Forschungsfeld I: Der überforderte Staat
1. EINFÜHRUNG
„Angesichts der heftigen Auseinandersetzungen um die künftige Gestalt des deutschen Gemeinwesens erscheint es heute kaum mehr verfehlt, von einer ‚Krise der Staatlichkeit‘ in Deutschland zu sprechen. So führen die Folgen der Vereinigung und die immer deutlicheren Konsequenzen des europäischen Integrationsprozesses zu unguten Polarisierungen, überdecken Verteilungskämpfe die positiven Routinen des deutschen Regierungssystems und verliert ‚der Staat‘, verstanden als die Gesamtheit der öffentlichen Einrichtungen und ihrer Handlungsweisen, an Akzeptanz und Leistungsfähigkeit. Auch wirkt die Regierung, in Koalitionsstreitigkeiten befangen, nahezu gelähmt und – wie die Opposition – unfähig, zukunftsbezogene Konzepte zu definieren oder umzusetzen, kämpft das parlamentarische System angesichts zahlreicher Skandale um seine Glaubwürdigkeit, sind die Parteien dem Vorwurf ausgesetzt, den Staat zu ursupieren“ (Ellwein/Hesse 1997: 7). Diese vor fast drei Jahrzehnten ausgesprochene Diagnose lässt sich heute – angesichts der multiplen Krisen, der sich die deutsche Politik gegenübergestellt sieht: der Klima-Krise kaum noch einzuhaltender Klimaziele, der Bildungskrise angesichts maroder Schulen und miserabler PISA-Ergebnisse, der sozialen Krise angesichts einer zunehmenden Einkommens- und Vermögenspolarisierung und hoher Armutsrisiken, der politischen Krise angesichts steigendem Zuspruch für radikale Parteien – zu einem eklatanten Politik- und Regierungsversagen zuspitzen. Ökonomisch ausgedrückt gelingt es der demokratisch verfassten deutschen Politik immer weniger, die für eine sozial-ökologisch angemessene Entwicklung benötigten öffentlichen Güter – Bildung, Umweltschutz, öffentliche Infrastrukturen, soziale und öffentliche Sicherheit – in gewünschtem Umfang bereitzustellen.
Obwohl die Krisenhintergründe ebenso vielfältig sind wie die multiplen Krisen selbst, sind eingeschränkte finanzpolitische Handlungsmöglichkeiten zweifellos Teil des Problems: Einerseits steigen die Ansprüche an den Staat – also die Nachfrage nach öffentlichen Gütern als Voraussetzung für eine weiterhin gesicherte private Real- und stabile Finanzwirtschaft – bei gleichzeitigen Saturationserscheinungen auf vielen Märkten privater Güterproduktion merklich, andererseits gibt es erhebliche Probleme bei der Bereitstellung der notwendigen finanziellen Ressourcen. In Abbildung 1 wird deutlich, wie die öffentlichen Ausgaben nach dem temporären Anstieg während akuter krisenhafter Entwicklungen (Weltfinanzkrise, Corona-Pandemie) oder extremer Sonderentwicklungen (deutsche Wiedervereinigung) immer wieder zurückgeführt werden und dies mit einer im Trend fallenden Netto-Neuverschuldungs- und öffentlichen Investitionsquote korreliert. Abb. 1 zeigt aber auch das Zusammenfallen der Konsolidierungsbemühungen durch fiskalische Sparmaßnahmen mit politisch initiierten Beschränkungen der Finanzpolitik im Rahmen des insbesondere von Deutschland vorangetriebenen Europäischen Stabilitäts- und Wachstumspaktes (ESWP) und der Festschreibung einer Schuldenbremse im Grundgesetz.
