Indonesien
Kriege in Indonesien seit 1945
Indonesien (Dekolonisation, 1945-1949)
AKUF-Datenbanknr.: |
3 |
Kriegsdauer: |
29.09.1945 - 27.07.1949 |
Kriegstyp: |
D-2 |
Kriegsbeendigung |
durch Vermittlung Dritter (UNO) |
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Kriegführende |
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Seite A |
Indonesische Befreiungsbewegung |
Seite B |
Großbritannien [1] (29.09.1945 - 1946) / Niederlande [2] (1946 - 27.07.1949) |
KONFLIKTGEGENSTAND UND -ZIELE
Mit der Besetzung des Malaiischen Archipels durch die japanische Armee im Dezember 1942 verloren die Niederlande die Kontrolle über ihre Kolonie, die selbst durch die deutsche Besetzung der Niederlande (1940) nicht in Frage gestellt worden war. Die japanischen Besatzer wurden in den ersten Monaten von der indonesischen Bevölkerung als Befreier begrüßt; später wurde diese Besetzung aber zum Auslöser für die indonesische Unabhängigkeitsbewegung unter den Führern Sukarno und Hatta. Angesichts seiner drohenden militärischen Niederlage versprach Japan im September 1944 Indonesien die Unabhängigkeit; etwa zeitgleich verständigten sich die Alliierten aber auf den Status quo ante bellum für "Niederländisch-Indien" nach Beendigung des Krieges. Sukarno und Hatta trieben deshalb die Vorbereitungen für die Gründung des Staates Indonesien voran: Am 17. August 1945 erklärten sie die Unabhängigkeit der Republik Indonesien.
Erst am 29. September 1945 landeten die ersten Truppen Großbritanniens auf Java, um die japanische Armee zu entwaffnen. Von Anfang an gab es bewaffnete Auseinandersetzungen zwischen der indonesischen Befreiungsbewegung auf der einen und Alliierten auf der anderen Seite, die schnell zu größeren Auseinandersetzungen führten ("Schlacht von Surabaya"). Großbritannien erkannte die Indonesische Republik de facto an und weigerte sich fortan, die Macht der Niederlande zu restaurieren; bis Ende 1946 zog sich Großbritannien aus dem Krieg zurück.
Die Niederlande versuchten seit Beginn des Jahres 1946, ihre Macht zu restaurieren und die politische Macht der Indonesischen Republik zu destabilisieren, indem sie neue indonesische Staaten als Gegengewicht zur Republik etablierten (z.B. Sultanat Yogyarkarta). Die Republik konnte aber als Machtfaktor in Indonesien auch dann nicht ausgeschaltet werden, als das Territorium Indonesiens in ein Gebiet Republik Indonesien und in den wesentlich größeren Teil Niederländisch-Indonesien geteilt wurde. Die Niederlande akzeptierten letztlich auch diese Teilung nicht und marschierten im Juli 1947 auf breiter Front in das Gebiet der Republik auf Java und Sumatra ein.
ERGEBNISSE DES KRIEGES
Durch diplomatischen Druck, insbesondere seitens der USA, wurde der Krieg mit einem Waffenstillstand am 27. Juli 1949 beendet. Die niederländischen Truppen zogen ab und in den Grenzen der ehemaligen niederländischen Kolonie wurde der Staat Indonesien am 27. Dezember 1949 ausgerufen. Davon ausgenommen blieb vorläufig West-Papua (vgl. Krieg Nr. 64).
Mindestens 5.000 Menschen kamen bei den Kämpfen ums Leben; nach neueren Quellen soll die Zahl der Opfer unter den Indonesiern sehr viel höher gelegen haben.
ANMERKUNGEN
[1] Ende 1946 verließen die britischen Einheiten Indonesien. Zu den eingesetzten britischen Commonwealthtruppen gehörten auch indische Verbände.
[2] Niederländische Kolonialtruppen KNIL.
Heiko Weidemann
Indonesien (Südmolukken, RMS, 1950)
AKUF-Datenbanknr.: |
23 |
Kriegsdauer: |
7/1950 - 12/1950 |
Kriegstyp: |
B-2 |
Kriegsbeendigung |
durch militärischen Sieg Seite A |
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Kriegführende |
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Seite A |
Indonesien |
Seite B |
Republik der Südmolukken (RMS) |
KONFLIKTGEGENSTAND UND -ZIELE
Nach Erlangung der staatlichen Unabhängigkeit Indonesiens in Form der aus 16 Teilstaaten bestehenden föderalistischen "Vereinigten Staaten von Indonesien" war es Ziel einer breiten nationalistischen Bewegung, möglichst schnell einen Einheitsstaat zu schaffen. Außenregionen befürchteten künftige politische und ökonomische Nachteile gegenüber der Zentrale Java. Das Gebiet der Südmolukken widersetzte sich der Einbeziehung in den indonesischen Einheitsstaat mit dem Ziel voller staatlicher Souveränität. Am 25. April 1950 wurde auf Ambon die "Republik der Südmolukken" (RMS) ausgerufen. Friedliche Lösungen kamen nicht zustande. Vermittlungsversuche der "UNO-Kommission für Indonesien" (UNCI) und der Niederlande hatten keinen Erfolg. Die indonesische Armee griff ab Juli 1950 die Truppen der RMS (hauptsächlich bereits repatriierte ehemalige molukkische Soldaten der niederländischen Kolonialarmee - KNIL) massiv an, erlitt dabei verhältnismäßig hohe Verluste, setzte sich aber bis Dezember 1950 militärisch durch.
ERGEBNISSE DES KRIEGES
Die indonesische Armee erreichte ihr Ziel der Abwehr der Sezessionsbestrebungen. Die Wiederherstellung des Einheitsstaates war damit gesichert. Als Folge der Niederlage gingen ca. 17.500 Ambonesen in die Niederlande ins Exil. Reste der RMS-Sympathisanten zogen sich nach der militärischen Niederlage auf die Insel Ceram zurück und verübten dort noch vereinzelt Anschläge, bis ihr Anführer Soumokil 1963 gefaßt und später hingerichtet wurde.
