Myanmar
Kriege in Myanmar seit 1945
Myanmar (BCP, 1948 - 1989)
AKUF-Datenbanknr.: |
21 |
Kriegsdauer: |
1948 - 4/1998 |
Kriegstyp: |
A-2 |
Kriegsbeendigung |
durch Abbruch der Kämpfe (vgl. auch Krieg Nr. 278) |
Kriegführende |
|
Seite A |
Burmese Communist Party (BCP) |
Seite B |
Birma |
KONFLIKTGEGENSTAND UND -ZIELE
Seit der Unabhängigkeit am 4. Januar 1948 kämpften nicht weniger als 20 verschiedene ethnische und politisch motivierte Rebellengruppen in wechselnden Bündnissen gegen die Zentralregierung in Rangun. Die kommunistischen Parteien und Guerillaorganisationen kämpften in einem Anti-Regime-Krieg um die Macht im Staat, während ethnische Minderheiten wie die Karen, Kachin, Wa oder Shan um Autonomie oder Sezession kämpften. In der ersten Hälfte der neunziger Jahre stellten die meisten ethnischen Gruppen mindestens eine bewaffnete Rebellengruppe, deren jeweilige Stärke zwischen zwanzig und ein paar tausend Kämpfern schwankt.
Die Ursprünge dieses Krieges reichen bis in die vorkoloniale Zeit der birmanischen Könige zurück, deren Herrschaftsanspruch immer wieder zu Auseinandersetzungen mit anderen Völkern wie den Shan, Kachin und Karen führte. Die administrative Teilung des Landes in ein direkt verwaltetes Inner-Burma und ein indirekt verwaltetes Outer-Burma Ende des 19. Jahrhunderts durch die britische Kolonialmacht war ein bestimmender Faktor für die Herausbildung der Identitäten der verschiedenen Ethnien und für die Zuspitzung der Gegensätze zwischen der Bevölkerungsmehrheit der Birmanen und den verschiedenen ethnischen Minderheiten. Während Inner-Burma direkt von der Kolonialregierung verwaltet und die bisher dominierenden Birmanen u.a. gegenüber zuwandernden Indern benachteiligt wurden, beließ die indirekte britische Herrschaft über Outer-Burma den regionalen Herrschern ihre Eigenständigkeit, rekrutierte aber Bewohner für die Kolonialarmee, zu deren Aufgabe auch die Bekämpfung der nationalistischen Aufstände der Birmanen gehörte.
Während des Zweiten Weltkrieges rekrutierte die von den Japanern vertriebene britische Armee Guerillatruppen unter den Karen und Kachin, die gegen die japanische Besatzungsarmee kämpfen sollten. Nach dem Krieg bildeten diese den militärischen Kern für die spätere ethnische Aufstandsbewegung. Der birmanischen Unabhängigkeitsbewegung, die anfangs noch auf japanischer Seite gestanden hatte, gelang es während des Krieges, zur dominierenden Kraft in Birma zu werden; Mitglieder der Anti-Fascist People's Freedom League (AFPFL) besetzten nach dem Zweiten Weltkrieg die Schlüsselpositionen in Verwaltung und Militär. Allerdings spitzten sich nach Kriegsende die Widersprüche in der politisch sehr heterogenen AFPFL zu; in den Jahren bis zur Unabhängigkeit Birmas wurden die kommunistischen Kräfte aus allen Schlüsselpositionen entfernt. Der Streit um die Ausformulierung des Unabhängigkeitsvertrages führte zum endgültigen Bruch der kommunistischen Kräfte - vor allem der BCP - mit der AFPFL, die die neue Regierung stellte. Auf deren repressives Vorgehen reagierten die Kommunisten mit der Aufnahme des bewaffneten Kampfes.
Während der Unabhängigkeitsverhandlungen mit Großbritannien versuchten die nationalen Minderheiten, Autonomierechte oder Eigenstaatlichkeit zugesichert zu bekommen. Obwohl den Shan und Kayah nach Ablauf einer zehnjährigen Übergangszeit das Recht auf Sezession und den Kachin und anderen Völkern (nie eingelöste) Autonomierechte zugestanden wurden, konnten die Karen, die ihren Unabhängigkeitsstatus erhalten wollten, dieses Ziel nicht erreichen. Kurz nach der Unabhängigkeit Birmas nahmen sie den bewaffneten Kampf für einen Karen-Staat auf. Unter den anderen Völkern blieb es bis Anfang der sechziger Jahre ruhig. Aufgrund der Nichteinhaltung der Sezessionszusagen an die Shan und Kayah und der Erhebung des Buddhismus zur Staatsreligion, mit der eine Reihe der Minderheiten die Durchsetzung birmanischer Dominanz verknüpft sahen, fand die Idee der Sezession zunehmend Resonanz. Das Militär übernahm in dieser Situation am 2. März 1962 die Macht. Die einsetzende rigide Unterdrückung und die Betonung des Einheitsstaates entfremdete die legalen ethnischen Parteien von den neuen Machthabern; seit 1962 befanden sich die meisten ethnischen Minderheiten im Aufstand gegen die Militärregierung.
