soziale Innovation (ROSI)
Ein Blick hinter die Kulissen von FlexCity – Wie wir innovative Stadtentwicklung durch partizipative Forschung mitgestalten
8. Januar 2025

Foto: Felicitas Marchlowitz
Wie ging es eigentlich weiter mit FlexCity? In diesem Artikel informieren wir Sie über den bisherigen Verlauf des Forschungsprojektes und geben einen Ausblick auf das Jahr 2025.
Was war noch gleich die Ausgangslage?
Im BMBF-geförderten Forschungsprojekt FlexCity zielt ein trans- und interdisziplinäres Team seit Juli 2024 darauf ab, die Funktion von Marktplätzen als lebendige Treffpunkte und Orte des demokratischen Zusammenlebens zu reaktivieren. Seit 2019 arbeitet der Ankerplatz Stade e. V. daran, dies auf einem vormals leerstehenden öffentlichen Platz durch umgebaute Schiffscontainer, innovatives Community-Building und mutigen Pioniergeist zu realisieren und damit u. a. eine Antwort auf sterbende Innenstädte, veränderte Bedarfe im Bereich des freiwilligen Engagements, Rückzug ins Digitale und fehlende Begegnungsorte zu geben. Umgesetzt wird die Neugestaltung des öffentlichen Platzes durch den All-Profit-Ansatz: Die Stadt stellt den Platz und ermöglicht den Zugang zu Förderprogrammen, der Verein plant, koordiniert und vernetzt, lokale Unternehmen übernehmen den Ausbau der Container (von Klimakiste über Mediencontainer bis Sportarena). Zivilgesellschaft, lokale Unternehmen und Stadt erhalten einen gemeinsamen Ort der Begegnung und eine Plattform für eigene Angebote. Die Kern-Idee des All-Profit-Ansatzes: Alle packen mit an und alle haben etwas davon – ein Gemeinschaftsort.
Mit dem Projekt FlexCity soll diese Idee skalierbar und für andere Standorte nutzbar gemacht werden. Dafür entwickelt das Ankerplatz-Team eine digitale Plattform inklusive Baukastensystems und Tutorials. Aufgabe des durch das ROSI koordinierten Forschungsteams ist es, das Projekt durch ko-kreative Forschung zu unterstützen. In diesem Artikel legen wir den Fokus darauf, wie die Forschung bisher umgesetzt wurde und wie sie 2025 fortgesetzt wird.
Ausgangslage für die Forschung waren Bedarfe, die das ROSI gemeinsam mit dem Ankerplatz herausarbeitete: 1. Ein nachhaltiges Finanzierungsmodell, welches zur Vision passt, möglichst laufende Kosten deckt und auf andere Standorte übertragbar ist 2. Eine Wirkungsanalyse, um das Gelingen der Idee belegen und bei Bedarf punktuell umsteuern zu können. 3. Gelingensbedingungen des All-Profit-Ansatzes herausarbeiten, um das Wissen, dass aus der Zusammenarbeit zwischen Verein, Stadt und Unternehmen entstanden ist, an andere Standorte weitergeben zu können.
Was ist seitdem passiert?
Gelingensbedingungen des All-Profit-Ansatzes
Neben Recherche- und Begriffsarbeit wurden über den Sommer erste Interviews mit der Anker-Crew zu ihren Zielen und Erfahrungen im Projekt und ihrem Umgang mit bisherigen Herausforderungen geführt. Im Oktober folgte ein weiteres Interview mit einem Vertreter der Stadtverwaltung. Ziel ist es, die unterschiedlichen Perspektiven der beteiligten Akteur:innen (Verein, Stadt, Unternehmen, Zivilgesellschaft) zu analysieren, um daraus Gelingensbedingungen und Handlungsempfehlungen für ähnliche Projekte bzw. andere Standorte abzuleiten. Leitfragen sind dabei u. a.: Welche Chancen und Herausforderungen birgt die Zusammenarbeit zwischen den unterschiedlichen Stakeholdern? Welche Learnings gibt es bisher? Welche Arten von Hürden lassen sich identifizieren? Welche Lösungsansätze haben sich (nicht) bewährt und mit welcher Perspektive blicken die unterschiedlichen Akteur:innen insgesamt auf das Projekt? Bisherige Daten werden im laufenden Prozess bereits kontinuierlich ausgewertet, um den Leitfaden – angelehnt an die Grounded Theory – entsprechend der Erkenntnisse weiterzuentwickeln.
In den kommenden Monaten sind Interviews mit Akteur:innen aus Politik, beteiligten Unternehmen sowie Zivilgesellschaft geplant. Im Fokus steht dabei die Implementierungs- und Startphase des Ankerplatzprojektes.
Warum ist das wichtig?
