Qualität im Gesundheitsjournalismus
Patient Gesundheitsjournalismus?
Dem Gesundheitsjournalismus kommt heute eine wachsende Bedeutung zu. Verantwortlich dafür sind vor allem drei Entwicklungen: Der Gesundheitsmarkt wächst kräftig, die Gesundheitspolitik ist umkämpft wie kaum ein anderes Politikfeld und das Gesundheitsbewusstsein vieler Menschen nimmt zu. Die Medienbranche reagiert auf diese Trends, indem beispielsweise Verlage neue Zeitschriftentitel auf den Markt bringen, Tageszeitungen ihre Ratgeber-Berichterstattung ausbauen, Rundfunksender wie die ARD ihr Programm in einschlägigen Themenwochen und Sendungen gesundheitlichen Fragen widmen.
Bei ihrer Arbeit für diese Formate werden Gesundheitsjournalisten mit vielfältigen und zum Teil widersprüchlichen Erwartungen konfrontiert: Leser, Hörer, Zuschauer und Internet-Nutzer erwarten die verständliche und Nutzwert bietende Vermittlung von Informationen für das Vorbeugen und Behandeln von Krankheiten; Verlage konzipieren neue Magazine und prüfen die Auflagenentwicklung und das Anzeigenvolumen; Berufsverbände erwarten die kritische Begleitung und Kontrolle der Akteure der Gesundheitspolitik und der Gesundheitswirtschaft; die PR-Profis der Pharmakonzerne wollen ihre Botschaften in der Berichterstattung platzieren; Forscher erwarten die korrekte Darstellung komplexer Ergebnisse medizinischer Studien; Behörden wie die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung hoffen auf eine Unterstützung ihrer Bemühungen der Gesundheitserziehung und Gesundheitsförderung.
Wie kann in diesem Geflecht der Interessen die Qualität im Gesundheitsjournalismus gesichert werden? Welche Folgen hat es, wenn Medienhäuser trotz der zunehmenden Wertschätzung des Gesundheitsjournalismus die redaktionellen Ressourcen verknappen, während Unternehmen und Verbände ihre Öffentlichkeitsarbeit weiter professionalisieren? Wie wirken sich der hohe Aktualitätsdruck und die wachsende Unübersichtlichkeit im Internet aus? Welche Erkenntnisse aus der Kommunikationswissenschaft und der journalistischen Praxis helfen bei der Bestimmung gesundheitsjournalistischer Qualität? Mit diesen Fragen beschäftigte sich das Team der Rudolf-Augstein-Stiftungsprofessur für mehrere Jahre.
- Dabei wurden 2009 zum Beispiel die invasiven PR-Maßnahmen der Pharmaindustrie und die Folgen für den Journalismus analysiert. Bei einer Fachkonferenz zum Verhältnis von Journalismus und PR, die vom Team der Rudolf-Augstein-Stiftungsprofessur in Kooperation mit Netzwerk Recherche e.V. organisiert wurde, wurden diese Fragen vertieft.
- 2011 haben wir im Auftrag eines großen deutschen Verlagshauses die Qualität der Gesundheitsberichterstattung in ausgewählten Zeitungen des Verlages untersucht, im Anschluss wurden weitere deutsche Tageszeitungen in die Analyse einbezogen. Erste Ergebnisse dieser Studie wurden bei der Tagung "Mediale Gesundheitskommunikation: Befunde, Entwicklungen und Herausforderungen eines interdisziplinären Forschungsfeldes" des Netzwerks Gesundheitskommunikation im März 2012 in München der Fachöffentlichkeit vorgestellt. Dennis Reineck fasst die Ergebnisse in seinem Aufsatz "Placebo oder Aufklärung mit Wirkpotenzial? Eine Diagnose der Qualität der Gesundheitsberichterstattung in überregionalen Tageszeitungen" in unserem Sammelband (2014) zusammen.
- Jüngst haben wir an einem umfangreichen Sammelband zur Qualität im Gesundheitsjournalismus gearbeitet, für den wir sowohl Kommunikationswissenschaftler als auch Fachjournalisten als Autorinnen und Autoren gewinnen konnten. Das Buch ist im Sommer 2014 im Springer VS Verlag erschienen.
- Dauer: 2009 - 2014
- Projektleitung: Prof. Dr. Volker Lilienthal