Abbildung 1: Entwicklung der Staatsquote und der Netto-Neuverschuldung (Maastricht-Kriterium) seit 1990 in % des BIP
Fiskalische Maßnahmen, oft als politische Reaktionen auf wirtschaftliche Herausforderungen umgesetzt, werden im Bereich der politischen Ökonomie intensiv untersucht. Dieses Forschungsfeld zielt darauf ab, in die komplexen Dynamiken einzutauchen, die der politischen Ökonomie der Finanzpolitik im Allgemeinen und der fiskalischen Sparmaßnahmen (Austerität) im Besonderen zugrunde liegen, um ihre Ursprünge, Auswirkungen und unterschiedlichen Effekte auf verschiedene gesellschaftliche Sektoren zu erforschen. Während Regierungen mit wirtschaftlichen Unsicherheiten ringen, spielen die von ihnen getroffenen Entscheidungen im Bereich der Fiskalpolitik eine entscheidende Rolle bei der Gestaltung des soziopolitischen Umfelds. Das Verständnis der vielschichtigen Interaktionen zwischen politischen Institutionen, wirtschaftlichen Akteuren und Sparmaßnahmen ist entscheidend, um die breiteren Auswirkungen auf Governance, öffentliche Stimmung und die allgemeine wirtschaftliche Stabilität zu entschlüsseln.
Die Entscheidung zur Umsetzung von fiskalischer Sparpolitik ist nicht nur eine wirtschaftliche Kalkulation; sie ist tief mit politischen Überlegungen und Machtverhältnissen verflochten. Wissenschaftler haben argumentiert, dass die politische Ökonomie der fiskalischen Sparmaßnahmen ein komplexes Zusammenspiel zwischen gewählten Amtsträgern, bürokratischen Institutionen und den Wählern ist (Alesina & Perotti, 1995; Drazen, 2000). Wenn Regierungen mit der Notwendigkeit der Haushaltsdisziplin konfrontiert werden, entstehen Fragen hinsichtlich der Verteilungseffekte von Sparmaßnahmen, ihrer Auswirkungen auf Sozialprogramme und der daraus resultierenden Rückkopplungseffekte auf das politische Umfeld (Guajardo, Leigh & Pescatori, 2014). Darüber hinaus fügt die Untersuchung der Rolle internationaler Institutionen in der Gestaltung und Beeinflussung nationaler Entscheidungen zu Sparmaßnahmen dieser Forschung eine weitere Schicht an Komplexität hinzu (Hollyer, Rosendorff & Vreeland, 2011).
Dieses Forschungsfeld zielt darauf ab, zum vorhandenen Literaturkorpus beizutragen, indem es eine nuancierte Analyse der politischen Ökonomie der fiskalischen Sparpolitik bietet. Durch die Synthese von Erkenntnissen aus verschiedenen Disziplinen wie Politikwissenschaft, Soziologie und Wirtschaftswissenschaften soll diese Forschung ein umfassendes Verständnis dafür vermitteln, wie politische Faktoren die Gestaltung, Umsetzung und Folgen von Sparmaßnahmen beeinflussen.
2. RELEVANZ
Dieses Forschungsfeld hat eine erhebliche Bedeutung, insbesondere vor dem Hintergrund der bereits gelegten Grundlagen durch die Arbeit mit dem Titel "The Welfare State and liberal Democracy – a Political-Economy Approach" (Heise & Khan 2019). Während die genannte Arbeit ein grundlegendes Verständnis des Themas bietet, zielt unsere Forschung darauf ab, dieses Wissen zu erweitern und zu vertiefen, indem sie die politische Ökonomie der fiskalischen Sparpolitik genauer erforscht.
Erstens behandelt die Studie die zeitgenössische Sorge um die Auswirkungen von Sparmaßnahmen auf die Wohlfahrt, wobei der Fokus insbesondere auf Deutschland und anderen europäischen Ländern liegt. Durch den Aufbau auf dem vorhandenen Diskurs sollen unsere Erkenntnisse ein nuancierteres Verständnis der komplexen Beziehungen zwischen fiskalischen Entscheidungen und dem Wohlbefinden der Gesellschaft bieten. Diese tiefere Untersuchung ist für politische Entscheidungsträger, die mit der Herausforderung konfrontiert sind, Haushaltsdisziplin zu wahren, während sie einen sozial gerechten und unterstützenden Staatsapparat aufrechterhalten, unerlässlich.
