Libanon
Kriege in Libanon seit 1945
Arabisch-Israelischer Krieg I (1948 - 1949)
rabisch-Israelischer Krieg I (1948 - 1949)
AKUF-Datenbanknr.: |
18 |
Kriegsdauer: |
15.05.1948 - 07.01.1949 |
Kriegstyp: |
C-2 |
Kriegsbeendigung |
durch Vermittlung Dritter (UNO) |
|
|
Kriegführende |
|
Seite A |
Ägypten/Syrien/Libanon/Jordanien/Irak/Saudi-Arabien |
Seite B |
Israel |
KONFLIKTGEGENSTAND UND -ZIELE
Nach dem am 29. November 1947 mit einer Zweidrittelmehrheit gefällten UN-Teilungsbeschluß, der die Aufteilung des ehemaligen britischen Mandatsgebietes Palästina in einen jüdischen und einen arabischen Teil vorsah, proklamierte Ben Gurion am 14. Mai 1948 den Staat Israel. Daraufhin griffen am 15. Mai Truppen Ägyptens, Transjordaniens, Syriens und kleinere Kontingente des Irak, Saudi Arabiens und des Libanon den Staat Israel an. Ziel der durch die Arabische Liga unterstützten Angreifer war die Beseitigung des Staates Israel und des zuvor schon politisch abgelehnten UN-Teilungsbeschlusses.
ERGEBNISSE DES KRIEGES
Durch den Sieg der israelischen Streitkräfte kam es zu einer Erweiterung des israelischen Territoriums um Galiläa, West-Jerusalem, weitere Teile des Westjordanlandes und der Mittelmeerküste. Nur Gaza fiel unter ägyptische Verwaltung. Der Grenzstreifen zu Syrien wurde entmilitarisiert, und ca. 700.000 arabisch-palästinensische Flüchtlinge mußten das Land verlassen. Das Restgebiet des Westjordanlandes fiel 1950 an Jordanien.
Dietrich Jung
Libanon (UNF, 1958)
AKUF-Datenbanknr.: |
49 |
Kriegsdauer: |
09.05.1958 - 14.10.1958 |
Kriegstyp: |
AB-2 |
Kriegsbeendigung |
durch Vermittlung Dritter (UNO) |
|
|
Kriegführende |
|
Seite A |
Libanon¹ |
Seite B |
United National Front (UNF)² |
KONFLIKTGEGENSTAND UND -ZIELE
Weder auf seiten der Regierung unter Präsident Chamoun noch auf seiten der aus heterogenen gesellschaftlichen Kräften zusammengesetzten UNF kann von einheitlichen Kriegszielen gesprochen werden. Den Mitgliedern der mehrheitlich muslimischen UNF ging es vorrangig um eine verstärkte Teilhabe an den Ämtern der politischen Institutionen und um den Rücktritt Chamouns. Ferner trugen die regionale und die internationale politische Lage zur Eskalation des innerlibanesischen Machtkampfes bei.
Die "inneren Konfliktgegenstände" können folgendermaßen umrissen werden: 1) Unzufriedenheit muslimischer Kreise hinsichtlich der existierenden Überrepräsentation von Christen in öffentlichen Ämtern aufgrund des herrschenden Proporzsystem; 2) personalistische Gegensätze zwischen traditionellen politischen Führern; 3) Ausschaltung einiger dieser traditionellen Führer durch Wahlmanipulationen seitens des Präsidenten bei der Wahl von 1957; und 4) Gerüchte über den Versuch Chamouns, durch eine Verfassungsänderung seine Wiederwahl zu ermöglichen.
Diese innerlibanesischen Gegensätze wurden durch die Polarisierung der arabischen Politik in einen irakisch-ägyptischen Gegensatz und damit auch durch den Ost-West-Konflikt überlagert. Die Annahme der Eisenhower-Doktrin durch Chamoun (1957) werteten die Regierungsgegner als eine einseitige Parteinahme für den "antiarabischen" Westen und damit als eine Verletzung des "Nationalpaktes von 1943". So wurde aus dem Machtkampf traditioneller Führer ein Kampf zwischen "Nasserismus" und "Westintegration".
ERGEBNISSE DES KRIEGES
Das Ergebnis des Bürgerkrieges war eine Wiederherstellung des status quo. Chamoun dementierte Aspirationen zu einer Wiederwahl, und mit Fuad Schihab wurde ein für beide Kriegsparteien akzeptabler Präsident gewählt, der in seinem Kabinett Führungspersonen beider Seiten vereinte und somit den Konsens wiederherstellte. Der Krieg forderte ca. 2.000 bis 3.000 Todesopfer und zahlreiche Verletzte. Auf dem Höhepunkt der Kämpfe wurden die volkswirtschaftlichen Verluste mit ca. zwei Millionen Dollar pro Tag beziffert.
ANMERKUNGEN
[1] Die Regierungsseite wurde von der groß-syrischen, anti-nasseristischen Parti Populaire Syrien (auch: Parti Populaire Sociale; PPS), von der Kataib (Falange) des Maroniten Gemayel sowie von Majid Arslan, dem drusischen Kontrahenten von Kamal Jumblat, unterstützt. Ferner beteiligten sich noch Sicherheitskräfte der Polizei und paramilitärische Verbände auf seiten der Regierung. Die Armee unter Fuad Schihab spielte eine Art Pufferrolle zwischen den verfeindeten Lagern.
[2] In der UNF waren neben den traditionellen Führern Saib Salam, Abdallah al-Yafi, Rashid Karami (Sunniten), Ahmad al-Asad, Sabri Hamadah (Schiiten), Kamal Jumblat (Druse), Hamid Faranjiya, Rene Muawad (Maroniten) folgende Parteien vertreten: Najjadah (muslimische Jugendbewegung), Sozialistische Fortschrittspartei von K. Jumblat (PSP), verschiedene nasseristische Parteien und die Baath-Partei. Ohne Mitglied in der UNF zu sein, unterstützte die KP Libanon die Regierungsgegner.
Dietrich Jung
Libanon (1975 - 1990)
AKUF-Datenbanknr.: |
120 |
Kriegsdauer: |
13.04.1975 - 1990 |
Kriegstyp: |
ACE-1 |
Kriegsbeendigung |
durch Vermittlung Dritter (Arabische Liga) |
|
|
Kriegführende |
|
Seite A |
Forces Libanaises (FL)¹/Südlibanesische Armee (SLA) (seit 1985)/Israel (seit 16.3.1978) |
Seite B |
Libanon/National Movement/Palästinensische Befreiungsorganisation (PLO) |
mehrfach wechselnd |
Syrien (seit 1/1976) |
KONFLIKTGEGENSTAND UND -ZIELE
Einer der zentralen innerlibanesischen Faktoren, die zum Bürgerkrieg führten, war die mangelnde Fähigkeit des libanesischen Staates, die konfessionellen, ethnisch-kulturellen, regionalen und ökonomischen Gegensätze zu bewältigen. Der verfassungsmäßige Konfessionsproporz konnte zwar bis in die 70er Jahre hinein ein labiles Gleichgewicht zwischen den verschiedenen Bevölkerungsgruppen sicherstellen, doch wurde er aufgrund der demographischen Veränderungen zugunsten der Muslime, des Erstarkens linker Kräfte und der verstärkten Präsenz palästinensischer Guerillas nach deren Vertreibung aus Jordanien 1970/71 (vgl. Krieg Nr. 108) zunehmend in Frage gestellt.
Dem zu Beginn des Krieges mit der PLO verbundenen "National Movement" (sunnitische Milizen: Murabitun, Tawhid; Schiiten: Bewegung der Entrechteten, später dann Amal; Drusenmiliz der PSP; Nasseristen; Baathisten und Kommunisten) unter der Führung von Kamal Jumblat (PSP) ging es im wesentlichen um eine Veränderung bzw. Abschaffung des Konfessionsproporzes im politischen System, um die Bewahrung der "arabischen Identität" des Libanon und damit verbunden um die Aufrechterhaltung der PLO-Basen, aber vor allem auch um eine Ausbreitung und Sicherung eigener Herrschaftsbereiche. Die PLO verfolgte das Ziel, ihre Operationsbasis auf libanesischem Territorium zu erhalten. Die in den FL zusammengefaßten christlichen Milizen (hauptsächlich Maroniten) kämpften gegen das "National Movement" für den Erhalt des sie bevorzugenden politischen Systems und die Sicherung des "westlichen Charakters" des Libanon.
