide Regierungen nutzen diesen Krieg, um ihren Anspruch auf Kaschmir zu dokumentieren, zur innenpolitischen Herrschaftssicherung und als zwischenstaatliches "Überdruckventil", das in Zeiten bilateraler Krisen aktiviert wird, um einen größeren Krieg zu vermeiden. Gleichzeitig gewinnt der ökologische Aspekt der zwischenstaatlichen Auseinandersetzung um Kaschmir immer größere Bedeutung, da dieses Gebiet über sehr große Wasserressourcen verfügt. Seit 1989 sind die militärischen Auseinandersetzungen auf das Niveau permanenter Grenzzwischenfälle an der indisch-pakistanischen Grenze abgesunken. Seit 1990 wird die Kaschmirauseinandersetzung durch den Bürgerkrieg im indischen Teil Kaschmirs überschattet, der durch die Unterstützung des kaschmirisch-muslimischen Widerstands durch Pakistan eine indirekte zwischenstaatliche Komponente erhält (vgl. Krieg Nr. 188).
ERGEBNISSE DES KRIEGES
Die militärischen Auseinandersetzungen dauern unterhalb der Kriegsschwelle an - mit strategischen Vorteilen für Indien (militärische Kontrolle der wichtigsten Gebirgspässe). Die ungelöste Kaschmirfrage sowie die Bereitschaft beider Staaten, militärische Zusammenstöße in Kauf zu nehmen, birgt, angesichts des wachsenden Widerstandspotentials unter der islamischen Bevölkerungsmehrheit im indischen Teil Kaschmirs, die Gefahr einer Eskalation der kriegerischen Auseinandersetzungen.
Insgesamt forderte der Krieg über 1.000 Todesopfer, die jedoch zu fast 80% auf die lebensfeindlichen Umweltbedingungen zurückzuführen sind.
Reinhardt te Heesen
Pakistan (Sind, Jiye Sind Mahaz, 1986 - 1995)
AKUF-Datenbanknr.: |
187 |
Kriegsdauer: |
11/1986 - 12/1995 |
Kriegstyp: |
B-2 |
Kriegsbeendigung |
durch militärischen Sieg Seite B (Kämpfe unterhalb der Ebene Krieg) |
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Kriegführende |
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Seite A |
Jiye Sind Mahaz (Jeeya-Sind-Bewegung) |
Seite B |
Pakistan |
zusätzlich Seite A: |
Muhajir Qaumi Movement (MQM) bzw. (seit 1997) Muttahida Qaumi Mahaz (MQM) / Paschtunische Drogen- und Waffenmafia und ihre bewaffneten Milizen / Pakistan People's Party (PPP) / Pakistan Muslim League (PML) / Sipah-i-Sahabu (sunnitisch)/ Therik-e-Jafria (schiitisch) |
zusätzlich Seite B: |
Muhajir Qaumi Movement - Haqiqi (MQM-H) |
KONFLIKTGEGENSTAND UND -ZIELE
Seit 1986 sind die südpakistanische Provinz Sindh und ihre Metropole Karachi Schauplatz eines innerstaatlichen Krieges, in dem sich eine Vielzahl von Konfliktlinien überlagern. Erstens bekämpfen sich militante Vertreter verschiedener Volksgruppen bei der Verteidigung bzw. Durchsetzung ihrer Rechte: Sindhis kämpfen gegen Muhajirs, Muhajirs gegen Paschtunen sowie Sindhis und Muhajirs gegen Punjabis. Sie alle geraten zweitens regelmäßig in Konflikt mit staatlichen Sicherheitsorganen, seien diese nun Polizeikräfte, Paramilitärs oder regelrechte Armeestreitkräfte. Dasselbe gilt drittens bei aller Korrumpierung des Staatsapparates auch für die besonders in Karachi operierende Drogen- und Waffenmafia, die von Paschtunen dominiert wird. Im Mittelpunkt des Gewaltgeschehens seit 1995 stehen allerdings viertens der erbarmungslose Bruderkrieg zweier verfeindeter Fraktionen der Partei Muhajir Qaumi Movement (MQM) sowie fünftens gewaltsame Auseinandersetzungen zwischen Parteigängern radikaler sunnitischer und schiitischer Gruppierungen.
Den Hintergrund der Konflikte bildet die Teilung der Kolonie Britisch-Indien in die unabhängigen Staaten Indien (mehrheitlich hinduistisch) und Pakistan (muslimisch) im Jahre 1947, in deren Zuge über fünfzehn Millionen Menschen freiwillig oder unfreiwillig die Fronten wechselten und knapp eine Million Opfer geplanter oder spontaner Massaker wurde. Die nach Pakistan geflohenen Muslime ließen sich mehrheitlich in Karachi nieder und nannten sich fortan (und bis heute) Muhajirs (Flüchtlinge). Sie besetzten Schlüsselpositionen in Handel, Industrie, Verwaltung und Militär und erlangten auch national beträchtlichen Einfluß. Die indigene Sind-Bevölkerung hingegen sah sich in ihrer angestammten Provinz ins zweite Glied gedrängt und begehrte gegen die Muhajir-Dominanz wie auch gegen die Benachteiligung durch die pakistanische Zentralregierung auf.
