In einer Zeit, in der Gefahren zusehends unvorhersehbar erscheinen, untersucht das Projekt, wie „situative Aufmerksamkeit“ („situational awareness“) zu einer Schlüsselanforderung urbaner Sicherheit wird. Anders als die zukunftsorientierte Vorhersage, die Prävention oder der Gefahrenvorgriff erfordert Situative Aufmerksamkeit die Konzentration auf das Hier und Jetzt. Sie verlangt Geistesgegenwart und Feingefühl, das heißt die Fähigkeit, Situationen zu lesen und unmittelbar zu reagieren, um das nächste möglicherweise hereinbrechende Ereignis abzuwenden. In längerfristiger Perspektive kann das Auftauchen des Konzeptes als Antwort auf eine Krise des modernen Sicherheitsversprechens verstanden werden; doch befördert wurde der Aufstieg des Konzeptes vor allem angesichts der jüngsten Erfahrungen einer neuen Form des Terrorismus, der Einzug ins urbane Leben erhalten hat. Als eine Taktik, Bedrohungen im städtischen Raum zu begegnen, stellt Situative Aufmerksamkeit sich als die zivile Version einer bewährten militärischen Praxis und zugleich als eine praktische Konkretisierung von Resilienz im Feld der Sicherheit dar.
Drei übergreifende Fragen leiten die Forschung an: Wie formt Situative Aufmerksamkeit Konzeptionen und Praktiken der Sicherheit? Wie verändert sich die Wahrnehmung einer „verletzlichen Stadt“ und die Nutzung des öffentlichen Raumes? Und welche Formen der Subjektivität und der Kollektivität bringt die Relevanz von Situativer Aufmerksamkeit in Gesellschaften der Gegenwart hervor? Das Projekt untersucht die Hinwendung zu Situativer Aufmerksamkeit insbesondere anhand der empirischen Analyse der jüngst in Deutschland aufgelegten Polizeitrainings, die Bundes- und Landespolizeibeamte darauf vorbereiten sollen, mit „lebensbedrohlichen Einsatzlagen“ umzugehen; indem es den transnationalen und translokalen Transfer von Wissen und strategischen Konzepten nachzeichnet; und indem es in Augenschein nimmt, wie sich die Gestaltung des urbanen Raums unter Bedingungen terroristischer Bedrohungen verändert. Das Projekt versteht sich auch als ein Beitrag zur oft unterschätzten Frage der Sicherheit und des Umgangs mit Risiken in der Gegenwart.