Marc Vogel
Indonesien (PRRI, 1958-1961)
AKUF-Datenbanknr.: |
52 |
Kriegsdauer: |
3/1958 - 7/1961 |
Kriegstyp: |
AB-1 |
Kriegsbeendigung |
durch militärischen Sieg Seite B |
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Kriegführende |
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Seite A |
Heterogene Rebellenarmee |
Seite B |
Indonesien |
Intervention zugunsten A: |
Vereinigte Staaten von Amerika (3/1958 - 6/1958) |
KONFLIKTGEGENSTAND UND -ZIELE
Ungleichverteilung politischer Macht und ökonomischer Ressourcen (eindeutige Vormachtstellung Javas) sowie geplante Wandlung der parlamentarischen in eine "gelenkte Demokratie" (diese sollte den soziokulturellen Bedingungen eher entsprechen) führten 1957 zur Gründung verschiedener Aufstandsbewegungen ("Permesta"[1] auf Sulawesi, ehem. Celebes; "Palembang-Charta" [2] auf Sumatra). Trotz prinzipiell unterschiedlicher Zielsetzungen lag ein gemeinsamer Nenner in dem Wunsch, die Vorherrschaft Javas zu durchbrechen.. Nach einer UNO-Abstimmungsniederlage bezüglich der West-Irian-Frage (vgl. Krieg Nr. 130) wurden niederländische Unternehmen von der Zentralregierung enteignet.
Als die Guerilla im Februar 1958 die "Revolutionäre Regierung der Republik Indonesien" ausrief, kam es zum Bürgerkrieg. Die Perzeption der Revolutionären Regierung (PRRI) als sezessionistisch ließ das Militär sofort (März) mit der Bekämpfung der Aufständischen beginnen. Diese wurden - anfänglich verdeckt - von den USA, den Philippinen und Taiwan unterstützt, da sie als strikt antikommunistisch galten und den drohenden Machtzuwachs der indonesischen Kommunisten (PKI) eventuell verhindern könnten. Später, nach politisch peinlichem Abschuß eines US-Piloten (Mai 1958) sowie der Erkenntnis, daß die indonesische Armee ebenfalls strikt antikommunistisch ausgerichtet sei, erhielten fortan die Regierungstruppen ausländische Waffenhilfe.
ERGEBNISSE DES KRIEGES
Spätestens seit dem Ausbleiben ausländischer Hilfe für die Rebellen war für diese der militärische Sieg ausgeschlossen. Die Regierungstruppen schwächten die Aufständischen bereits ab 1958 stark. Guerillaaktionen erfolgten aber weiter bis 1961. Verhandlungen führten dann zu schrittweiser Aufgabe der Rebellen; sich ergebende Soldaten wurden amnestiert. Die angestrebten Ziele der Rebellen wurden nicht erreicht, vielmehr trat das Gegenteil ein: die Etablierung der "gelenkten Demokratie", Stärkung der Zentralgewalt, politsche Schwächung der Regionen, radikaler Nationalismus, der Einfluß des Präsidenten und der PKI nahmen zu.
Die Zahl der Kriegstoten wird auf 6.000 bis 14.000 geschätzt.
ANMERKUNGEN
[1] Permesta: "Aufruf zum allgemeinen Kampf", erfolgte am 2. März 1957 in Makassar auf Sulawesi (ehem. Celebes). Darin wurde u.a. gefordert: Für jede Provinz ein 5-Jahresplan für die Wirtschaft, Gewinne sollen zu 70% in der Region verbleiben, Besetzung des geplanten nationalen Rates zu 70% aus den Regionen und spätere Umwandlung in Senat, Forderung nach Duumvirat Sukarno/Hatta. Ferner wurde über Ostindonesien der Ausnahmezustand verhängt; deutlich betont wurde, es ginge nicht um Sezession.
[2] Palembang-Charta: Am 7./8. September 1957 auf Sumatra von Offizieren veröffentlicht. Forderungen nach: Duumvirat Sukarno/Hatta, Säuberung der Armee von Kommunisten, Installation einer neuen Armeeführung, Dezentralisierung der Macht und Autonomie der Inseln, Schaffung eines Senats als Regionalvertretung.
Marc Vogel
Indonesien/Niederlande (Westpapua, 1962)
AKUF-Datenbanknr.: |
64 |
Kriegsdauer: |
14.01.1962 - 18.08.1962 |
Kriegstyp: |
C-2 |
Kriegsbeendigung |
durch Vermittlung Dritter (UNO) |
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Kriegführende |
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Seite A |
Indonesien |
Seite B |
Niederlande |
KONFLIKTGEGENSTAND UND -ZIELE
Indonesien versuchte, mittels Infiltration West-Papuas den Anschluß des Gebietes an Indonesien durchzusetzen. Das Engagement der Niederlande zugunsten West-Papuas dürfte zum einen in Prestigegründen liegen; die Niederlande wollten sich nicht von der jungen Republik Indonesien aus West-Papua verdrängen lassen. Indonesien hatte 13 Jahre zuvor um seine Unabhängigkeit von den Niederlanden gekämpft (vgl. Krieg Nr. 3). Zum anderen wollten sich die Niederlande besondere Rechte an der Ausbeutung der reichen Rohstoffvorkommen sichern.
ERGEBNISSE DES KRIEGES
Mehrere indonesische Landungsversuche, die keine Unterstützung bei den Papuas fanden, scheiterten. Der Krieg wurde dann durch diplomatischen Druck der USA und schließlich Vermittlung der UNO beendet. Der diplomatische Kompromiß lautete: Die UN Temporary Executive Authority (UNTEA) übernahm im Oktober 1962 die Verwaltung West-Papuas. Am 1. Mai 1963 erfolgte die vorläufige Übernahme durch Indonesien. 1969 sollte die Bevölkerung West-Papuas in einem Referendum über die Zukunft des Landes befinden; tatsächlich hatte jedoch eine Einverleibung des Landes unter dem Kunstnamen "West-Irian" in den indonesischen Staatsverband stattgefunden (vgl. Krieg Nr. 130).