Ziel der syrischen Beteiligung in den verschiedensten Allianzen war es zum einen, einen militärischen Sieg Israels und der von Israel unterstützen libanesischen Milizen zu verhindern und zum andern den Erhalt des libanesischen Staates zu sichern. Aus sicherheitspolitischen Gründen galt das syrische Interesse insbesondere die drohende Aufteilung des libanesischen Staatsterritoriums in verschiedene konfessionelle "Ministaaten" zu vermeiden. Aus diesem Grund intervenierten syrische Truppen 1976 zugunsten des "National Movement", wechselten dann aber die Seite, um eine Niederlage des christlichen Lagers zu vermeiden. Israel intervenierte 1978 und 1982 in den Libanonkrieg mit dem Ziel, die palästinensischen Einheiten zu vernichten sowie den Schutz der Nordgrenze des Landes zu garantieren. Des weiteren war es das Bestreben Israels, eine Israel-freundliche christliche Regierung im Libanon zu installieren und somit über einen direkten Verbündeten im Nahen Osten zu verfügen.
ERGEBNISSE DES KRIEGES
Wesentliches Ergebnis des Bürgerkrieges war die völlige Desintegration des libanesischen Staates. Erst 1989 gelang es einer Dreier-Kommission der Arabischen Liga (Algerien, Marokko und Saudi-Arabien), ein Abkommen auszuarbeiten, das die Grundlagen für eine Befriedung des Konflikts bilden konnte. Im Oktober 1989 unterzeichneten libanesische Parlamentsabgeordnete im saudi-arabischen Taif eine "Charta der Nationalen Versöhnung", die zwar keine wesentlichen Änderungen an dem System der Aufteilung der Macht entlang konfessioneller Linien vorsah, aber die Machtbefugnisse der Christen zugunsten der sunnitischen und schiitischen Muslime beschnitt und einen Zeitplan für den Rückzug syrischer Truppen aus dem Libanon enthielt. Aber erst die Beteiligung Syriens auf der Seite der Anti-Irak-Koalition im Zweiten Golfkrieg (vgl. Krieg Nr. 194) schuf die Voraussetzungen zur Durchsetzung des Taif-Abkommens: Syrien erhielt als eine Art Gegenleistung von den USA und Israel freie Hand, den Widerstand der christlichen Fraktion um General Aoun militärisch zu brechen. Zu den ersten Maßnahmen des Parlamentes gehörte zudem die Kündigung des Kairoer Abkommens von 1969, das den palästinensischen Guerillas weitgehende Bewegungsfreiheit im Libanon zugestand. In der Folgezeit gelang es der libanesischen Regierung mit Unterstützung Syriens, den größten Teil der mittleren und schweren Waffen fast aller Milizen und der PLO einzuziehen und die Kontrolle über den Großteil des Landes weitgehend wiederherzustellen.
Bis zum Jahr 1990 kamen schätzungsweise 150.000 Menschen durch den Bürgerkrieg ums Leben, allein 14.000 während der israelischen Invasion im Jahr 1982. Mehrere hunderttausend Libanesen und Palästinenser wurden aufgrund der Kampfhandlungen und mehrerer Massaker aus ihren Wohnorten vertrieben. Eine Rückkehr scheiterte bisher in zahlreichen Fällen zum einen an den enormen Zerstörungen und dem nur langsam voranschreitenden Wiederaufbau; ein anderer wesentlicher Grund ist die "religiöse Entmischung" großer Gebiete und die damit verbundene Entstehung homogener politischer Einflußsphären.
Jürgen Endres
Libanon (Südlibanon, SLA, 1990 - 2000)
AKUF-Datenbanknr.: |
282 |
Kriegsdauer: |
1990 - 24.05.2000 |
Kriegstyp: |
CE-2 |
Kriegsbeendigung |
durch Abbruch der Kämpfe (Kämpfe unterhalb der Ebene Krieg) |
|
|
Kriegführende |
|
Seite A |
Südlibanesische Armee (SLA)/Israel |
Seite B |
Libanon¹/Palästinensische Befreiungsorganisation (PLO)/hizb-allah |
KONFLIKTGEGENSTAND UND -ZIELE
Die Geschichte des Konflikts zwischen den israelischen Streitkräften und den verschiedenen, gegen Israel kämpfenden bewaffneten Organisationen reicht bis ins Jahr 1983 zurück. In diesem Jahr griff Israel zum zweiten Mal militärisch in den 1975 begonnen Libanon-Krieg (vgl. Krieg Nr. 120) ein und hielt von da an auch über das Ende dieses Krieges 1990 hinaus die etwa 800 Quadratkilometer große "Sicherheitszone" zum Schutz der Zivilbevölkerung Nordisraels vor Angriffen verschiedener vom Libanon aus operierender muslimischer Milizen kontinuierlich besetzt. Die stärkste Macht in dem losen Bündnis von muslimischen Widerstandsbewegungen stellt die etwa 3.000 Mann umfassende pro-iranische Miliz Hizb-allah dar, die von Syrien sowohl militärisch als auch strategisch in ihrem Kampf gegen Israel unterstützt wird. Seit dem israelischen Teilrückzug 1985 kontrollierte die von Israel finanzierte SLA, in der überwiegend libanesische Christen aus dem Südlibanon kämpften, gemeinsam mit der israelischen Armee das Grenzgebiet zu Galiläa. Weiterhin griff die israelische Luftwaffe in Form von Vergeltungsschlägen vor allem PLO- und Hizb-allah-Stellungen auf libanesischem Territorium an. Der Iran entsandte Revolutionsgardisten zur Unterstützung der Hizb-allah ins Bekaa-Tal.
ERGEBNISSE DES KRIEGES
Einen bedingungslosen Abzug aus dem Libanon, wie ihn die UN-Resolution 425 forderte, hatte die israelische Regierung lange Zeit stets abgelehnt. Erst im März des Jahres 2000 zeichnete sich dann eine Wende im Konfliktgeschehen ab. Aufgrund des wachsenden außen- und innenpolitischen Drucks auf die israelische Regierung sowie aufgrund der steigenden Opferzahlen auf israelischer Seite beschloss das israelische Kabinett, die israelischen Truppen aus dem Südlibanon abzuziehen und die umkämpfte "Sicherheitszone" auf libanesischem Territorium aufzugeben. Am 24. Mai 2000 war der israelische Truppenabzug schließlich abgeschlossen und nach etlichen Jahren der Besatzung erstmals kein israelischer Soldat mehr auf libanesischem Territorium. Die mit Israel verbündete SLA wurde aufgelöst. Der Abzug israelischer Truppen brachte zwar eine Deeskalation der Gewalt mit sich, nach wie vor aber kommt es immer wieder zu bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen den israelischen Streitkräften und muslimischen Milizeinheiten (vgl. den anhaltenden bewaffneten Konflikt im Südlibanon).
ANMERKUNGEN
[1] Der Libanon ist im engeren Sinne nicht Kriegspartei, da er keine eigenen Streitkräfte gegen die Einheiten der SLA und insbesondere Israels einsetzt, um eine Eskalation des Krieges zu vermeiden. Die libanesische Regierung hat aber den libanesischen Widerstandsbewegungen 1991 das Recht auf den bewaffneten Kampf gegen die israelische Besatzung zugesichert und somit den Krieg auf libanesischem Territorium legalisiert.