Entsprechend umfassen die Forderungen der Jeeya-Sind-Bewegung eine proportionale Repräsentation von Sindhi in der Verwaltung und der Armee, den Abbau des "Fremdbevölkerungsanteils" in Sind und die Autonomie für die Provinz Sind. Radikale Nationalisten streb(t)en - analog zur Abspaltung des ehemaligen Ostpakistan als Bangladesch im Jahre 1971 (vgl. Krieg Nr. 111) - die Gründung eines unabhängigen Staates Sindhu Desh an. Die Jeeya-Sind-Bewegung formierte sich im Mai 1988 innerhalb der Sind National Alliance (SNA). In der Bewegung gibt es Verknüpfungspunkte mit bewaffneten kriminellen Banden wie auch unzufriedenen Polizisten sindhischer Herkunft.
Der Sindhi-Muhajir-Konflikt wird durch einen Konflikt zwischen Muhajirs und Paschtunen überlagert. Die Paschtunen waren seit nach der Unabhängigkeit zu Hunderttausenden aus ihrer dicht bewohnten Grenzprovinz nahe Afghanistan nach Karachi gekommen und hatten den wichtigen Transportsektor Karachis unter ihre Kontrolle gebracht. Nach Beginn des Afghanistankrieges (vgl. Krieg Nr. 141), in dem Pakistan die Funktion eines Aufmarschgebietes der afghanischen Mujahideen hatte, mußte Karachi bis zu 100.000 afghanische Flüchtlinge aufnehmen, die in der Mehrheit ebenfalls den Stämmen der Paschtunen zugehörig sind. Als Teil der afghanischen Kriegsökonomie wurde Karachi zum Umschlagort für Drogen und Kleinwaffen, wobei kriminelle paschtunische Organisationen das Sagen hatten. Unter den Bedingungen der schon sprichwörtlichen "Kalaschnikow-Kultur" war die Staatsgewalt weniger denn je in der Lage, das Gewaltmonopol zu garantieren. Folglich organisierte sich die Gesellschaft in und um Karachi noch stärker entlang "vertikaler", d. h. familialer, clanmäßiger oder ethnischer Linien.
Schon Anfang der achtziger Jahren begannen die Muhajirs sich gegen die zunehmende Bedrohung ihrer regionalen und nationalen Führungspositionen durch die Paschtunen, aber auch durch die nationalistische Sindhi-Bewegung, zur Wehr zu setzen. Die dominierende Kraft unter den Muhajirs, die 1984 gegründete MQM, tritt für die Stärkung der Muhajir-Identität, die Anerkennung der Muhajirs als "Subnationalität" und die Eindämmung des wachsenden wirtschaftlichen und politischen Einflusses von Paschtunen, Punjabis und Sindhsi in den Muhajir-Städten ein. Die Sindhi-Muhajir- und Muhajir-Paschtunen-Konflikte eskalierten seit November 1986 wiederholt gewaltsam, namentlich in Karachi und Hyderabad.
ERGEBNISSE DES KRIEGES
Die MQM wurde zur stärksten politischen Kraft in Karachi und gelangte über ein Stillhalteabkommen mit der pro-sindhischen Pakistan People's Party unter Benazir Bhutto 1988 vorübergehend an die Regierung. Doch die MQM wurde immer mehr zu einer Bedrohung des pakistanischen Establishments und letztlich des pakistanischen Staates. Als sie im Jahre 1992 wieder einen Wahlsieg errang, wurde sie vom Einmarsch der pakistanischen Armee daran gehindert, die Regierungsgewalt in der Provinz auszuüben. Diese "operation clean-up" zwang führende MQM-Kader in den Untergrund, ohne daß die MQM militärisch besiegt werden konnte. MQM-Führer Altaf Hussain drohte sogar mit einem "neuen 1971", also der Sezession Karachis oder des Sindh nach dem Muster Bangladeschs (vgl. Krieg Nr. 111). Zeitgleich förderten Armee und Geheimdienste die Abspaltung einer Gruppe von MQM-Dissidenten, die sich als "wahre MQM" (MQM-Haqiqi) seither mit der ursprünglichen MQM einen blutigen Kampf um die Kontrolle der Muhajir-Wohngebiete liefert.
Nach dem Rückzug der Armee im Dezember 1994 kam es zu den bisher heftigsten Gewaltmanifestationen in Karachi, denen in zwölf Monaten über 2.000 Menschen zum Opfer fielen. Die Zentralregierung stationierte im Oktober 1995 etwa 25.000 paramilitärische Ranger in der Stadt, die im Laufe des Jahres 1996 die Auseinandersetzung mit der MQM (Altaf) und der MQM-Haqiqi teilweise eindämmen konnten. Ein wiederholter (halbherziger) Versuch, die MQM (A) durch die Beteiligung an einer Koalitionsregierung, diesmal unter Führung von Premier Nawaz Sharif und seiner Pakistan Muslim League, in den nationalen Mainstream zu integrieren, scheiterte kläglich. Statt dessen war 1997 wieder eine neue Serie von Gewalteruptionen zu verzeichnen, die fast an die des Jahres 1995 heranreichte.