Mindestens 120 Soldaten kamen bei den Kämpfen ums Leben.
Uwe Polley / Heiko Weidemann
Indonesien/Malaysia (1963 - 1966)
AKUF-Datenbanknr.: |
74 |
Kriegsdauer: |
12.09.1963 [1] - 11.08.1966 |
Kriegstyp: |
C-1 |
Kriegsbeendigung |
Vereinbarung ohne Vermittlung |
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Kriegführende |
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Seite A |
Indonesien / Heterogene Rebellen [2] (9/1963 - 8/1966) |
Seite B |
Malaysia |
Intervention zugunsten B |
Großbritannien [3] (9/1963 - 11.08.1966) / Australien (9/1963 - 11.08.1966) / Neuseeland (9/1963 - 11.08.1966) |
KONFLIKTGEGENSTAND UND -ZIELE
Indonesien sah durch den Prozeß der Gründung Malaysias (aus Malaya, Sarawak, Sabah und zunächst auch Singapur) mit geplanter britischer Präsenz seine Position in der Region langfristig bedroht. Ziele der indonesischen Politik waren die Schließung ausländischer Stützpunkte in der Region (NEFO-Doktrin [4]) und regionale Hegemonie. Im Sommer 1963 schienen Gespräche malaysischer, philippinischer und indonesischer Regierungsvertreter eine für alle Seiten akzeptable Lösung herbeizuführen (Manila-Abkommen [5]). Doch die unerwartete Bekanntgabe des Proklamationsdatums des neuen Staates Malaysia wertete Indonesien als Vertrauensbruch und verfolgte fortan das politisch-militärische Konzept der "Konfrontation" mit dem Ziel der Zerschlagung Malaysias. Gleichzeitig sollte hierdurch von innenpolitischen Problemen (Machtkonstellation, Militäretatsenkung, Wirtschaftslage) abgelenkt werden. Ab September 1963 erfolgte neben der indonesischen Wirtschaftblockade auch die Beteiligung regulärer Soldaten an Infiltrations- und Kommandounternehmen von indonesisch ausgebildeten Guerillaeinheiten in Sarawak und Sabah, später auch in Malaya.
Die Intensität der "Konfrontation" war bis 1966 stark schwankend (1964 kurzzeitiger Waffenstillstand), jedoch gab es zu keinem Zeitpunkt massive militärische Aktionen. Die malaysische Seite erhielt von Beginn an militärische Unterstützung durch britische Truppen, die einen indonesischen Erfolg ausschloß.
ERGEBNISSE DES KRIEGES
1965 wurde Indonesiens innenpolitische Lage extrem labil (Machtdreieck: Präsident - Kommunisten (PKI) - antikommunistische Armeeführung). Am 30. September 1965 scheiterte ein Putsch gegen Teile der antikommunistischen Armeeführung. Bis März 1966 entmachtete General Suharto sukzessive Präsident Sukarno; hieran anschließend begann die totale Zerschlagung der PKI (hierbei vermutlich Hunderttausende von Toten).
Die wirtschaftliche Lage Indonesiens war inzwischen katastrophal, ein Fortsetzen der "Konfrontation" aussichtslos. Daher sollte sie schrittweise (ohne "Gesichtsverlust") beendet werden. Am 11. August 1966 kam es zur Beilegung der "Konfrontation" durch das "Djakarta-Abkommen" mit der Anerkennung Malaysias in den vorgesehenen Grenzen und dem Ende der internationalen Isolierung Indonesiens, das im Zuge der Auseinandersetzungen zwischen Januar 1965 und September 1966 aus der UNO ausgetreten war.
Die Angaben zu den Todeszahlen variieren. Nach Angaben des britischen Verteidigungsministeriums kamen insgesamt 740 Menschen zu Tode, davon 150 Angehörige der Commonwealth-Einheiten und 590 auf der indonesischen Seite. Nach Angaben der Zeitschrift South (8/1986:45) lag die Gesamttodeszahl bei 1.000.
ANMERKUNGEN
[1] Das Datum des Kriegsbeginns bezieht sich auf den Monat, in dem reguläre indonesische Truppen zum ersten Mal eindeutig als Kriegsbeteiligte zu erkennen sind. Es ist sehr wahrscheinlich, daß sich bereits in den Monaten zuvor indonesische Soldaten an Guerillaaktionen der zu jenem Zeitpunkt unterstützten Gruppen im Norden Borneos (Nord-Kalimantan) teilgenommen haben, dies ist jedoch nicht eindeutig belegt.
[2] Heterogene Rebellengruppierungen, einschließlich indonesisch ausgebildeter chinesischer Guerilleros aus Sarawak.
[3] Das Hauptkontingent der Commonwealtheinheiten wurde durch die Briten gestellt.
[4] Die zu Beginn der 60er Jahre in Indonesien entwickelte NEFO-Doktrin propagierte den Kampf der "New Emerging Forces" (Synonym für Entwicklungsländer) gegen die etablierten Industrienationen und ihre "Unterdrückungsmechanismen". Indonesien sollte hierbei eine besondere Rolle spielen.
[5] Es wurde u.a. die Absicht erklärt, verstärkt politisch und wirtschaftlich zu kooperieren, um langfristig "zusammenzuwachsen".
Marc Vogel
Indonesien (Westpapua, OPM, 1965 - 1993)
AKUF-Datenbanknr.: |
130 |
Kriegsdauer: |
1965 [1] - 1993 |
Kriegstyp: |
B-2 |
Kriegsbeendigung |
durch Abbruch der Kämpfe (Kämpfe unterhalb Ebene Krieg) |
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Kriegführende |
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Seite A |
Organisasi Papua Merdeka (OPM; Organisation für ein freies Papua) [2] |
Seite B |
Indonesien |
KONFLIKTGEGENSTAND UND -ZIELE
Der westliche Teil Neuguineas, ehemals eine holländische Kolonie, gelangte nach kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen den Niederlanden und Indonesien und einer darauffolgenden Vermittlung durch die UN unter indonesische Verwaltung. Ein für 1969 angesetzter Volksentscheid der überwiegend melanesischen Bevölkerung über die politische Zukunft West-Papuas war von Unterdrückungsmaßnahmen der indonesischen Armee geprägt, die ein unerwünschtes Ergebnis verhindern sollten. Das Resultat war die indonesische Annexion der Region, die seit 1973 den Namen Irian Jaya trägt.
