Irak
Kriege in Irak seit 1945
Irak (Kurden I, Barzanis, 1945)
AKUF-Datenbanknr.: |
179 |
Kriegsdauer: |
8/1945¹ - 10/1945 |
Kriegstyp: |
B-1 |
Kriegsbeendigung |
durch militärischen Sieg Seite B |
|
|
Kriegführende |
|
Seite A |
Barzanis |
Seite B |
Irak |
Intervention zugunsten B |
Großbritannien (9/1945) |
KONFLIKTGEGENSTAND UND -ZIELE
Der Völkerbund hatte 1925 die ehemalige osmanische Provinz Mossul, die mehrheitlich von Kurden bewohnt wurde, dem Irak zugeschlagen. Mehrere Revolten in den 30er Jahren - darunter der Barzanis - richteten sich gegen die Ausdehnung zentralstaatlicher Macht und forderten die Einlösung der Autonomiezusagen. Nachdem die irakische Regierung 1944 einen Waffenstillstand ausgehandelt hatte, um ihre Macht konsolidieren zu können, fühlte sie sich im Sommer 1945 gefestigt genug, den Widerstand der Barzanis militärisch zu brechen.
ERGEBNISSE DES KRIEGES
Nachdem britische Luftangriffe eine Niederlage der irakischen Truppen verhindert hatten und die Regierung kurdische Stämme, die den Barzanis feindlich gesinnt waren, mobilisieren konnte, wichen die Barzanis Anfang Oktober 1945 in den Iran aus (vgl. Krieg Nr. 5). Bis zu 1.000 Menschen kamen bei den Kämpfen ums Leben.
ANMERKUNGEN
[1] Ab April 1945 gab es bewaffnete Zusammenstöße zwischen irakischer Polizei und Barzanis; ab dem 10. August 1945 kam es zu dauerhaften Kämpfen zwischen Polizei und Barzanis, am 25. August rückte die Armee gegen die Barzanis vor.
Torsten Schwinghammer
Arabisch-Israelischer Krieg I (1948 - 1948)
AKUF-Datenbanknr.: |
18 |
Kriegsdauer: |
15.05.1948 - 07.01.1949 |
Kriegstyp: |
C-2 |
Kriegsbeendigung |
durch Vermittlung Dritter (UNO) |
|
|
Kriegführende |
|
Seite A |
Ägypten/Syrien/Libanon/Jordanien/Irak/Saudi-Arabien |
Seite B |
Israel |
KONFLIKTGEGENSTAND UND -ZIELE
Nach dem am 29. November 1947 mit einer Zweidrittelmehrheit gefällten UN-Teilungsbeschluß, der die Aufteilung des ehemaligen britischen Mandatsgebietes Palästina in einen jüdischen und einen arabischen Teil vorsah, proklamierte Ben Gurion am 14. Mai 1948 den Staat Israel. Daraufhin griffen am 15. Mai Truppen Ägyptens, Transjordaniens, Syriens und kleinere Kontingente des Irak, Saudi Arabiens und des Libanon den Staat Israel an. Ziel der durch die Arabische Liga unterstützten Angreifer war die Beseitigung des Staates Israel und des zuvor schon politisch abgelehnten UN-Teilungsbeschlusses.
ERGEBNISSE DES KRIEGES
Durch den Sieg der israelischen Streitkräfte kam es zu einer Erweiterung des israelischen Territoriums um Galiläa, West-Jerusalem, weitere Teile des Westjordanlandes und der Mittelmeerküste. Nur Gaza fiel unter ägyptische Verwaltung. Der Grenzstreifen zu Syrien wurde entmilitarisiert, und ca. 700.000 arabisch-palästinensische Flüchtlinge mußten das Land verlassen. Das Restgebiet des Westjordanlandes fiel 1950 an Jordanien.
Dietrich Jung
Irak (Kurden II, Barzanis, 1961 - 1966)
AKUF-Datenbanknr.: |
61 |
Kriegsdauer: |
16.09.1961 - 29.06.1966 |
Kriegstyp: |
B-1 |
Kriegsbeendigung |
durch Vereinbarung ohne Vermittlung |
|
|
Kriegführende |
|
Seite A |
Barzanis und verbündete Stämme/Kurdische Demokratische Partei-Irak (KDP-Irak; 3/1962 - 10.02.1964) |
Seite B |
Syrien |
KONFLIKTGEGENSTAND UND -ZIELE
Nach dem Sturz der Monarchie konnte sich General Kassem nur durch Ausnutzung der Spannungen zwischen rivalisierenden Machtgruppen und durch Zugeständnisse an die Kurden an der Macht halten. Nachdem es ihm gelungen war, erst die Nasseristen und dann die Kommunisten auszuschalten, ging er gegen die Kurden vor: Verhaftung von Funktionären der KDP-Irak, Entlassung kurdischer Beamter, Verbot kurdischer Publikationen usw. Hauptziele der Zentralregierung waren der Erhalt des irakischen Einheitsstaates und die ungeteilte Kontrolle über die in Kurdistan liegenden Ölfelder. Die KDP-Irak forderte: Autonomie Kurdistans, kurdische Amtssprache, rein kurdische Armee- und Polizeieinheiten in Kurdistan, angemessene Regierungsbeteiligung, Kulturhoheit, gerechter Anteil am Budget zur Entwicklung Kurdistans. 1961 fühlte sich die Zentralregierung gefestigt genug, um militärisch gegen die Kurden vorzugehen. Nach dem erfolgreichen Putsch des Nasseristen Arif gegen Kassem kam es bis zur Stabilisierung der Machtposition Arifs zu einem zwischenzeitlichen Waffenstillstand (Februar bis Juni 1963). Im Februar 1964 kam es erneut zu einem mehrmonatigen Waffenstillstand und Verhandlungen.
In der provisorischen Verfassung erhielten die Kurden erneut nationale Rechte zugestanden. Außerdem wurden ihnen Amnestie, Aufhebung des Wirtschaftsboykotts und Wiederaufbau zerstörter Siedlungen angeboten. Die Verhandlungen führten jedoch zu keinem konkreten Ergebnis. Die irakische Regierung verzögerte die Umsetzung ihrer Zugeständnisse, bis sie, in ihrer Machtposition gefestigt, den politischen und ökonomischen Druck auf die Kurden erhöhen und ihre Arabisierungspolitik der Ölregion von Kirkuk fortsetzen konnte. Auf Seiten der KDP führte der Waffenstillstand zur Spaltung. In den Kämpfen zwischen den Anhängern Barzanis und der Parteiführung um Ibrahim und Talabani, die Barzani Eigenmächtigkeit und Nichtbeachtung der Parteibasis vorwarfen, siegten erstgenannte. Nachdem Barzani aus den internen Machtkämpfen Mitte 1964 als Sieger hervorgegangen war, leitete er den Aufbau von Selbstverwaltungsstrukturen in den von den Kurden kontrollierten Gebieten ein. Auf die Bemühungen Barzanis, auf dem Verhandlungswege zu einer Lösung zu kommen, ging die irakische Regierung nicht ein.