Die personell unterbesetzte, demoralisierte und korrupte Polizei ist außerstande, die eine auf dem Gewaltmonopol des Staates basierende Gewaltordnung aufrecht zu erhalten oder die Stadt "zurückzuerobern". In weiten Teilen der Stadt brach die öffentliche Ordnung zeitweise völlig zusammen, der Justizapparat ist hilflos. Schießereien zwischen den Banden von Waffenhändlern, Grundstücksspekulanten, Drogenbaronen und Slumlords sind jedoch weiter an der Tagesordnung. Zwischen politisch motivierter Gewalt, Bandenkriegen der organisierten Kriminalität und Selbstjustiz kann nicht immer trennscharf unterschieden werden. So haben sich inzwischen fast alle politischen Parteien Karachis zu miteinander konkurrierenden Erpresserbanden entwickelt. Die "Politik" der Parteien in Karachi ist weitestgehend dadurch gekennzeichnet, daß die jeweils an der politischen Macht beteiligte Organisation jeweils nur jenen Gebieten die Bereitstellung neuer Infrastruktur oder polizeilichen Schutz zu Verfügung stellt, die zu ihren "Hochburgen" zu zählen sind.
Bisher fielen mehrere tausend Menschen dem Krieg zum Opfer.
Thomas Köllmann / Boris Wilke
Indien/Pakistan (LoC, Kargil, 1998 - 1999)
AKUF-Datenbanknr.: |
256 |
Kriegsdauer: |
1998 - 1999 |
Kriegstyp: |
C-2 |
Kriegsbeendigung |
durch Vermittlung Dritter (Kämpfe unterhalb der Ebene Krieg) |
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Kriegführende |
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Seite A |
Indien |
Seite B |
Pakistan |
KONFLIKTGEGENSTAND UND -ZIELE
Die Beziehungen zwischen Indien und Pakistan erlebten im Berichtsjahr 2003 Höhen und Tiefen. Nachdem Ende 2002 ein reger Kontakt zwischen beiden Staaten begonnen hatte, und dies als großer Fortschritt zwischen den verfeindeten Staaten angesehen wurde, verschlechterten sich die Beziehungen zunächst Anfang 2003 wieder. Im Frühjahr testeten beide Länder erneut ihre atomwaffenfähigen Mittelstreckenraketen. Die Situation auf dem indischen Subkontinent drohte zu eskalieren und entspannte sich nur langsam auf internationalen Druck. Mit kleinen Schritten näherten sich Indien und Pakistan wieder an, sodass die Beziehungen der beiden Länder zum Jahreswechsel als so gut wie lange nicht mehr galten.
ERGEBNISSE DES KRIEGES
Seit ihrer Gründung haben Indien und Pakistan bereits sechs Kriege gegeneinander geführt, von denen fünf im Zusammenhang mit dem Konflikt um Kaschmir standen. In den Zeiten zwischen den Kriegen gingen die Auseinandersetzungen jeweils auf ein Niveau regelmäßiger Grenzzwischenfälle zurück. Die konfliktreiche Beziehung zwischen den beiden Staaten fußt insbesondere auf der umstrittenen Zugehörigkeit des ursprünglich unabhängigen Fürstentums Kaschmir, die gleichzeitig Gegenstand des innerindischen Kaschmirkrieges ist (vgl. den Beitrag zu Indien (Kaschmir)). Wegen der unterschiedlichen Akteure und deren zum Teil anderen Zielen ist der zwischenstaatliche Konflikt vom innerindischen Kaschmirkrieg zu unterscheiden. Die besondere Brisanz des zwischenstaatlichen Konfliktes liegt darin begründet, dass Indien und Pakistan nicht nur als die am höchsten gerüsteten Länder der so genannten Dritten Welt gelten, sondern auch über Atomwaffen verfügen.
1949 wurde Kaschmir als Ergebnis des ersten indo-pakistanischen Krieges in ein von Pakistan und ein von Indien verwaltetes Gebiet geteilt. Diese Teile sind durch eine Waffenstillstandslinie getrennt, an der 40 UN-Beobachter rein dokumentarische Aufgaben erfüllen. Die Hauptursachen der Kriege um Kaschmir liegen in der machtpolitischen Rivalität zwischen beiden Ländern und in der Tatsache, dass die Aufgabe der Ansprüche auf Kaschmir das Selbstverständnis beider Staaten berühren würde. Pakistan hat sich als der Teil Britisch-Indiens gegründet, in dem - wie in Kaschmir - mehrheitlich Muslime leben. Indien verstand sich dagegen als säkularer Staat, in dem alle Religionen und Ethnien zusammenleben können. Für Indien würde eine Abspaltung Kaschmirs darüber hinaus die Gefahr der Verstärkung anderer Unabhängigkeitskonflikte erhöhen und die staatliche Einheit des gesellschaftlich sehr stark zerklüfteten Landes gefährden.
