Liberia
Kriege in Liberia seit 1945
Liberia (1989 - 1996)
AKUF-Datenbanknr.: |
168 |
Kriegsdauer: |
24.12.1989 - 8/1996 |
Kriegstyp: |
A-1 |
Kriegsbeendigung |
durch Vermittlung/Verhandlung |
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Kriegführende |
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Seite A |
National Patriotic Front of Liberia (NPFL) [1] / Independent National Patriotic Front of Liberia (INPFL) [2] (seit 1990) / United Liberation Movement for Democracy (ULIMO) [3] (seit 9/1991); Liberia Peace Council (LPC); Lola Defence Forces (LDF) |
Seite B |
Liberia |
Intervention Kriegsbeendigung |
Gambia (seit 8/1990) / Mali (seit 3/1991) / Senegal (10/1991 - 1/1993) / Guinea (seit 8/1990) / Sierra Leone (8/1990 - 3/1991) / Ghana (seit 8/1990) / Nigeria (seit 8/1990) |
KONFLIKTGEGENSTAND UND -ZIELE
Der wirtschaftliche Niedergang und der staatliche Terror unter dem Regime Samuel Does während der 80er Jahre begünstigten die Invasion der NPFL, mit welcher der Krieg in Liberia im Dezember 1989 begann. Doe, der sich 1980 an die Macht geputscht hatte, sah sich mit einem rasanten wirtschaftlichen Niedergang konfrontiert, der aus dem Preisverfall für Liberias Hauptexportgüter (Eisenerz, Rohgummi) und der Überschuldung des Landes resultierte. Ende der achtziger Jahre hatten Weltbank und IWF die Zusammenarbeit mit dem Regime aufgekündigt, so daß sich das Regime in einer prekären Lage befand, als die NPFL im Winter 1989/90 mit zunächst wenigen hundert Kämpfern von der Elfenbeinküste aus den Krieg begann.
Im Verlauf des Krieges ergaben sich viele Fraktionierungen und wechselnde Bündnisse zwischen sich formierenden Milizen und Rebellen, deren Programmatik nicht immer klar erkennbar war. So spaltete sich die NPFL bereits im Februar 1990, ein Phänomen, das bei fast allen der im Krieg entstehenden neuen bewaffneten Verbänden und Milizen (ULIMO, LDF, LPC) auftreten sollte.
Das Kriegsgeschehen wurde jedoch weitgehend bestimmt durch die Gegnerschaft zwischen der NPFL Charles Taylors und den Interventionstrupppen der Economic Community of Western African States (ECOWAS), die, getragen vor allem von anglophonen Staaten, namentlich Nigeria, bereits im Sommer 1990 in den Krieg eingriffen.
Offizieller Hintergrund der Friedensbemühungen der westafrikanischen Staatschefs waren die Belastung durch die 500.000 Kriegsflüchtlinge, die diese Länder aufnahmen, und die Gefährdung ihrer in Liberia lebenden Staatsbürger durch die dort verübten Massaker an der Zivilbevölkerung. Die ECOWAS war jedoch bisher außerstande, eine friedliche Regelung des Konflikts um die Herrschaft in Liberia zu erreichen, obwohl sie von den USA und anderen westlichen Ländern erhebliche Unterstützung erfuhr. Statt dessen beteiligten sich Truppen der ECOWAS Ceasefire Monitoring Group (ECOMOG), teils mit Beteiligung ihrer Befehlshaber, an Plünderungen. Auch eine militärische Beendigung des Krieges war für keine Seite zu erreichen. Die Auseinandersetzungen um die politische Neuordnung Liberias und die mangelhafte Kohäsion der beteiligten Parteien erschwerten die Beendigung des Krieges, trotz erheblicher internationaler Bemühungen.
ERGEBNISSE DES KRIEGES
Nach dem Bruch mehrerer Waffenstillstandsabkommen blieb das Land gespalten: Die NPFL kontrollierte bis Mitte 1992 den größten Teil des Landes, die INPFL und die ECOMOG-Truppen die Gebiete um die Hauptstadt Monrovia. Vor allem die massiven Angriffe der seit Herbst 1991 aktiven ULIMO verhinderten die Umsetzung des 1991 von allen westafrikanischen Staaten ausgehandelten Friedensplanes von Yamoussoukro, der die Entwaffnung der kämpfenden Einheiten vorsah. Bis Oktober 1992 lag die militärische Initiative bei der NPFL, die in diesem Monat kurz davor stand, das Hauptquartier der ECOMOG und Monrovia einzunehmen.