Schon 1965 hatte sich als Reaktion auf das indonesische Hegemonialstreben die Organisasi Papua Merdeka (OPM, Organisation Freies Papua) gebildet, die seitdem Träger des Kampfes gegen die indonesischen Machthaber war. Die OPM verfügte über einen starken Rückhalt in der indigenen Bevölkerung und rekrutierte sich u.a. aus ehemaligen Studenten, Beamten sowie Armeedeserteuren der einheimischen Bevölkerung. Die OPM war, von einigen erbeuteten Handwaffen abgesehen, vielfach noch mit traditionellen Waffen ausgerüstet. Daß sie trotzdem gegen das mit modernster Technologie der Anti-Guerilla-Kriegsführung ausgestattete indonesische Militär bestehen konnte, ist ihrer Vertrautheit mit dem schweren Gelände und ihrem Rückhalt in der Bevölkerung zuzuschreiben.
Die Aktionen der OPM richteten sich lange Zeit primär gegen kleinere Armee- und Polizeiposten sowie gegen Einrichtungen westlicher Konzerne, die im Regenwald Neuguineas mit Billigung der Regierung einen Abbau von Bodenschätzen und Edelhölzern betreiben. Dabei profitierten die Guerillaaktivitäten von der Möglichkeit, das angrenzende Papua-Neuguinea als Rückzugsgebiet zu nutzen. Zu Beginn der 1990er Jahre gelang es jedoch der indonesischen Armee mit Hilfe regelmäßiger Übergriffe auf das Staatsgebiet Papua Neuguineas, diese Rückzugsmöglichkeiten zu beseitigen. Für den Oktober 1993 lagen letztmalig detaillierte Informationen über derartige Aktivitäten des indonesischen Militärs in Papua-Neuguinea vor. Die OPM mußte ihre Angriffe deutlich einschränken. Die Kämpfe rutschten unterhalb der Kriegsschwelle. Die mangelnde Verfügbarkeit verläßlicher Informationen über Kampfhandlungen machten eine genaue Datierung der Abschwächung der Kampfhandlungen allerdings schwierig.
ERGEBNISSE DES KRIEGES
Nicht mehr in der Lage, ihren Gegner militärisch empfindlich zu treffen, konzentrierte die OPM ihre Aktivitäten vor allem auf Geiselnahmen unter den Zuwanderern der Umsiedlungsprogramme und Sabotageaktionen etwa gegen Stromleitungen und Einrichtungen ausländischer Konzerne (z.B. den US-amerikanischen Bergbaukonzern Freeport). Eine spektakuläre und von der Weltöffentlichkeit beachtete Aktion war die Entführung eines europäischen Forschungsteams Ende 1995. Ansonsten sind erst in unmittelbarer Reaktion auf den Sturz Suhartos im Jahre 1998 vermehrte Unabhängigkeitsaktivitäten in Irian Jaya wieder festzustellen gewesen. Diese bestanden allerdings nur zu einem geringen Teil in bewaffneten Aktionen der OPM (vgl. Bewaffneter Konflikt Indonesien (Irian Jaya))
Insgesamt haben die bewaffneten Auseinandersetzungen nichts daran geändert, daß die ökonomische Ausbeutung Irian Jayas fortgesetzt wurde und die einheimische Bevölkerung hieran nur in einem äußerst geringem Maße teilhaben kann. Die Zukunft Irian Jayas scheint Ende der 1990er Jahre weniger von gewaltsamen Unabhängigkeitsaktionen als von der politischen Entwicklung des indonesischen Zentrums abzuhängen. Insgesamt soll der Krieg zwischen 30.000 und 150.000 Todesopfer gefordert haben, davon allerdings nur ein sehr geringer Teil in den 1990er Jahren.
ANMERKUNGEN
[1] Die dünne Informationslage läßt keine genaue Datierung des Kriegsbeginns zu, zumal Indonesien sich stets bemüht, die kriegerischen Auseinandersetzungen zu verharmlosen oder zu leugnen.
[2] Die OPM ist vermutlich schon 1963 in den Niederlanden von Exilanten aus West-Papua gegründet worden, für die nur noch im Exil die Möglichkeit des politischen Einsatzes für die Unabhängigkeit West-Papuas bestanden hatte. Die Gerakan Papua Kemerdekaan (GKP) ist Teil der OPM.
Thomas Rabehl
Indonesien (Osttimor, FRETELIN, 1975 - 1994)
AKUF-Datenbanknr.: |
121 |
Kriegsdauer: |
11.08.1975 - 10/1994 |
Kriegstyp: |
E-2/B-2 |
Kriegsbeendigung |
durch militärischen Sieg Seite A (Kämpfe unterhalb Ebene Krieg) |
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Kriegführende |
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Seite A |
União Democrática Timorense (UDT) (11.08.1975 - 14.09.1975)/Indonesien (seit 07.12.1975) |
Seite B |
Frente Revolucionaria de Timor Leste Independiente (FRETELIN) |
KONFLIKTGEGENSTAND UND -ZIELE
Nach der Revolution in Portugal im April 1974 zog dieses seine Truppen aus der damaligen Kolonie Ost-Timor zurück. Der plötzliche und rasche Abzug der Kolonialtruppen hinterließ in Ost-Timor ein Machvakuum, in dem verschiedene politische Organisationen um die Vorherrschaft kämpften. Die sozialistisch orientierte Frente Revolucionaria de Timor Leste Independiente (FRETELIN) strebte eine schnelle Dekolonisierung und Unabhängigkeit der jahrhundertelang portugiesisch beherrschten Halbinsel an. Die eher bürgerlich-konservativ geprägte União Democrática Timorense (UDT) kooperierte zunächst mit der FRETELIN, versuchte diese jedoch in einem gewaltsamen Putsch am 11. August 1975 auszuschalten. Mit Hilfe von bis dahin noch in portugiesischen Diensten stehenden Soldaten konnte die FRETELIN den darauf folgenden Bürgerkrieg für sich entscheiden, die Regierungsgewalt übernehmen und durch eine populäre Landpolitik und eine Alphabetisierungskampagne eine breite Unterstützung in der Bevölkerung erlangen.