Wolfgang Schreiber
Libanon (Hizb-allah/Israel, "Sommerkrieg", 2006)
AKUF-Datenbanknr.: |
312 |
Kriegsdauer: |
15.07.2006 - 14.08.2006 |
Kriegstyp: |
E-2 |
Kriegsbeendigung |
durch Vermittlung Dritter |
|
|
Kriegführende |
|
Seite A |
Israel |
Seite B |
hizb-allah |
KONFLIKTGEGENSTAND UND -ZIELE
Der Krieg im Sommer 2006 zwischen der libanesisch-schiitischen hizb-allah (Partei Gottes) und Israel war trotz der langen Konfliktgeschichte in seiner plötzlichen Intensität überraschend und in seinen Ergebnissen sowohl für die innere Stabilität des Libanons als auch für den Abschreckungscharakter des israelischen Militärs kontraproduktiv. Die Ziele der israelischen Kriegsführung - die Befreiung zweier durch die hizb-allah gefangengenommener israelischer Soldaten und die Auslöschung oder zumindest starke Schwächung der proiranischen Miliz - wurden nicht oder nur teilweise erreicht. Die Popularität der hizb-allah im Libanon und bei großen Teilen der Bevölkerung der islamischen Welt wurde sogar gestärkt. Der Konflikt wurde vorwiegend auf Kosten der israelischen und vor allem der libanesischen Zivilbevölkerung ausgetragen.
Im Libanon, einstmals zusammen mit Syrien eine Provinz im Osmanischen Reich und nach dem Ersten Weltkrieg von der französischen Mandatsmacht nach eigenen Interessen zu einem mit 10.452 Quadratkilometern sehr kleinen Gebiet geformt, leben 18 anerkannte Religionsgemeinschaften. Zu nennen sind unter den christlichen Konfessionen vor allem die mit der römisch-katholischen Kirche unierten Maroniten sowie die griechisch-orthodoxen und griechisch-katholischen Gemeinschaften, unter den islamischen Gruppierungen vor allem Schiiten, Sunniten und Drusen.
Zwischen einigen dieser religiösen Gruppierungen gab es bereits im 19. Jahrhundert gewaltsame Konflikte, die auch nach der Unabhängigkeit des Libanon 1943 nicht beigelegt werden konnten. Um eine Partizipation aller Gruppen innerhalb der stark klientelistisch geprägten parlamentarischen Demokratie zu gewährleisten, werden Regierungsämter und Sitze im Parlament nach einem Proporzsystem auf die verschiedenen religiösen Fraktionen verteilt, wobei der Staatspräsident ein Maronit, der Ministerpräsident ein Sunnit und der Parlamentssprecher ein Schiit sein muss. Grundlage dieser Ämterverteilung sind die Daten einer Volkszählung von 1932, bei der die Christen knapp in der Mehrheit waren. Obwohl sich im Laufe der Jahre eine kontinuierliche demographische Veränderung zugunsten der muslimischen (zurzeit circa 65 Prozent) und vor allem der schiitischen Bevölkerung (circa 34 Prozent) vollzog, findet diese bis heute keinen angemessenen Ausdruck in einer Anpassung des Proporzsystems, das für eine starke Fragmentierung der libanesischen Gesellschaft sorgt und eine nationale Identitätsbildung verhindert.
Das Aufkommen einerseits linksorientierter Strömungen und andererseits arabisch-nationalistischer Bewegungen forcierte weitere gesellschaftliche Konflikte, die sich Anfang der 1970er Jahre noch durch eine schwere Rezession verschärften. Insbesondere die verstärkten Kommandoaktionen auf israelisches Gebiet durch die 1970/71 aus Jordanien vertriebenen palästinensischen Guerillas sowie die militärischen Reaktionen Israels auf diese Angriffe führten zu einer weitergehenden Polarisierung der libanesischen Gesellschaft. Die staatliche Zentralgewalt - die ohnehin durch konkurrierende Familien- und Clanbindungen und den damit verbundenen Patronagesystemen schwach war - hatte der Palestine Liberation Organisation (PLO) im Cairo Agreement 1969 weitgehende Rechte zur Kriegsführung vom libanesischen Territorium aus zugesichert und die staatliche Oberhoheit über die 16 palästinensischen Flüchtlingslager de facto abgetreten. Spätestens zu diesem Zeitpunkt begannen die einzelnen konfessionellen Gruppen im Libanon Milizen zu organisieren und ein innerstaatlicher Krieg mit wechselnden Fronten und Allianzen begann, in dessen Verlauf (1975-1990) Syrien und Israel mehrfach intervenierten und große Teile des Landes besetzten.
Israel verfolgte mit seinen Interventionen 1978 und insbesondere 1982 die Ziele, die PLO endgültig zu zerschlagen, den Einfluss Syriens auf den Libanon einzudämmen und eine proisraelische, christlich-maronitische Regierung in Beirut zu etablieren. Unterstützt wurden die israelischen Streitkräfte durch die israelisch finanzierte South Lebanese Army (SLA). Die Mobilisierung der Schiiten im Libanon hatte bereits Anfang der 1970er Jahre begonnen und seit 1975 waren sie größtenteils in der Partei afwaj al-muqawama al-lubnaniya (amal, Bataillone des libanesischen Widerstandes) und ihrer Miliz organisiert. Ihre Radikalisierung nahm durch die israelische Besatzung und das Massaker von Sabra und Schatila im September 1982 weiter zu. Unter dem Einfluss der iranischen Revolution bildeten sich Anfang der 1980er Jahre weitere schiitische Milizen in Konkurrenz zur eher moderaten amal, aus denen auch die hizb-allah hervorging. Deren Ziele waren neben einer besseren politischen und sozioökonomischen Positionierung der schiitischen Bevölkerung auch die Errichtung eines islamischen Gottesstaates im Libanon und die "Befreiung" Jerusalems.
Auch nach Ende des Bürgerkrieges 1990 hielt Israel im Südlibanon eine etwa 800 Quadratkilometer große "Sicherheitszone" zum Schutz der nordisraelischen Bevölkerung vor Angriffen der verschiedenen vom Libanon aus operierenden palästinensischen und schiitischen Milizen besetzt, wobei die hizb-allah ihren Hauptgegner darstellte. Als einzige Miliz durfte sie offiziell ihre Waffen behalten, um in "nationaler Mission" einen "Widerstandskampf" gegen die israelische Besatzung zu führen. In dieser Phase transformierte sich die hizb-allah von einer Bürgerkriegsmiliz zu einer politischen Partei mit breiter Basis im Libanon, die umfangreiche Sozialprojekte betreibt und dabei nicht nur staatliche Funktionen ausfüllte, sondern im Südlibanon einen de facto Staat im Staate bildete, der unter der militärischen Kontrolle ihres bewaffneten Flügels stand. Durch ihr Image als "heroische Widerstandsbewegung" und durch ihre zumindest vorgegebene Abkehr von radikal-islamischen hin zu national-libanesischen Zielen, konnte die hizb-allah nicht nur unter der schiitischen Bevölkerung des Libanon Sympathien erringen. Aufgrund zunehmendem innenpolitischen sowie internationalen Druck beschloss das israelische Kabinett unter Premierminister Ehud Barak im März 2000 einen bedingungslosen und vollständigen Truppenrückzug gemäß der UN-Resolution 425 von 1978, der bereits am 24. Mai desselben Jahres abgeschlossen wurde. Auch die SLA wurde zur Aufgabe gezwungen. Nach dem Abzug der israelischen Streitkräfte übernahm die hizb-allah die militärische Kontrolle über die Region.
Die Jahre 2000 bis 2005 waren gekennzeichnet von sporadischen Zusammenstößen an der Grenze auf deutlich vermindertem Niveau und diversen Verletzungen der territorialen Integrität des Libanons durch die israelische Armee, Marine und Luftwaffe. Die hizb-allah reagierte mit Flugabwehrfeuer, führte ihrerseits kleinere Kommandoaktionen im Grenzgebiet aus und griff israelische Militärpositionen mit Artillerie an. Auf Angriffe der libanesischen Miliz folgten in aller Regel Vergeltungsaktionen der israelischen Armee gegen Stellungen der hizb-allah aber auch auf schiitische Dörfer im Südlibanon. Die israelische Regierung erklärte darüber hinaus, dass die zunehmende logistische, finanzielle und militärische Unterstützung des palästinensischen Widerstandskampfes durch die libanesische Miliz nicht länger hingenommen werden könne. Seit 2000 wurden in dem bewaffneten Konflikt circa 14 israelische Soldaten getötet und um die 50 verwundet, die Opferzahlen auf libanesischer Seite waren sowohl unter der Zivilbevölkerung als auch unter den Guerillakämpfern deutlich höher. Die Zahl der getöteten Angehörigen der seit 1978 im Südlibanon stationierten Beobachtermission United Nations Interim Force in Lebanon (UNIFIL) stieg auf über 250.