Ein besonders umstrittener Teil Kaschmirs ist der Siachengletscher, da dort der Verlauf der Waffenstillstandslinie 1949 und 1965 nicht festgelegt wurde. Zwischen 1984 und 1989 wurde hier ein Krieg mit etwa 1.000 Todesopfern geführt. Von 1989 bis 1998 bewegten sich die Kampfhandlungen entlang der Waffenstillstandslinie wieder auf dem Niveau eines bewaffneten Konflikts in Form regelmäßiger Grenzzwischenfälle. Im März 1998 gab es in Indien einen Regierungswechsel, der mit einem Politikwechsel einherging. Indische Trägerraketentests, im Mai durchgeführte Atomwaffentests beider Länder sowie das Infragestellen der Vereinbarungen, die 1989 zur Deeskalation auf dem Siachengletscher geführt hatten, ließen die Grenzzwischenfälle wieder zum Krieg eskalieren. 1998 kamen dabei nach Angaben des indischen Militärs 331 pakistanische und 88 indische Soldaten ums Leben.
Im April 1999 stieß die indische Armee auf eine Gruppe von 800 bis 900 Bewaffneten, die sich in den Bergen um Kargil verschanzt hatten. Von diesem Standort aus ließ sich ein etwa sechs Kilometer breiter Streifen auf der indischen Seite der Waffenstillstandslinie kontrollieren. Diese Kämpfer verfügten offensichtlich über eine gute Hochgebirgsausrüstung, mittelschwere Waffen und einen gut organisierten Nachschub. Die Ereignisse führten rasch zu einer internationalen Isolierung Pakistans. Die USA, traditionell mit Pakistan verbündet, ergriffen Partei für Indien. Auch China, das immer ein verlässlicher Bündnispartner für Pakistan gewesen ist, verhielt sich in diesem Fall neutral. Nachdem Pakistan zwischenzeitlich sogar mit dem Einsatz von Atomwaffen gedroht und die indische Armee den größten Teil des besetzten Gebietes zurückerobert hatte, versprach der damalige pakistanische Premierminister Nawaz Sharif dem damaligen US-amerikanischen Präsidenten Bill Clinton, die bewaffneten Gruppen zum Rückzug zu veranlassen, was ihm in Pakistan als Verrat vorgeworfen wurde. Am 11. Juli 1999 wurde von den Armeespitzen beider Länder eine Waffenruhe vereinbart. Nach indischen Angaben forderten 1999 allein die Kämpfe um Kargil das Leben von 691 irregulären Kämpfern und pakistanischen Soldaten sowie von 398 indischen Soldaten. Darüber hinaus seien 578 Inder verwundet worden.
Politisch zog vor allem die 1998 in Indien an die Macht gelangte, in ihrer Politik gegenüber Pakistan konfliktverschärfende Bharatiya Janata Party (BJP, Indische Volkspartei) einen Vorteil aus der zeitweisen Eskalation des Konfliktes. In Pakistan wurde nach einem Putsch am 12. Oktober 1999 General Pervez Musharraf der neue Machthaber. Seine Familie war nach der Teilung Britisch-Indiens nach Pakistan geflohen. Er gilt ebenso wie sein Außenminister in Bezug auf Kaschmir als Hardliner. Musharraf wurde von Indien vorgeworfen, dass er als Generalstabschef an der Ausarbeitung der Invasion um Kargil federführend beteiligt gewesen und der Aufforderung zum Rückzug nur sehr widerwillig gefolgt sei.
In der Zeit vom Juli 1999 bis zum September 2001 begrenzten sich die Auseinandersetzungen entlang der Waffenstillstandlinie wieder auf das Niveau regelmäßiger Grenzzwischenfälle. Durch die Ereignisse des 11. September veränderte sich die Situation erheblich. Indien, das in Kaschmir gegen zum Teil in Afghanistan ausgebildete Gruppen kämpfte (vgl. den Beitrag zu Indien (Kaschmir)), sah in der veränderten Weltsituation die Hoffnung, dass die USA und andere Staaten sich im Kaschmirkonflikt ganz auf die Seite Indiens stellen und Pakistan der Unterstützung des grenzüberschreitenden Terrorismus beschuldigen würden.
Pakistan schloss sich der "Antiterrorallianz" gegen Al-Qaida und die Taliban-Regierung in Afghanistan an. Diese Entscheidung war für Pakistan innenpolitisch sehr problematisch, da zwischen dem pakistanischen Geheimdienst, radikal islamischen Parteien und der Taliban-Führung enge Beziehungen bestanden. Bis zu einem Drittel des pakistanischen Militärs galten als Taliban-freundlich, und bei den Auseinandersetzungen um Kaschmir arbeitete das pakistanische Militär mit Gruppierungen zusammen, die Verbindungen zu Al-Qaida hatten. Um die pakistanische Bevölkerung zu einer Zustimmung zur Neuausrichtung der Afghanistanpolitik zu bringen, erklärte Musharraf, dass nur so die Kaschmirfrage im pakistanischen Sinne gelöst werden könne. Die USA würden dadurch erkennen, dass Pakistan kein Land sei, das den grenzüberschreitenden Terrorismus unterstütze, sondern Freiheitskämpfern behilflich sei. Der damit verbundene Spagat, einerseits Gruppen in Afghanistan zu bekämpfen, sie aber andererseits in der Auseinandersetzung mit Indien zu unterstützen, wurde von den USA zunächst akzeptiert, da Pakistan als zu wichtig für den Krieg angesehen wurde.
