Forschungsschwerpunkte
Im Bereich Forschung konzentrieren sich unsere Aktivitäten an der Professur für Unternehmensethik insbesondere auf folgende Schwerpunkte:
Strategisches Management und Ethik
Entgegen den meisten Ansätzen im strategischen Management gehen wir davon aus, dass Unternehmen als Teil der Gesellschaft letztlich als Mittel zum Zweck und nicht als Selbstzweck zu betrachten sind. Insofern gilt es, die Voraussetzungen, Inhalte und Ergebnisse des Strategieprozesses einer permanenten ethischen Reflexion zu unterziehen.
Vor diesem Hintergrund erforschen wir, wie Unternehmen ihrer Verantwortung gegenüber der Gesellschaft besser gerecht werden können. Strategie und Ethik sind demzufolge kein Gegensatz, sondern können im Rahmen einer verantwortungsvollen Unternehmensführung miteinander in Einklang gebracht werden.
Ein Schwerpunkt unserer Forschung liegt dabei in der konzeptionellen Weiterentwicklung von ethisch verantwortungsvollen Strategieprozessen und der empirischen Erforschung von Defiziten in der strategischen Führungspraxis in internationalen Unternehmen.
- Unsere Arbeit erstreckt sich dabei insbesondere auf die Weiterentwicklung unseres eigenen Ansatzes zur Integration ethischer Reflexion in den Prozess des strategischen Managements.
- Zudem werden in unseren Forschungsprojekten aktuelle Strategiekonzepte (z.B. das Shared Value-Konzept von Michael Porter) daraufhin untersucht, inwiefern sie einen Beitrag zur Überbrückung der oftmals vorhandenen Dichotomie zwischen Ökonomie und Ethik zu leisten vermögen.
- Weiterhin stehen auch ethische Konfliktpotenziale in einzelnen Funktionsbereichen der Unternehmensführung (z. B. Innovationsmanagement, Supply Chain Management oder Marketing) im Mittelpunkt unseres Interesses.
Auf der Grundlage theoriegeleiteter Forschung gilt es, praktische Handlungsempfehlungen für die Führungspraxis internationaler Unternehmen abzuleiten. Aktuelle Forschungsprojekte werden oftmals in enger Zusammenarbeit mit der Unternehmenspraxis durchgeführt, um den Anwendungsbezug der empirischen Forschung sicherzustellen.
Wesentliche Erkenntnisse dieser Forschungsbemühungen sind schon eingeflossen in die Neuauflage eines Lehrbuches zum strategischen Management, das im Jahr 2018 erschienen ist (Hartmut Kreikebaum/Dirk Ulrich Gilbert/Michael Behnam; Strategisches Management, 8. Auflage, Lehrbuch, Kohlhammer Verlag).
Implementierung von Ethik
Unter Ethik verstehen wir einen permanenten Prozess kritischer Reflexion von begründbaren normativen Prinzipien. Ethik und damit verbundene operative Maßnahmen können folglich nicht im strikt technisch-instrumentellen Sinne in Unternehmen implementiert werden. Denn Unternehmensethik liefert nicht unmittelbar anwendbares Verfügungswissen (Know-How), sondern bringt vielmehr argumentativ begründetes Orientierungswissen im Sinne von Grundsätzen und Leitideen hervor (Know-What).
Vor diesem Hintergrund beschäftigen wir uns in diesem Forschungsschwerpunkt damit, welche organisatorischen und personellen Ansatzpunkte internationalen Unternehmen zur Verfügung stehen, um ethisch verantwortungsvolles Handeln in der betrieblichen Praxis auch tatsächlich zur Geltung zu bringen. Die strukturellen und organisatorischen Konsequenzen – sog. „Ethikmaßnahmen“ – und die Frage, ob Unternehmensethik überhaupt institutionalisierbar ist, rücken in den Vordergrund.
Die Beschäftigung mit der Institutionalisierung von Ethik darf sich allerdings nicht auf das einzelne Unternehmen beschränken. Um ethische Reflexion über das Unternehmen hinaus zu entfalten, ist die freiwillige Bereitschaft zur Übernahme ethischer Verantwortung durch ein umfassendes System von Anreizen und Sanktionsmechanismen auf der Ebene von Branchen (z. B. Branchenstandards) und in der Rahmenordnung (z. B. OECD-Leitlinien) zu ergänzen.