Im Zentrum dieser Auseinandersetzungen stand das 28 Quadratkilometer große, wasserreiche Gebiet der Shebaa Farms, das Israel 1967 zusammen mit den syrischen Golanhöhen zunächst besetzt und 1981 annektiert hatte. Nach Meinung Israels und der UN gehört das Gebiet zu Syrien und kann demzufolge nur im Rahmen eines Friedensvertrages zurückgegeben werden. Demgegenüber vertritt vor allem die hizb-allah - unterstützt von der libanesischen Regierung - die Ansicht, die seit Generationen von libanesischen Bauern bewirtschafteten Shebaa Farms gehörten zum libanesischen Territorium. Der Rückzug sei somit nicht vollständig erfolgt, weshalb der "Widerstandskampf" gegen Israel fortgesetzt werden müsse. Syrien hat das Gebiet zwar dem Libanon zugesprochen, dies jedoch bisher nicht in einem Vertrag fixiert.
Die Territorialfrage war jedoch nicht das einzige Motiv der hizb-allah unter der Führung von Scheich Sayyid Hassan Nasrallah. Die Partei und Miliz steht dem Iran ideologisch noch immer sehr nahe und ist finanziell und insbesondere für ihre Bewaffnung stark von diesem sowie Syrien als Transitland abhängig. Damit war die hizb-allah zumindest in gewissem Umfang Befehlsempfänger regionaler Akteure, die über die libanesische Miliz einen Stellvertreterkrieg auf niedrigem Niveau mit Israel führten. Syrien erinnerte auf diese Weise an seinen Anspruch auf die Golanhöhen und der Iran baute so einen Gegner direkt an der israelischen Grenze auf, der im Falle eines Angriffs der USA oder Israels auf den Iran eine ernst zu nehmende Gefahr für die Zivilbevölkerung im Norden Israels darstellt. Darüber hinaus definierte sich die hizb-allah selbst als Partei des Widerstandes und zumindest ihr bewaffneter Arm würde durch eine Beilegung des Konflikts mit Israel obsolet werden. Die libanesische Regierung nahm in diesem Konflikt eine ambivalente Rolle ein. So legitimierte sie einerseits den Widerstand der hizb-allah und stationierte keine regulären Truppen im Grenzgebiet, was zu Konflikten mit der schiitischen Miliz geführt und den innerstaatlichen Frieden gefährdet hätte. Andererseits war sie aber angesichts der militärischen Übermacht Israels stets darum bemüht, eine Eskalation in einen zwischenstaatlichen Konflikt zu vermeiden.
Die innenpolitische Situation im Libanon war seit Ende 2004 ohnehin sehr angespannt. Nach einer schweren Regierungskrise und der Ermordung des ehemaligen Ministerpräsidenten Rafiq Hariri am 14. Februar 2005, der das wohl prominentestes Opfer einer Reihe von Mordanschlägen auf syrienkritische Politiker und Journalisten darstellt, bildete sich die in westlichen Medien als "Zedernrevolution" bezeichnete friedliche Protestwelle, die sich vehement für eine Beendigung der seit dem Bürgerkrieg evidenten syrischen Einflussnahme aussprach. Unter diesem innerlibanesischem und dem externen Druck auf Basis der UN-Resolution 1559 vom September 2004 beendete Syrien seine seit 30 Jahren andauernde de facto Besatzung. Auch bei den Parlamentswahlen 2005 siegte das anti-syrische Wahlbündnis. Doch parallel dazu konnten ebenfalls die Schiiten und die pro-syrischen Fraktionen unter den Christen im Libanon ihren Einfluss ausbauen. So haben hizb-allah und amal seit den Wahlen 35 von 128 Sitze im Parlament inne und stellen zwei Minister. Auch die mit der hizb-allah verbündete Free Patriotic Movement (FPM) unter dem christlichen Ex-General Michel Aoun, der 2005 nach 15 Jahren Exil in den Libanon zurückkehrte, hält 21 Sitze im Parlament.
Der Beginn des Berichtsjahres 2006 war zunächst überschattet von einer Verschärfung des politischen Konflikts zwischen den pro- und anti-syrischen Kräften im Land, der sich insbesondere an den Ergebnissen der 2005 vom UN-Sicherheitsrat ins Leben gerufenen United Nations International Independent Investigation Commission (UNIIIC) zur Aufklärung des Hariri-Mordes entzündete. Demnach waren hochrangige syrische Offizielle in dieses Attentat und die 14 weiteren seitdem verübten Ermordungen verwickelt. Pro-syrische Minister versuchten durch einen Boykott der Regierungsgeschäfte den politischen Reformprozess zu lähmen sowie die Errichtung eines internationalen Tribunals zur Klärung der Anschuldigungen und eine in der neuen Regierung kontrovers diskutierte Entwaffnung der hizb-allah zu verhindern.
Als Vorspiel des Krieges im Sommer 2006 ist ein Raketenangriff der hizb-allah auf eine israelische Militärbasis und mehrere Militärfahrzeuge am 28. Mai zu bewerten, der als Reaktion auf ein Attentat auf den Führer des Jihad Islami im Libanon durchgeführt wurde. Die israelische Luftwaffe bombardierte daraufhin ein palästinensisches Flüchtlingslager im Libanon und führte an der Grenze Artilleriegefechte mit hizb-allah-Milizionären, die sich am darauf folgenden Tag noch verstärkten. Der letztendliche casus belli war schließlich am 12. Juli ein Angriff der hizb-allah auf eine israelische Patrouille im Grenzgebiet, wobei drei Soldaten getötet und zwei gefangengenommen wurden. Die schiitische Miliz wollte nach eigenen Angaben mit den Soldaten einen Gefangenenaustausch erzwingen. Sicherlich diente die Aktion aber auch der Unterstützung der Palästinenser während der israelischen Militäroperation im Gaza-Streifen (vgl. den Bericht zu Israel (Palästina)).
Der Krieg zwischen dem 12. Juli und dem 14. August 2006 lässt sich in mehrere Phasen gliedern. Zunächst versuchte das israelische Militär die Verschleppung der gefangengenommenen Soldaten ins Landesinnere zu verhindern und Vergeltung für die Militäraktion der Miliz zu üben. Die Luftwaffe führte dabei innerhalb der ersten 24 Stunden über 100 Luftangriffe auf Brücken und Straßen im Südlibanon sowie auf vermutete Stellungen der hizb-allah durch. Parallel dazu bombardierten israelische Kriegsschiffe den Flughafen von Beirut. Die schiitische Miliz beschoss daraufhin zwei Städte im Norden Israels mit ungelenkten Katyusha-Raketen.
Bereits am 14. Juli wurde der Libanon durch eine See-, Luft- und Landblockade praktisch vollständig abgeriegelt. Die hizb-allah feuerte in den darauf folgenden Tagen hunderte von Raketen nach Nordisrael und beschoss ein israelisches Kriegsschiff, möglicherweise mit Radarunterstützung seitens der libanesischen Armee. Aber auch die israelische Armee weitete ihre Angriffe aus und zerstörte Infrastruktur sowie Treibstofftanks im gesamten Libanon und bombardierte neben den Dörfern im Südlibanon und den südlichen Stadtvierteln Beiruts, in denen größtenteils Schiiten leben, auch Stadtviertel und Regionen, die fast ausschließlich von eher prowestlichen christlichen Maroniten bewohnt werden. Erste Vermittlungsbemühungen der UN scheiterten.