Die traditionell mit Pakistan verbündeten USA hoben nach dem Beitritt Indiens und Pakistans zur "Antiterrorallianz" die Wirtschaftssanktionen, die sie gegen die beiden Länder nach deren Atombombentest 1998 verhängt hatten, wieder auf. Dies war besonders für Pakistan wichtig, da es nicht wie Indien über eine stabile Binnenwirtschaft verfügt. Das Aufheben der Sanktionen und eine zugesagte weitreichende Hilfe westlicher Staaten waren die offensichtlichen Gegenleistungen, die Pakistan für seinen Beitritt zur "Antiterrorallianz" erhielt.
Bereits ab Ende Oktober 2001 intensivierten sich die Auseinandersetzungen indischer und pakistanischer Truppen entlang der Waffenstillstandslinie deutlich. Eine weitere Eskalation erfolgte nach dem Anschlag auf das indische Parlamentsgebäude in Neu Delhi am 13. Dezember 2001 (vgl. den Beitrag zu Indien (Kaschmir)). Die indische Regierung machte die von Pakis-tan aus operierenden Gruppen Lashkar-i-Toiba (Armee der Reinen) und Jaish-i-Muhammad (Armee Muhammads) sowie den pakistanischen Geheimdienst Inter-Services Intelligence (ISI) für den Anschlag verantwortlich und verlangte das sofortige Verbot der beiden Gruppen in Pakistan sowie die Festnahme ihrer Anführer. Andernfalls drohte Indien, selbst gegen Basen der beiden Gruppen in Pakistan militärisch vorzugehen, und berief sich dabei auf das Vorgehen der "Antiterrorallianz" in Afghanistan. Ein solches Vorgehen hätte in Indien eine große Unterstützung gefunden. Viele Inder verstanden nicht, warum 23.000 bis 75.000 Menschen, die seit 1990 im innerindischen Kaschmirkrieg ums Leben kamen, Indien nicht dazu legitimierten, vergleichbare Schritte, wie die USA zu unternehmen. Nach ihrer Meinung sind auch diese Toten das Resultat eines grenzüberschreitenden, islamistischen Terrorismus, kamen in den USA weitaus weniger Menschen ums Leben und sind die Beweise weitaus eindeutiger, dass die Anschläge mit - im Fall Kaschmirs pakistanischen -Ausbildungslagern in Verbindung stehen.
Pakistan erfüllte die Forderungen Indiens nur langsam und unzureichend. So fror es zunächst lediglich die Konten der beiden Gruppen ein. Für Musharraf war es sehr problematisch, härter gegen die beiden Gruppen vorzugehen. Nachdem er seinen radikalen Kurswechsel in der Afghanistanpolitik mit der Lösung der Kaschmirfrage verbunden hatte, konnte er nicht auch die stets als Freiheitskämpfer für Kaschmir bezeichneten Gruppen im eigenen Land bekämpfen.
Sowohl Indien als auch Pakistan verlegten nicht nur entlang der Waffenstillstandslinie große Truppenteile an die Grenze und verminten bis dahin unverminte Bereiche außerhalb Kaschmirs. Trotz kleinerer Gefechte entlang der gesamten Grenze, bei denen mehrere Soldaten und Zivilisten getötet wurden, versicherten beide Staaten aber immer wieder, dass sie nicht an einem Krieg interessiert seien und nicht als erste Atomwaffen einsetzen, wohl aber ihr Territorium verteidigen würden.
In einer programmatischen Fernsehrede am 12. Januar 2002 appellierte der pakistanische Präsident Musharraf an seine Mitbürger, der religiös motivierten Gewalt und Intoleranz innerhalb und außerhalb der Landesgrenzen eine Absage zu erteilen. In der Rede verkündete er ein Verbot von Lashkar-i-Toiba und Jaish-i-Muhammad und versicherte, dass Pakistan gegen grenzüberschreitenden Terrorismus im eigenen Land vorgehen würde. Seine direkten Aussagen zu Kaschmir, Pakistan würde den "Befreiungskampf in Kaschmir weiterhin moralisch, diplomatisch und politisch" unterstützen, zeigten aber, dass seine Grundeinstellung sich nicht verändert hatte. Indien begrüßte die Rede zwar als Schritt in die richtige Richtung, machte aber eine Truppenreduzierung auf den Stand vor der Krise von einem Rückgang der Infiltration von Rebellen aus Pakistan abhängig.