ERGEBNISSE DES KRIEGES
Nach der schweren Niederlage der irakischen Armee im Mai 1966 nahm die neue Regierung Waffenstillstandsverhandlungen mit den Kurden auf. Am 29. Juni 1966 verkündete Ministerpräsident al-Bazzaz einen 12-Punkte-Plan, der im Rahmen einer Dezentralisation der Verwaltung die kurdische Nationalität garantieren sollte. Außerdem sollten u. a. Kurdisch als Unterrichtssprache zugelassen und Kurden gemäß ihrem Bevölkerungsanteil an der Regierung, der Armee und der Verwaltung beteiligt werden. Eine Umsetzung dieser Zugeständnisse erfolgte jedoch nicht (vgl. Krieg Nr. 102).
Die schwersten Verluste erlitten die Kurden durch die Angriffe der irakischen Luftwaffe. Im ersten halben Jahr des Krieges wurden dabei ca. 3.000 Menschen getötet, 500 Dörfer zerstört und 180.000 Menschen obdachlos.
Torsten Schwinghammer
Irak (Kurden III, KDP, 1969 - 1970)
AKUF-Datenbanknr.: |
102 |
Kriegsdauer: |
03.01.1969 - 11.03.1970 |
Kriegstyp: |
B-2 |
Kriegsbeendigung |
durch Vereinbarung ohne Vermittlung |
|
|
Kriegführende |
|
Seite A |
Irak/Talabani-Fraktion der Kurdischen Demokratischen Partei Irak |
Seite B |
Kurdische Demokratische Partei - Irak (KDP-Irak) |
KONFLIKTGEGENSTAND UND -ZIELE
Der 1966 verkündete 12-Punkte-Plan (vgl. Krieg Nr. 61) wurde seitens der irakischen Regierung nur geringfügig umgesetzt. Im Juli 1968 putschte sich der rechte Flügel der Baath-Partei an die Macht. Das neue Regime al-Bakrs versuchte, die kurdische Bewegung durch Konzessionen und durch Verhandlungen mit KDP-feindlichen Kurden zu spalten. Als sich die Zentralregierung stark genug fühlte, startete sie erneut eine Offensive gegen die Kurden.
ERGEBNISSE DES KRIEGES
Im "Abkommen vom 11. März" wurden eine relative Autonomie Kurdistans, die kurdische Kulturhoheit, eine Amnestie, ein Aufbauprogramm und eine Verfassungsänderung zugestanden. Die KDP stellte Regierungsmitglieder. Das Abkommen wurde jedoch nur zögernd und auch nur in Ansätzen umgesetzt. Immer wieder ging die Regierung militärisch gegen die Kurden vor und setzte die Zwangsumsiedlungen fort, durch die sie die Ölgebiete arabisieren wollte (vgl. Krieg Nr. 117).
Torsten Schwinghammer
Irak (Kurden IV, KDP, PUK, 1974 - 1998)
AKUF-Datenbanknr.: |
117 |
Kriegsdauer: |
14.03.1974 - 15.09.1998 |
Kriegstyp: |
B-2/BA-1/B-2/E-2¹ |
Kriegsbeendigung |
durch Abbruch der Kämpfe (Kämpfe unterhalb der Ebene Krieg) |
|
|
Kriegführende |
|
Seite A |
Irak |
Seite B |
Kurdische Demokratische Partei - Irak (KDP-Irak) / Patriotische Union Kurdistans (PUK)² / Sozialistische Partei (Irakisch)-Kurdistans (PSK)³ (seit 1979) / Kommunistische Partei des Irak (seit 1979) |
Intervention zugunsten A |
Türkei [5] (26.05.1983 - 02.06.1983) |
Intervention zugunsten B |
Iran [4] (20.07.1983 - 20.08.1988) |
KONFLIKTGEGENSTAND UND -ZIELE
Seit der Gründung des modernen irakischen Staates sind die Beziehungen zwischen der kurdischstämmigen Minderheit im Nordirak (etwa neunzehn Prozent der Gesamtbevölkerung) und der irakischen Zentralregierung in Bagdad von Herrschaftskonflikten und Auseinandersetzungen um die Verteilung sozioökonomischer Ressourcen geprägt. Obwohl die ca. 3,5 Millionen irakischen Kurden laut irakischer Verfassung relativ weitreichende administrative und kulturelle Autonomierechte besitzen, ist es ihnen bis zum Beginn der 1990er Jahre auch nach mehreren Kriegen nicht gelungen, die tatsächliche Selbstbestimmung zu erringen. Das von sunnitischen Arabern dominierte Ba'ath-Regime, dessen Eliten sich vorwiegend aus der weiteren Verwandtschaft von Präsident Saddam Hussein rekrutieren, reagierte mit einer Unterdrückungspolitik auf die Sezessions- und Demokratisierungsforderungen der irakischen Kurden. Mit Repressionsmaßnahmen wie Zwangsumsiedlungen und dem Einsatz von Chemiewaffen, dem alleine im März 1988 bis zu siebentausend Zivilisten zum Opfer gefallen sein sollen, konnte es den kurdischen Widerstand bis zum Beginn des Zweiten Golfkrieges (vgl. Krieg Nr. 194) weitgehend unter Kontrolle behalten. Der irakisch-kurdische Krieg hatte bis dahin bereits deutlich über einhunderttausend Menschenleben gefordert.
Die Errichtung einer Schutzzone für die bedrohte Zivilbevölkerung nördlich des 36. Breitengrades nach dem Golfkrieg eröffnete jedoch den irakischen Kurden die Möglichkeit, ihre bis dahin aussichtslosen Selbsbestimmungsbestrebungen zu verwirklichen. Unter dem militärischen Schutzschirm einer multilateralen Streitmacht unter Führung der USA hielten sie im Mai 1992 freie Wahlen ab und proklamierten im Oktober 1992 die sogenannte "Autonome Kurdische Föderation" innerhalb des Irak, welche allerdings weder von der irakischen Regierung noch von irgendeinem anderen Staat der Welt anerkannt wurde.