Wenige Tage nach der Unabhängigkeitserklärung Ost-Timors am 28. November 1975 führten indonesische Streitkräfte eine Invasion in Ost-Timor durch, um die FRETELIN zu stürzen und die Halbinsel als sog. 27. Provinz Indonesien einzuverleiben. Die FRETELIN flüchtete aus den Städten in das Landesinnere, von wo sie einen anfänglich breiten Widerstand gegen die indonesischen Truppen organisierte. Sie war diesen jedoch hinsichtlich ihrer Anzahl und Ausrüstung gänzlich unterlegen. Das indonesische Militär seinerseits ging mit außerordentlicher Brutalität gegen die Guerillas wie gegen die gesamte einheimische Zivilbevölkerung vor. Ihm gelang es damit, die FRETELIN kontinuierlich zurückzudrängen. Der Krieg setzte sich seit 1979 auf niedriger Ebene fort und war einerseits durch Anschläge der FRETELIN und andererseits durch die fortgesetzte Unterdrückung der einheimischen Bevölkerung durch das indonesische Militär gekennzeichnet.
ERGEBNISSE DES KRIEGES
Der Krieg hat insbesondere in den ersten Jahren nach der indonesischen Annexion eine sehr hohe Zahl von Menschenleben gefordert. Verantwortlich hierfür war insbesondere der Terror und das Massenmorden durch das indonesische Militär, dem mindestens 200.000 Menschen zum Opfer gefallen sein sollen. Später führte die indonesische Zentralregierung zwar eine besondere Entwicklungspolitik Ost-Timors durch. Von dieser profitierten jedoch insbesondere indonesische Einwanderer, während die einheimische Bevölkerung von den positiven Wirkungen dieser Politik weitgehend ausgeschlossen blieben.
Die indonesische Annexion Ost-Timors verblieb so bis in die neunziger Jahre hinein unvollkommen. Innenpolitisch wurde die Administration von der Bevölkerung Ost-Timors weiterhin als illegitim betrachtet, und außenpolitisch galt Ost-Timor weiterhin als ein unter portugiesischer Verwaltung stehendes Gebiet. Trotzdem schwächten sich die Kampfhandlungen zu Beginn der neunziger Jahre kontinuierlich ab. Bei der Festnahme des Führers der FRETELIN durch das indonesische Militär Ende 1992 sollen die Guerillas noch aus lediglich 800 Männern und Frauen bestanden haben, die sich in die schwer zugänglichen Berge im Osten der Halbinsel zurückgezogen hatten. Im Oktober 1994 erklärte die FRETELIN einen einseitigen Waffenstillstand. Dieser wurde zwar von der indonesischen Regierung nicht akzeptiert. Für die folgenden Jahre lagen jedoch keine Informationen mehr über kontinuierliche Kampftätigkeiten vor, die kriegerische Ausmaße hatten.
Uwe Polley / Dirk Scheffel / Thomas Rabehl
Indonesien (Aceh I, GAM, 1990 - 1993)
AKUF-Datenbanknr.: |
198 |
Kriegsdauer: |
5/1990 - 1993 |
Kriegstyp: |
B-2 |
Kriegsbeendigung |
durch militärischen Sieg Seite B |
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Kriegführende |
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Seite A |
Gerakan Aceh Merdeka (GAM) |
Seite B |
Indonesien |
KONFLIKTGEGENSTAND UND -ZIELE
In der westlichsten indonesischen Provinz Aceh auf Sumatra leben ca. 3,2 Millionen Menschen, die sich zu einem fundamentalistisch orientierten Islam bekennen. Dieser steht im Gegensatz zur moderaten Glaubensrichtung, der die Mehrheit der anderen, zu 87% muslimischen Indonesien anhängt. Schon während der niederländischen Kolonialzeit hatte die besondere religiöse Ausrichtung die Bevölkerung Acehs eine wesentliche Rolle in verschiedenen Aufstandsbewegungen der Region gespielt. Dies setzte sich auch nach der indonesischen Unabhängigkeit fort. Der ursächliche Hintergrund der neueren Unruhen bestand dabei wesentlich in einer fortgesetzten Assimilierungspolitik der indonesischen Zentralregierung und dem kolonialen Habitus der von der indonesischen Hauptinsel Java stammenden Einwanderer. Sie waren unmittelbarer Ausdruck einer Politik, mit der der Reichtum Acehs an natürlichen Ressourcen systematisch abgeschöpft und in die anderen Regionen des Landes transferiert wurde. Während die Bevölkerung in Aceh lediglich 2% der indonesischen Gesamtbevölkerung ausmachte, lieferte es 30% der nationalen Öl- und Gasexporte. Hinzu kam der Abbau weiterer Ressourcen wie Mineralien und Holz.
Trotz einer Ende der 50er Jahre in bezug auf Kultur und Religion zugestandenen teilweisen Autonomie Acehs kam es so regelmäßig zu Unruhen, die sich seit Mitte der achtziger Jahre zuspitzten. Die ethnischen und religiösen Eigenarten der regionalen Bevölkerung gegenüber der javanischen Zentralmacht waren dabei das zentrale Mobilisierungsmittel. Spätestens im Mai 1990 nahmen verschiedene Guerillabewegung einen koordinierten bewaffneten Kampf gegen das indonesische Militär und die aus Java stammenden Einwanderer in der Region auf. Die Bewegung für die Freiheit Acehs (Organisationen Gerakan Aceh Merdeka, GAM) war auf Seiten der Aufständischen die Hauptträgerin des bewaffneten Kampfes. Die Regierungsstreitkräfte gingen mit einer besonderen Brutalität nicht nur gegen die Guerillas und ihren vermeintlichen Sympathisanten, sondern gegen die einheimische Zivilbevölkerung Acehs überhaupt vor. Folter, Vergewaltigungen und massenhafte Erschießungen gehörten zur üblichen Vorgehensweise des Militärs.