Zweitens trägt unsere Forschung zu einem umfassenderen Verständnis von liberalen Demokratien bei, indem sie sich mit der spezifischen Rolle der Eliten bei der Gestaltung der Dynamik der fiskalischen Sparpolitik auseinandersetzt. Indem unsere Studie die entscheidende Rolle einflussreicher Akteure in Entscheidungsprozessen anerkennt, versucht sie, zusätzliche Ebenen der Komplexität aufzudecken, die in früheren Forschungen möglicherweise nicht vollständig berücksichtigt wurden. Dieser Aspekt ist entscheidend für die Verfeinerung unseres Verständnisses davon, wie Machtstrukturen innerhalb von Demokratien wirtschaftliche Politiken beeinflussen.
Jenseits ihrer akademischen Beiträge hat diese Forschung praktische Implikationen für politische Entscheidungsträger. Durch eine detaillierte Erkundung des Themas und die Aufdeckung von Mustern und Variationen in den Auswirkungen von Sparmaßnahmen bietet unsere Studie praktische Einblicke für die Formulierung informierter und gerechter Fiskalpolitiken. Politiker können diese Erkenntnisse nutzen, um die Komplexitäten der Haushaltsentscheidungen zu navigieren und dabei einen Ausgleich zwischen wirtschaftlicher Disziplin und Überlegungen für das gesellschaftliche Wohlbefinden und die Gleichheit zu finden.
Zusammenfassend liegt die Bedeutung dieser Forschung darin, auf dem vorhandenen Wissensfundament aufzubauen und einen detaillierteren und nuancierteren Ansatz zur Erforschung der politischen Ökonomie der fiskalischen Sparpolitik im Kontext liberaler Demokratien zu wählen.
3. ZUKÜNFTIGE AUSSICHTEN DES PROJEKTS
Die zukünftigen Perspektiven der Forschung zur politischen Ökonomie der fiskalischen Sparpolitik, mit Schwerpunkt auf den Auswirkungen auf die Wohlfahrt und dem Beitrag der Eliten, bieten mehrere Möglichkeiten für weitere Erforschung und Entwicklung. Hier sind potenzielle Bereiche für zukünftige Forschung:
Vergleichende Analyse zwischen Ländern:
Erweiterung der Analyse, um eine breitere Palette von Ländern einzubeziehen und ein umfassenderes Verständnis dafür zu bieten, wie politische und wirtschaftliche Faktoren in unterschiedlichen Kontexten interagieren. Vergleichende Studien könnten Ähnlichkeiten, Unterschiede und Muster hervorheben, die über nationale Grenzen hinweggehen.
Längsschnittstudien:
Durchführung von Längsschnittstudien, um die Entwicklung von fiskalischen Sparmaßnahmen und deren Auswirkungen im Laufe der Zeit zu verfolgen. Dieser Ansatz könnte Trends aufzeigen, politische Richtungswechsel identifizieren und zu einem dynamischeren Verständnis der Beziehung zwischen politischen Entscheidungen, Elitenbeiträgen und Wohlfahrtsresultaten beitragen.
Tiefgehende Fallstudien:
Durchführung von tiefgehenden Fallstudien zu bestimmten Ländern, um kontextspezifische Nuancen und Dynamiken aufzudecken. Die detaillierte Untersuchung bestimmter Fälle kann wertvolle Einblicke in die Faktoren bieten, die politische Entscheidungen beeinflussen, und die vielfältigen Auswirkungen auf Wohlfahrtsprogramme.
Verhalten und Entscheidungsfindung der Eliten:
Untersuchung der Rolle der Eliten bei der Gestaltung von Fiskalpolitiken. Es wird untersucht, wie das Verhalten, die Vorlieben und die Interaktionen der Eliten die Ausarbeitung und Umsetzung von Sparmaßnahmen beeinflussen. Dies könnte qualitative Forschungsmethoden wie Interviews und Fallstudien beinhalten, um ein nuancierteres Verständnis der Entscheidungsfindung der Eliten zu erlangen.