Danach gelang es den ECOMOG-Truppen, begünstigt durch gleichzeitige Angriffe der ULIMO, die NPFL-Truppen zurückzudrängen und ihr über Monrovia hinaus Gebiete abzunehmen. 1996 beruhigte sich die Lage soweit, daß die Vorbereitung von Wahlen beginnen konnte. Aus den im Juli 1997 abgehaltenen Parlaments- und Präsidentschaftswahlen gingen Charles Taylor und seine NPR als überragende Sieger hervor. Nach jahrelangen Vermittlungsbemühungen und zahllosen gebrochenen Verträgen diente der auf dem ECOWAS-Gipfel im August 1996 erreichte Friedensvertrag als Grundlage für die friedliche Beendigung des Krieges.
Über die Hälfte der Bevölkerung Liberias ist im Verlauf des Krieges innerhalb des Landes vertrieben worden oder ins benachbarte Ausland geflohen. Die politische und ökonomische Infrastruktur des Landes ist nahezu vollständig zerstört.
ANMERKUNGEN
[1] Die NPFL finanziert derzeit ihre Aktivitäten durch Export von Tropenhölzern und anderen Rohstoffen.
[2] Die INPFL spaltete sich im Februar 1990 von der NPFL ab. Gründe, die über die persönliche Rivalität von Prince Johnson (INPFL) und Charles Taylor (NFPL) hinausgehen, sind nicht bekannt.
[3] Die ULIMO setzt sich zum Großteil aus ehemaligen Regierungstruppen, muslimischen Mandingos und vor allem christlichen Krahn zusammen.
Klaus Schlichte
Liberia (2000 - 2003)
AKUF-Datenbanknr.: |
260 |
Kriegsdauer: |
7/2000 - 18.08.2003 |
Kriegstyp: |
A-2 |
Kriegsbeendigung |
durch Vermittlung Dritter |
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Kriegführende |
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Seite A |
Liberians United for Reconciliation and Democracy (LURD) |
Seite B |
Liberia |
KONFLIKTGEGENSTAND UND -ZIELE
Der im Jahr 2000 begonnene Krieg zwischen liberianischen Rebellen und Regierungseinheiten wurde im Berichtsjahr fortgesetzt. Im Zentrum der internationalen Aufmerksamkeit standen aber weniger die Kriegshandlungen als die Verbindungen des liberianischen Präsidenten Charles Taylor mit der sierra-leonischen Rebellenbewegung Revolutionary United Front (RUF). Der Handel mit "Konflikt-Diamanten" führte im März 2001 zu UN-Sanktionen gegen Liberia. Allerdings gab es in der zweiten Jahreshälfte auch außenpolitische Signale einer Entspannung mit den Nachbarstaaten Guinea und Sierra Leone: Mehrfach trafen sich die Außenminister dieser Länder, was eine Beendigung der Unterstützung für Rebellengruppen in den jeweils anderen Ländern andeuten könnte.
Hintergrund der aktuellen Auseinandersetzungen ist der in Liberia 1989 bis 1996 geführte Krieg. Aus ihm war Charles Taylor, der als Führer einer Rebellengruppe den Krieg gegen den damaligen Präsidenten Samuel Doe ins Rollen gebracht hatte, als Sieger hervorgegangen. Bei den von der United Nations Observer Mission in Liberia (UNOMIL) beaufsichtigten Parlaments- und Präsidentschaftswahlen vom Juli 1997 erhielten Taylor und seine National Patriotic Party (NPP) 75,3 Prozent der Stimmen. Dieses beachtliche Ergebnis wurde vielfach als Reaktion der Wähler auf Taylors Drohung interpretiert, den Krieg im Falle einer Wahlniederlage fortzusetzen.
Mit der Wahl waren die politischen Spaltungen aus der Zeit des Bürgerkrieges ebenso wenig überwunden wie die durch den Krieg verschärften ökonomischen und sozialen Probleme Liberias. Die politische Herrschaftsform unter Taylor ist nur formal diejenige einer präsidialen Demokratie; de facto ist die Herrschaft personalistisch und repressiv. Spontane Kabinettsauflösungen oder auch die direkte Unterstellung von so genannten Anti Terrorist Units (ATU) oder Special Security Services (SSS) unter Präsident Taylor stehen für diese Regierungspraxis. Beide Einheiten, ATU und SSS, sind wegen zahlloser Rechtsbrüche und Menschenrechtsverletzungen bis hin zu extralegalen Tötungen berüchtigt, können aber mit rechtsstaatlichen Mitteln nicht effektiv belangt werden. Unrechtmäßige Gewaltanwendungen waren bereits unter der Herrschaft Präsident Does verbreitet und sind bis heute auf der Ebene der staatlichen Institutionen üblich.