Nach einem Anschlag auf eine Militärsiedlung in Kaschmir im Mai 2002 eskalierte die Lage jedoch. Es kam zu täglichen kleinen Gefechten entlang der Grenze. In der zweiten Maihälfte kamen dabei mindestens 115 Menschen ums Leben. Indien zog bis zu 1 Million Soldaten und dazu Kampfflugzeuge, Raketen und Panzer an der Waffenstillstandslinie zusammen und schickte fünf Kriegsschiffe zur Verstärkung seiner Westflotte ins Arabische Meer. Pakistan zog an der Grenze zu Afghanistan und als UN-Blauhelme in Sierra Leone eingesetzte Soldaten ab, um sie in Kaschmir zu stationieren, und führte Tests mit Mittelstreckenraketen durch. Ende Mai rieten mehrere Staaten ihren in Indien und Pakistan lebenden Bürgern, die Länder zu verlassen und reduzierten ihr Botschaftspersonal auf das Nötigste. Auch fanden sich zu dieser Zeit in Indien und Pakistan mehr ausländische Minister und Diplomaten zu Vermittlungsversuchen ein als je zuvor in einem so kurzen Zeitraum. Gemeinsam versuchten US-Amerikaner, Briten Russen, Chinesen, Japaner, Franzosen und Deutsche die Lage zu deeskalieren. Auffallend war, dass im Gegensatz zu früheren Krisensituationen alle aus einer relativ neutralen Position heraus gemeinsame Anstrengungen unternahmen. In der ersten Juniwoche zeigten die internationalen Vermittlungsversuche Erfolge. Zwar wurden noch einzelne Zwischenfälle entlang der Waffenstillstandslinie gemeldet, aber ab Oktober reduzierten beide Seiten ihre Truppenpräsenz entlang der Grenze.
Am 8. Februar 2003 erlebte die Annäherung der beiden Staaten ein abruptes Ende, Indien wies den pakistanischen Hochkommissar aus, ihm wurde die Finanzierung von separatistischen Gruppen in Kaschmir vorgeworfen. Zwei Tage später musste dann der indische Hochkommissar Pakistan verlassen. Nach einem Massaker an 24 Hindus im indischen Teil Kaschmirs am 24. März spitzte sich die Lage an der Grenze erneut zu (vgl. den Bericht zu Indien (Kaschmir)). Die pakistanischen und indischen Grenztruppen lieferten sich Gefechte mit schwerer Artillerie. Zwei Tage nach dem Massaker, das islamistischen Gruppen aus Pakistan angelastet wurde, testete Indien eine atomwaffenfähige Boden-Boden-Rakete und Pakistan antwortete nur wenige Stunden später mit dem Test einer Trägerrakete.
Am 18. April erfolgte ein Kurswechsel in der indischen Außenpolitik. Der indische Premierminister Atal Bihari Vajpayee bot Pakistan die Wiederaufnahme der diplomatischen Beziehungen an. Vajpayee sprach sich weiterhin für eine dauerhafte Normalisierung der Beziehungen zwischen den beiden Staaten aus. Auf dieses überraschende, nicht wie früher an Bedingungen geknüpfte Angebot reagierte die pakistanische Seite positiv und am 29. April fand das erste Telefongespräch zwischen den Regierungschefs beider Länder seit 18 Monaten statt.
Die Entspannungsbemühungen brachen nicht ab, obwohl die Gewalt in Kaschmir anhielt. Im Mai kündigte Vajpayee an, wieder einen Botschafter nach Pakistan zu entsenden sowie Verkehrs- und Flugverbindungen wieder aufzunehmen. Ende November vereinbarten beide Seiten schließlich ein Waffenstillstandsabkommen an der Grenzlinie, die Kaschmir in einen pakistanischen und indischen Teil trennt, das bislang eingehalten wird. Dieses scheint nicht nur jahreszeitlich bedingt zu sein. Im Rahmen des Südasiengipfels in Islamabad trafen sich die Regierungschefs der beiden Nachbarstaaten am 4. Januar 2004 erstmals seit fünf Jahren.
Hauke Friederichs
Pakistan (Belutschistan II, BLA, 2005 - 2008)
AKUF-Datenbanknr.: |
318 |
Kriegsdauer: |
01.07.2005 - 31.12.2008 |
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Balochistan Liberation Army (BLA) |
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Pakistan |
Zeitgleich mit den pakistanischen Parlamentswahlen fanden am 18. Februar 2008 auch Provinzwahlen in Belutschistan statt. Sowohl der neue Premierminister Yousuf Raza Gilani als auch der neu gewählte Gouverneur der Provinz Belutschistan haben im weiteren Verlauf des Jahres versucht, den Friedensprozess mit der BLA (Balochistan Liberation Army) voranzutreiben. Obwohl die BLA ihrerseits einen einseitigen Waffenstillstand ausgerufen hat, lehnte sie jedoch die Gespräche mit der Regierung ab. Die BLA ließ keinen Zweifel darüber aufkommen, dass sie nach wie vor fest entschlossen ist, für mehr Autonomie, ja sogar die Unabhängigkeit, von Pakistan zu kämpfen.