Öffentliche Wahrnehmung und politische Dynamik:
Untersuchung der öffentlichen Wahrnehmung von Sparmaßnahmen und wie sie die politische Dynamik beeinflusst. Das Verständnis, wie Bürger auf politische Entscheidungen reagieren, insbesondere solche, die das Wohlergehen betreffen, kann Aufschluss über die Nachhaltigkeit und Legitimität solcher Politiken in demokratischen Gesellschaften geben.
Rolle internationaler Institutionen:
Erforschung der Rolle internationaler Institutionen bei der Gestaltung von Fiskalpolitiken und Sparmaßnahmen. Analysieren Sie, wie globale wirtschaftliche Kräfte und internationale Abkommen die Entscheidungen nationaler Regierungen beeinflussen, insbesondere vor dem Hintergrund einer globalisierten Welt.
Politische Alternativen und Empfehlungen:
Ausarbeitung und Bewertung alternativer Politikansätze, um Haushaltsdisziplin mit Zielen der sozialen Wohlfahrt in Einklang zu bringen und die negativen Auswirkungen von Sparmaßnahmen auf gefährdete Bevölkerungsgruppen mildern können.
Interdisziplinäre Perspektiven:
Förderung der Zusammenarbeit zwischen Disziplinen wie Politikwissenschaft, Wirtschaftswissenschaft und Soziologie, um vielfältige Perspektiven in die Forschung einzubringen. Interdisziplinäre Ansätze können die Analyse bereichern und ein ganzheitlicheres Verständnis der komplexen Interaktionen ermöglichen.
4. FORSCHUNGSFRAGEN
Durch die Erkundung dieser zukünftigen Forschungsrichtungen können Wissenschaftler zu einem nuancierteren und umfassenderen Verständnis der politischen Ökonomie der fiskalischen Sparpolitik und ihrer Auswirkungen auf Wohlfahrt und gesellschaftliches Wohlbefinden beitragen. Es ergeben sich zahlreiche Forschungsfragen, von denen hier nur einige angedeutet werden können. Sie lassen sich nach Policy-Ebene (Funktionalität und Wirkung), Polity-Ebene (Institutionalisierung) und Politics-Ebene (Interessenbezug) unterteilen.
Policy-Ebene:
Gibt es Beispiele für erfolgreiche fiskalische Konsolidierungen? Welche Faktoren waren ausschlaggebend?
Welche Rolle spielen Marktkonstellationen bzw. Regime für die Ergebnisse von Austeritätsprogramme?
Was sind die differenzierten Auswirkungen verschiedener Sparmaßnahmen auf spezifische Wohlfahrtsprogramme, und wie beeinflussen diese Konsequenzen gefährdete Bevölkerungsgruppen unter Berücksichtigung von Faktoren wie Einkommensungleichheit und sozialer Gerechtigkeit?
Polity-Ebene:
Auf welche Weise beeinflusst die Globalisierung, einschließlich wirtschaftlicher Interdependenz und internationalen Handels, die Entscheidungen nationaler Regierungen zu fiskalischen Sparmaßnahmen, insbesondere im Hinblick auf Wohlfahrtsprogramme?
Welche Krisenbewältigungsstrategien wenden liberale Demokratien in wirtschaftlichen Herausforderungen an, und wie beeinflussen diese Strategien die anschließende Ausarbeitung und Umsetzung von fiskalischen Sparmaßnahmen?
Können innerhalb der Grenzen von fiskalischer Sparpolitik innovative Politikansätze entwickelt werden, um wirtschaftliche Stabilität zu erreichen und gleichzeitig soziale Wohlfahrtsziele zu bewahren oder zu verbessern? Was sind die Merkmale solcher innovativen Politiken?