Der Aufbau einer leistungsfähigen Administration in den autonomen Kurdengebieten scheiterte schon bald an starken innerkurdischen Sozialkonflikten und Stammesrivalitäten, die nach dem Wegfall der Bedrohung durch den irakischen Staat offen ausbrachen und schließlich kriegerisch eskalierten. Die beiden dominanten Parteien "Kurdisch-Demokratische Partei" (KDP) unter Führung von Massud Barzani und die "Patriotische Union Kurdistans" (PUK) von Jalal Talabani waren als klare Sieger aus den Wahlen hervorgegangen und hatten die paritätische Aufteilung aller Regierungsämter vereinbart. Beide Organisationen weigerten sich jedoch, politische Machtmittel an die Regionalverwaltung abzugeben und verhinderten mit der Aufrechterhaltung eigener Parteimilizen die Herausbildung eines staatlichen Gewaltmonopols.
Während die konservative KDP vor allem die Interessen der traditionalen Stammes- und Clangesellschaft vertritt, rekrutiert sich die Anhängerschaft der wesentlich moderner und sozialistisch orientierten PUK stärker aus den städtischen Mittel- und Unterschichten. Diese Widersprüche wurden durch die desperate ökonomische Situation in der Kurdenregion noch erheblich verschärft. Als die KDP ihre Kontrolle über die Grenzgebiete zur Türkei im Mai 1994 dazu benutzte, den Transfer der Zolleinnahmen aus dem grenzüberschreitenden Handel an die Regionalverwaltung einzustellen und damit die wichtigste Einnahmequelle der Region zu monopolisieren, kam es schließlich zum offenen Ausbruch von Kampfhandlungen zwischen den Milizen beider Parteien, denen bis heute etwa dreitausend Menschen zum Opfer gefallen sind.
Seit 1996 war der Konflikt zwischen den Kurdenorganisationen wieder durch eine intensive Beteiligung externer Akteure gekennzeichnet. Nachdem die PUK 1995 militärisch in die Überlegenheit geraten war, entschloß sich die KDP im Sommer 1996 dazu, die irakische Regierung um Beistand zu ersuchen. Vermutlich aus Furcht vor militärischen Gegenreaktionen der USA hatte das irakische Regime seit 1991 keine größeren Militäroperationen mehr nördlich des 36. Breitengrades durchgeführt und sich trotz gelegentlicher Artillerieangriffe auf kurdische Stellungen im wesentlichen auf die ökonomische Blockade der Kurdengebiete beschränkt. Im August 1996 drangen die Republikanischen Garden der irakischen Regierung jedoch mit mehreren Panzerdivisionen in die Schutzzone vor und griffen auf Seiten der KDP in die Kampfhandlungen ein. Mit der Unterstützung von bis zu vierzigtausend irakischen Soldaten gelang es der KDP, die von der PUK gehaltene regionale 'Hauptstadt' Erbil einzunehmen. Die irakische Regierung zog ihre Truppen wenig später zurück, soll aber weiterhin eine geheimdienstliche Präsenz in der Kurdenregion aufrechterhalten.
Als Begründung für das militärische Zusammenwirken zwischen der KDP und der irakischen Regierung wurde von beiden Seiten darauf hingewiesen, daß die PUK Militärhilfe von Teheran erhalten habe und angeblich auch direkt von iranischen Kampfverbänden unterstützt worden sei. Ebenso ausschlaggebend wie die Zurückdrängung eines etwaigen iranischen Einflusses im Irak dürfte für die irakische Regierung jedoch der Versuch gewesen sein, die Kontrolle über die Pipelines im Nordirak zurückzugewinnen, über die das Land seit Dezember 1996 unter Beaufsichtigung der Vereinten Nationen eine begrenzte Menge Erdöl in die Türkei exportieren durfte. Der Schmuggel irakischen Öls in die Türkei soll der KDP täglich Einnahmen in Höhe von etwa achthunderttausend US-Dollar erbracht haben.
Auch die Türkei ist zu einem bedeutenden Akteur in dem Krieg geworden, seitdem das türkische Militär bei der Bekämpfung der türkischen Kurdenguerilla "Partiya Karkeren Kurdistan" (PKK) regelmäßig in das von KDP und PUK kontrollierte Gebiet des Nordirak vordringen. Die PKK hat hier wesentliche Rückzugsgebiete, und spätestens seit 1997 unterhalten die türkischen Streitkräfte dort eine sog. Sicherheitszone. Bei den türkischen Großoffensiven im Nordirak erhält das türkische Militär Unterstützung von der KDP, die im Gegenzug dafür mit leichten Waffen ausgerüstet wird. Die eskalierende Wirkung der Grenzverletzungen zeigte sich zum letzten Mal im Oktober 1997 bei den letzten größeren Kampfhandlungen zwischen den irakischen Parteien. Sie wurden ausgelöst durch Angriffe der türkischen Luftwaffe und der KDP auf Stellungen der PUK. Dagegen bezichtete die KDP die PUK einer versuchten Ausweitung des von ihr kontrollierten Gebietes, während die Türkei ihr alleiniges Ziel bekräftigte, PKK-Guerillas zu bekämpfen.