ERGEBNISSE DES KRIEGES
Mit ihrem von besonderer Brutalität gekennzeichneten Vorgehen gelang es den Regierungsstreitkräften im Laufe des Jahres 1993, den bewaffneten Widerstand in Aceh zu brechen. Genaue Opferzahlen des Krieges waren aufgrund der Abriegelung der Region durch das indonesische Militär nicht zu erhalten gewesen. Aceh war zu einer Sonderzone erklärt worden, teilweise für Reisende und insbesondere für Journalisten gesperrt. Schätzungen bezifferten die Todesopfer auf 2.000 Menschen. Die nach dem Sturz Suhartos und der zeitweisen Öffnung der Region bekannt gewordenen Details über das Ausmaß der Kämpfe und Massaker lassen dies aus heutiger Sicht als eine eher konservative Schätzung erscheinen. Der ursächliche Hintergrund des Krieges jedenfalls blieb auch nach der Niederschlagung des Widerstandes unverändert und führte Ende der neunziger Jahre nach einem teilweisen Rückzug des indonesischen Militärs erneut zu militärischen Auseinandersetzungen.
Thomas Rabehl
Indonesien (Aceh II, GAM, 1999 - 2005)
AKUF-Datenbanknr.: |
255 |
Kriegsdauer: |
1999 - 15.08.2005 |
Kriegstyp: |
B-2 |
Kriegsbeendigung |
durch Vereinbarung ohne Vermittlung |
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Kriegführende |
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Seite A |
Gerakan Aceh Merdeka (GAM) |
Seite B |
Indonesien |
KONFLIKTGEGENSTAND UND -ZIELE
Die Sicherheitslage in der nordwestindonesischen Region Aceh hat sich seit Ende 2004 zunehmend stabilisiert. Am 15. August des Berichtsjahres unterzeichneten Vertreter der Separatistenbewegung Gerakan Aceh Merdeka (GAM, Bewegung Freies Aceh) und der indonesischen Zentralregierung unter Vermittlung des finnischen Präsidenten Martti Ahtisaari in Helsinki eine Friedensakte. Die GAM-Delegation verzichtete dabei auf eine vollständige Unabhängigkeit und akzeptierte stattdessen eine Form von lokaler Selbstregierung und die Garantie, eine politische Partei gründen zu dürfen. Bisher verlief die Entwaffnung der Rebellenarmee ohne Zwischenfälle und auch die Streitkräfte der indonesischen Zentralregierung begannen Ende September 2005 mit dem Abzug aus der Region Aceh.
Aceh gilt seit Jahrzehnten als einer der größten Konfliktherde Indonesiens: Die GAM, die auch unter dem Namen Aceh Sumatra National Liberation Front (ASNLF) agierte, kämpfte für einen unabhängigen Staat Aceh. Gleichzeitig versuchte die Regierung, den politischen Zerfall Indonesiens mit seinen mehr als 220 Millionen Einwohnern zu verhindern und religiös oder separatistisch motivierte Gewalt zu bekämpfen. Die von einer lokalen Form des Islam geprägte GAM setzte sich gegen die vermeintliche Bedrohung der Religion und Kultur Acehs durch javanische Migranten und die als neokolonialistisch empfundene Politik Jakartas zur Wehr. Gerade die ungleiche Verteilung der natürlichen Reichtümer der Region wurde von vielen Bewohnern Acehs als diskriminierend empfunden.
Während in Aceh mit etwa 4 Millionen Einwohnern nur ungefähr zwei Prozent der Gesamtbevölkerung Indonesiens leben, stammt etwa ein Drittel der indonesischen Erdgasausfuhren aus dieser Provinz. Vorkommen an Gold, Kupfer und Holz werden ebenfalls in großen Mengen abgebaut und vor der Ostküste liegen bedeutende Erdölfelder. Aufgrund der zentralstaatlichen Strukturen blieb die Region allerdings von der Nutzung ihres Ressourcenreichtums ausgeschlossen. Die einheimische Bevölkerung erhielt lediglich indirekt einen geringen Anteil der Einnahmen und als Arbeitskräfte wurden zumeist Javanesen eingestellt.
Autonomiebestrebungen und der Versuch, ein islamisches Rechtssystem in Aceh einzuführen, hatten sich bereits vor der Entstehung der GAM in der Unterstützung für die Darul-Islam-Bewegung in den 1950er Jahren geäußert. Seit 1959 besaß die Provinz zwar einen speziellen Status, der islamische Traditionen und Gesetze bevorzugte. Als in den 1970er Jahren allerdings die Zentralisierungstendenzen unter Suharto deutlich hervortraten, begann sich die GAM zu formieren, zunächst ohne größeren Rückhalt in der Bevölkerung. Im Jahre 1976 erklärte die Separatistenbewegung die Unabhängigkeit Acehs und bewaffnete Auseinandersetzungen begannen. Zunächst verlief der Guerillakrieg für die GAM erfolglos und den Regierungstruppen gelang es, die Bewegung bis 1977 nahezu vollständig zu vernichten. Allerdings wurde die GAM in den 1980er Jahren durch Libyen und den Iran unterstützt und konnte ihre Aktivitäten erneuern. Erst durch Repressionen der Regierung erhielten die Separatisten eine umfassendere Unterstützung aus der Bevölkerung. Von 1991 bis 1995 besaß die Region den Status eines "Militärischen Operationsgebietes". Schließlich verkündete die Regierung 1996 erneut das vermeintliche Ende der GAM und zunächst schienen gewaltsame Unterdrückungsmaßnahmen die Separatisten in Aceh unter Kontrolle zu halten.