Seit 1976 versuchte die National League of Democracy (NDF), den politischen und militärischen Kampf eines Teils der ethnischen Minderheiten zu koordinieren. Mit ihrer Generalsekretärin Aung San Suu Kyi konnte die NLD 1990 sogar die Parlamentswahlen gewinnen. Das Militärregime (zuerst State Law and Order Restoration Council, SLORC, später State Peace and Development Council, SPDC) weigerte sich jedoch, die Macht an eine Zivilregierung abzugeben. Das internationale Interesse konzentrierte sich in der Folgezeit bis heute vorrangig auf die politischen Aktivitäten des NLD und ihrer prominenten Führerin, die 1991 den Friedensnobelpreis erhalten hatte.
ERGEBNISSE DES KRIEGES
Die dem langjährigen Krieg zugrundeliegenden Ursachen sind bis heute unverändert existent. Die Kampfhandlungen jedoch haben sich im Laufe der neunziger Jahre deutlich abgeschwächt. Verantwortlich hierfür war eine Reihe militärischer Erfolge des birmanischen Militärs gegen die ethnisierten Aufstandsbewegungen. Darüber hinaus gelang es der Militärregierung, in Einzelverhandlungen mit individuellen Aufstandsgruppen Waffenstillstände abzuschließen oder diese sogar in die eigene Kriegsführung gegen die verbleibenden Aufstandsbewegungen einzubinden. 1997/98 war die Karen National Liberation Army die einzige bedeutende Aufstandsorganisation, die den bewaffneten Kampf noch nicht aufgegeben hatte. Selbst deren militärische Aktivitäten schwächten sich jedoch bald derart ab, daß sie unterhalb der Kriegsschwelle rutschten. Die letzten wesentlichen Kämpfe wurden für den 27. März 1998 gemeldet.
Seit Beginn der 1990er Jahre sind immer wieder Tausende Zivilisten vor den Kampfhandlungen in Flüchtlingscamps auf thailändischem Gebiet oder nach Bangladesch geflohen. Diese Lager wurden zum Ziel von Überfällen der Armee Myanmars, bei denen die Regierungssoldaten die Camps niederbrannten, Flüchtlinge verschleppten, sie zur Zwangsarbeit nötigten, vergewaltigten, und ermordeten. Allein 1997 wurden über 53.000 Zivilisten von den Regierungstruppen vertrieben.
Über die Kriegskosten sind keine verläßlichen Daten verfügbar. Mißwirtschaft und Unterdrückung der Opposition führten zu einem Rückgang wirtschaftlicher Aktivitäten und ausländischer Investitionen. Birma gehört heute zur Gruppe der am wenigsten entwickelten Staaten. Die Zahl der Kriegstoten liegt zwischen 100.000 und 300.000; genaue Opferzahlen sind aufgrund der punktuellen Terrorhandlungen und der teils diffusen Informationen schwer erfaßbar. Unverändert wird das Land durch eine Militärregierung beherrscht, die weite Teile der Bevölkerung entrechtet und diskriminiert. Insbesondere die politischen Aktivitäten der NLD werden ungeachtet internationaler Kritik weiter unterdrückt.
ANMERKUNGEN
[1] Birma, englisch Burma, wurde 1989 in Myanmar umbenannt.
2 Die DAB bildet den Dachverband für die Vielzahl von Guerillaorganisationen und -gruppen. Sie wurde 1988 auf Veranlassung der National Democratic Front (NDF) gegründet, nachdem sich das Militär an die Macht geputscht hatte. Die DAB schließt exilbirmanische Organisationen mit ein, erfaßt jedoch nicht alle ethnischen Minderheiten.
3 Die Warlords, die sich mit unterschiedlicher Intensität am Krieg beteiligten, waren zum großen Teil aus ehemaligen Chiang Kai Check-Truppen hervorgegangen.