Nachdem eine schnelle Befreiung der Soldaten offensichtlich gescheitert war, änderte Israel sein strategisches Ziel dahingehend, die schiitische Miliz militärisch zu vernichten. Durch die Zerstörung der libanesischen Infrastruktur versuchte Israel die Bevölkerung gegen die hizb-allah aufzubringen und Druck auf die Regierung auszuüben, die Miliz zu entwaffnen - wozu diese jedoch weder politisch noch militärisch in der Lage gewesen wäre. Ganz im Gegenteil solidarisierte sich aber aufgrund der hohen zivilen Opferzahlen die Mehrheit der Libanesen mit dem Kampf der hizb-allah gegen das militärisch weit überlegene Israel. Letzteres begann mit einer Bodenoffensive im Südlibanon und forderte die dort verbliebenden circa 250.000 Menschen zum Verlassen der Region auf. Bis zum 22. Juli waren über 2.000 israelische Soldaten auf libanesisches Territorium vorgerückt und lieferten sich dort am 27. und 28. Juli besonders in der Umgebung von Bint Schebel heftige Gefechte mit der hizb-allah, während diese unvermindert Raketen auf Nordisrael schoss. Während Israel seine Luftangriffe im ganzen Land fortsetzte, wobei die Mehrheit der Ziele ziviler Art waren, wurde auf diplomatischer Ebene über eine Erhöhung der UNIFIL-Truppenstärke und eine Veränderung des Mandats sowie eine Libanon-Resolution des Sicherheitsrates diskutiert. Am 25. und am 29. Juli trafen israelische Präzisionsbomben zudem zwei deutlich gekennzeichnete UNIFIL-Beobachterposten, wobei vier UN-Soldaten ums Leben kamen und mehrere verletzt wurden.
Der israelische Angriff auf das Dorf Kana am 30. Juli markierte eine weitere Eskalationsstufe innerhalb des Kriegsverlaufs. Letztendlich kamen dort weniger Menschen ums Leben als zunächst befürchtet wurde, jedoch weckte der Angriff Erinnerungen an einen israelischen Angriff im gleichen Ort 1996, bei dem über 100 Zivilisten, die in einen UNIFIL-Beobachterposten geflüchtet waren, getötet worden waren. In dieser Phase des Krieges wurde zudem durch die Bombardierung küstennaher Öltanks eine Ölpest im östlichen Mittelmeer ausgelöst. Eine 48-stündige Feuerpause ab dem 31. Juli wurde von beiden Seiten nur eingeschränkt eingehalten.
Anfang August zerstörte die israelische Armee auch die letzten möglichen Versorgungswege von Syrien in den Libanon, was das Ende jeglicher Hilfslieferungen bedeutete und vor allem die Situation der Flüchtlinge dramatisch verschärfte. Israelische Elitetruppen führten mehrere Kommandoaktionen gegen hizb-allah-Stellungen durch, die Luftangriffe wurden fortgesetzt und die Regierung ließ weitere 30.000 Reservisten einberufen. Aber auch der Vorrat an Katyusha-Raketen seitens der libanesisch-schiitischen Miliz schien nicht erschöpft, so feuerte die Guerillatruppe allein am 5. August mindestens 175 Raketen nach Nordisrael. In dieser Phase griff die libanesische Armee kurzzeitig in die Kampfhandlungen ein, indem sie israelische Hubschrauber eines Spezialkommandos nahe Tyros mit Luftabwehrraketen beschoss.
Die letzte Phase des Krieges wurde durch die einstimmige Annahme der Resolution 1701 vom UN-Sicherheitsrat am 11. August eingeleitet, nachdem sich das traditionell dem Libanon verpflichtete Frankreich und die Israel unterstützenden USA nach langem Ringen auf einen gemeinsamen Text einigen konnten. Neben einer sofortigen Waffenruhe forderte die Resolution Israel zu einem vollständigen Truppenrückzug bei einer gleichzeitigen Stationierung von 15.000 Soldaten der libanesischen Armee im Südlibanon auf. Zudem wurde die Entwaffnung der hizb-allah gefordert und eine schnelle Aufstockung der UNIFIL-Truppe auf ebenfalls 15.000 Soldaten beschlossen, die das Grenzgebiet zu Israel sichern und weitere Waffenlieferungen in den Libanon unterbinden sollte. Die Mission wurde nun mit einem robusten Mandat ausgestattet. Die hizb-allah stimmte der Resolution zu, kündigte aber an, noch so lange zu kämpfen, bis die israelische Bodenoffensive beendet sei. Trotzdem weitete Israel diese zunächst noch aus. Seine Luftwaffe flog in dieser letzten Kriegsphase Angriffe auf eine libanesische Armeebasis sowie auf zivile Ziele, wobei mehrere Wohnblöcke in Beirut zerstört wurden. Auch die hizb-allah feuerte unvermindert Raketen nach Nordisrael. Am Morgen des 14. August begann schließlich die vereinbarte Waffenruhe, die von beiden Parteien eingehalten wurde.
Auch nach Ende des eigentlichen Krieges führte die israelische Armee noch einige Kommandounternehmen durch und geriet durch Verletzungen der territorialen Integrität des Libanons und kleinere Kampfhandlungen auch mit den etappenweise seit Anfang September stationierten UNIFIL-Truppen aneinander. Am 7. und 8. September hob Israel die Luft- und Seeblockade auf, bis zum Oktober hatte es den größten Teil seiner Truppen aus dem nördlichen Nachbarland abgezogen und erklärte sich zu indirekten Verhandlungen über einen Gefangenenaustausch bereit. Aufgrund ihrer durch den Krieg gestärkten gesellschaftlichen Position verweigerte die hizb-allah eine Entwaffnung. Ganz im Gegenteil versuchte sie in ihrer Allianz mit Aouns FPM die angeblich zu prowestliche und ohnmächtige Regierung in Beirut zu Fall zu bringen. Die Miliz stilisierte ihr Image als Widerstandsgruppe gegen Israel und nutzte ihre größtenteils aus dem Iran stammenden Finanzmittel, um den Wiederaufbau im Süden schnell voranzutreiben. Dem wurde begrenzt durch internationale Geberkonferenzen entgegengewirkt.
Insgesamt hat die hizb-allah über 4.000 Raketen auf Nordisrael abgefeuert, wobei 44 Zivilisten getötet und knapp 700 verletzt wurden. Zeitweise hatten sich bis zu 300.000 Menschen im Süden Israels in Sicherheit gebracht. 119 israelische Soldaten fielen bei den Kampfhandlungen, die zwei Gefangengenommenen waren zum Jahresende immer noch nicht frei. Auf libanesischer Seite wurden knapp 2.000 Zivilisten getötet, mehr als 4.400 verletzt und eine Million Menschen zu Flüchtlingen. 46 libanesische Soldaten starben, circa 100 wurden verletzt, die genaue Zahl der getöteten hizb-allah-Milizionäre ist nicht bekannt, Schätzungen liegen zwischen 250 und 530. Darüber hinaus starben sechs Angehörige der UNIFIL-Mission und neun wurden verletzt. Der UN-Menschenrechtsrat hat eine Untersuchungskommission zu Kriegsverbrechen von Seiten beider Konfliktakteure eingesetzt. Israel setzte außerdem während des Krieges im großen Umfang Streubomben ein. Nach dem Krieg wurde unter der israelischen Bevölkerung erhebliche Kritik an der militärischen Strategie geäußert und eine Untersuchungskommission einberufen, die das Verhalten der israelischen Armee sowie die Planung des Krieges durch die Regierung bewerten soll.
Vor allem aber die libanesische Regierung ist durch den Krieg innenpolitisch unter Druck geraten. Obwohl Ministerpräsident Fuad Siniora öffentlich erklärte, dass der Libanon das letzte Land sein werde, das mit Israel Frieden schließe, stand sie im Kreuzfeuer der Kritik durch die libanesischen Oppositionskräfte. Zum Ende des Berichtsjahres, insbesondere nach der Ermordung des populären anti-syrischen Ministers Pierre Gemayel und mehreren, teilweise gewaltsamen Massendemonstrationen und anderen kleineren Zusammenstößen, war die Stabilität der Regierung sehr fragil. Die libanesische Gesellschaft ist zwischen pro- und anti-syrischen Kräften gespalten. Dazu kommen neben den traditionellen konfessionellen insbesondere auch soziale Konflikte. Neuwahlen, ein gewaltsamer Umbruch und selbst ein erneutes Abgleiten in einen Bürgerkrieg scheinen in dieser Situation nicht undenkbar. Ein Friedensschluss mit Israel jedoch wird nur im Kontext einer Bearbeitung aller regionalen Konfliktfelder zu erreichen sein.