Inwieweit steht die wirtschaftliche Resilienz von Ländern nach Sparmaßnahmen in Beziehung zur Inklusivität der Sparmaßnahmen und zur Fähigkeit der Gesellschaften, sich zu erholen und sich an neue wirtschaftliche Realitäten anzupassen?
Politics-Ebene:
Wie entwickeln sich die Beiträge der Eliten zu fiskalischen Sparmaßnahmen im Laufe der Zeit, und welche Faktoren beeinflussen die dynamische Natur der Beteiligung der Eliten an wirtschaftlichen Entscheidungen?
Inwieweit beeinflusst die öffentliche Meinung zu Sparmaßnahmen die Legitimität dieser Politiken, und wie wirkt sich dies auf die Nachhaltigkeit von fiskalischer Sparpolitik in liberalen Demokratien aus?
Wie wirken Elite-Netzwerke, um Entscheidungen zur Fiskalpolitik zu beeinflussen, und wie wirkt sich der grenzüberschreitende Einfluss dieser Netzwerke auf die Gestaltung von Sparmaßnahmen aus?
Was motiviert Eliten dazu, zu fiskalischen Sparmaßnahmen beizutragen oder sich dagegen zu wehren, und wie stimmen oder unterscheiden sich ihre Motivationen von breiteren gesellschaftlichen Interessen und wirtschaftlichen Zielen?
5. LITERATURÜBERSICHT
Eine umfassende Literaturübersicht zur politischen Ökonomie der fiskalischen Sparpolitik mit Fokus auf den Auswirkungen auf Wohlfahrt und den Beitrag der Eliten zeigt einen reichen Fundus an Forschung über mehrere Jahrzehnte. Diese Übersicht synthetisiert Schlüsselerkenntnisse sowohl aus klassischen als auch aus zeitgenössischen Studien und bietet Einblicke in das komplexe Zusammenspiel zwischen politischen Entscheidungen, wirtschaftlichen Politiken und gesellschaftlichem Wohlbefinden.
Klassische Mainstream-Studien:
Frühe Arbeiten wie die von Alesina und Perotti (1995) legten den Grundstein für das Verständnis von Entscheidungen zur Fiskalpolitik. Alesina und Perottis Studie über fiskale Ausweitungen und Anpassungen in OECD-Ländern etablierte einen Rahmen für die Analyse der politischen Faktoren, die diese Politikentscheidungen beeinflussen. Ihre Ergebnisse unterstrichen die Rolle von Wahlzyklen und politischen Motivationen bei der Gestaltung von Fiskalentscheidungen und legten so den Grundstein für weitere Forschungen zur politischen Ökonomie der Sparpolitik.
Die Arbeit von Drazen (2000) zum politischen Konjunkturzyklus lieferte weitere Erkenntnisse über die Motivationen hinter Fiskalpolitiken. Drazen untersuchte die zyklische Natur politischer Entscheidungen und betonte die Herausforderungen, vor denen Entscheidungsträger während Wahlperioden stehen, um fiskalische Disziplin zu wahren. Diese klassische Perspektive bleibt relevant für das Verständnis des breiteren Kontexts, in dem Sparmaßnahmen umgesetzt werden.
Zeitgenössische Studien:
Neuere Forschung hat auf diesen klassischen Grundlagen aufgebaut und spezifische Aspekte der politischen Ökonomie der fiskalischen Sparpolitik vertieft. Die Studie von Guajardo, Leigh und Pescatori (2014) zur expansiven Sparpolitik fügte eine nuancierte Ebene hinzu, indem sie die internationalen Dimensionen von Sparmaßnahmen untersuchte. Ihre Ergebnisse stellten herkömmliche Weisheiten in Frage, indem sie nahelegten, dass bestimmte Sparmaßnahmen das Wirtschaftswachstum stimulieren könnten. Dies betont die Notwendigkeit eines differenzierteren Verständnisses der Konsequenzen.
