Ungleicher Familienalltag durch die Corona-Pandemie
Titel: Nachhaltige Veränderungen und Ungleichheiten im Familienalltag durch die Corona Pandemie
Leitung: Prof. Dr. Katharina Manderscheid, Universität Hamburg, Robert Follmer, infas
Wissenschaftlicher Mitarbeiter: Lorenz Gaedke
Studentische Hilfskraft: Ammar Cuk
Das Forschungsprojekt soll die ungleichen Auswirkungen der Corona-Pandemie auf den Alltag von Familien aus verschiedenen sozio-ökonomischen Milieus herausarbeiten. Dabei geht es um die kurz- und mittelfristigen Folgen, die durch die Einschränkungen der Erwerbs- und Betreuungsmöglichkeiten, der sozialen Kontakte und des Freizeitangebotes in der Alltagsorganisation entstehen. Mit im Fokus stehen das subjektive Erleben und Deutungen des Geschehens durch die Betroffenen.
Das Vorhaben orientiert sich im Vorgehen an der klassischen Marienthal-Studie aus dem 1930er Jahren (Jahoda et al. 1975), bei der die Forschenden die Auswirkungen der Massenarbeitslosigkeit wie unter einem Brennglas in der Gemeinde Marienthal untersuchten. Für diese Soziographie des sich verändernden kollektiven und familialen Alltags verwendeten sie ein ganzes Bündel sozialwissenschaftlicher Erhebungsmethoden. Die Studie wurde 1988 unter dem Titel ‚Einstweilen wird es Mittag‘ von Karin Brandauer verfilmt. Sie gilt weiterhin als wegweisend für die Sozialforschung. Trotzdem sind die dort angewandte Methodenvielfalt und Innovativität des Vorgehens mitunter verloren gegangen. Diese Tradition möchten wir wiederbeleben.
Für das Projekt werden mit Bremerhaven und Schwerin zwei Städte gewählt, die bezogen auf die Einwohnerzahl ähnlich groß sind. Sie unterscheiden sich jedoch bezüglich des durchschnittlichen Einkommens und der allgemeinen Lebensverhältnisse deutlich voneinander: Während Bremerhaven als sozio-ökonomisch benachteiligt gilt und zu den infrastrukturell schlecht aufgestellten Städten zählt, weist Schwerin ein höheres durchschnittliches Haushaltseinkommen sowie eine bessere Infrastruktur auf. Ganz bewusst möchten wir dabei das übliche Ost-West-Schema durchbrechen.
Für beide Städte soll auf Basis der medialen Berichterstattung und der verfügbaren Zahlen die Zeit der Corona-Pandemie seit März 2020 rekonstruiert werden im Hinblick darauf, welche Ereignisse und Akteure in der Stadt den Diskurs prägten, welche politischen Verlautbarungen auftauchten und wie sich die Fallzahlen entwickelten. Mit einer standardisierten Erhebung sollen in beiden Städten jeweils aus einem eher wohlhabenden und einem eher ärmeren Stadtteil die Bewohner*innen befragt werden. In Ergänzung und als Vertiefung werden ausgewählte Familien in offenen Interviews zu ihrer veränderten Alltags- und Lebenssituation befragt und dabei ihre Lebensumwelten auch fotografisch dokumentiert. Je nach Fortgang der Pandemie werden die Erhebungen zu einem späteren Zeitpunkt wiederholt und mit Beobachtungen vor Ort ergänzt und vertieft.
Beteiligt an dem Projekt soll außerdem ein Filmteam sein, das ausgewählte Familien über den Zeitraum des Projektes wiederholt filmisch begleitet, aber auch das Tun des Forschungsteams einbezieht. Auf diese Weise werden die quantitativen und qualitativen sozialwissenschaftlichen Zugänge ergänzt um eine audiovisuelle Perspektive. Zudem können so die Ergebnisse und ihre Entstehung einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden.
Finanzierung: VW Stiftung
Dauer: Februar 2021 bis Juli 2022
Projektergebnisse:
Gaedke, Lorenz; Manderscheid, Katharina (2021): Ungleicher Familienalltag durch die Corona-Pandemie. Vortrag Im Rahmen eines digitalen Kolloquiums zum Thema soziologische Perspektiven auf die Corona-Krise, Wissenschaftszentrum Berlin (WZB), 17. November. Der Vortrag ist auch als Podcast verfügbar.
Institut für angewandte Sozialwissenschaft GmbH (infas)/Universität Hamburg (2022): Familienalltag in der Corona-Pandemie – Vergleichende Perspektive von Eltern und Kindern. Projektreport 01, März, Bonn.
Gaedke, Lorenz; Manderscheid, Katharina (2022): Ungleicher Familienalltag durch die Corona-Pandemie. Verschriftlichung des Vortrags im Jugendhilfeausschuss in Bremerhaven am 9. März 2022, Hamburg.
Gaedke, Lorenz; Manderscheid, Katharina (2022): Ergebnispaper Familienalltag und Corona. Kurzpaper zu den Ergebnissen des qualitativen Projektteils, August 2022.
Lorenz Gaedke; Ammar Ćuk; Katharina Manderscheid (2022): Ungleicher Familienalltag durch die Corona-Pandemie. WiSo-HH Working Paper Series. Hamburg (72). Online verfügbar unter http://hdl.handle.net/10419/267218.