SOZIALWISSENSCHAFTEN
Wirtschaft verstehen – Gesellschaft verändern: Plurale Ökonomik im Dialog mit der PraxisTransferTalk: Warum machen Sie eigentlich Transfer?
10. Juli 2025, von WiSo-Fakultät

Foto: Rouven Reinke
„Dabei geht es nicht um konkrete Produkte, sondern um die Frage: Wie kann ökonomisches Wissen zu gesellschaftlichem Wandel beitragen – oder steht es ihm womöglich auch manchmal im Weg?“
Dieser Frage widmet sich Rouven Reinke aus dem Fachbereich Sozialökonomie. In seinem Seminar „Plurale Ökonomik und sozial-ökologische Transformation“ verknüpft er ökonomische Theorie mit Praxis. Ziel ist es, gemeinsam mit Studierenden neue Denkweisen zu entwickeln und Wirtschaft als Teil gesellschaftlicher Veränderung zu verstehen.
- Titel der Veranstaltung: Bachelorkurs „Plurale Ökonomik“ im WiSe 24/25, „Plurale Ökonomik und sozial-ökologische Transformation“ im SoSe und Masterkurs „Die Rolle der Wirtschaftswissenschaften in der sozial-ökologischen Transformation“ im SoSe 25
- Anzahl Studis: 77, 51 und 29
- Studiengang: Bachelor Sozialökonomie, Bachelor VWL, Master Interdisziplinäre Public und Nonprofit Studien (PUNO), Master Arbeit, Wirtschaft, Gesellschaft- Ökonomische und Soziologische Studien (AWG)
- Lehrpersonen: Rouven Reinke, Lennart Ritterbach (FB Sozialökonomie)
- Kooperationen mit zivilgesellschaftlichen Akteuren: Netzwerk Plurale Ökonomik e.V., Arbeitskreis Plurale Ökonomik Hamburg, sowie diverse Gäste aus der Praxis (Thinktanks, NGOs, Gewerkschaften etc.)
Warum machen Sie eigentlich Transfer?
"Viele Studierende kommen an die Uni und haben den Anspruch, Gesellschaft aktiv mitzugestalten. Das, was dann tatsächlich in VWL-Vorlesungen passiert, ist aber oft leider weit weg von der echten Welt ist. Es wird so stark abstrahiert, durch Modelle und Zahlen, dass viele Studierende eher abgeschreckt werden. Dabei ist es aber gerade wichtig, dass man versucht, die theoretische Welt stärker mit dem Alltag zu verknüpfen."
Worum ging es in der Lehrveranstaltung?
"In der VWL erleben wir nach wie vor eine starke Fokussierung auf die sogenannte Mainstream-Ökonomik – also vor allem neoklassische Ansätze mit ihren mathematischen Modellen und quantitativen Methoden. Andere Perspektiven kommen oft zu kurz. Die Plurale Ökonomik setzt genau dort an: Sie fordert mehr Offenheit, mehr Vielfalt in der Lehre – und den Mut, unterschiedliche ökonomische Ansätze gleichberechtigt nebeneinander zu denken.
In unserem Kurs greifen wir diesen Impuls auf. Uns geht es nicht darum, eine „richtige“ Theorie zu vermitteln. Im Gegenteil: Wir wollen zeigen, dass Wirtschaft nicht eindimensional ist – und dass es sich lohnt, komplexe Fragen auch mit komplexem Denken zu beantworten. Ein besonderer Fokus liegt dabei auf der sozial-ökologischen Transformation: Wie können wirtschaftswissenschaftliche Perspektiven dazu beitragen? Damit das Ganze nicht rein theoretisch bleibt, holen wir regelmäßig Gäste aus der Praxis dazu. Genau dieser Dialog zwischen Theorie und Realität macht für uns den Kern des Lernens aus."
Was war besonders an dem Seminar? Wie wird Transfer umgesetzt?
"Uns war es wichtig, kein klassisches Vorlesungsformat durchzuziehen, sondern eine offene Struktur zu wählen. Es gibt einzelne Sitzungen mit stärkerem Input von uns als Lehrenden, aber der Fokus liegt klar auf diskussions- und seminarartigen Formaten. Die Studierenden sollen aktiv werden, mitdenken, Fragen stellen – vor allem mit Blick auf die großen Herausforderungen der sozial-ökologischen Transformation. Dabei geht es nicht um konkrete Produkte, sondern um die Frage: Wie kann ökonomisches Wissen zu gesellschaftlichem Wandel beitragen – oder steht es ihm womöglich auch manchmal im Weg?"
Was hat Ihnen besonders Spaß gemacht?
"Was mir wirklich am meisten Spaß macht, ist der Moment, wenn man gemeinsam gedanklich weiterkommt. Also wenn man nach einer Sitzung das Gefühl hat: Da ist jetzt etwas passiert. Nicht, weil wir als Lehrende etwas „vermittelt“ haben, sondern weil im Raum ein Austausch entstanden ist – ein Miteinander, bei dem Ideen hin und her gespielt werden, wo sich Gedanken weiterentwickeln."
Welche Tipps haben Sie für andere Lehrende, die in ihrer Lehre einen Praxisbezug herstellen möchten?
"Gute Frage! Zunächst sollte man sich bewusst machen, dass es oft strukturelle Rahmenbedingungen gibt, die Praxisbezug erschweren – besonders in Einführungskursen, die auf Prüfungen oder weiterführende Module vorbereiten. Das ist natürlich wichtig, aber der Spielraum für offene, praxisnahe Formate ist dadurch manchmal begrenzt. Daher: erstmal entspannt bleiben, wenn nicht immer alles klappt.
Trotzdem ist Praxisbezug möglich. Mein wichtigster Tipp: Sich auf die Lebensrealität der Studierenden einzulassen. Wie kann theoretisches Wissen für sie konkret werden? Manche Studierende lieben tiefe Theorie, andere wollen den Praxisbezug spüren. Beides braucht Raum. Wenn man es schafft, diese beiden Perspektiven miteinander in den Dialog zu bringen – also Theorie und gelebte Erfahrung – dann entsteht oft genau der Praxisbezug, der Lernen wirklich lebendig macht. Und am Ende profitieren alle davon, nicht nur die Studierenden."
Falls auch Sie mehr Transfer in Ihre Lehre integrieren oder Ihre Transferformate sichtbarer machen wollen, schreiben Sie eine E-Mail mit Ihrem Anliegen an: rosi.wiso"AT"uni-hamburg.de.