Mara Albrecht
Libanon (Fatah al-Islam, 2007)
AKUF-Datenbanknr.: |
327 |
Kriegsdauer: |
20.05.2007 - 02.09.2007 |
Kriegstyp: |
E-2 |
Kriegsbeendigung |
durch militärischen Sieg Seite B |
|
|
Kriegführende |
|
Seite A |
Fatah al-Islam |
Seite B |
Libanon |
KONFLIKTGEGENSTAND UND -ZIELE
Nicht einmal ein Jahr nach dem "Sommerkrieg" gegen Israel erschütterte im Sommer 2007 ein neuer Krieg plötzlich und unerwartet den Libanon. Betroffen waren diesmal vor allem das palästinensische Flüchtlingslager Nahr al-Bared und die nahe gelegene Stadt Tripoli im Norden des Landes. Dreieinhalb Monate lang lieferten sich die libanesische Armee und die sunnitische Miliz Fatah al-Islam (Sieg des Islam) erbitterte Kämpfe, bei denen das Lager fast vollständig zerstört wurde. Mehr als 30.000 der Bewohner mussten fliehen. Trotz hoher Verluste gingen sowohl Regierung als auch Armee gestärkt aus diesem Krieg hervor. Fatah al-Islam, die zumindest ideologisch Al-Qaida (Die Basis) nahe steht, von der libanesischen Regierung aber in erster Linie als Handlanger Syriens angesehen wird, wurde besiegt.
Im Libanon, einstmals zusammen mit Syrien eine Provinz im Osmanischen Reich und nach dem Ersten Weltkrieg von der französischen Mandatsmacht nach eigenen Interessen zu einem 10.452 Quadratkilometern kleinen Gebiet geformt, leben 17 anerkannte Religionsgemeinschaft. Zu nennen sind unter den islamischen Gruppierungen vor allem Schiiten, Sunniten und Drusen, unter den christlichen Konfessionen vor allem die mit der römisch-katholischen Kirche unierten Maroniten sowie die griechisch-orthodoxen und griechisch-katholischen Gemeinschaften
Zwischen einigen dieser religiösen Gruppierungen gab es bereits seit dem 19. Jahrhundert gewaltsam ausgetragene Konflikte, die auch nach der Unabhängigkeit des Libanon 1943 nicht beigelegt werden konnten. Um eine Partizipation aller Gruppen innerhalb der stark klientelistisch geprägten parlamentarischen Demokratie zu gewährleisten, werden Regierungsämter und Sitze im Parlament nach einem Proporzsystem auf die verschiedenen religiösen Gruppen verteilt, wobei der Staatspräsident ein Maronit, der Ministerpräsident ein Sunnit und der Parlamentssprecher ein Schiit sein muss. Grundlage dieser Ämterverteilung sind die Daten der Volkszählung von 1932, bei der die Christen knapp in der Mehrheit waren. Obwohl sich im Laufe der Jahre eine demographische Veränderung zugunsten der muslimischen (zurzeit circa 60 Prozent) und dabei vor allem der schiitischen Bevölkerung (circa 32 Prozent) vollzog, findet dieses bis heute keinen Ausdruck in einer Anpassung des Proporzsystems, das für eine starke Fragmentierung der libanesischen Gesellschaft sorgt und eine nationale Identitätsbildung verhindert.
Das Aufkommen einerseits linksorientierter Strömungen und andererseits arabisch-nationalistischer Bewegungen forcierte weitere gesellschaftliche Konflikte, die sich Anfang der 1970er Jahre noch durch eine schwere Rezession verschärften. Insbesondere die verstärkten Kommandoaktionen auf israelisches Gebiet durch die 1970/71 aus Jordanien vertriebenen palästinensischen Guerilla sowie die militärischen Reaktionen Israels auf diese Angriffe führten zu einer weitergehenden Polarisierung der libanesischen Gesellschaft.
Die staatliche Zentralgewalt, die ohnehin durch konkurrierende Familien- und Clanbindungen und dem damit verbundenen Patronagesystem schwach war, hatte der Palestine Liberation Organisation (PLO) im Cairo Agreement 1969 weitgehende Rechte zur Kriegsführung vom libanesischen Territorium aus zugesichert und die staatliche Oberhoheit über die damals 16, heute zwölf palästinensischen Flüchtlingslager de facto abgetreten. Die Kontrolle übten stattdessen lokale militante Palästinensergruppen aus. Zeitgleich begannen die einzelnen konfessionellen Gruppen im Libanon, Milizen zu organisieren und ein innerstaatlicher Krieg mit wechselnden Fronten und Allianzen begann, in dessen Verlauf 1975 bis 1990) Syrien und Israel mehrfach intervenierten und große Teile des Landes besetzten.
Israel verfolgte mit seinen Interventionen 1978 und insbesondere 1982 die Ziele, die PLO endgültig zu zerschlagen, den Einfluss Syriens auf den Libanon einzudämmen und eine pro-israelische, christlich-maronitische Regierung in Beirut zu etablieren. Die Mobilisierung der Schiiten im Libanon hatte bereits Anfang der 1970er Jahre begonnen und seit 1975 waren sie größtenteils in der Partei Afwaj al-Muqawama al-Lubnaniya (Amal, Bataillone des libanesischen Widerstandes) und ihrer Miliz organisiert. Ihre Radikalisierung nahm durch die israelische Besatzung und das Massaker von Sabra und Schatila im September 1982 weiter zu. Unter dem Einfluss der iranischen Revolution bildeten sich Anfang der 1980er Jahre weitere schiitische Milizen in Konkurrenz zur eher moderaten Amal, aus denen auch die Hizb-allah (Partei Gottes) hervorging. Deren Ziele waren neben einer besseren politischen und sozioökonomischen Positionierung der schiitischen Bevölkerung auch die Errichtung eines islamischen Gottesstaates im Libanon und die "Befreiung" Jerusalems.
Auch nach Ende des Bürgerkrieges 1990 hielt Israel im Südlibanon eine etwa 800 Quadratkilometer große "Sicherheitszone" zum Schutz der nordisraelischen Bevölkerung vor Angriffen der verschiedenen vom Libanon aus operierenden palästinensischen und schiitischen Milizen besetzt, wobei die Hizb-allah ihr Hauptgegner war. Als einzige Miliz durfte sie offiziell ihre Waffen behalten, um in "nationaler Mission" einen "Widerstandskampf" gegen die israelische Besatzung zu führen. In dieser Phase transformierte sich die Hizb-allah von einer Bürgerkriegsmiliz zu einer politischen Partei mit breiter Basis im Libanon, die bis heute umfangreiche Sozialprojekte betreibt und dabei nicht nur staatliche Funktionen ausfüllte, sondern im Südlibanon einen de facto Staat im Staate bildete. Aufgrund zunehmendem innenpolitischen sowie internationalen Druck beschloss das israelische Kabinett unter Premierminister Ehud Barak im März 2000 einen bedingungslosen und vollständigen Truppenrückzug gemäß der UN-Resolution 425 von 1978, der bereits am 24. Mai desselben Jahres abgeschlossen wurde. Nach dem Abzug der israelischen Streitkräfte übernahm die Hizb-allah die militärische Kontrolle über die Region.
Die Jahre 2000 bis 2005 waren von sporadischen Zusammenstößen zwischen Israel und der Hizb-allah auf deutlich vermindertem Niveau gekennzeichnet. Im Zentrum dieser Auseinandersetzungen stand das 28 Quadratkilometer große, wasserreiche Gebiet der Shebaa-Farmen, das Israel 1967 zusammen mit den syrischen Golanhöhen zunächst besetzt und 1981 annektiert hatte. Nach Meinung Israels und der Vereinten Nationen gehört das Gebiet zu Syrien und kann demzufolge nur im Rahmen eines Friedensvertrages zurückgegeben werden. Demgegenüber vertritt vor allem die Hizb-allah - unterstützt von der libanesischen und der syrischen Regierung - die Ansicht, die seit Generationen von libanesischen Bauern bewirtschafteten Shebaa-Farmen gehörten zum libanesischen Territorium. Der Rückzug sei somit nicht vollständig erfolgt, weshalb der "Widerstandskampf" gegen Israel fortgesetzt werden müsse.
