Bangladesch
Kriege in Bangladesch seit 1945
Pakistan (Bangladesch, Mukti Fauj u.a 1971)
AKUF-Datenbanknr.: |
111 |
Kriegsdauer: |
25.3.1971 - 17.12.1971 [1] |
Kriegstyp: |
B-1/BC[2]-2 |
Kriegsbeendigung |
durch militärischen Sieg Seite B |
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Kriegführende |
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Seite A |
Pakistan |
Seite B |
Verschiedene Guerillabewegungen, die häufig als "Freedom Fighters" bezeichnet werden (die größte war die Mukti Fauj ("Volksarmee")); daneben Teile der Polizeikräfte und paramilitärische Einheiten (East Bengal Regiment, East Pakistan Rifles, "Ansar") |
zusätzlich zu Seite B |
Indien (03.12.1971 - 17.12.1971) |
Intervention zugunsten B: |
Indien (6/1971 - 02.12.1971) |
KONFLIKTGEGENSTAND UND -ZIELE
Den Hintergrund des Krieges bildeten die von der bengalischen Bevölkerung Ostpakistans empfundene politische, ökonomische und sprachlich-kulturelle Benachteiligung durch Westpakistan sowie dessen innenpolitische Instabilität. Außenpolitisch kam die seit 1947 bestehende machtpolitische Rivalität zwischen Pakistan und Indien hinzu, die bereits zu drei Kriegen geführt hatte (vgl. Erster und Zweiter Kaschmirkrieg, Kriege Nr. 13 und 84; Krieg um den Rann-von-Kutch, Krieg Nr. 82).
Der seit etwa 20 Jahren schwelende Grundkonflikt zwischen den beiden 1.800 Kilometer voneinander entfernten Landesteilen Pakistans eskalierte zwischen den Nationalwahlen vom Dezember 1970 und Ende März 1971 dramatisch. Auf den überwältigenden Wahlsieg der sezessionistischen, linksorientierten Awami League in Ostpakistan folgte eine parlamentarische Ost-West-Polarisierung, die ein Eingreifen der westpakistanischen Zentralregierung unausweichlich zu machen schien. Dennoch zeichnete sich zunächst eine Verhandlungslösung zwischen der Militärregierung und der Awami League ab. Der "point of no return" war jedoch erreicht, als unter dem massiven Druck der bedeutendsten westpakistanischen zivilen Oppositionspartei Z.A. Bhuttos, die jegliche Konzession an die Sezessionsbewegung ablehnte, die Militärregierung Anfang März 1971 die Eröffnungssitzung der Verfassunggebenden Versammlung aussetzte. Die daraufhin von der Awami League ausgerufene Kampagne des zivilen Ungehorsams legte das öffentliche Leben und die Verwaltung Ostpakistans lahm. Gleichzeitige Verhandlungen zwischen der Militärregierung und dem Chef der Awami League, M. Rahman, wurden von Staats- und Militärchef Y. Khan am 25. März abgebrochen. Nach dessen umgehendem Abflug aus Ostpakistan bekamen die zuvor schleichend verstärkten westpakistanischen Militäreinheiten den Einsatzbefehl. Zwar konnte am 26. März Rahman gefangengenommen werden, doch bildeten andere Politiker der Awami League in Indien eine Exilregierung, die noch am selben Tag den Staat Bangladesch proklamierte. Zur entscheidenden Kraft im Sezessionskrieg wurde faktisch allerdings die Guerillabewegung. Das politische Überleben der Exilregierung war von deren militärischen Erfolgen genauso abhängig wie vom Wohlwollen Indiens.
Die sezessionistischen Bestrebungen in Ostpakistan kamen Indiens Hegemonieanspruch in der Region entgegen. Bereits ab April 1971 übte Indien auf das in Ostpakistan stationierte westpakistanische Militär Druck aus, indem es Aufständische ausbildete und an der Grenze zu Ostpakistan das Grenzregime verschärfte. Unter dem Eindruck des auf bis zu zehn Millionen Menschen anwachsenden Flüchtlingsstroms wuchs in Indien die Bereitschaft zum offenen militärischen Eingreifen. Ab Juni 1971 drangen Einheiten der paramilitärischen Border Security Force (BSF) tiefer in ostpakistanisches Territorium vor, um in die Defensive gedrängten Guerillaverbände zu unterstützen. Die Eskalation führte zum Angriff der pakistanischen Luftwaffe auf indische Ziele am 3. Dezember, die im großen Maße Kampfhandlungen sowohl an der Grenze nach Ostpakistan als auch nach Westpakistan auslösten.