Belutschistan im Südwesten des Landes ist mit 44 Prozent die flächenmäßig größte Provinz Pakistans. Sie ist reich an natürlichen Ressourcen und besitzt insbesondere große Öl- und Erdgasvorkommen. Die geographische Region Belutschistan ist geteilt in eine westliche Hälfte als Teil des iranischen Staatsgebietes und einen östlichen, pakistanischen Teil. Diese Grenzziehung hatte seit Ende der britischen Kolonialherrschaft zu Unabhängigkeitsbestrebungen seitens der Belutschen und zu der Idee eines Groß-Belutschistan geführt. Nach einer kurzen Phase der Unabhängigkeit wurde die Provinz 1948 auf Druck Pakistans in dessen Staatsgebiet eingegliedert. In einer Phase besonders repressiven Vorgehens der Staatsmacht in der Region formierten sich 1973 mehrere belutschische Organisationen, darunter auch die BLA. Der anschließende Krieg von 1973 bis 1977 wurde hauptsächlich von der Balochistan People’s Liberation Front (BPLF) geführt. Trotz der reichen Erdgasvorkommen gilt Belutschistan als die ärmste Region Pakistans und die Unzufriedenheit der Bevölkerung mit der Zentralregierung in Islamabad ist groß. Als der ehemalige Präsident Pervez Musharraf 1999 durch einen Militärputsch an die Macht kam, begann er mit der intensiven Exploration der Erdgasfelder. Es formten sich Rebellenbewegungen, die vor allem strategische und verkehrspolitisch wichtige Ziele sowie Militärposten in der Region angriffen.
Gegen Ende des Jahres 2004 trat die zuvor kaum aktive BLA in Erscheinung und bekämpfte den Ausbau der pakistanischen Militärpräsenz in der Provinz. Ihre Vorgehensweise zeichnete sich durch gezielte Angriffe auf Armeeposten und Militärkonvois aus. Einrichtungen der Regierung, Öl- und Gaspipelines sowie auch wichtige Verkehrskontenpunkte zählten zu ebenfalls ihren Zielen. Im Jahr 2005 weitete Präsident Musharraf daraufhin die Militärpräsenz in Belutschistan auf etwa 123.000 Soldaten massiv aus. Im Dezember 2005 reagierte das pakistanische Militär auf die Anschläge der BLA mit der Bombardierung einzelner Bezirke. Durch dieses unverhältnismäßige Vorgehen der Armee, bei dem insbesondere auch die Zivilbevölkerung schwer getroffen wurde, eskalierte der Konflikt zum Krieg.
In der ersten Hälfte des Jahres 2006 kam es beinah täglich zu Zusammenstößen zwischen Sicherheitskräften und Rebellen oder zu Anschlägen auf militärische und strategisch wichtige Ziele und Gaspipelines. Armee und paramilitärische Einheiten setzten bei ihren Angriffen Hubschrauber, schwere Geschütze und Raketen ein. Schließlich wurde die BLA von der Regierung verboten und offiziell als terroristische Organisation eingestuft.
Im August 2006 startete das Militär eine groß angelegte Offensive, bei der die Bezirke Kohlu und Dera Bugti im Mittelpunkt standen. Dabei wurde am 26. August der Politiker, Stammes- und Rebellenführer Nawab Akbar Khan Bugti getötet. Bugti, der auch der „Tiger von Belutschistan“ genannt wurde, war eine führende Persönlichkeit des Widerstandes. Die Aktion zur Tötung Bugtis, bei der neben 20 Soldaten und 40 Rebellen auch mehrere bedeutende Mitglieder des Bugti-Clans ums Leben kamen, löste Unruhen in der ganzen Provinz aus. Studenten der Universität in Belutschistan reagierten während der nächsten Tage mit gewalttätigen Protesten. Nach dem Tod Bugtis nahmen die Angriffe auf Polizei und Militärstützpunkte zunächst massiv zu. Ebenso wurden mehrere Infrastruktureinrichtungen gesprengt. Überwiegend übernahm die BLA die Verantwortung für gesprengte Gas- und Wasserpipelines. Obwohl sich die BLA in der Regel zu verübten Anschlägen bekannte, ließen sich nicht alle Angriffe auf Militärstützpunkte und Sicherheitskräfte eindeutig zuordnen, da auch die Taliban zunehmend Einfluss in Belutschistan gewannen (vgl. den Bericht zu Pakistan (Taliban)).
Zu Beginn des Jahres 2007 ging die Zahl der bewaffneten Auseinandersetzungen mit Militäreinheiten zunächst zurück. Die BLA war geschwächt, weil einige der Rebellenführer aufgrund der steigenden Militärpräsenz geflohen oder bei den Kämpfen ums Leben gekommen waren. Im Rahmen des traditionellen Sibbi-Festivals der Belutschen gab Präsident Musharraf bekannt, dass er bereit sei mit den Rebellen zu verhandeln, um die Gewalt zu beenden. Musharraf wandte sich an die BLA mit dem Angebot weitreichender Strukturförderungsprogramme und bot finanzielle Hilfen an, um die Provinz zu modernisieren. Die vom Präsidenten in Aussicht gestellte Unterstützung bezog sich auf Geldmittel und den Aufbau der Agrarwirtschaft. Einkünfte aus den Erdöl- und Erdgasvorkommen sowie mehr politische Autonomie blieben unerwähnt. Dementsprechend zeigten sich die Rebellen von seinem Angebot unbeeindruckt und ihr Sprecher Bebarg Baloch verkündete, die BLA werde weiter kämpfen.