Die Territorialfrage war jedoch nicht das einzige Motiv der Hizb-allah unter der Führung von Scheich Sayyid Hassan Nasrallah. Die Partei und Miliz steht dem Iran ideologisch noch immer sehr nahe und ist finanziell und insbesondere für ihre Bewaffnung stark von diesem sowie Syrien als Transitland abhängig. Die Hizb-allah selbst definiert sich als Partei des Widerstandes und zumindest ihr bewaffneter Arm würde durch eine Beilegung des Konflikts mit Israel obsolet werden. Die libanesische Regierung nahm im Konflikt mit Israel eine ambivalente Rolle ein. So legitimierte sie einerseits den Widerstand der Hizb-allah und stationierte keine regulären Truppen im Grenzgebiet, was zu Konflikten mit der schiitischen Miliz geführt und den innerstaatlichen Frieden gefährdet hätte. Andererseits war sie aber angesichts der militärischen Übermacht Israels stets darum bemüht, eine Eskalation zu einem zwischenstaatlichen Konflikt zu vermeiden.
Die innenpolitische Situation im Libanon war seit Ende 2004 ohnehin sehr angespannt. Nach einer schweren Regierungskrise und der Ermordung des ehemaligen Ministerpräsidenten Rafiq Hariri am 14. Februar 2005, der das prominentestes Opfer einer Reihe von Mordanschlägen auf syrienkritische Politiker und Journalisten darstellte, bildete sich die in westlichen Medien als "Zedernrevolution" bezeichnete friedliche Protestwelle, die sich vehement für eine Beendigung der syrischen Einflussnahme aussprach. Unter diesem innerlibanesischen und dem externen Druck auf Basis der UN-Resolution 1559 vom September 2004 beendete Syrien seine seit 30 Jahren andauernde de-facto-Besatzung. Auch bei den Parlamentswahlen 2005 siegte das anti-syrische Wahlbündnis "Bewegung 14. März" und Fouad Siniora wurde neuer Ministerpräsident. Doch parallel dazu konnten ebenfalls die Schiiten und die pro-syrischen Fraktionen unter den Christen ihren Einfluss im Libanon ausbauen. So hat die Allianz um die Hizb-allah seit den Wahlen 35 von 128 Sitzen im Parlament inne und stellt mehrere Minister. Die Allianz um den christlichen Ex-General Michel Aoun, der 2005 nach 15 Jahren Exil in den Libanon zurückkehrte, hält 21 Sitze im Parlament. Aoun ist Vorsitzender der Al-Tayyar al-Watani al-Hur (Freie Patriotische Bewegung), die mit der Hizb-allah verbündet ist.
Der Krieg vom 12. Juli bis 14. August 2006 zwischen der Hizb-allah und Israel war trotz der langen Konfliktgeschichte in seiner plötzlichen Intensität überraschend und in seinen Ergebnissen sowohl für die innere Stabilität des Libanon als auch für den Abschreckungscharakter des israelischen Militärs kontraproduktiv. Die Ziele der israelischen Kriegsführung - die Befreiung zweier durch die Hizb-allah gefangen genommener israelischer Soldaten und die Auslöschung oder zumindest starke Schwächung der pro-iranischen Miliz - wurden nicht oder nur teilweise erreicht. Der Konflikt wurde vorwiegend auf Kosten der israelischen und vor allem der libanesischen Zivilbevölkerung ausgetragen. Bei den circa 1.200 libanesischen und ungefähr 160 israelischen Toten handelte es sich jeweils überwiegend um Zivilisten. Dazu kamen die Verletzten und fast 1 Million libanesische sowie etwa eine halbe Million israelische Flüchtlinge. Die Popularität der Hizb-allah im Libanon und bei großen Teilen der Bevölkerung der islamischen Welt wurde nicht geschwächt, sondern gestärkt. Ihr hohes gesellschaftliches Ansehen bei der libanesichen Bevölkerung nutzt die Miliz bis heute, um ihre durch die UN angeordnete Entwaffnung zu verweigern.
Seit September 2006 sichern Truppen der United Nations Interim Force in Lebanon (UNIFIL) den Süden des Libanons. Israel verletzte regelmäßig die libanesische Lufthoheit. Die schwerwiegendste Verletzung des Waffenstillstandes an der libanesisch-israelischen Grenze stellten jedoch zwei Katjuscha-Raketen dar, die Unbekannte im Juni 2007 auf die israelische Grenzstadt Kirjat Schemona schossen. Tote oder Verletzte gab es nicht und Israel unternahm keine Vergeltungsmaßnahmen. Im Oktober 2007 kam es nach langen Verhandlungen schließlich zu einen ersten Leichen- und Gefangenenaustausch zwischen der Hizb-allah und Israel.
Politisch wurden im Berichtsjahr die anstehenden Präsidentschaftswahlen für den Libanon zur Zerreißprobe. Die Amtszeit von Präsident Émile Lahoud, der als eine der syrischen Bastionen im Libanon galt, endete im November 2007. Die Wahl eines neuen Präsidenten musste in Ermangelung eines Konsenskandidaten elf Mal verschoben werden. Ein neuer Präsident ist bis Ende 2007 nicht gewählt. Zusätzlich riss die Anschlagsserie auf anti-syrische Politiker auch in 2007 nicht ab. 23 Menschen kamen ums Leben, mehr als 57 wurden verletzt.
Mit der Fatah al-Islam (Sieg des Islam) trat im Berichtsjahr außerdem eine neue Konfliktlinie in den Vordergrund. Die Fatah al-Islam ist eine multinationale sunnitische Miliz, deren Gründer aus der syrien-nahen Fatah al-Intifada (Sieg des Aufstands) stammen. Im Winter 2006 begann die Gruppe, sich im Lager Nahr-al Bared zu formieren und gezielt Mitglieder aus dem In- und Ausland anzuwerben. Bis zu 150 ehemalige Kämpfer aus dem Irak sollen sich der Gruppe angeschlossen haben. Schätzungen über die Größe der Fatah al-Islam reichten von 200 bis 750 Milizionären. Die Fatah al-Islam steht Al-Qaida zumindest ideologisch nahe. Ihre finanziellen Mittel erhielt die Miliz überwiegend über Saudi-Arabien. Außerdem scheint die Gruppe Kontakte zu Syrien zu haben. Dafür sprechen die Biographie ihres Anführers, des Palästinensers Schakir al-Absi, und ihre Wurzeln in der Fatah al-intifada. Die libanesische Regierung warf der Fatah al-Islam vor, Syriens Hegemonialbestrebungen in der Region zu unterstützen und den Libanon ins Chaos stürzen zu wollen. Die Miliz soll Anschläge auf 36 anti-syrische Persönlichkeiten im Libanon geplant haben. Auf palästinensischer Seite hatte die PLO bereits im Dezember 2006 vor der Fatah al-Islam gewarnt und die Fatah (Sieg) als größte Gruppe innerhalb der PLO distanzierte sich ausdrücklich von der Miliz.
Von den ungefähr 400.000 palästinensische Flüchtlinge im Libanon leben circa 31.000 im Lager Nahr al-Bared 16 Kilometer nördlich der Stadt Tripoli. Obwohl die Lager im Laufe der Zeit mit den Städten verschmolzen sind, ist die Infrastruktur immer noch mangelhaft. Sie sind überfüllt, Arbeitslosigkeit und Armut herrschen vor. In einem Abkommen zwischen dem Libanon und der PLO wurde die Selbstverwaltung der Siedlungen für verbindlich erklärt. Obwohl der Vertrag 1987 aufgehoben wurde, beschränkte sich die libanesische Armee stets auf Stellungen rund um die Lager. Aufgrund ihrer Autonomie bildeten die Lager daher kleine Staaten im Staat und sind so zu einem idealen Unterschlupf für Angehörige verschiedener extremistischer Milizen geworden.
