When AI Selects Political News: Algorithmic Content Curation and Party Plurality
Das Forschungsprojekt geht der Frage nach, wie automatisierte Empfehlungssysteme für politische Nachrichten in Wahlkontexten politische Entscheidungen von Wähler:innen beeinflussen kann.
Nachrichten-App-Studie
Die Nachrichten-App-Studie untersucht die Nachrichtennutzung von App-User:innen im politischen Wahlkampf zur Wahl des 19. Niedersächsischen Landtags am 9. Oktober 2022.
- Projektdauer: 2022-2023
- Projektleitung: Prof. Dr. Juliane A. Lischka und Prof. Dr. Katharina Kleinen-von Königslöw
- Forschungsteam: Forscher:innen der Journalistik und Kommunikationswissenschaft der Universität Hamburg (UHH), dem Journalistischen Seminar der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) sowie der Dynamic and Distributed Information Systems Group (DDIS) der Universität Zürich (UZH), Schweiz.
- Die Studie wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) sowie der Freien und Hansestadt Hamburg im Rahmen der Exzellenzstrategie von Bund und Ländern gefördert.
- Kontakt: Interessierte erreichen das Forschungsteam unter nachrichtenapp.wiso"AT"uni-hamburg.de
Ziele der Studie
Die Studie geht der Frage nach, welche Rolle die Sichtbarkeit politischer Parteien in Nachrichten in einer Smartphone-App für die Wahlabsichten von User:innen der App hat. Ziel der Studie ist es Kriterien zu finden, die Wahlabsichten prägen und dabei die Rolle von automatisierten Nachrichtenempfehlungssystemen zu untersuchen.
- Verändert die Sichtbarkeit von Parteien in Nachrichten die Wahlpräferenzen von User:innen der App?
- Welche politischen Nachrichtenumgebungen stehen mit welchen politischen Einstellungen im Zusammenhang?
- Welche Implikationen können für automatisierte Nachrichtenempfehlungssysteme abgeleitet werden?
Wissenschaftlicher Hintergrund
Parteien-Sichtbarkeit bezieht sich auf die Thematisierung von Parteien und ihren Kandidat:innen in der Berichterstattung (Eberl, Boomgaarden & Wagner, 2017). Dabei ist Sichtbarkeit ein Indikator für politische Relevanz und Macht einer Partei (Miller & Krosnick, 2000). Typischerweise haben regierende Parteien einen Sichtbarkeitsbonus in der Berichterstattung (Castro, 2021; Eberl et al., 2017; Hopmann, de Vreese & Albaek, 2011; Jandura, Udris & Eisenegger, 2019). Sichtbarkeit kann Wahlabsichten und politische Einstellungen beeinflussen (Broockman & Kalla, 2022; Hopmann, Vliegenthart, de Vreese & Albæk, 2010), besonders die von unentschiedenen Wähler:innen (Geers & Bos, 2017).
Automatisierte Empfehlungssysteme für Nachrichten, beispielsweise in Apps, können je nach Designprinzipien Parteiensichtbarkeit beeinflussen. Dieses Projekt widmet sich der Frage, welchen Einfluss Parteiensichtbarkeits-Umgebungen auf politische Einstellungen haben. Damit will das Projekt einen Beitrag zur Frage leisten, welches disruptive oder ausgleichende Potenzial Nachrichten-Recommender für digitale Öffentlichkeiten haben können.
Ablauf der Studie
Die Aufgabe von Teilnehmenden wird es sein, über vier Wochen eine Nachrichten-App zu nutzen und am Ende der vier Wochen einen Fragebogen zu beantworten. In den Befragungen geht es um politische Einstellungen, Parteipräferenzen, politisches Wissen, Nachrichtenpräferenzen, Mediennutzungsverhalten sowie die Beurteilung der Nachrichten-App.
- Wir rekrutieren Teilnehmer:innen in einem Online-Haushaltspanel (ISO 20252 zertifiziert) durch das Marktforschungsinstitut Innofact.
- Bei Teilnahmebereitschaft laden die Teilnehmer:innen die Nachrichten-App aus dem App-Store herunter und werden einer von drei Nachrichten-Umgebungen zufällig zugeordnet.
- Die Teilnehmer:innen nutzen die App vier Wochen lang vom 11. Sept bis zum 9. Okt. (Wahlsonntag).
- Nach dem Wahlsonntag laden wir alle aktiven App-Nutzer:innen zur Nachbefragung ein.
- Danach erhalten die Teilnehmer:innen eine Sondervergütung durch ihren Panel-Anbieter.
In folgenden ist der Ablauf schematisch dargestellt:
Die Teilnahme ist freiwillig und kann jederzeit bis zum Ende der Erhebung ohne Erklärungen widerrufen werden.
