H2POLITICS
Risiken der deutschen Wasserstoff-Importstrategie für den Globalen Süden
Das BMBF-Forschungsprojekt H2POLITICS analysiert die entwicklungspolitischen, sozial-ökologischen, technischen und ökonomischen Risiken, die mit der importorientierten Nationalen Wasserstoffstrategie der BRD in Ländern des Globalen Südens einhergehen. Um Lücken im erneuerbaren Energiemix zu schließen und die Pariser Klimaziele zu erreichen, wird grüner Wasserstoff (H2), d.h. mit Strom aus erneuerbaren Energien hergestellter Wasserstoff, zunehmend als Hoffnungsträger der Energiewende betitelt. Um Versorgungslücken zu schließen und einen hinreichenden Anteil von grünem Wasserstoff im deutschen Energiemix sicherzustellen, fasst die Nationale Wasserstoffstrategie Länder des Globalen Südens als Hersteller und Exporteure grünen Wasserstoffs ins Auge.
Zurzeit befassen sich Forschungsprogramme insbesondere mit technoökonomischen Aspekten wie Elektrolyseverfahren zur Wasserstofferzeugung, Direktanwendungen von Wasserstoff in der Industrie, und Exportpotenzialen in möglichen Erzeugerländern. Es mangelt an Studien, die prüfen, unter welchen Prämissen eine nachhaltige und entwicklungspolitisch verantwortbare Wasserstoffproduktion im Globalen Süden möglich ist.
Ziel ist es unter anderem das Zukunftsvorhaben einer globalen Wasserstoffproduktion vor Ort sowie in der BRD gesellschaftlich einzubetten. Auf Basis energie- und entwicklungspolitischer sowie ingenieurwissenschaftlicher Expertise loten wir aus, welche Risiken mit der Wasserstoffproduktion in Ländern des Globalen Südens einhergehen und wo und wie Wasserstoffprojekte entwicklungspolitisch sinnvoll integriert und an die Sustainable Development Goals angedockt werden können. H2POLITICS eruiert zudem welche flankierenden politischen Maßnahmen und internationalen Kooperationsformen die Verwirklichung dieser Anforderungen unterstützen.
Genauer nimmt das Forschungsvorhaben H2POLITICS dabei folgende Aspekte in den Blick:
- Sozial-ökologische und entwicklungspolitische Standortrisiken für eine Wasserstoffproduktion und -Infrastruktur im Globalen Süden
- Technische und ökonomische Risiken und Herausforderungen für Anlagenbau und Wasserstoff-Produktionsketten im Globalen Süden
- Geeignete Rahmenbedingungen und Gütekriterien für die Gestaltung von Wasserstoffpartnerschaften mit Akteuren aus dem Globalen Süden.
Methodische Vorgehensweise
Im Zuge der Nationalen Wasserstoffstrategie werden zunehmend Abkommen mit Ländern des Globalen Südens geschlossen, die aufgrund ihrer sonnen- und windreichen Lage vielversprechende Standorte für die Herstellung von grünem Wasserstoff sind.
Um die oben genannten Risiken abzuschätzen, werden zunächst Länderprofilanalysen (LPA) von 27 Ländern im Globalen Süden und Life Cycle Assessments (LCA) zur Herstellung von grünem Wasserstoff durchgeführt. Mittels qualitativer Fallstudien werden an den besonders aussichtsreichen Produktionsstandorten in den Vorreiterländern Chile, Marokko und Südafrika vertiefte Erkenntnisse über die sozial-ökologischen Risiken und Herausforderungen von Pilotprojekten in Planung, Umsetzung und Betrieb gewonnen. Dies geschieht durch Szenarioworkshops und Delphi-Befragungen mit lokalen Stakeholdern. Diese ermöglichen es, Chancen und Risiken von Wasserstoff-Projekten frühzeitig zu identifizieren und Handlungsempfehlungen für eine H2-Governance zu formulieren, die im Sinne einer reflexive bzw. anticipatory governance eine entwicklungspolitisch und sozial-ökologisch produktive Gestaltung von Wasserstoff-Partnerschaften gestattet. Das Vorhaben trägt damit zur strategischen Vorausschau bei, indem System-, Orientierungs- und Transformationswissen in die wissenschaftliche und politische Fachcommunity eingespeist wird und die relevanten Akteure in ihrer Analyse- und Entscheidungskompetenz gestärkt werden. Gleichzeitig werden Verfahren der Folgenabschätzung mit sozial-ökologischen Ansätzen wie der Perspektive der Energiegerechtigkeit (energy justice und hydrogen justice) normativ weiterentwickelt.
Um einen möglichst guten Ergebnistransfer des Vorhabens zu ermöglichen, verbindet das Kooperationsvorhaben Politik- und Klimawissenschaftler*innen des Klima-Exzellenzclusters der Universität Hamburg, Ingenieurwissenschaftler*innen des Fraunhofer Instituts für Solare Energiesysteme (ISE) und entwicklungspolitische Akteure.
Publikationen
Kalt, Tobias, Jenny Simon, Johanna Tunn & Jesko Hennig. 2023: Between green extractivism and energy justice: competing strategies in South Africa’s hydrogen transition in the context of climate crisis. Review of African Political Economy. doi: 10.1080/03056244.2023.2260206
Müller, Franziska, Johanna Tunn & Tobias Kalt. 2022: Hydrogen justice. Environmental Research Letters 17: 115006. doi: 10.1088/1748-9326/ac991a
Kalt, Tobias & Johanna Tunn. 2022: Shipping the sunshine? A critical research agenda on the global hydrogen transition. GAIA 31(2): 72-76. doi: 10.14512/gaia.31.2.2