Forschungsprojekte
- Sozioökonomik der Ökonomik: Die Wirtschaftswissenschaft hat sich in den Jahrzehnten seit dem 2. Weltkrieg zunehmend auf eine Erklärungsperspektive – das neoklassische Paradigma des intertemporalen Tausches – verengt und damit konkurrierende Paradigmen wie den Postkeynesianismus, den Neoricardianismus, den Marxismus oder die Komplexitätsökonomik weitgehend marginalisiert. In dem Forschungsvorhaben werden die Ursachen und Konsequenzen dieser monistischen Entwicklung untersucht und nach den Voraussetzungen und Umsetzungsmöglichkeiten für alternative Entwicklungspfade gesucht.
- Supranationalisierung der Wirtschaftspolitik: Im Zuge der europäischen Integration haben sich die Rahmenbedingungen für die nationalen Volkswirtschaften ebenso massiv verändert wie für die nationale Wirtschaftspolitik. Traditionelle wirtschaftspolitische Kompetenzen in Aufgabenbereichen wie der Geld-, Finanz-, Beschäftigungs-, Arbeitsmarkt- oder Industriepolitik werden zunehmend auf die EU-Ebene verlagert und es entsteht ein kompliziertes Geflecht aus supranationaler, koordiniert-nationaler und souverän-nationaler Wirtschaftspolitiken. In dem Forschungsvorhaben geht es gleichermaßen um die theoretische Bestimmung der optimalen Bereitstellungsebene wie der Überprüfung des bereits geschaffenen EU-Governance-Systems.
- Mindestlohnforschung: Zum 01.01.2015 wurde in Deutschland ein flächendeckender, verbindlicher Mindestlohn eingeführt. Dies geschah nach einer intensiven wissenschaftlichen Diskussion, in der die deutsche akademische Wirtschaftswissenschaft fast einheitlich vor der Durchführung dieses ‚Sozialexperiments‘ gewarnt hat, weil sie durchweg große Beschäftigungsverluste prognostizierte. Es kam tatsächlich anders: Es zeigten sich kaum nennenswerte Beschäftigungsverluste, sondern allenfalls leichte Strukturverschiebungen zugunsten von sogenannten ‚Normalarbeits-verhältnissen‘ zulasten prekärer Beschäftigung. In dem Forschungs-vorhaben werden die Auswirkungen des Mindestlohns z. B. auf die Tarifpolitik und die Arbeitszufriedenheit untersucht werden, vor allem aber den Auswirkungen der faktischen Falsifikation des standard-ökonomischen Arbeitsmarktmodells auf die Theoriebildung und den Paradigmenwettbewerb untersucht und ein postkeynesianisches Alternativmodell weiterentwickelt.
- Politische Ökonomik: Allzu häufig fragen sich Wirtschaftswissenschaftler, weshalb die Politik ihren Ratschlag nicht oder doch nur in unzureichender Weise umsetzt. Dies kann natürlich mehrere Ursachen haben: Konfligierende Problemwahrnehmungen und -erklärungen spielen ebenso eine Rolle wie mangelnde Instrumentierung. Vor allem aber mag die politische Rationalität bei der Gestaltung der Wirtschaftspolitik (Machterwerb bzw. Machterhalt in Form von Stimmmaximierung) anders aussehen als die ökonomische Rationalität (Funktionserhalt des ökonomischen Systems). Die politische Ökonomik fragt deshalb nach den Interessenlagen (‚cui bono‘) der Wirtschaftspolitik und wirft somit ein Licht auf die Gesellschaftsgebundenheit von Wirtschaftspolitik. Dies geschieht vornehmlich auf Grundlage eines Agenda-Modells der politischen Ökonomik und untersucht z.B., wie eine bestimmte Wirtschaftspolitik in spezifischen gesellschaftlichen Lagen handlungsmächtig werden kann oder auch, was den zunehmenden (wirtschafts-)politischen Populismus erklärt.