„Trauma im Journalismus“: ein Thema, das zu wenig Beachtung findetFachtagung von ProJournal und VjAKK fand reges Echo
21. November 2018
Foto: Jannis Frech
„Krieg und Krise, Terror und Trauma“ lautete der Titel einer Fachtagung von Projournal und VjAKK e.V. an der Universität Hamburg. Ihr Ziel: Auf das wenig beachtete Problem traumatischer Erlebnisse von Journalisten aufmerksam zu machen. Das ist gelungen.
Von Sophie Rhine
Kriege, Attentate, Unfälle. Überall sind Journalisten zur Stelle und berichten vor Ort oder aus der Distanz über dramatische Ereignisse. Während Soldaten, Opfern und Helfern in der Regel psychologische Betreuung angeboten wird, ist das bei Berichterstattern nur selten der Fall. Dabei können derartige Szenen und Erlebnisse traumatisch sein, ein Trauma auslösen.
Der Alumniverein der Journalistik und Kommunikationswissenschaft (Pro Journal) und der Verein für journalistische Aufklärung in der Krisen- und Kriegsberichterstattung (VjAKK e.V.) hatten deshalb für den 9./10. November 2018 zur gemeinsamen Fachtagung „Krieg und Krise, Terror und Trauma“ an die Universität Hamburg geladen. Themen wie Schutz, Diagnose, Behandlung und Verantwortung wurden dabei vor rund 80 interessierten Gästen aus den verschiedensten Blickwinkeln beleuchtet. Mit dabei waren auch die JKW-Studierenden des 3. Fachsemesters.
Vorbereitung ist wichtig, aber nicht immer möglich
Prof. Volker Lilienthal, 1. Vorsitzender von ProJournal, sagte zur Begrüßung, emotionale Belastungen drohten Journalistinnen und Journalisten vor allem in der Kriegsberichterstattung. Aber auch die Berichterstattung über große Unglücksfälle, z.B. im Bahnverkehr, oder gar Terroranschläge in unseren Städten könnten Journalisten an die Grenze der psychischen Belastbarkeit bringen.
Für Enno Heidtmann, Vorsitzender des VjAKK, spielt schon die Vorbereitung eine wichtige Rolle. Wo genau gehe ich hin? Welche Impfungen brauche ich? Wie sieht ein Ersthelferkasten aus? Was sind meine Notfallkontakte? All das könne, wenn es hart auf hart komme, entscheidend sein. Doch oft genug können sich Journalistinnen und Journalisten nicht vorbereiten- etwa auf Katastrophen. Sie sind möglicherweise sogar nur zufällig vor Ort. „Darauf sollten angehende Journalisten intensiver vorbereitet werden, denn in so eine Situation kann jeder geraten“, sagte die Kölner Trainerin und Beraterin Petra Tabeling vom Dart Center Deutschland. „Man kann lernen, wie man sich dann am geschicktesten verhält und worauf man achten muss.“
Schreiben als Form der Verarbeitung
Doch klappt das auch in der Praxis und hilft das im Bezug auf Traumata? In einer Expertenrunde stimmen Michael Obert und Amrai Coen zumindest teilweise zu. Sie sind sich einig, dass schon beim Schreiben des Artikels viel verarbeitet wird. Jay Tuck, langjähriger Kriegskorrespondent der ARD, gibt offen zu, auch heute noch von Bildern verfolgt zu werden, eine vollständige Verarbeitung habe nie stattgefunden. Ihm zufolge wurde er mit seinen Erlebnissen aber auch von seiner Redaktion und von Kollegen allein gelassen, Aufarbeitung sei früher gar kein Thema gewesen.
Auch wenn es heute zum Glück erste Positivbeispiele gibt – es ist noch viel zu tun, waren sich die Gäste auf der Tagung einig. Redaktionen sind für ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verantwortlich, sollten sie schulen, und betreuen. Ein stabiles Umfeld und Menschen, mit denen man sich austauschen kann, seien wichtig.
In einer von Lilienthal moderierten Abschlussrunde bekannten sich Medienvertreterinnen des Spiegel und des Norddeutschen Rundfunk zur Mitverantwortung der Medienorganisationen, Vorsorge für den Einsatz von Mitarbeitern in gefährlichen Situationen zu treffen.
Videodokumentation der Tagung
Falls Sie nicht dabei sein konnten: Eine komplette Video-Dokumentation aller Lectures und Panels gibt es online bei lecture2go.uni-hamburg.de. Unser Dank geht an die Kolleginnen und Kollegen von Lecture2Go, die das möglich gemacht haben.
Großes Medienecho
Über die Tagung haben auch zahlreiche Medien berichtet, so das RBB-Medienmagazin mit einem Live-Interview schon am zweiten Tag der Veranstaltung: wwwagner.tv/?p=41482
Mediasres im Deutschlandfunk: deutschlandfunk.de/trauma-im-journalismus-verarbeiten-durch-aufschreiben.2907.de.html?dram:article_id=432970
NDR-Medienmagazin ZAPP: ndr.de/fernsehen/sendungen/zapp/Das-Medienmagazin,sendung838192.html
Das Medienmagazin des Bayerischen Rundfunks: br.de/mediathek/podcast/das-medienmagazin/krieg-und-krisen-wie-journalisten-mit-trauma-umgehen/1308474
Das Webmedium "Message": message-online.com/erst-mensch-dann-journalist-emotionale-belastungen-im-journalismus/
Und der deutsche Reporter Carsten Stormer, der mit seiner Familie in Manila auf den Philippinen lebt und von dort immer wieder zu Brandherden in der ganzen Welt aufbricht, ließ auf Facebook erkennen, dass er es wichtig findet, dass die beiden Journalismus-Vereine das unterbelichtete Thema „Trauma“ auf die Tagesordnung gesetzt haben. Stormer wäre gerne in Hamburg dabei gewesen – allein, der Weg aus Asien nach Deutschland sei zu weit gewesen: facebook.com/carsten.stormer/posts/10160939837955621