Nicht nur die politischen Herrschaftspraktiken blieben, gemessen an demokratischen und rechtsstaatlichen Normen, unbefriedigend, auch der wirtschaftliche Zustand Liberias blieb schlecht. Im Krieg von 1989 bis 1996 hatte sich eine Kriegsökonomie entwickelt, in deren Rahmen die politische Macht nur eine von mehreren umkämpften Ressourcen war. Plünderungen, Demontage von Produktionsmitteln, Raubbau, illegaler Handel mit Waffen, Drogen und Diamanten, vor allem aber die kriegsbedingte Instabilität und die vielfachen Flüchtlingsbewegungen brachten die reguläre Wirtschaft zum Erliegen. Die Infrastruktur ist noch immer weitgehend zerstört, selbst in der Hauptstadt Monrovia ist die Versorgung mit Elektrizität und Trinkwasser nicht gegeben. Eines der wenigen neuen Gebäude in Monrovia ist die Präsidentenvilla. Außerhalb der sie umgebenden, sieben Meter hohen Mauer leben 80 Prozent der Bevölkerung unterhalb der Armutsgrenze, die durchschnittliche Lebenserwartung liegt bei nur 51 Jahren. Die Wirtschaftspolitik Taylors, gekennzeichnet vor allem durch WTO-konforme Liberalisierungen, vermochte diesen Problemen nicht beizukommen. Der Armut der Bevölkerung und der desolaten wirtschaftlichen Lage stehen Einnahmen aus dem Verkauf illegal erworbener Diamanten gegenüber, die allerdings nicht in den öffentlichen Haushalt einfließen. Sie stammen aus Tauschgeschäften Taylors mit der RUF, die im benachbarten Sierra Leone gegen die Regierung kämpft. Mit "Konflikt-Diamanten" bezahlte die RUF die liberianische Regierung für die Bereitstellung militärischer Unterstützung und grenznaher Rückzugsgebiete. Diese, von einer UN-Untersuchung im Dezember 2000 bestätigten, Beziehungen verstießen gegen die von den UN über Liberia und Sierra Leone verhängten Embargos. Aus diesem Grund verabschiedete der UN-Sicherheitsrat im März 2001 die Resolution 1343, welche Strafmaßnahmen gegen Liberia beinhaltet und den Diamantenexport aus Liberia stoppen soll.
Mit ihrer Unterstützung der RUF hatte sich die liberianische Regierung damit nicht nur in Konflikt mit Sierra Leone, sondern auch mit der internationalen Staatengemeinschaft begeben. Darüber hinaus drohte auch der außenpolitische Konflikt mit dem Nachbarstaat Guinea zeitweise zu eskalieren. Beide Länder hatten sich gegenseitig beschuldigt, die Rebellenunruhen im jeweils anderen Land zu unterstützen oder zu verantworten.
Vor dem Hintergrund dieser insgesamt krisenhaften Situation Liberias kam es zuerst 1999, dann vermehrt im Jahr 2000 und weiterhin im Berichtsjahr 2001 zu gewaltsamen Auseinandersetzungen im Land. Liberianische Rebellen lieferten sich Kämpfe mit Regierungstruppen und konnten monatelang die Kontrolle über Städte im nördlichen Lofa-County gewinnen. Identität und Ziele der Rebellen blieben weitgehend unbekannt. Im Sommer 2000 trat dann eine Gruppe namens Liberians United for Reconciliation and Democracy (LURD) an die Öffentlichkeit, deren Anführer Joe Wylie als Ziel den Sturz der Regierung Taylor angab. Wahrscheinlich ist, dass es sich um Kämpfer von im Bürgerkrieg unterlegenen Gruppen wie zum Beispiel der United Liberation Movement (ULIMO) handelt, die sich nach Guinea und Sierra Leone zurückgezogen hatten. Die Regierung reagierte mit massiven militärischen Gegenoffensiven und beschuldigte sowohl die liberianische Opposition als auch Guinea, für die Rebellenübergriffe verantwortlich zu sein. Die Spannungen zwischen den beiden Ländern nahmen dabei zum Jahreswechsel 2000/2001 so weit zu, dass Liberia im Januar 2001 seinen Botschafter aus Guinea abzog. Im Februar 2001 fanden in den Grenzgebieten auf guineischem Gebiet schwere Gefechte statt, an denen liberianische Rebellen beteiligt waren. Im Norden Liberias wurde im März um die von Rebellen gehaltene Stadt Voinjama gekämpft. Im April weiteten sich die Kämpfe aus: Rebellen, die