Nachrichten-App
Die Nachrichten-App und ihr Nachrichtenempfehlungssystem wurden am Institut für Informatik der UZH entwickelt und für die aktuelle Studie seitens des Forschungsteams der UHH angepasst. Mit der App haben Teilnehmer:innen Zugriff auf tagesaktuelle Nachrichten von sechs Nachrichtenmedien: vier niedersächsische Regionalzeitungen sowie zwei überregionale Tageszeitungen. Dabei zeigt die App einen Nachrichten-Mix aus Politik, Wirtschaft, Panorama und ähnlichem. Die Artikel werden in einem News-Feed untereinander gezeigt.
Nachrichtgenumgebungen
Die Teilnehmenden in der Studie werden zufällig einer von drei Nachrichtenumgebungen in der App zugelost. Diese Nachrichtenumgebungen basieren auf Typologien von Öffentlichkeiten (Ferree, Gamson, Gerhards & Rucht, 2002; Helberger, 2019) und unterscheiden sich hinsichtlich der Sichtbarkeit der jeweiligen Parteien.
- Gruppe A sieht Artikel zu Parteien proportional zu Parteipräferenzen in Niedersachsen laut vorheriger Wahlumfragen („Sonntagsfrage“)
- Gruppe B sieht jede Partei gleich häufig in der Berichterstattung
- Gruppe C sieht die drei großen Parteien überproportional häufig in den Artikel
Risiken für Teilnehmer:innen
Bisherige Forschung zeigt, dass eine höhere Sichtbarkeit von Parteien in Nachrichten zu einer höheren Präferenz v.a. bei unentschlossenen Wähler:innen führen kann. Risiken für Teilnehmer:innen bestehen insofern, als dass ihre Partei-Präferenzen gemäß der Parteiensichtbarkeit in der Berichterstattung ihrer Nachrichtenumgebung verändert werden kann.
In Gruppe B wird beispielsweise kleineren Parteien eine höhere Sichtbarkeit gegeben, als dies den Wahlpräferenzen („Sonntagsfrage“) entspricht. In dieser Gruppe könnten Partei-Präferenzen stärker zugunsten der kleineren Parteien ausfallen. Dies wird einer geringeren Sichtbarkeit kleinerer Parteien in Gruppe C gegenübergestellt und ausgeglichen. Für die Kompensation ist die Gruppe C um den Faktor 1,4 größer als Gruppen A und B, sodass keiner Partei ein eventueller Vorteil oder Nachteil entsteht.
Datenschutz
Die Datenschutzerklärungen zur App-Nutzung und zur Studie können hier eingesehen werden.
Literaturverzeichnis
Broockman, D. & Kalla, J. (2022). The manifold effects of partisan media on viewers’ beliefs and attitudes: A field experiment with Fox News viewers. https://doi.org/10.31219/osf.io/jrw26
Castro, L. (2021). Measuring Partisan Media Bias Cross‐Nationally. Swiss Political Science Review, 27(2), 412–433. https://doi.org/10.1111/spsr.12459
Eberl, J.‑M., Boomgaarden, H. G. & Wagner, M. (2017). One Bias Fits All? Three Types of Media Bias and Their Effects on Party Preferences. Communication Research, 44(8), 1125–1148. https://doi.org/10.1177/0093650215614364
Ferree, M. M., Gamson, W. A., Gerhards, J. & Rucht, D. (2002). Four Models of the Public Sphere in Modern Democracies. Theory and Society, 31(3), 289–324.
Geers, S. & Bos, L. (2017). Priming Issues, Party Visibility, and Party Evaluations: The Impact on Vote Switching. Political Communication, 34(3), 344–366. https://doi.org/10.1080/10584609.2016.1201179
Helberger, N. (2019). On the Democratic Role of News Recommenders. Digital Journalism, 7(8), 993-1012. https://doi.org/10.1080/21670811.2019.1623700
Hopmann, D. N., de Vreese, C. H. & Albaek, E. (2011). Incumbency Bonus in Election News Coverage Explained: The Logics of Political Power and the Media Market. Journal of Communication, 61(2), 264–282. https://doi.org/10.1111/j.1460-2466.2011.01540.x
Hopmann, D. N., Vliegenthart, R., de Vreese, C. H. & Albæk, E. (2010). Effects of Election News Coverage: How Visibility and Tone Influence Party Choice. Political Communication, 27(4), 389–405. https://doi.org/10.1080/10584609.2010.516798
Jandura, O., Udris, L. & Eisenegger, M. (2019). Die Medienpräsenz politischer Akteure in Deutschland und der Schweiz. UFITA, 83(1), 170–195. https://doi.org/10.5771/2568-9185-2019-1-170
Miller, J. M. & Krosnick, J. A. (2000). News Media Impact on the Ingredients of Presidential Evaluations: Politically Knowledgeable Citizens Are Guided by a Trusted Source. American Journal of Political Science, 44(2), 301. https://doi.org/10.2307/2669312
- Dauer: 2022-present
- Projektleitung: Prof. Dr. Juliane A. Lischka, Prof. Dr. Katharina Kleinen-von Königslöw
- Drittmittelgeber: Ideen- und Risikofonds, Universität Hamburg