Heiko Weidemann / Joachim Müller / Thomas Rabehl
Myanmar (Minderheiten I, DAB, KNU, SSA, KIA, u.a 1948 - 1998)
AKUF-Datenbanknr.: |
278 |
Kriegsdauer: |
1948 - 1998 |
Kriegstyp: |
B-2 |
Kriegführende |
|
Seite A |
Gruppierungen der ethnischen Minderheiten unter dem Dachverband Democratic Alliance of Burma (DAB) [1] / Karen National Union (KNU) bzw. Karen National Liberation Army / Shan State Army (SSA) / Kachin Independence Army (KIA) u.a. |
Seite B |
Birma [2] |
mehrfach wechselnd |
Warlords [3] / Shan United Army (SUA) / Thai Revolutionary Council (TRC) |
KONFLIKTGEGENSTAND UND -ZIELE
Seit der Unabhängigkeit am 4. Januar 1948 kämpften nicht weniger als 20 verschiedene ethnische und politisch motivierte Rebellengruppen in wechselnden Bündnissen gegen die Zentralregierung in Rangun. Die kommunistischen Parteien und Guerillaorganisationen kämpften in einem Anti-Regime-Krieg um die Macht im Staat, während ethnische Minderheiten wie die Karen, Kachin, Wa oder Shan um Autonomie oder Sezession kämpften. In der ersten Hälfte der neunziger Jahre stellten die meisten ethnischen Gruppen mindestens eine bewaffnete Rebellengruppe, deren jeweilige Stärke zwischen zwanzig und ein paar tausend Kämpfern schwankt.
Die Ursprünge dieses Krieges reichen bis in die vorkoloniale Zeit der birmanischen Könige zurück, deren Herrschaftsanspruch immer wieder zu Auseinandersetzungen mit anderen Völkern wie den Shan, Kachin und Karen führte. Die administrative Teilung des Landes in ein direkt verwaltetes Inner-Burma und ein indirekt verwaltetes Outer-Burma Ende des 19. Jahrhunderts durch die britische Kolonialmacht war ein bestimmender Faktor für die Herausbildung der Identitäten der verschiedenen Ethnien und für die Zuspitzung der Gegensätze zwischen der Bevölkerungsmehrheit der Birmanen und den verschiedenen ethnischen Minderheiten. Während Inner-Burma direkt von der Kolonialregierung verwaltet und die bisher dominierenden Birmanen u.a. gegenüber zuwandernden Indern benachteiligt wurden, beließ die indirekte britische Herrschaft über Outer-Burma den regionalen Herrschern ihre Eigenständigkeit, rekrutierte aber Bewohner für die Kolonialarmee, zu deren Aufgabe auch die Bekämpfung der nationalistischen Aufstände der Birmanen gehörte.
Während des Zweiten Weltkrieges rekrutierte die von den Japanern vertriebene britische Armee Guerillatruppen unter den Karen und Kachin, die gegen die japanische Besatzungsarmee kämpfen sollten. Nach dem Krieg bildeten diese den militärischen Kern für die spätere ethnische Aufstandsbewegung. Der birmanischen Unabhängigkeitsbewegung, die anfangs noch auf japanischer Seite gestanden hatte, gelang es während des Krieges, zur dominierenden Kraft in Birma zu werden; Mitglieder der Anti-Fascist People's Freedom League (AFPFL) besetzten nach dem Zweiten Weltkrieg die Schlüsselpositionen in Verwaltung und Militär. Allerdings spitzten sich nach Kriegsende die Widersprüche in der politisch sehr heterogenen AFPFL zu; in den Jahren bis zur Unabhängigkeit Birmas wurden die kommunistischen Kräfte aus allen Schlüsselpositionen entfernt. Der Streit um die Ausformulierung des Unabhängigkeitsvertrages führte zum endgültigen Bruch der kommunistischen Kräfte - vor allem der BCP - mit der AFPFL, die die neue Regierung stellte. Auf deren repressives Vorgehen reagierten die Kommunisten mit der Aufnahme des bewaffneten Kampfes.
Während der Unabhängigkeitsverhandlungen mit Großbritannien versuchten die nationalen Minderheiten, Autonomierechte oder Eigenstaatlichkeit zugesichert zu bekommen. Obwohl den Shan und Kayah nach Ablauf einer zehnjährigen Übergangszeit das Recht auf Sezession und den Kachin und anderen Völkern (nie eingelöste) Autonomierechte zugestanden wurden, konnten die Karen, die ihren Unabhängigkeitsstatus erhalten wollten, dieses Ziel nicht erreichen. Kurz nach der Unabhängigkeit Birmas nahmen sie den bewaffneten Kampf für einen Karen-Staat auf. Unter den anderen Völkern blieb es bis Anfang der sechziger Jahre ruhig. Aufgrund der Nichteinhaltung der Sezessionszusagen an die Shan und Kayah und der Erhebung des Buddhismus zur Staatsreligion, mit der eine Reihe der Minderheiten die Durchsetzung birmanischer Dominanz verknüpft sahen, fand die Idee der Sezession zunehmend Resonanz. Das Militär übernahm in dieser Situation am 2. März 1962 die Macht. Die einsetzende rigide Unterdrückung und die Betonung des Einheitsstaates entfremdete die legalen ethnischen Parteien von den neuen Machthabern; seit 1962 befanden sich die meisten ethnischen Minderheiten im Aufstand gegen die Militärregierung.