ERGEBNISSE DES KRIEGES
Das Jahr 1998 war geprägt durch die Wiederaufnahme der US-Vermittlungsbemühungen, welche nunmehr jedoch in eine allgemeine Konfrontationspolitik gegen das irakische Regime eingebunden und so mit größerem Nachdruck als in den Vorjahren verfolgt wurde. Die nordirakischen Kurdenparteien bilden den nahezu einzigen Oppositionsteil im Irak, dem es nicht an Unterstützung innerhalb der Bevölkerung mangelt. Auf sie konzentriert sich ein wesentlicher Teil des US-amerikanischen Versuches, eine schlagkräftige Gegenmacht zu Saddam Hussein aufzubauen. Bereits Anfang 1998 zeichneten sich die intensivierten Vermittlungsbemühungen der USA ab, als Delegierte der PUK mit türkischen Diplomaten Klärungsgespräche führten, um darauffolgend mit britischen und US-amerikanischen Unterhändlern die Perspektiven eines dauernden Waffenstillstandes zu erörtern. Die Friedensbemühungen führten einen Monat später zum ersten sichtbaren Ergebnis. Vertreter beider Kurdenparteien trafen im Nordirak zu Verhandlungen zusammen und vereinbarten die Fortsetzung des Waffenstillstandes sowie einen Gefangenenaustausch. In einem anläßlich des kurdischen Neujahres am 21. März durchgeführten Austausch entließen beide Guerillagruppen insgesamt mehr als 140 Gefangene. Schließlich trafen sich nach intensiven diplomatischen Vorverhandlungen die Führer der beiden Kurdenorganisationen Ende September 1998 erstmals in den USA und verkündeten gemeinsam mit der US-amerikanischen Außenministerin Albright ein Friedensabkommen. Die Details des Abkommens wurden nicht öffentlich gemacht. Sie sollen sich jedoch in drei Abschnitte aufteilen. Erstens soll ein Zeitplan für die Schaffung einer gemeinsamen Verwaltung im Nordirak festgelegt worden sein, der die Durchführung einer Volkszählung im Sommer 1999 und die darauffolgende Wahl eines Parlaments und einer Regierung beinhaltet. Zweitens verpflichten sich beide nordirakischen Kurdenorganisationen, weder bewaffnete noch unbewaffnete PKK-Guerillas im Nordirak zu dulden. Drittens sollen die Grenzen des zukünftigen Autonomiegebietes gesichert und vor Angriffen aus dem Irak, dem Iran und der Türkei geschützt werden. Das Friedensabkommen zwischen den beiden Guerillaorganisationen bildet eine deutliche Zäsur im bisherigen Verlauf des Krieges. Zusammen mit der Tatsache, daß für das gesamte Jahr 1998 keine bedeutenden Kampfhandlungen zwischen der KDP und der PUK mehr berichtet wurden, bildet die Übereinkunft die Chance einer zumindest mittelfristigen Befriedung des Konfliktes zwischen den beiden Gruppen. Über die Opfer, die dieser Krieg forderte, liegen keine verläßlichen Zahlen vor. Bei den Kämpfen im Jahr 1974/75 kamen mindestens 16.000 Menschen ums Leben. In die Schlagzeilen der Weltpresse gelangte der Krieg erst, als die irakische Regierung im April 1987 begann, chemische Waffen einzusetzen. Der größte Giftgasangriff auf die kurdische Stadt Helabja im März 1988 forderte 5.000 bis 7.000 Todesopfer und mindestens ebensoviele Verletzte. Nach dem Waffenstillstand im Ersten Golfkrieg vom August 1988 wurden Chemiewaffen verstärkt in der nun beginnenden Großoffensive gegen die Kurdengebiete eingesetzt. Hunderttausende Kurden flohen, vor allem in die Türkei. Gleiches wiederholte sich, als die irakische Regierung den kurdischen Aufstand nach Ende des Zweiten Golfkrieges niederschlug. Zwischen 1976 und 1987 wurden außerdem mehr als eine Million Kurden aus etwa 2.500 Dörfern zwangsumgesiedelt. Mehr als 2.000 Menschen "verschwanden" dabei.
ANMERKUNGEN
[1] Sporadisch griffen türkische und iranische Truppen an (vgl. Anmerkungen 4 und 5). Während des Zweiten Golfkrieges (vgl. Krieg Nr. 194) litt die kurdische Bevölkerung auch unter den Bombenangriffen der Alliierten. Nach dem Ende des Krieges erklärten die alliierten Truppen einen Teil Irakisch-Kurdistans zur "Schutzzone" und sicherten diese gegen Angriffe der irakischen Zentralregierung ab. [2] Die PUK ist eine Dachorganisation, unter der sich die Liga der Arbeiter Kurdistans, die Sozialistische Bewegung Kurdistans und eine "Hauptlinie" um den Generalsekretär der PUK, Jalal Talabani, vereinigten. Die beiden letztgenannten schlossen sich im Sommer 1982 zur Union der Revolutionäre Kurdistans zusammen. [3] Aus der Abspaltung der KDP und der Sozialistischen Bewegung Kurdistans (bis dahin Mitglied der PUK) entstand im August 1979 die Vereinigte Sozialistische Partei Kurdistans, die sich im Mai 1981 in Sozialistische Partei Kurdistans umbenannte. [4] Die Kriegshandlungen des Iran sind zwar nicht vom Iran-Irak-Krieg (vgl. Krieg Nr. 148) zu trennen; die gemeinsamen kurdisch-iranischen Operationen im Zeitraum 1983-1988 haben aber einen wichtigen Einfluß auf den Verlauf des irakisch-kurdischen Krieges genommen. Erstmals besetzten Einheiten der KDP-Irak und iranische Truppen während der Offensive Morgenröte II (Beginn 20. Juli 1983) gemeinsam kurdisch-irakisches Territorium. [5] Die türkischen Interventionen richteten sich zwar offiziell immer gegen Stellungen der PKK (vgl. Krieg Nr. 159). Dennoch wurden wiederholt Einrichtungen der im Irak operierenden kurdischen Organisationen und kurdische Zivilisten Opfer der Angriffe (u.a. Mai/Juni 1983, 15. August 1986, 4. März 1987 und Oktober/November 1992). [6] Außerdem unterhalten die 1976 gegründete Kurdische Sozialistische Partei (Pasok) und die 1981 gegründete Demokratische Volkspartei Kurdistans (PGDK) Guerilla-Einheiten, über deren Stärke und Beteiligung am Krieg wenig bekannt ist.
Thorsten Schwinghammer / Thomas Rabehl / Stefan Trines
Irak / Iran ("Erster Golfkrieg", 1980 - 1988)
AKUF-Datenbanknr.: |
148 |
Kriegsdauer: |
22.09.1980¹ - 20.08.1988 |
Kriegstyp: |
C-2² |
Kriegsbeendigung |
durch Vermittlung Dritter (UNO) |
|
|
Kriegführende |
|
Seite A |
Irak |
Seite B |
Iran |
KONFLIKTGEGENSTAND UND -ZIELE
Mit dem Angriff auf den Iran wollte der Irak einen seit Jahren schwelenden Grenzkonflikt zwischen beiden Staaten zu seinen Gunsten entscheiden. Der Grenzverlauf, der traditionell am iranischen Ufer des Schatt-el-Arab verlief, war 1975 in dem Vertrag von Algier auf Druck des seinerzeit militärisch übermächtigen Schah-Regimes in die Flussmitte verlegt worden. Weitere Kriegsziele des Irak waren die Durchsetzung der 1975 vertraglich vereinbarten, aber nicht erfolgten Rückgabe irakischer Gebiete, die Eingliederung der iranischen Ölprovinz Khusistan (Arabistan) in den Irak sowie die Rückgabe der vom Iran 1971 annektierten drei Inseln in der Straße von Hormuz an die arabischen Staaten. In den Wirren nach der Islamischen Revolution sah Saddam Hussein die Chance, den scheinbar geschwächten Iran in kurzer Zeit zu besiegen. Gleichzeitig sollte mit dem Krieg gegen den Iran verhindert werden, daß die schiitische Islamische Revolution in den Irak exportiert wurde.³ Ein schneller Sieg sollte Saddam Hussein den angestrebten Ausbau seiner Machtposition in der arabischen Welt sichern. Der Iran verfolgte im Verlauf des Krieges neben dem Sturz der irakischen Regierung und der Agitation der schiitischen Bevölkerungsmehrheit im Irak das Ziel von innenpolitischen Konflikten abzulenken (Autonomiebestrebungen der iranischen Minderheiten, irakische Unterstützung der arabischen Minderheiten in der Ölprovinz Khusistan, interne Machtkämpfe).