Der Ankerplatz Stade hat den Begriff des All-Profit-Ansatzes zwar nicht erfunden, die Ausgestaltung und Anwendung ist jedoch einzigartig und wird in der Form erstmals realisiert und ausprobiert. Für das Übertragen der sozialen Innovation auf andere Standorte kann auf Basis der Analyse von Gelingensbedingungen daher wertvolles Wissen als Grundlage für die Planung und prozessoptimierte Umsetzung bereitgestellt werden.
Die Ergebnisse werden praxisorientiert auf der entstehenden digitalen Plattform für interessierte Standorte zugänglich gemacht. Die Forschung zu Gelingensbedingungen führt Felicitas Marchlowitz (M. A.) durch.
Ein nachhaltiges Finanzierungsmodell für urbane Dörfer
Um ein Konzept für ein nachhaltiges „Geschäftsmodell“ für den Marktplatz der Zukunft zu entwickeln, arbeiten Prof. Dr. Jana Timm und Flora Rogin ebenfalls qualitativ. Hierfür werden gemeinsam mit der Ankerplatz-Crew und ggf. weiteren Expert:innen vier bis sechs Workshops durchgeführt. Im November 2024 fand der erste Workshop zum Thema „Vision“ statt. Da die Frage nach Vision und (Wirkungs-)Zielen für alle Forschungsfragen relevant ist, wurde der erste Workshop durch das gesamte FlexCity-Forschungsteam geplant und durchgeführt. Die Idee ist, dass eine zukünftige Finanzierungs-, Rechts- und Organisationsform von der Anker-Crew selbst – auf Basis ihrer Praxisexpertise – erarbeitet wird. Die Forscher:innen leiten den Prozess methodisch sowie durch ausgewählte Inputs an. In den wöchentlichen Jour-Fixes im Gesamt-Team wurde im November und Dezember 2024 iterativ ein gemeinsames Verständnis von Vision und Zielen des Ankerplatzes auf Begriffe gebracht, visualisiert und systematisiert.
Ende Dezember führten Prof. Dr. Jana Timm und Flora Rogin auf Basis der bis dahin ausgewerteten Daten einen weiteren Workshop zum Thema „Geschäftsmodell“ durch und gaben Inputs zu Komponenten (gemeinschaftsgetragener) Geschäftsmodelle. Angeleitet durch die Forscher:innen setzte sich die Anker-Crew intensiv mit dem eigenen Projekt, Versprechen an relevante Stakeholder und möglichen Finanzierungsformen auseinander.
Im Januar und Februar 2025 finden zwei weitere Workshops mit der Anker-Crew zu den Themen Skalierung und Rechtsform statt. Als Forschungsprodukt sind Handlungsempfehlungen geplant, die auf der entstehenden digitalen Plattform veröffentlicht werden sollen. Darüber hinaus sollen die Daten in die Forschung und Lehre einfließen. Auf Basis der Daten sollen neben praxisorientierten also auch „klassische“ wissenschaftliche Produkte wie Paper oder Abschlussarbeiten entstehen.
Anpassungen im Forschungsdesign – Bedarfsanalyse
Basierend auf den ersten Erkenntnissen wurde das Forschungsdesign in enger Absprache mit der Anker-Crew noch einmal angepasst. Statt einer Wirkungsanalyse wird nun eine Bedarfsanalyse in Stade durchgeführt, die potenzielle Nutzer:innen und Stakeholder des Ankerplatzes einbeziehen und beteiligen soll. Hintergrund ist, dass unterschiedliche gesellschaftliche Herausforderungen – bspw. Fachkräftemangel und Pandemienachwirkungen – die Realisierung des Ankerplatz-Projektes teilweise verzögert haben. Da eine Wirkungsanalyse rückwärts fragt – Wie wirkt das Projekt bisher? – oder – Wirkt das Projekt bisher wie intendiert? – muss zunächst ein bestimmter Punkt im Projektverlauf erreicht sein, um aussagekräftige Ergebnisse erhalten zu können. Nach einhelliger Einschätzung der Forschenden und der Anker-Crew profitiert das Projekt zum gegenwärtigen Zeitpunkt mehr von einer Bedarfsanalyse.
Diese Herangehensweise bringt zudem den Vorteil, bisherige und zukünftige Nutzer:innen – entsprechend des partizipativ verstandenen „Dorfbewohner:innen-Prinzips“ – in der zukünftigen Gestaltung und Nutzung des Platzes beteiligen zu können. Diese Analyse wird von Felicitas Marchlowitz (M. A.), Thordis Ingwersen und Jan Paul Greve quantitativ umgesetzt. Derzeit wird ein Fragebogen entwickelt, um Interessen und Bedarfe zu erfassen sowie Erfahrungen der bereits ehrenamtlich Aktiven abzufragen. Geplant ist eine Online-Befragung im Mai 2025. Die gewonnenen Ergebnisse sollen direkt in die Arbeit der Anker-Crew einfließen.
Über den weiteren Verlauf des Projektes halten wir Sie hier auf der Homepage und natürlich im ROSI-Newsletter auf dem Laufenden.