Hollyer, Rosendorff und Vreeland (2011) trugen zur Literatur bei, indem sie die Beziehung zwischen Demokratie und Transparenz erforschten. Ihre Arbeit verdeutlichte, wie demokratische Institutionen und Transparenz die Wirksamkeit von Fiskalpolitiken beeinflussen können. Diese Erkenntnis ist entscheidend, um den breiteren Governance-Kontext zu verstehen, in dem Entscheidungen zur Sparpolitik getroffen werden.
Neuere, heterodoxe Studien auf agenda-theoretischer Basis hinterfragen den Gemeinwohl-Begriff und argumentieren, dass die Handlungsmacht finanzpolitischer Konzeptionen entscheidend davon abhängt, wie es deren Proponenten gelingt, das (finanz-)politische Framing auf wissenschaftlicher und gesellschaftlicher Ebene medial zu bestimmen (vgl. Heise 2003, Heise 2005, Heise 2008a, Heise 2008b, Heise & Khan 2019).
Synthese und zukünftige Ausrichtungen:
Durch die Synthese dieser klassischen und zeitgenössischen Perspektiven hebt diese Literaturübersicht die vielschichtige Natur der politischen Ökonomie der fiskalischen Sparpolitik hervor. Während klassische Studien den Grundstein legten, hat die jüngste heterodoxe Forschung den Blick erweitert und dabei internationale Dimensionen, demokratische Institutionen, Transparenz und die Rolle der Eliten berücksichtigt. Die Auswirkungen auf das Wohlergehen werden als entscheidender Aspekt betont, was die Notwendigkeit eines ausgewogenen Ansatzes unterstreicht, der wirtschaftlichen Herausforderungen gerecht wird und gleichzeitig das gesellschaftliche Wohlbefinden schützt.
Da dieses Projekt dazu beiträgt, sich in diesem sich entwickelnden Bereich zu engagieren, strebt es danach, diese Erkenntnisse zu erweitern, indem es spezifische Dimensionen wie die dynamische Natur der Elitenbeiträge, die öffentliche Meinung und die intergenerationalen Folgen von Sparmaßnahmen erforscht. Durch den Aufbau auf der bestehenden Literatur beabsichtigt diese Forschung, unser Verständnis der politischen und wirtschaftlichen Kräfte, die bei der Gestaltung und Umsetzung von fiskalischen Sparmaßnahmen wirken, zu vertiefen.
LITERATUR
Alesina, A., & Perotti, R. (1995). Fiscal Expansions and Adjustments in OECD Countries. Economic Policy, 10(21), 205–248.
Drazen, A. (2000). The Political Business Cycle After 25 Years. In B. S. Bernanke & K. Rogoff (Eds.), NBER Macroeconomics Annual 2000, Vol. 15, pp. 75–138.
Ellwein, T. & Hesse, J. J. (1997); Der überforderte Staat, Frankfurt.
Guajardo, J., Leigh, D., & Pescatori, A. (2014). Expansionary Austerity: New International Evidence. Journal of the European Economic Association, 12(4), 949–968.
Heise, A. (2003); Dreiste Elite. Zur Politischen Ökonomie der Modernisierung, Hamburg.
Heise, A. (2005); German Social Democratic Politics in the light of Agenda theory; in: Intervention – Journal of Economics, Vol. 2, No.2, S. 131 - 151.
Heise, A. (2008a); Karl Schillers ‚verspäteter‘ Keynesianismus; in: Berliner Debatte Initial, Vol. 19, No.2, S. 130 – 143.
Heise, A. (2008b); The Political Economy of Meritocracy, in: Review of Radical Political Economics, Vol. 40, No.1, S. 67 - 88.
Heise, A., & Khan, A. S. (2019). The welfare state and liberal democracy: a political economy approach. World Review of Political Economy, Vol. 10, No. 2, S. 220 - 245.
Hollyer, J. R., Rosendorff, B. P., & Vreeland, J. R. (2011). Democracy and Transparency. Journal of Politics, 73(4), 1191–1205.