ERGEBNISSE DES KRIEGES
Nach der Rückeroberung der Provinz Khusistan durch den Iran (Mai/Juni 1982) und anhaltendem Abnutzungskrieg machte der Irak mehrere Waffenstillstandsangebote. Der Irak reduzierte sein Kriegsziel auf die Anerkennung des Abkommens von Algier. Der Iran weitete seine Forderungen aus: bedingungslose Kapitulation des Irak, Reparationszahlungen, Sturz der irakischen Regierung, Rückführung ausgewiesener Schiiten und internationale Verurteilung des Irak als Aggressor. Im Mai 1984 verstärkten der Irak und der Iran ihre Angriffe auf Handelsschiffe unterschiedlicher Nationen. Daraufhin kam es (formal auf Bitten Kuwaits hin) zur Bildung einer internationalen Kriegsflotte unter US-amerikanischer Leitung im Golf, deren Aufgabe der Schutz der dortigen Schiffahrt (insbesondere der Öltransporte) war; zugleich unterstrich dieses Engagement die Interessen der USA an und in dieser Region. 1988 wurde ein Waffenstillstandsvertrag von beiden Seiten unterzeichnet, dessen Bedingungen zum größten Teil erst ab Ende 1990, nachdem der Irak Kuwait besetzt hatte und sich in der Folgezeit von US-amerikanischer Seite bedroht sah (vgl. Krieg Nr. 194), umgesetzt wurde. Die Angaben zu den Opfern des Krieges schwanken zwischen 300.000 und 1.500.000. Beide Parteien hatten während der achtjährigen Kriegsdauer Großwaffen im Wert von 27 Mrd. US $ gekauft.
ANMERKUNGEN
[1] Seit April 1980 kam es ständig zu kleineren Grenzgefechten.
[2] Im Dezember 1981 fielen 29 syrische Soldaten (darunter 17 Offiziere) an der iranischen Front; unklar ist, ob es sich um in Kämpfe verwickelte Militärberater oder reguläre Kampftruppen handelte. Begrenzte militärische Operationen Dritter oder gegen Dritte:
- Juni 1981: israelischer Bombenangriff auf irakische Atomanlagen;
- November 1981: iranische Bombenangriffe auf Kuwait;
- Mai und August 1983, Oktober 1984: türkische Truppen greifen kurdische Guerillas auf irakischem Gebiet an, um den Irak zu entlasten;
- Februar/März 1984: türkische Bombenangriffe gegen kurdische Stellungen im Iran;
- Februar 1984: Beschuss eines iranischen Kampfflugzeuges und eines Kriegschiffes durch US-Kriegsschiffe;
- Juni 1984: Abschuss eines iranischen Kampfflugzeuges durch saudi-arabische Kampfflugzeuge;
- seit Mai 1984 verstärkt irakische und iranische Angriffe auf Handelsschiffe unterschiedlicher Nationen. Daraufhin Bildung einer internationalen Kriegsflotte unter US-amerikanischer Leitung im Golf zum Schutz der dortigen Schiffahrt und zur Unterstreichung der US-Interessen in der Region.
[3] Im Irak leben ca. 50% Schiiten und 50% Sunniten. 20% der Sunniten sind jedoch Kurden, so daß die Schiiten die (relative) Bevölkerungsmehrheit stellen. Ethnisch unterscheiden sich die restlichen Sunniten nicht von den Schiiten; beide sind Araber.
Bernd Musch
Irak / Kuwait ("Zweiter Golfkrieg", 1990)
AKUF-Datenbanknr.: |
182 |
Kriegsdauer: |
02.08.1990 - 04.08.1990 |
Kriegstyp: |
C-2 |
Kriegsbeendigung |
durch militärischen Sieg Seite A |
|
|
Kriegführende |
|
Seite A |
Irak |
Seite B |
Kuwait |
KONFLIKTGEGENSTAND UND -ZIELE
Als Kuwait 1961 von Großbritannien unabhängig wurde, forderte der Irak die Einverleibung Kuwaits. Er begründete seinen Anspruch damit, daß Kuwait Teil der ehemaligen osmanischen Provinz Basra gewesen war. Nach britischer Intervention erkannte der Irak zwar 1963 die kuwaitische Unabhängigkeit an, gab aber den Anspruch nie vollständig auf. Das Verhältnis zwischen beiden Staaten verschlechterte sich während des Krieges zwischen dem Irak und dem Iran (vgl. Krieg Nr. 148), obwohl Kuwait den Irak zumindest finanziell unterstützte. Nach Kriegsende forderte der Irak von Kuwait die vollständige Streichung seiner Schulden. Außerdem beschuldigte der Irak Kuwait, aus einem grenzüberschreitenden Ölfeld Öl, das dem Irak zustehen würde, gefördert zu haben. Weiterer Streitpunkt war die Weigerung Kuwaits, während des Ersten Golfkrieges strategisch wichtige Inseln an den Irak abzutreten. Die Spannungen zwischen beiden Staaten eskalierten, als der Irak Kuwait und die Vereinigten Arabischen Emirate beschuldigte, den Ölpreis durch Überproduktion in die Tiefe zu treiben, wodurch dem Irak Deviseneinnahmen, die es für den Wiederaufbau dringend benötigte, entgingen.
ERGEBNISSE DES KRIEGES
Dem Irak gelang es sehr schnell, Kuwait zu besetzen. Dem folgten die ökonomische Ausplünderung und Annexion des Landes. Der UN-Sicherheitsrat verurteilte die Besetzung und Annexion Kuwaits und verhängte Sanktionen gegen den Irak. Vor allem auf Drängen der USA hin wurde eine internationale Streitmacht in der Golfregion zusammengezogen - mit dem Ziel der Rückeroberung Kuwaits und der Zerschlagung des irakischen Militärpotentials (vgl. Krieg Nr. 194).
Der Krieg forderte mehrere hundert Todesopfer.