In der Unternehmenspraxis entstehen oftmals Dilemmata aus der Einführung ethisch erwünschter Maßnahmen einerseits und der damit verbundenen Wettbewerbsnachteile andererseits, die durch Kostenvorteile von Konkurrenten mit niedrigeren Standards entstehen. Im Rahmen der Forschung gilt es, neue Ansatzpunkte zu entwickeln und bestehende Konzepte zu verbessern (z. B. UN Global Compact, SA 8000), um die unternehmensethischen Vorleistungen einzelner Wettbewerber in Zukunft besser zu schützen. Ein besonderer Schwerpunkt unserer Arbeit liegt dabei im Bereich der sog. International Accountability Standards.
Ein weiterer Forschungsschwerpunkt liegt in diesem Gebiet auf Fragen der Steuerung von komplexen Netzwerkstrukturen, in die internationale Unternehmen zunehmend eingebunden sind. Vor dem Hintergrund der Erkenntnisse verschiedener sozialwissenschaftlicher Theorien (z. B. Neue Systemtheorie, Strukturationstheorie) wird untersucht, welche Ansatzpunkte sich internationalen Unternehmen bieten, netzwerkweite Beziehungszusammenhänge zu steuern. Ausgehend von der Annahme, dass die vorhandene Literatur zur Netzwerkforschung einer theoretisch fundierten Ausdifferenzierung der Entstehung von Vertrauen bisher nicht genug Aufmerksamkeit schenkt, wird insbesondere die Bedeutung dieses Koordinationsmediums für die Netzwerkpraxis untersucht.
Begründungsansätze einer internationalen Unternehmensethik
In diesem Forschungsbereich stellen wir die theoretische bzw. philosophische Begründung für ein ethisch einwandfreies Handeln in internationalen Unternehmen in den Mittelpunkt der Betrachtung. Da international tätige Unternehmen mit stark differierenden Norm- und Wertvorstellungen konfrontiert werden, untersuchen wir insbesondere, welche Normen und Werte ihnen als Orientierungsrahmen für die Handhabung von Konflikten dienen können und sollen.
Mit anderen Worten: Können die Normen und Werte des Stammhauses auch im Ausland Anwendung finden und überall einen Anspruch auf Geltung erheben (Universalismus), oder sind sie nur als relativ anzusehen und in den einzelnen Gastländern an die jeweilige Kultur anzupassen (Kulturrelativismus)?
Die Hauptaufgabe unserer Forschung liegt folglich in der Beantwortung der Frage, wie fruchtbar vorhandene Konzepte zur Unternehmensethik (z. B. Integrative Social Contracts Theory, Political CSR) für eine (praktische) Anwendung in internationalen Unternehmen sind und welche Ansatzpunkte sich zu ihrer Weiterentwicklung entdecken lassen. Es gilt, einen Ansatz zu entwickeln, der seinen Ausgangspunkt nicht in der deduktiven Ableitung von Normen hat, denn ein solches Vorgehen erscheint zu selektiv, um die lebenspraktischen Erfahrungen der Menschen in unterschiedlichen Kulturkreisen zu reflektieren.
Vielmehr muss sich eine internationale Unternehmensethik auf eine nicht-deduktive Bestimmung von Normen durch sprachliche Mittel konzentrieren, die sich z. B. auf universale Prinzipien der Verständigung zurückführen lassen. Vor diesem Hintergrund stehen derzeit insbesondere Konzepte wie die Diskursethik und die sich in neuerer Zeit entwickelnde Forschungsrichtung der sog. deliberativen Demokratie im Mittelpunkt unserer Publikationsprojekte.
Diese Ausrichtung auf ein breiteres Feld im Rahmen der verantwortungsvollen Unternehmensführung entspricht der Überzeugung, dass Probleme der Unternehmensführung in der Regel einen adisziplinären Charakter haben und sich nicht nach der Einteilung der Betriebswirtschaft in Disziplinen richten.
Angewandte Forschung im Bereich der Unternehmensethik ist daher ihrem Wesen nach interdisziplinär auszurichten. Gleichwohl sind die drei genannten Forschungsbereiche durch die zugrunde gelegten erkenntnisleitenden Theorien sowie den methodologischen Zugang zur wissenschaftlichen Erkenntnisgewinnung eng miteinander verbunden.
Neben rein konzeptionellen Forschungsprojekten, die auf die deduktive Erkenntnisgewinnung abstellen, halten wir die Durchführung von empirischen Erhebungen für fruchtbar.