Seit 1976 versuchte die National League of Democracy (NDF), den politischen und militärischen Kampf eines Teils der ethnischen Minderheiten zu koordinieren. Mit ihrer Generalsekretärin Aung San Suu Kyi konnte die NLD 1990 sogar die Parlamentswahlen gewinnen. Das Militärregime (zuerst State Law and Order Restoration Council, SLORC, später State Peace and Development Council, SPDC) weigerte sich jedoch, die Macht an eine Zivilregierung abzugeben. Das internationale Interesse konzentrierte sich in der Folgezeit bis heute vorrangig auf die politischen Aktivitäten des NLD und ihrer prominenten Führerin, die 1991 den Friedensnobelpreis erhalten hatte.
ERGEBNISSE DES KRIEGES
Die dem langjährigen Krieg zugrundeliegenden Ursachen sind bis heute unverändert existent. Die Kampfhandlungen jedoch haben sich im Laufe der neunziger Jahre deutlich abgeschwächt. Verantwortlich hierfür war eine Reihe militärischer Erfolge des birmanischen Militärs gegen die ethnisierten Aufstandsbewegungen. Darüber hinaus gelang es der Militärregierung, in Einzelverhandlungen mit individuellen Aufstandsgruppen Waffenstillstände abzuschließen oder diese sogar in die eigene Kriegsführung gegen die verbleibenden Aufstandsbewegungen einzubinden. 1997/98 war die Karen National Liberation Army die einzige bedeutende Aufstandsorganisation, die den bewaffneten Kampf noch nicht aufgegeben hatte. Selbst deren militärische Aktivitäten schwächten sich jedoch bald derart ab, daß sie unterhalb der Kriegsschwelle rutschten. Die letzten wesentlichen Kämpfe wurden für den 27. März 1998 gemeldet.
Seit Beginn der 1990er Jahre sind immer wieder Tausende Zivilisten vor den Kampfhandlungen in Flüchtlingscamps auf thailändischem Gebiet oder nach Bangladesch geflohen. Diese Lager wurden zum Ziel von Überfällen der Armee Myanmars, bei denen die Regierungssoldaten die Camps niederbrannten, Flüchtlinge verschleppten, sie zur Zwangsarbeit nötigten, vergewaltigten, und ermordeten. Allein 1997 wurden über 53.000 Zivilisten von den Regierungstruppen vertrieben.
Über die Kriegskosten sind keine verläßlichen Daten verfügbar. Mißwirtschaft und Unterdrückung der Opposition führten zu einem Rückgang wirtschaftlicher Aktivitäten und ausländischer Investitionen. Birma gehört heute zur Gruppe der am wenigsten entwickelten Staaten. Die Zahl der Kriegstoten liegt zwischen 100.000 und 300.000; genaue Opferzahlen sind aufgrund der punktuellen Terrorhandlungen und der teils diffusen Informationen schwer erfaßbar. Unverändert wird das Land durch eine Militärregierung beherrscht, die weite Teile der Bevölkerung entrechtet und diskriminiert. Insbesondere die politischen Aktivitäten der NLD werden ungeachtet internationaler Kritik weiter unterdrückt.
vgl. Myanmar (Sezession) aktuell
ANMERKUNGEN
[1] Ab 1998 wurden die Kämpfe zunächst als bewaffneter Konflikt unterhalb der Krieg weitergeführt und eskalierten im Januar 2003 erneut.
[2] Birma, englisch Burma, wurde 1989 in Myanmar umbenannt
3 Die DAB bildet den Dachverband für die Vielzahl von Guerillaorganisationen und -gruppen. Sie wurde 1988 auf Veranlassung der National Democratic Front (NDF) gegründet, nachdem sich das Militär an die Macht geputscht hatte. Die DAB schließt exilbirmanische Organisationen mit ein, erfaßt jedoch nicht alle ethnischen Minderheiten.
[4] Die Warlords, die sich mit unterschiedlicher Intensität am Krieg beteiligten, waren zum großen Teil aus ehemaligen Chiang Kai Check-Truppen hervorgegangen.
Heiko Weidemann / Joachim Müller / Thomas Rabehl
Myanmar (Minderheiten II, KNU, SSA-South, 2003 - andauernd)
AKUF-Datenbanknr.: |
287 |
Kriegsdauer: |
2003 - andauernd |
Kriegstyp: |
B-2 |
Kriegführende |
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Seite A |
Karen National Union (KNU)/Shan State Army South (SSA-S) |
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Myanmar |