Torsten Schwinghammer
Irak / Anti-Irak-Koalition ("Zweiter Golfkrieg", 1991)
AKUF-Datenbanknr.: |
194 |
Kriegsdauer: |
17.01.1991 - 27.02.1991 |
Kriegstyp: |
C-2 |
Kriegsbeendigung |
durch militärischen Sieg A |
Kriegführende |
|
Seite A |
Vereinigte Staaten von Amerika / Großbritannien / Frankreich / Italien / Ägypten / Syrien / Saudi-Arabien / Kuwait |
Seite B |
Irak |
KONFLIKTGEGENSTAND UND -ZIELE
Konfliktgegenstand war die Befreiung Kuwaits, das der Irak am 2. August 1990 gewaltsam annektiert hatte (vgl. Krieg Nr. 182). Eine friedliche Rückgabe des annektierten Kuwaits knüpfte der Irak an die Rücknahme der UN-Resolution und die Einberufung einer Nahost-Konferenz, die zur Rückgabe der von Israel besetzten Gebiete führen sollte. Auf diese Bedingungen wollten die USA als stärkste militärische Macht nach dem Ende des Kalten Krieges auf keinen Fall eingehen. Die - nicht zuletzt mit westlicher Unterstützung - erreichte nichtkonventionelle (u.a. Chemiewaffen) und konventionelle Hochrüstung des Irak barg die Gefahr einer völligen Veränderung des regionalen Kräfteverhältnisses in sich; nicht nur, daß die USA dadurch ihre Ölinteressen in der Region gefährdet sahen, auch die arabischen Anrainerstaaten und insbesondere Israel empfanden das irakische Regionalmachtstreben als Bedrohung. Es gelang den USA, ihre von vornherein auf eine militärische Lösung des Problems ausgerichtete Strategie auch gegenüber den anderen westlichen und den arabischen Staaten durchzusetzen. Mehrere Vermittlungsversuche im Vorfeld des Krieges sowohl von arabischer Seite als auch seitens der Sowjetunion scheiterten, entweder an der Haltung der USA oder des Irak.
ERGEBNISSE DES KRIEGES
Militärisch war die von den USA angeführte "Anti-Irak-Koalition" aus mehr als 28 Staaten¹ erfolgreich, politisch konnte jedoch bisher keines der Probleme in der Region gelöst werden. Das strategische Potential des Irak wurde weitgehend zerschlagen, aber die politischen Herrschaftsstrukturen des Irak blieben intakt. Kurdische und irakisch-schiitische Aufstände wurden schnell von irakischen Truppen niedergeschlagen (vgl. Kriege Nr. 126 und 196).
ANMERKUNGEN
[1] Streitkräfte der Anti-Irak-Koalition: Afghanistan, Ägypten, Argentinien, Australien, Bahrein, Bangladesch, Belgien, Bulgarien, CSFR, Dänemark, Deutschland, Frankreich, Griechenland, Großbritannien, Italien, Kanada, Kuwait, Marokko, Neuseeland, Niederlande, Niger, Norwegen, Pakistan, Polen, Rumänien, Saudi-Arabien, Senegal, Spanien, Südkorea, Syrien, Türkei, USA und Vereinigte Arabische Emirate. Nicht alle in die Region entsandten nationalen Truppen haben sich an den Kampfhandlungen beteiligt. Israel war zwar nicht direkt an den Kämpfen beteiligt, dennoch starben 13 Menschen aufgrund irakischer Raketenangriffe.
Ulrike Borchardt
Irak (Schiiten, 1991 - 1995)
AKUF-Datenbanknr.: |
196 |
Kriegsdauer: |
02.03.1991 - 3/1995 |
Kriegstyp: |
A-2 |
Kriegsbeendigung |
durch militärischen Sieg Seite B |
|
|
Kriegführende |
|
Seite A |
Irakische Schiiten¹ |
Seite B |
Irak |
KONFLIKTGEGENSTAND UND -ZIELE
Die Schiiten im Irak, die gegenüber den die Regierung stellenden Sunniten die Mehrheit der irakischen Bevölkerung bilden, werden seit Jahrzehnten vom Regime in Bagdad unterdrückt. Als sich die Niederlage Saddam Husseins gegen die "Anti-Irak-Koalition" abzeichnete, sahen sich die Führer der schiitischen Widerstandsbewegung ermutigt, einen Volksaufstand zu beginnen.
ERGEBNISSE DES KRIEGES
Die Hoffnung der schiitischen Aufständischen auf Unterstützung durch die US-Amerikaner und durch oppositionelle Gruppen im Irak war vergeblich, da zum einen sowohl die Widerholung der iranischen Islamischen Revolution als auch eine Zersplitterung des Irak nicht im Interesse der USA lagen und zum anderen die Opposition im Irak trotz anfänglicher Einigungsbemühungen weiterhin zerstritten blieb. Hinzu kam, daß der Iran offensichtlich massiv in die Widerstandsbewegung der Schiiten eingriff, was weder auf die Sympathie der irakischen Schiiten noch auf die der USA stieß. Den irakischen Truppen gelang es relativ schnell, die breite, aber isolierte Aufstandsbewegung niederzuschlagen.
Die Kämpfe konzentrierten sich in der Folgezeit auf die im Südosten des Irak gelegenen Sumpfgebiete, die schon während des Ersten Golfkrieges Deserteuren und Regimegegnern als Rückzugsgebiet gedient hatten. Im August 1992 griffen die USA in die Kämpfe ein, indem sie ein Flugverbot für irakische Flugzeuge südlich des 32. Breitengrades durchsetzten. Die irakische Regierung bedient sich wieder des Umweltkrieges: Mit Hilfe eines seit dem Ersten Golfkrieg erbauten Kanalsystems werden die im Süden des Irak gelegenen Sümpfe, Zufluchtzone für die Aufständischen, trockengelegt.
Mehr als 800.000 Bewohner des Südirak verloren in der ersten Kriegsphase unmittelbar nach Ende des Zweiten Golfkrieges ihre Häuser; es starben mindestens 12.000 Menschen, einige Schätzungen sprechen sogar von 50.000 bis 60.000 Opfern.