Der seit 30 Jahren mit wechselnder Intensität andauernde Konflikt, in dem zwischen 12.000 und 15.000 Menschen getötet wurden, eskalierte erneut während der politischen Instabilität Indonesiens nach dem Sturz des Präsidenten Suharto im Mai 1998. Der politische Wechsel stellte auch die gesamte gesellschaftliche Ordnung und deren Machtgefüge in Frage. Während seiner 32-jährigen Herrschaft hatte Suharto wesentliche Bereiche des politischen Systems und der ökonomischen Ordnung auf sich ausgerichtet: Die Wirtschaft war in weiten Teilen von einem umfassenden Patronagesystem bestimmt, in dessen auf Verwandtschaft und persönlichen Verpflichtungen basierenden Strukturen Suharto den Mittelpunkt bildete. Besonders betroffen vom Sturz des Suharto-Regimes war das Militär, das den wichtigsten kollektiven Akteur des Landes darstellte. Vor allem die Landstreitkräfte übten auch umfassende innenpolitische Kontrollaufgaben aus und bildeten einen integralen Bestandteil der zivilen Bürokratie und des ökonomischen Systems.
Der Bedeutungsverlust des Militärs fand im August 1998 in der Aufhebung des militärischen Ausnahmezustandes in Aceh seinen besonderen Ausdruck und ließ Raum für Demonstrationen und Aktionen zivilen Ungehorsams, die das Konfliktgeschehen in Aceh in dieser Phase noch dominierten. Die Unabhängigkeitsentwicklungen in Osttimor verliehen den Aktionen zusätzlichen Auftrieb. Das gewaltsame Vorgehen von Armee und Polizei gegen die Bevölkerung Acehs förderte schließlich zusätzlich die Wiederaufnahme militärischer Aktionen durch Rebellen. Diese verübten im Wesentlichen Anschläge auf zentralstaatliche Institutionen und Sicherheitskräfte sowie auf Zivilisten. Die Sicherheitskräfte verstärkten ihrerseits ihr Vorgehen gegen die Aufständischen und gegen die Zivilbevölkerung. Im Jahre 1999 überschritten die Auseinandersetzungen erneut die Kriegsschwelle.
Die direkten Kampfhandlungen und gegenseitigen Anschläge intensivierten sich weiter. Das Ziel, die GAM militärisch zu zerschlagen, war seit der Amtsübernahme von Megawati Sukarnoputri wieder integraler Bestandteil der indonesischen Politik in Aceh geworden. Nach ihrer Amtseinführung 2001 hatte die Präsidentin betont, dass eine Abspaltung vom Zentralstaat nicht infrage komme. Mit der Gewährung weit reichender religiöser und ökonomischer Autonomierechte für Aceh versuchte die Zentralregierung gleichzeitig, der Guerilla die Unterstützung der Zivilbevölkerung zu entziehen. Allerdings blieben weiterhin mindestens 20.000 Soldaten und 8.000 Polizisten in Aceh stationiert. Die GAM ihrerseits hielt unverändert an ihrem Maximalziel der staatlichen Unabhängigkeit Acehs fest und war sich darin mit dem größten Teil der Bevölkerung Acehs einig. Seit 2000 war es der GAM gelungen, in Teilen Acehs eine Parallelverwaltung aufzubauen und damit ihre soziale wie ökonomische Basis zu konsolidieren. Ab 2001 häuften sich Berichte über Zwangsabgaben und autoritäre Herrschaftsmethoden der GAM.
Ein Friedensabkommen nährte im Jahr 2002 kurzzeitig die Hoffnung auf ein Ende des Krieges: Nachdem die GAM das Angebot eingeschränkter Autonomierechte zuerst abgelehnt hatte, brachte sie ein Ultimatum der Regierung an den Verhandlungstisch. Am 9. Dezember 2002 wurde ein Friedensabkommen unterzeichnet, das drei Phasen zur Beendigung des Konfliktes vorsah: Zuerst sollten die Kämpfe eingestellt werden. Danach sollten die Rebellen ihre Waffen abgeben und sich die indonesischen Streitkräfte in eine defensive Position zurückziehen. Schließlich sollte eine Regionalregierung gewählt werden, welche dann über bis zu 70 Prozent der staatlichen Einnahmen aus Öl und Gas verfügen sollte. Das Abkommen scheiterte jedoch an der geplanten Entwaffnung der GAM-Kämpfer und dem Rückzug der Armee, vor allem aber an den offenbar unvereinbaren Positionen von Rebellen und Regierung in der Frage der Unabhängigkeit Acehs. Am 20. Mai 2003 verhängte die indonesische Regierung das Kriegsrecht über Aceh und leitete mit 35.000 Soldaten ihre größte militärische Offensive seit der Besetzung Osttimors 1975 ein. Im November 2003 wurden der Status des Kriegsrechts und die Militäroperation um weitere sechs Monate verlängert. Nach Angaben des indonesischen Militärs wurden seit Beginn der Großoffensive im Mai 2003 mehr als 2.000 vermeintliche Rebellen getötet, bis zu 5.000 weitere sollen festgenommen worden sein.
Die Aussetzung des Kriegsrechts in Aceh am 19. Mai 2004 kann zumindest mittelbar der Präsidentschaftswahl im Juli zugerechnet werden. Nachdem die Indonesier bei der Parlamentswahl im April zugunsten der ehemaligen Staatspartei Golkar ihre Unzufriedenheit mit der regierenden Partai Demokrasi Indonesia - Perjuangan (PDI-P, Demokratische Partei Indonesiens für den Kampf) und dadurch vor allem mit Präsidentin Sukarnoputri ausgedrückt hatten, drohte dieser eine weitere Niederlage. Im neuen Status des zivilen Ausnahmezustands stand die Provinz offiziell nicht mehr unter militärischer Führung, sondern wurde ab 7. Juni von einem von der Zentralregierung eingesetzten Gouverneur verwaltet. Trotzdem kündigte Sukarnoputri an, die Militäraktion gegen die Rebellen weiterzuführen. Größere Städte und wichtige Verkehrsverbindungen wurden zwar nicht mehr von Rebellen kontrolliert, die GAM-Kämpfer hatten sich aber ins Hinterland zurückgezogen, wo die Auseinandersetzungen weitergeführt wurden. Die indonesischen Streitkräfte sollten demnach weiter in der Provinz verbleiben; Mitte 2004 befanden sich noch mehr als 35.000 Soldaten und etwa 2.000 Polizeikräfte in Aceh. Bei der ersten direkten Präsidentschaftswahl Indonesiens unterlag Amtsinhaberin Sukarnoputri in der Stichwahl am 20. September gegen Susilo Bambang Yudhoyono, obwohl mit der Staatspartei Golkar und der PDI-P die beiden größten politischen Kräfte des Landes eine Allianz gegen den früheren General gebildet hatten. In Aceh war der Unterschied der beiden Kontrahenten noch deutlicher: Mehr als drei Viertel der Stimmen gingen an Yudhoyono.