Ab April 2007 verschärften sich die Kämpfe wieder, wobei sich die Berichte über die Anzahl der Toten von offizieller Seite und seitens der BLA deutlich widersprachen. So gab Bebarg Baloch beispielsweise bekannt, bei einem solchen Zusammenstoß seien etwa 30 Sicherheitskräfte getötet worden, die Regierung indes bezifferte ihre Verluste bei den gleichen Vorfall mit vier Toten. Im Verlauf des Jahres 2007 gelang es der Polizei mehrere Führer der BLA festzunehmen. Bei diesen Aktionen wurden auch Waffen und Munition der Rebellen sichergestellt. Am Todestag von Nawab Akbar Khan Bugti riefen die nationalistischen Parteien Belutschistans sowie verschiedene Studentenorganisationen zu einem Streik auf. Bei den anschließenden Auseinandersetzungen zwischen Polizei und Demonstranten gab es acht Tote.
Im Vergleich zum Vorjahr ist die Gewalt im Berichtsjahr 2008 wieder deutlich angestiegen. Gleich zu Beginn des Jahres kündigten die Rebellen einen einseitigen Waffenstillstand auf, den sie kurz zuvor ausgerufen hatten. Zur Begründung verwies die BLA auf die andauernden Militäroperationen in der Region. Tatsächlich ist die Präsenz von Militär, Sicherheitskräften, wie dem Frontier Corps, und Polizeieinheiten in Belutschistan sehr hoch. Das hat zwar auch mit den beinahe täglich stattfindenden Sabotageakten der BLA zu tun, aber auch mit der immer stärkeren Ausbreitung der Taliban in der Grenzregion zu Afghanistan.
Zum Zeitpunkt des Amtsantrittes der neu gewählten Regierung verstärkten sich die Kampfhandlungen und Anschläge. Als im April der neue Gouverneur der Provinz, Nawab Zulfiqar Ali Magsi, erklärte, die oberste Priorität der Provinzregierung sei der Friedensprozess, und bot den Rebellen einen Dialog an. Dieses Angebot wurde jedoch wenige Tage darauf von der BLA offiziell zurückgewiesen. Im Mai gab Premierminister Gilani bekannt, dass er die Militäroperationen in Belutschistan bis auf Weiteres ausgesetzt und gemeinsam mit Vertretern der Provinzregierung eine Strategie entwickelt habe, um wieder Ordnung und Normalität in der Region herzustellen. Tatsächlich wurde das Frontier Corps wenige Tage später aus der Provinzhauptstadt Quetta und der Stadt Gwadar abgezogen und ihre Aufgaben an die örtliche Polizei übergeben. Die Einheiten des Militärs blieben allerdings in der Region stationiert. Der Rebellenführer Bramdagh Khan Bugti, ein Enkel von Nawab Akbar Khan Bugti schlug die Gespräche mit der Regierung ebenfalls aus. Er machte in seiner Begründung auf die schlechten Lebensumstände der Mitglieder des Bugti-Clans aufmerksam und erklärte, dass die Kampfhandlungen sich noch weiter intensivieren würden, wenn sich das Militär nicht zurückziehen sollte.
Tatsächlich herrscht ein tiefes Misstrauen gegenüber der Regierung in Islamabad. Wie auch schon das Angebot des ehemaligen Präsidenten Musharraf, negiert auch die neue Regierung die Forderungen der BLA. In den angebotenen Gesprächen werden die Themen Autonomie, Kontrolle beziehungsweise Mitbestimmung über die Verwertung der natürlichen Ressourcen und fehlende Arbeitsplätze in der Region nicht thematisiert. Zudem halten die Rebellen die neue Führung für nicht stark genug, um sich gegenüber der mächtigen Armee Pakistans durchzusetzen. Auch die immer stärker werdenden Taliban, die für Unruhen sorgen, sowie der Zustrom an Flüchtlingen aus Afghanistan in die Region werden als Probleme empfunden, bei denen von der Zentralregierung keine Unterstützung zu erwarten ist. Umgekehrt befinden sich die Rebellen eindeutig in einer schwächeren Position, die eine militärische Durchsetzung ihrer Forderungen unwahrscheinlich erscheinen lässt. Dies dürfte der Hauptgrund dafür sein, dass die BLA am 1. September 2008 erneut einen Waffenstillstand ausrief. Dass dieser von Dauer sein wird, ist angesichts der unterschiedlichen und bislang nicht in Einklang zu bringenden Interessenlagen von Rebellen und Regierung nur schwer vorstellbar.
Doris Zettel
Weiterführende Literatur und Informationsquellen:
- Orywal, Erwin: Krieg oder Frieden. Eine vergleichende Untersuchung kulturspezifischer Ideale – Der Bürgerkrieg in Belutschistan/Pakistan, Berlin 2002
- Quuddus, S.A.: The Tribal Beluchistan, Lahore 1990
- Siddiqi, Akhtar Hussain: Baluchistan (Pakistan): Its Society, Resources, and Development, Langham 1991
- www.dawn.com (pakistanische Tageszeitung)
- www.pak.gov.pk (Regierung Pakistans)
- www.thefridaytimes.com (pakistanische Wochenzeitung)
- www.satp.org (South Asia Terrorism Portal)
Pakistan (Taliban, 2007 - andauernd)
Bewaffnete Konflikte in Pakistan seit 1993
- Pakistan (Sind, 1995 - 2002)
- Pakistan (Relig. Konflikt 1995 - )
- Indien / Pakistan (Kargil, LoC, 1999 - )