von Guinea aus nach Liberia eingedrungen sein sollen, kämpften in den Städten Foya, Kolahun und Vahun gegen Regierungstruppen. Aufgrund einer weiteren Ausdehnung der Kämpfe bis hin zur zentralen Stadt Gbarnga sind nach Angaben des United Nations High Commissioner for Refugees (UNHCR) 60.000 Menschen geflohen. Im Juli gab die Regierung an, dass bei Zusammenstößen im nördlichen Lofa-County zunächst 25, dann weitere 15 Rebellen getötet worden seien. Während die Regierung im August vermeldete, dass ihre Truppen Foya, Kolahun, Vahun sowie Voinjama wieder eingenommen hätten, dauerten die Kämpfe insgesamt in Lofa-County an. So trafen 120 Flüchtlinge aus Lofa-County in Guinea ein, die aufgrund von Kämpfen in der Gegend ihres Dorfes Batazou über die Grenze geflüchtet waren. Außerdem wurde in dem Ort Kpatazu gekämpft, der vollständig niedergebrannt worden sein soll. Im September kam es zu den der Hauptstadt Monrovia am nächsten gelegenen Kämpfen, als Rebellen nur einhundert Kilometer nördlich der Hauptstadt eine Holzfirma überfielen. Nach Regierungsangaben wurden dabei vier Soldaten und zwanzig Rebellen getötet. LURD bekannte sich zu dem Überfall und begründete ihn mit dem Ziel, der liberianischen Regierung ihre Finanzierungsquellen zu nehmen und sie so nachhaltig zu schwächen. Holz ist eines der wichtigsten Exportgüter der liberianischen Wirtschaft.
In Kolahun dauerten die Kämpfe entgegen vorheriger Angaben der Regierung weiter an; im Oktober verkündete die Regierung zum wiederholten Male die Wiedereinnahme der Stadt durch Regierungstruppen. Im selben Monat bezifferte Präsident Taylor die Zahl derjenigen, die aufgrund der Kämpfe geflohen waren, auf 330.000. Seinen Angaben zufolge sind die vier nördlichen Städte Salayea, Zorzor, Voinjama und Foya gänzlich entvölkert. Die Rebellen drangen Ende November weiter vor und nahmen die Städte Belle Fassahmah und Bella Yella ein. Während die Regierung zusätzliche Truppen in die Region entsandte, sah sich die Hilfsorganisation Médecins sans Frontières (MSF) zum Abzug ihrer Mitarbeiter aus einem nahe der neuen Kampfgebiete gelegenen Flüchtlingslager gezwungen.
Während also im Berichtsjahr die Kämpfe zwischen Regierungstruppen und Rebellen mit regionaler Konzentrierung auf das nördliche Lofa-County fortgesetzt wurden, deutete sich wenigstens in den Beziehungen zu Guinea und Sierra Leone Entspannung an. Mitte August trafen sich die Außenminister der drei benachbarten Staaten in Monrovia, um ein eventuelles Gipfeltreffen der Staatspräsidenten zu erörtern.
Amnesty International beklagte mehrfach die Menschenrechtsverletzungen, die von den Kriegsbeteiligten verübt wurden. Sowohl Rebellen als auch Regierungskräfte übten massive Gewalt gegen Zivilisten aus: Tötungen, Folter, Körperverletzungen, (Massen-)Vergewaltigungen und Vertreibungen gehören zu den verbreiteten Methoden der Kriegführung. Die Zahl der zivilen Opfer solcher Übergriffe wurde allein für die drei Monate von Ende April bis Ende Juli 2001 von Amnesty International auf 200 geschätzt.
Eine grundlegende Verbesserung der Situation in Liberia und ein Ende der Kämpfe sind eingedenk der Methoden des Konfliktaustrags, wie sie sowohl von Rebellenseite als auch von Regierungsseite angewandt werden, nicht zu erwarten. Insofern kann auch den im Jahr 2003 anstehenden Präsidentschaftswahlen kaum mit Hoffnungen entgegengesehen werden. Die oppositionelle Liberia People's Party (LPP) forderte diesbezüglich im Oktober 2001 die komplette Umbesetzung der Wahlkommission, da diese parteiisch zugunsten der jetzigen Regierung agiere. Ellen Johnson-Sirleaf, die Vorsitzende der oppositionellen Unity Party, hatte bereits im Vorjahr vergeblich ein Amtsenthebungsverfahren gegen den Präsidenten angestrebt. Immerhin konnte sie im September 2001 aus dem Exil zurückkehren.
Christine Rosenbrock