Ulrike Borchardt / Matthias Schmitt
Irak ("Dritter Golfkrieg", 1998 - andauernd)
AKUF-Datenbanknr.: |
251 |
Kriegsdauer: |
16.12.1998 - andauernd |
Kriegstyp: |
C-2/E-1 |
|
|
|
|
Kriegführende |
|
Seite A |
USA, Großbritannien |
Seite B |
Irak |
KONFLIKTGEGENSTAND UND -ZIELE
Im Berichtsjahr 2001 wurde der seit Dezember 1998 andauernde Krieg gegen den Irak seitens der USA und Großbritanniens fortgeführt. Auch der Machtwechsel am 20. Januar 2001 in den USA hat eher zu einer Verhärtung der Fronten als zu einer friedlichen Lösung des Konfliktes beigetragen. Bereits zwei Monate nach der Vereidigung des neuen Präsidenten George W. Bush wurden massive Luftangriffe der Alliierten gegen den Irak durchgeführt. Anders als im vorangegangenen Jahr reichten diese erstmals wieder bis nahe an die irakische Hauptstadt Bagdad heran. Offiziellen Verlautbaren zufolge reagierten die westlichen Militärs damit auf seit Anfang des Jahres zunehmende Provokationen durch irakische Flugabwehreinheiten.
Heute bilden die USA und Großbritannien den verbliebenen Kern der im Jahre 1990 gebildeten Allianz gegen den irakischen Diktator Saddam Hussein. Ausgangspunkt war die Besetzung Kuwaits durch den Irak am 2. August 1990. Die internationale Staatengemeinschaft verurteilte diesen Angriff scharf und im November 1990 bewilligte der UN-Sicherheitsrat alle zur Beendigung der Invasion nötigen Maßnahmen. Der Irak ließ jedoch alle ihm gesetzten Ultimaten verstreichen, so dass es schließlich im Januar 1991 mit der "Operation Wüstensturm" zum Zweiten Golfkrieg kam. In knapp sechs Wochen wurden die irakischen Truppen aus Kuwait vertrieben und Husseins Armee nahezu völlig aufgerieben. Am 28. Februar 1991 verkündeten die USA unter ihrem damaligen Präsidenten George Bush den Waffenstillstand. Auf irakischer Seite starben etwa 100.000 Soldaten, die Alliierten hatten 130 Tote zu beklagen. Die Luftangriffe forderten geschätzte 150.000 Tote unter der irakischen Zivilbevölkerung.
Da sowohl die Kurden im Norden als auch die Schiiten im Süden Iraks als potenzielle Oppositionskräfte gegen Saddam Hussein galten, wurden in der Folge zwei Flugverbotszonen eingerichtet: 1991 im Norden des Landes (nördlich des 36. Breitengrades) und im August 1992 im Süden (südlich des 33. Breitengrades), 1996 wurde letztere bis unmittelbar an die Südgrenze der Hauptstadt Bagdad erweitert. Beide Zonen waren Anlass für wiederholte Konfliktfälle zwischen dem Irak und den Verbündeten USA und Großbritannien. Seit 1998 erkennt das irakische Regime die Legitimität dieser Zonen nicht mehr an.
Auch die Tatsache, dass der Irak die Inspektionen bezüglich der Zerstörung seiner Massenvernichtungswaffen durch die United Nations Special Commission (UNSCOM) sabotierte, führte in den folgenden Jahren zu Spannungen. Diese gipfelten im Dezember 1998 mit der "Operation Wüstenfuchs" in einem erneuten Krieg der USA und Großbritanniens gegen den Irak. Als Reaktion auf die fortgesetzte Blockade der Arbeit der UNSCOM-Inspektionsteams durch die irakische Regierung begannen die Alliierten ein viertägiges Bombardement des Irak. Insgesamt wurden etwa 100 Ziele mit 514 Marschflugkörpern attackiert. Die Zahl der Todesopfer wurde auf 35 beziffert.
Seit diesem Zeitpunkt wurden die Angriffe auf den Irak fortgesetzt, wobei nach dem Ende der "Operation Wüstenfuchs" zunächst wieder eine Einschränkung der militärischen Aktivitäten auf die Flugverbotszonen - vor allem auf die nördliche - erfolgte. Generell lässt sich feststellen, dass diese Angriffe auf den Irak nur noch in den seltensten Fällen das Interesse der Öffentlichkeit erwecken, obwohl sie auch weiterhin kontinuierlich geführt werden. Hauptsächlich handelt es sich hierbei um das Bombardement von irakischen Luftabwehrgeschützen und Radarstellungen. Der Irak bezifferte die Zahl der Opfer der alliierten Angriffe in den Flugverbotszonen seit Dezember 1998 auf 336 Tote und 1056 Verletzte.
Im Februar 2001 eskalierte der Krieg mit einem erneuten massiven Luftschlag der westlichen Alliierten gegen den Irak. Mit insgesamt 24 Kampfflugzeugen wurden verschiedene Ziele im Süden des Landes angegriffen, fünf davon nur wenige Kilometer von Bagdad entfernt. Zum ersten Mal seit 1998 waren damit Ziele in der südlichen Verbotszone nördlich des 33. Breitengrades angegriffen worden. Nach irakischen Angaben starben bei den Bombardements zwei Zivilisten und mehr als 20 wurden verletzt. In der Folge beschränkten sich die alliierten Militäraktionen wieder auf die nördliche und südliche Flugverbotszone. Generell lässt sich festhalten, dass sich die Intensität der alliierten Luftangriffe im Berichtsjahr im Vergleich zu den vorherigen Jahren massiv auf die südliche Flugverbotszone verlagert hat.
Im Juni 2001 beschuldigte der Irak die Alliierten, durch Luftangriffe auf einen Fußballplatz 23 Menschen getötet und 11 verletzt zu haben. Die USA und Großbritannien bestritten allerdings, zum betreffenden Zeitpunkt im Norden des Iraks Bomben abgeworfen zu haben. Im August intensivierten die Alliierten ihre Operationen über dem südlichen Irak erneut. An diesem Einsatz waren mehr als 50 Kampfflugzeuge beteiligt. Angaben über die Opfer gab es jedoch nicht.
Öffentlich thematisiert werden in unregelmäßigen Abständen immer wieder die Auswirkungen der Luftschläge sowie das Für und Wider der Beendigung der gegen den Irak bereits 1990 verhängten UN-Sanktionen. Die Lage der irakischen Zivilbevölkerung verschlimmerte sich seit dem Zweiten Golfkrieg und als Folge des anhaltenden Wirtschaftsembargos kontinuierlich. Bereits im Dezember 1999 wurde versucht, mit Hilfe der von der britischen Regierung initiierten UN-Resolution 1284 der schlechten Versorgungslage der irakischen Zivilbevölkerung entgegenzuwirken. Die Resolution beinhaltet eine Erleichterung der Exportbestimmungen für irakisches Erdöl im Rahmen des Programms "Öl für Lebensmittel". Dem Irak war es so möglich, seine Erdölexporte wieder auf den Stand von vor 1990 zu bringen, und das Land zählt heute wieder zu den fünf größten Erdölexporteuren der Welt. Aktuell werden 59 Prozent der Erlöse aus dem Ölverkauf für den Erwerb von Lebensmitteln, Medikamenten und anderen lebenswichtigen Versorgungsgütern verwendet. 13 Prozent erhalten die kurdisch regierten Provinzen im Norden für denselben Zweck, 25 Prozent dienen der Tilgung der kuwaitischen Reparationsforderungen und drei Prozent werden für die Umsetzung der Resolution verwendet.