Den Auftakt zu den schlimmsten innerlibanesischen Kämpfen seit Ende des Bürgerkrieges 1990 bildete eine Razzia der libanesischen Armee am 20. Mai 2007. Die Soldaten wollten den Unterschlupf einiger Mitglieder der Fatah al-Islam in Tripoli durchsuchen, stießen hierbei jedoch auf schwere Gegenwehr. Aus Armeekreisen hieß es, die Milizionäre hätten außerdem von Dächern am Rande des Lagers Nahr al-Bared auf Soldaten geschossen. Daraufhin nahm die Armee das Lager bis zum Abend unter Beschuss.
In der Folge umstellten 700 Elitesoldaten das Lager mit Panzern. Während die Armee mit Raketen und Maschinengewehren auf Stelllungen der Miliz im Lager schoss, erwiderte diese das Feuer mit Maschinengewehren und Mörsergranaten. Auch im Umkreis des Lagers und in Tripoli gab es stundenlange Kämpfe zwischen der Armee und der Fatah al-Islam, die in Ausbildung und Ausrüstung den libanesischen Soldaten ebenbürtig waren. Bereits am zweiten Tag des Krieges waren Elektrizitäts- und Wasserzufuhr zum Lager gekappt. Dies verschlimmerte die Lage für die Bewohner zusätzlich. So nutzten sie jedes Abflauen der Kämpfe, um das Lager zu verlassen. Insgesamt 20.000 von ihnen wurden im acht Kilometer entfernten Flüchtlingslager Beddawi untergebracht, was die Zustände dort nahezu unerträglich werden ließ. Trotz ihrer prekären Situation standen die palästinensischen Flüchtlinge mehrheitlich auf Seiten der libanesischen Armee.
Bei den Gefechten der ersten zwei Tage wurde auch einer der mutmaßlichen Hintermänner eines 2006 gescheiterten Bombenanschlages in Deutschland, Saddam al-Hajdib, getötet. Sein Bruder und ein weiterer Libanese deponierten im Juli 2006 jeweils eine Bombe in zwei Zügen, die jedoch wegen eines technischen Fehlers nicht explodierten. Hajdib wurde bei der Erstürmung eines Hauses in Tripoli zusammen mit neun weiteren Milizionären erschossen. Er galt als Nummer vier in der Hierarchie der Fatah al-Islam.
Ein Sprecher der Fatah al-Islam, Abu Salim, drohte unterdessen mehrfach mit einer Ausweitung der Kämpfe und einem daraus resultierenden Bürgerkrieg. Unruhen in Rashidieh sowie Auseinandersetzungen zwischen der islamistischen Miliz Dschund al-Sham (Armee von Großsyrien) und der libanesischen Armee im größten Flüchtlingslager Ain al-Hilweh konnten aber schnell unter Kontrolle gebracht werden konnten. In Alej, der Hochburg des anti-syrischen Parlamentariers und Drusenführers Walid Dschumblatt, kam es nach einem Bombenanschlag vor einem Wohnhaus zu fünf Verletzten. Es war die dritte Explosion in Beirut und Umgebung seit Ausbruch des Krieges Die erste war in der Nacht des 20. in einem Beiruter Christenviertel gezündet worden. Eine Frau starb dabei. Die zweite in einem sunnitischen Quartier Beiruts mit zehn Verletzen. Die Fatah al-Islam bekannte sich zunächst zu den Anschlägen, widerrief dies jedoch später wieder. Die libanesische Regierung forderte die Vernichtung von Fatah al-Islam und gab der Armee dazu freie Hand. Unterstützung bekam die Regierung - zum Teil in Form von Waffenlieferungen - von der Mehrheit der Staaten der Arabischen Liga. Selbst die Hizb-allah solidarisierte sich mit der Armee, warnte aber vor einem Einmarsch der Truppen ins Lager. Die US-amerikanische Regierung bewilligte die Lieferung von militärischer Ausrüstung, darunter Munition, schwere Waffen und Ersatzteile. Verschiedene palästinensische Organisationen bemühten sich um eine Beilegung des Krieges, erzielten aber keine Ergebnisse.
Der Juni begann mit einem Vorstoß der libanesischen Armee in die nördlichen Außenbezirke Nahr al-Bareds, wobei sie das Lager flächendeckend unter Artilleriebeschuss nahmen. Die Soldaten nahmen die Teile des Lagers ein und zerstörten mehrere Stellungen der Fatah al-Islam. Zu diesem Zeitpunkt befanden sich noch schätzungsweise 5.000 Zivilisten im Lager, die von Fatah al-Islam als Schutzschild missbraucht wurden. Unbestätigten Gerüchten zufolge unterstützen Kämpfer der palästinensischen Fraktionen aus den Flüchtlingslagern die Armee bei ihren Angriffen auf die Fatah al-Islam. Mehrere Palästinensergruppen im Libanon hatten zuvor erklärt, es sei richtig, auch selbst gegen die Fatah al-Islam vorzugehen, weil die libanesische Armee keinen Zutritt zu den palästinensischen Flüchtlingslagern hat.
Dennoch dauerte es bis zum 21. Juni, bevor der libanesische Verteidigungsminister Elias Murr den Sieg über die Fatah al-Islam bekannt gab. Alle Gebäude im neueren Nordteil des Lagers wurden von der Armee gesichert, die Außenposten eingenommen oder zerstört. Die Armee begann mit Aufräumarbeiten und der Entschärfung von Minen. Da sich mehrere Kämpfer der Miliz im Zentrum des Lagers verschanzt hatten, hielt die Armee die Belagerung aufrecht. Als sich die Milizionäre nicht ergaben begann die Armee am 12. Juli eine erneute Offensive. Die Kämpfe in den Häusern und engen Gassen dauerten bis zum 2. September an, bevor die Armee das Lager vollständig unter ihre Kontrolle brachte. Vereinzelte Gefechte außerhalb des Lagers gab es noch bis zum 7. September. Die meisten Milizionäre wurden getötet, viele verhaftet, einigen gelang die Flucht. Unter den Flüchtigen befand sich auch der Anführer der Gruppe, Schakir al-Absi. Auch die Nummer zwei der Miliz, der Libanese Abu Huraira, auch unter dem Namen Schehab al-Qaddour bekannt, konnte entkommen.
Insgesamt wurden über 160 Soldaten getötet und 400 bis 500 verletzt. Circa 220 Milizionäre der Fatah al-Islam starben in den Kämpfen, 202 wurden verhaftet. Genaue Zahlen über die zivilen Opfer sind nicht bekannt, liegen Schätzungen zufolge jedoch bei über 100 Toten und Verletzten. Das Flüchtlingslager Nahr al-Bared ist fast vollständig zerstört. Die United Nations Relief and Works Agency for Palestine Refugees in the Near East (UNRWA) rechnet mit 55 Millionen US-Dollar allein für die Notfallversorgung im ersten Jahr. Trotz der Zerstörung kehrten bereits mehr als 1.000 Familien nach Nahr al-Bared zurück.
Die Armee konnte sich einmal mehr als Armee aller Libanesen profilieren und das Land hinter sich vereinen. Wenn sich dies auch positiv auf die Verhandlungsbereitschaft der Parteien im Streit um den Präsidentschaftskandidaten ausgewirkt hat, so hat es doch nicht für eine Einigung gereicht. Die libanesische Gesellschaft bleibt zwischen pro- und anti-syrischen Kräften gespalten. Dazu kommen neben den traditionellen konfessionellen insbesondere auch soziale Konflikte. Zudem könnten sich die verbliebenen Mitglieder der Fatah al-Islam in einem anderen palästinensischen Flüchtlingslager neu formieren. Hier ist die PLO gefordert, gegen solche Kräfte stärker vorzugehen und die eigene Autonomie nicht auf Kosten des Libanon zu wahren. Neuwahlen, ein gewaltsamer Umbruch und selbst ein erneutes Abgleiten in einen Bürgerkrieg scheinen im Libanon möglich.
Manuela Fendt
Bewaffnete Konflikte im Libanon seit 1993
- Libanon (Südlibanon, 2000 - 2006)