ERGEBNISSE DES KRIEGES
Im ehemaligen Ostpakistan kam es zur Gründung des 75 Millionen-Einwohner-Staates Bangladesch, dessen innere Konsolidierung infolge von Machtkämpfen, ökonomischen Krisen und Naturkastrophen jedoch ausblieb. In Westpakistan mußte angesichts des Kriegsergebnisses die Militärregierung zurücktreten; der zivile Oppositionspolitiker Z.A. Bhutto übernahm die Regierungsgeschäfte. Das Militär behielt allerdings weiterhin einen bedeutenden Einfluß auf die Politik. Das südasiatische Machtgefüge änderte sich durch die Gründung Bangladeschs nachhaltig zugunsten Indiens.
Mindestens 300.000 Menschen kamen bei den Kämpfen ums Leben.
ANMERKUNGEN
[1] Der Krieg war im Osten am 16. Dezember 1971 durch die Kapitulation der westpakistanischen Einheiten zu seinem Ende gekommen. An der Front zu Westpakistan nahm die pakistanische Armee erst am 17. Dezember einen Waffenstillstand an.
[2] 1. Phase: Sezessionskrieg gegen das westpakistanische Militär ab März 1971; 2. Phase: Zunehmende interventionistische Einsätze der indischen Grenztruppen zugunsten der Aufständischen ab Juni 1971 bis zum 2. Dezember; 3. Phase: Zwischenstaatlicher Krieg ab 3. Dezember 1971, weiterhin sezessionistische Komponente in Ostpakistan.
Jens-Peter Franke
Bangladesch (Chittagong Hill-Tracts, PC-JSS, 1973 - 1993)
AKUF-Datenbanknr.: |
177 |
Kriegsdauer: |
7/1973 - 1993 |
Kriegstyp: |
B-2 |
Kriegsbeendigung |
durch Abbruch der Kämpfe (Kämpfe unterhalb der Ebene Krieg bis 11/1996) |
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Kriegführende |
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Seite A: |
Shanti Bahini (SB; Friedensarmee) [1] |
Seite B: |
Bangladesch |
KONFLIKTGEGENSTAND UND -ZIELE
Als militante Vertreterin der Bergvölker [2] , die in dem 14.200 qkm großen, im Südosten des Landes gelegenen Territorium der Chittagong Hill Tracts (CHT) [3] leben, kämpfte die Shanti Bahini (SB) um die Wiedererlangung des während der britischen Kolonialherrschaft genossenen Autonomiestatus, die Beendigung der Zerstörung ihrer traditionellen Lebensgrundlagen durch die staatliche Ansiedlungspolitik, die Deportation aller nichttribalen Neusiedler aus Bengalen und den Abzug von Armee- und Polizeieinheiten. Bis zu 50.000 Soldaten, d.h. etwas mehr als die Hälfte der Armee, unterstützen die Neusiedler gegen die militanten Teile der Bergvölker.
Die strukturgeschichtlichen Ursachen dieses lang andauernden, aber mit recht geringer Intensität geführten Krieges liegen in administrativen Maßnahmen der britischen Kolonialmacht begründet: Durch die Verleihung eines territorialen Sonderstatus ("excluded area") an die CHT wurde die dortige traditionale materielle Reproduktionsweise, die Schwendwirtschaft mit Gemeineigentum, vor der sich ausbreitenden ständigen Bewirtschaftung landwirtschaftlicher Flächen auf der Grundlage von Privateigentum geschützt. Dergestalt von der Entwicklung im übrigen direkt regierten Britisch-Indien abgeschnitten, sahen sich die Häuptlinge der de facto autonomen CHT-Gebiete den Herrschern der indirekt regierten indischen Fürstenstaaten gleichgestellt und forderten dementsprechend am Vorabend der Dekolonisation, über den Beitritt zu einem der Nachfolgestaaten Britisch-Indiens frei entscheiden zu können. Diesem Begehren wurde jedoch nicht entsprochen. Statt dessen wurden die CHT (Ost-) Pakistan eingegliedert, das den Sonderstatus der Gebiete bis zum Jahr 1962 schrittweise beseitigte und den durch die koloniale Herrschaft aufgehobenen Gegensatz zwischen den konservierten traditionalen Vergesellschaftungsformen der Berge und den modifizierten modernen der Ebenen freisetzte.