Massive Mangelerscheinungen und Krankheiten durch nicht aufbereitetes Wasser, konnten trotzdem nicht beseitigt werden. Einem Bericht des United Nations Children's Fund (UNICEF) aus dem Jahre 1999 zufolge hat sich die Kindersterblichkeit im Irak seit 1991 mehr als verdoppelt. Mitte 2000 waren, einer Studie der World Health Organization (WHO) zufolge, etwa 800.000 irakische Kinder unter fünf Jahren chronisch unterernährt.
Überraschenderweise haben in diesem Jahr die USA und Großbritannien, welche bis dato stets eine harte Linie vertreten hatten, selbst einen Vorschlag zur Lockerung der Sanktionen im UN-Sicherheitsrat eingebracht. Das Dokument sieht die Aufhebung der Sanktionen für zivile Güter vor, nicht jedoch eine Lockerung bezüglich der militärischen Bestimmungen. Ein Veto Russlands verhinderte allerdings den Versuch, diese neue Bestimmung zusammen mit der Verlängerung des Programms "Öl für Lebensmittel" im Juni 2001 verabschieden zu lassen. Russland votierte, die Position des Irak unterstützend, für die vollständige Aufhebung der Sanktionen. In der Folge wurde das bestehende Programm unverändert für weitere sechs Monate verlängert.
Bisher galt als entscheidend für eine mögliche Aufhebung der Sanktionen die uneingeschränkte Kooperation des Irak mit der zur Überwachung der Zerstörung der irakischen Massenvernichtungswaffen beauftragten UN-Kommission. Im Dezember 1998 hatte der Irak die Zusammenarbeit mit den Inspektionsteams der United Nations Special Commission (UNSCOM) aufgrund des Verdachts der Spionage vollständig aufgekündigt und alle Inspekteure des Landes verwiesen, was letztlich der Auslöser für die erneute Eskalation des Konfliktes war. Im Dezember des Jahres 1999 wurde dann durch die UN-Resolution 1284 mit der United Nations Monitoring, Verification and Inspection Commission (UNMOVIC) eine Nachfolge für die UNSCOM bestimmt. Bisher konnte diese Inspektionen im Lande jedoch nicht durchgeführen, da Hussein auch weiterhin eine Zusammenarbeit verweigert. Dagegen konnten die Teams der International Atomic Energy Agency (IAEA) - wie bereits im Vorjahr - ihre Kontrollen sachgemäß durchführen. Sie lobten die irakischen Zuständigen für die gute Zusammenarbeit. Die Angaben über das verbliebene irakische Waffenpotenzial sind jedoch auch weiterhin widersprüchlich. Im Juli 2000 führte das irakische Regime erstmals wieder Raketentests durch. Gerüchte über die Neuentwicklung von chemischen und biologischen Kampfstoffen im Irak werden ebenso häufig von den Medien verbreitet, wie sie von offizieller Seite dementiert werden.
Mit dem Regierungswechsel in den USA waren zu Beginn des Berichtsjahres auch massivere militärische Aktionen zum Sturz des irakischen Regimes erwartet worden. Die Gründe für diese - bislang allerdings nicht erfüllte - Erwartung liegen im Wesentlichen in der personellen Kontinuität zur US-amerikanischen Administration während des Zweiten Golfkriegs von 1991. Damals saß mit George Bush senior der Vater des neuen Präsidenten George W. Bush im Weißen Haus. Diese blieben bisher jedoch aus, auch wenn mehrere Parallelen zu der Politik des Vaters von George W. Bush junior gezogen werden können. George W. Bush senior war 1991 als politische Kraft im Weißen Haus. Der neue Vizepräsident Richard Cheney war damals Verteidigungsminister; der neue Außenminister Colin Powell war als hochrangiger General für die Planung und Durchführung des Zweiten Golfkriegs unmittelbar mitverantwortlich. Und der neue Verteidigungsminister Donald Rumsfeld war in der Vergangenheit mehrfach mit einer harten Haltung gegenüber dem Irak aufgefallen: Er hatte 1998 ein Konzept zur Fertigung eines Raketenabwehrsystems entworfen mit explizitem Hinweis auf das Bedrohungspotenzial der so genannten "states of concern" Irak, Iran, Libyen und Nordkorea. Ferner hatter er am ebenfalls 1998 verabschiedeten "Iraq Liberation Act" mitgewirkt, welcher der irakischen Oppoition Finanzmittel zur Verfügung stellen sollte.
Zudem hatten sich vor der Wahl die beiden maßgeblichen Präsidentschaftskandidaten Bush und Al Gore um öffentlichkeitswirksame Kontakte zu dem im britischen Exil tätigen Iraqi National Congress (INC) bemüht. Im Oktober 2000 war dem INC noch von der alten Administration eine Unterstützung in Höhe von 4 Millionen US-Dollar gewährt worden, weitere 25 Millionen US-Dollar wurden vom US-Kongress bereits bewilligt. Zudem erhielten Anfang des Jahres 2001 Anhänger des INC erstmals eine militärische Ausbildung durch US-Truppen. Allerdings galt die irakische Opposition in der Vergangenheit als zu zerstritten und schwach, um politische Veränderungen im Irak herbeiführen zu können.
Nach den verheerenden Terroranschlägen vom 11. September 2001 in den USA erscheint die Chance auf eine friedliche Beilegung des Konfliktes im Irak wenig wahrscheinlich. Auch wenn der Irak nicht als direkter Verdächtiger für die Anschläge auf das World Trade Center in New York und das Pentagon in Washington gehandelt wird, so gilt das irakische Regime doch als Sympathisant der Terroristen, da Saddam Hussein als eines der wenigen Staatsoberhäupter Kondolenzäußerungen für die Opfer in den USA verweigert hatte. Somit ist es nicht verwunderlich, dass der Irak immer wieder als eines der nächsten Ziele der USA im Rahmen ihres so genannten "Anti-Terror-Kriegs" genannt wurde.
ERGEBNISSE DES KRIEGES
vgl. Irak aktuell
Nicola Mößner