Juliane Lischka: „Es ist spannend, Forschungsergebnisse mit Leuten aus der journalistischen Praxis zu diskutieren.“
1. September 2020, von Paul Meerkamp
Von Zürich nach Hamburg: Juliane Lischka tritt in Hamburg die Professur für Digitalen Journalismus an. Im Interview spricht sie über aktuelle Forschungsthemen und ihre Pläne für die Lehre.
Frau Lischka, seit wann beschäftigt Sie das Thema Digitalisierung im Journalismus schon und warum?
Meine wissenschaftliche Karriere begann vor elf Jahren in der Abteilung „Medienökonomie und Management“. Da haben wir uns mit der Frage beschäftigt, warum Medienprodukte am Markt versagen. Während ich meinen Doktor gemacht habe, wurde der Trend hin zur Digitalisierung für journalistische Produkte immer herausfordernder. Mit dem Platzen der Dotcom-Blase im Jahr 2000 brachen die Werbeeinnahmen stark ein, mit der Weltwirtschaftskrise 2008/2009 dann wieder. Ich habe mich also erstmal aus einer medienökonomischen Perspektive mit dem Thema beschäftigt. Mit der Zeit fiel mein Fokus stärker auf die Nachrichtenorganisation. Journalismus ist ein Medienprodukt, das möglichst positive Effekte auf die Gesellschaft haben soll. Das treibt wahrscheinlich alle Forscherinnen und Forscher in der Journalistik um: Wie kriegen wir es hin, dass die Nachrichtenproduktion nützlich ist für eine gesunde Demokratie?
Haben Sie ein bestimmtes Thema, dass Sie in der kommenden Zeit auf jeden Fall beforschen möchten?
Ja, eigentlich sind es zwei. Im Moment werden Empfehlungsalgorithmen, sogenannte Recommender-Systeme, ein „heißes Thema“ für den Journalismus. Wie müssen die designt sein, damit sie Menschen nicht in einer Filterblase verschwinden lassen und ihnen nur das empfehlen, was ihrer eigenen Meinung entspricht? Da bin ich gerade in einem Forschungsprojekt involviert, das untersucht, welchen gesellschaftlichen Nutzen Diversität in Recommender-Systemen hat. Damit möchte ich mich gerne in Hamburg weiter beschäftigen.
Und das zweite Thema auf Ihrer Liste?
Es gibt einen plakativen Ausdruck für neue Technik-Berufe in Nachrichtenorganisationen: News-Nerds. Wenn man so will, sind das diejenigen, die mit der technischen Seite der Nachrichtenproduktion vertraut sind, die RedaktionstechnologInnen. Das ist eine Berufsgruppe, die schon seit einigen Jahren stärker in Redaktionen integriert wird und wo aus meiner Sicht noch Forschungsbedarf besteht. Das wird spannend, zu sehen, wie solche neuen Berufe und Rollen die journalistische Arbeit und Kultur verändern.
Würden Sie sagen, Corona beschleunigt die Digitalisierung?
Ja, das ist ganz verschiedenen Bereichen des Journalismus der Fall. Es ist noch wichtiger geworden, möglichst schnell und verständlich Informationen oder Daten aufbereiten zu können. Das stärkt das Rollenverständnis derer in Redaktionen, die technologische und journalistische Kompetenzen in sich vereinen. Und man sieht auch wieder: Werbefinanzierung ist anfällig für Krisen. Corona kam noch zu dem allgemeinen Trend hinzu, dass Werbeerlöse eher zu Facebook oder Google gehen, und verschiedene Branchen haben ihre Werbebudgets eingefroren.
Das kommende Semester wird wegen Corona anders als wir alle noch Anfang des Jahres dachten. Worauf dürfen sich die Studierenden in Ihren Veranstaltungen trotzdem freuen?
Ich finde es wichtig, dass man auf dem aktuellen Stand der Forschung ist und immer den Rückbezug zur Theorie und zur Praxis herstellen kann. Um eine Reflexionskompetenz entwickeln zu können, braucht man theoretisches Wissen. Und ich weiß aus meiner Erfahrung in der Schweiz, dass es sehr spannend ist, Theorien und Forschungsergebnisse mit Leuten aus der journalistischen Praxis zu diskutieren. Und wenn ich studentische Abschlussarbeiten betreue, die Publikationspotenzial haben, versuche ich eine Veröffentlichung voranzutreiben.
Gibt es etwas, was Sie Ihren neuen KollegInnen und Studierenden vorab sagen möchten, bevor das neue Semester beginnt?
Ich habe mir sagen lassen, dass in Hamburg viele Studierende in den Journalismus gehen möchten. Da freue ich mich sehr auf den Austausch und denke, das wird auch zu sehr interessanter Forschung führen, die eine Brücke zwischen Forschung und Praxis schlägt.
Herzlichen Dank für das Gespräch und willkommen in der Hamburger JKW!