Für die Konflikteskalation spielten auch die Umstände der kriegerischen Staatsgründung Bangladeschs eine wichtige Rolle: Der im Zusammenhang mit dem Sezessionskrieg gegen das (west-) pakistanische Zentrum erwachte Chauvinismus der Bengalis richtete sich nach dem Krieg gegen die der Kollaboration verdächtigten Minderheiten und eskalierte in Massakern an den Bergvölkern. Die Regierung Bangladeschs betrieb zudem eine gezielte Ansiedlungs- und "Bengalisierungspolitik", die seit 1980 von der militärischen Aufstandsbekämpfung nicht mehr zu trennen war. Im Kern handelte es sich bei der entwicklungspolitisch und militärisch durchgeführten Besiedlung der Chittagong Hill Tracts um eine staatlich betriebene Inwertsetzung. Angesichts der prekären ökonomischen Lage des verarmten Bangladesch sah sich die Regierung gezwungen, die an Edelhölzern, Kohle, Uran und Erdgas reiche Region in die nationale Entwicklungspolitik einzubeziehen.
ERGEBNISSE DES KRIEGES
1992 hatten beide Konfliktparteien erste Schritte zu einer politischen Lösung des Konfliktes eingeleitet, doch lief der Konflikt trotz formellen Waffenstillstandes über die Jahre unterhalb der Kriegsschwelle weiter.
Am 02. Dezember 1997 kam dann - unter erheblichem Druck Indiens - ein Friedensabkommen zwischen der Regierung Bangladeschs dem politischen Flügel der Aufständischen, der "Prabatya Jana Sanghati Parishad" (PCJSS), zustande. Es betont die Unantastbarkeit der territorialen Integrität und der nationalen Souveränität Bangladeschs und sieht eine erhebliche Ausweitung der Selbstverwaltung allen drei CHT-Distrikten durch die Schaffung von Selbstverwaltungskörperschaften vor, die für die Polizeigewalt, die Bodenverwaltung, lokales Kleingewerbe und das Kreditwesen verantwortlich sind und können Steuern erheben können.
Die in dem Abkommen geregelten Fragen der Entwaffnung der Rebellen und der Neuverteilung der Landrechte dürften in der Umsetzung noch eine Menge Konfliktstoff in sich bergen. Die Konsolidierung des eingeleiteten Friedensprozesses hängt aber auch von der Stabilisierung der innenpolitischen Lage in Bangladesch insgesamt ab. Von der Opposition wird das Friedensabkommen rundheraus abgelehnt, die ehemalige Premierministerin Khaleda Zia von der Bangladesh National Party bezeichenete es als unrechtmäßig, illegal und unvereinbar mit der Verfassung Bangladeschs. Die islamistische Oppositionspartei Jamaat-i-Islami bezeichnete das Abkommen sogar als das Ergebnis einer Konspiration gegen Bangladesch.
Die Angaben zu der Zahl der bisherigen Opfer dieses Konfliktes schwanken zwischen 5.000 und 100.000, die Zahl der ins benachbarte Indien Geflüchteten soll bei 70.000 liegen. Von ihnen sind bisher einige Tausend im Rahmen eines Repatriierungsprogrammes in ihre Heimat zurückgekehrt.
ANMERKUNGEN
[1] Die SB ist der militärische Flügel der Porbottya Chattagram - Jana Sanghati Samiti (PC-JSS, CHT People's Solidarity Association).
[2] Diese Bergvölker sind mehrheitlich Buddhisten, seltener Hindus und Christen (Mey 1992:48).
[3] Etwa 480.000 Angehörige der Bergvölker und 311.000 Bengalen leben zur Zeit in den CHT. In diesem Berggebiet leben traditionell zwölf Völker: die Chakma, Taungchengya, Marma, Tripura, Brong, Mru, Khumi, Bawm, Panghkua, Mizo, Khyang und Sak (Mey 1992:48).
Boris Wilke