Seit Ende 2004 zeichneten sich massive Veränderungen im Konflikt um Aceh ab. Grund dafür waren vor allem der Tsunami im Indischen Ozean Ende Dezember sowie eine allgemein größere Verhandlungsbereitschaft der neuen Regierung Yudhoyono in der Aceh-Frage. Die Auswirkungen der Naturkatastrophe waren verheerend: Schätzungen zufolge hatte allein die Region Aceh mindestens 128.000 Tote zu beklagen, 400.000 Menschen wurden obdachlos. Als unmittelbare Reaktion auf den Tsunami erklärten beide Seiten einen inoffiziellen Waffenstillstand und ihre Bereitschaft, wieder an den Verhandlungstisch zurückzukehren. Am 17. Januar begannen Friedensverhandlungen. Allerdings kam es auch noch bis Mitte 2005 zu bewaffneten Zusammenstößen, bei denen nach Angaben des indonesischen Militärs mehrere hundert Rebellen getötet wurden. Die lokale Presse geht von etwa 1.000 getöteten Rebellen und Sympathisanten aus. Über indonesische Verluste liegen keine Zahlen vor. Einige Bereiche Acehs wurden zu Sperrgebieten erklärt und der Zugang blieb Journalisten und Hilfsorganisationen verwehrt. Grundsätzlich unterstützte die Regierung in Jakarta jedoch die internationalen Hilfsmaßnahmen für Aceh.
Die Verhandlungen unter finnischer Vermittlung drohten zunächst an der Frage der politischen Repräsentation zu scheitern: Die indonesische Regierung wollte den Aceh nur erlauben, Kandidaten innerhalb existierender gesamtstaatlicher Parteien aufzustellen, die GAM forderte jedoch das Recht auf die Gründung einer eigenen regionalen Partei. Auch waren auf beiden Seiten große Vorbehalte wegen des gescheiterten Friedens vom Dezember 2002 vorhanden. Allerdings befand sich diesmal die GAM in einer deutlich schwächeren Position, da Flutkatastrophe und die Großoffensive von 2003 der Bewegung deutlich zugesetzt hatten und ihre mittlere Führungsebene stark dezimiert worden war. Zurzeit ist von weniger als 1.000 bewaffneten Kämpfern auszugehen. Eine Exit-Strategie wirkte für die GAM umso attraktiver.
Am 15. Juli des Berichtsjahres gelang dann bei den Verhandlungen in Helsinki der Durchbruch und ein Friedensvertrag konnte einen Monat später, am 15. August, unterzeichnet werden. Die GAM erklärte sich in der Friedensübereinkunft dazu bereit, statt vollständiger Unabhängigkeit lokale Selbstregierung und weitgehende Autonomie zu akzeptieren. Gleichzeitig wurde den Aceh die Gründung einer eigenen politischen Partei zugestanden. Ferner sollte eine Generalamnestie für die Rebellenkämpfer in Kraft treten, eine neue Gesetzgebung für Aceh eingeführt werden und der Abzug der Regierungstruppen beginnen. Im Gegenzug wurden die Kämpfer der GAM verpflichtet, ihre Waffen abzugeben. Der Friedensprozess unterlag fortan der Überwachung durch die EU und die Association of South-East Asian Nations (ASEAN). Am 15. September begannen die Rebellen mit der Übergabe eines Viertels ihrer Waffen an internationale Beobachter. Der Rest der Waffen musste bis zum Ende des Jahres übergeben und zerstört werden. Gleichzeitig begann die indonesische Armee mit ihrem Abzug aus Aceh. Bis zum 20. Dezember des Berichtsjahres wurden bereits mehr als die Hälfte der in Aceh stationierten 30.000 Soldaten und 15.000 Polizeikräfte verlegt. Gemäß der Vereinbarung von Helsinki sollen lediglich 14.700 Soldaten und 9.100 Polizisten zurückbleiben, die sich aus der lokalen Bevölkerung zusammensetzen.
Die Demobilisierung und Entwaffnung ist in Aceh seit Mitte August ohne größere Zwischenfälle vonstatten gegangen und konnte bis zum 19. Dezember erfolgreich abgeschlossen werden. Auf beiden Seiten ist eine deutliche Bereitschaft zum Frieden vorhanden. Die GAM hat am 27. Dezember die Auflösung ihres militärischen Flügels bekannt gegeben und versteht sich fortan als politischer Akteur. Ein kritischer Punkt ist noch die Entwaffnung der etwa 10.000 regierungstreuen Milizionäre, die sich in Aceh aufhalten und die im Friedensvertrag von Helsinki nicht explizit berücksichtigt wurden. Von Seiten der Separatisten wird es schon allein aufgrund fehlender Mittel mit großer Wahrscheinlichkeit nicht mehr zu bewaffneten Operationen kommen. Die Bedingungen für eine dauerhafte Beilegung des Konfliktes sind günstig, da internationale Organisationen wie die EU und die ASEAN den Friedensprozess überwachen und bereits im Friedensvertrag vom August Maßnahmen für eine Aufarbeitung des Konfliktes, wie etwa die Einrichtung eines Gerichtshofes für Menschenrechte und einer Wahrheitskommission, vorgesehen sind.
Klaas Voß
Bewaffnete Konflikte in Indonesien seit 1993
- Indonesien (Westpapua, 1993 - andauernd)