soziale Innovation (ROSI)
Der erste Hamburger Index für Gute Arbeit
10. März 2022

Foto: Sozialbehörde Hamburg
Wie hat die Corona-Pandemie das Arbeiten in Hamburg verändert? Wie ist es um die Arbeitsqualität der Hamburger:innen bestellt und wie können akute Herausforderungen für gute Arbeit in der Hansestadt bewältigt werden?
Die Beantwortung dieser Fragen war das Ziel unserer Kooperation mit der Hamburger Sozialbehörde. Das vom ROSI koordinierte Forschungsteam, geleitet von Daniel Gotthardt, unterstützt durch Lidiya Mishieva, hat hierzu einen Forschungsbericht zur Arbeitssituation in Hamburg erstellt. Dieser erste Hamburger Index für Gute Arbeit basiert auf den Ergebnissen der vom Deutschen Gewerkschaftsbund 2021 durchgeführten Beschäftigtenbefragung, dem DGB-Index „Gute Arbeit“ 2021.
Mit „guter Arbeit“ sind Arbeitsbedingungen gemeint, „die von den Beschäftigten als entwicklungsförderlich und belastungsarm beschrieben werden“.
Seit 2007 untersucht der DGB-Index jährlich die deutsche Arbeitsqualität aus Sicht der Beschäftigten. Der Fokus liegt hierbei auf Aufstiegs- und Entwicklungschancen, dem Betriebsklima sowie Belastungen im Beschäftigungsverhältnis. Die Ergebnisse nutzt der DGB zur Verbesserung der Arbeitsqualität, beispielsweise in der Tarifpolitik. So wurden Erkenntnisse des Index‘ zum Beispiel erfolgreich eingesetzt, um Maßnahmen betrieblicher Gesundheitsförderung zur Entlastung von Erzieher:innen einzufordern. Hauptaugenmerk des aktuellen Berichts sind die Auswirkungen der SARS-CoV-2-Pandemie für Beschäftigte.
Das Forschungsteam des ROSI zeigt in seinem Bericht für die Hamburger Sozialbehörde gleich mehrere Herausforderungen für Gute Arbeit in Hamburg auf. Diese ergeben sich zum einen durch die fortschreitende Digitalisierung und die damit einhergehende Transformation der Arbeitswelt, in der alte Arbeitsplätze verschwinden während neue entstehen. Auch zeigen sich die Befragten besorgt über den wachsenden Fachkräftemangel, der durch den bereits spürbaren demografischen Wandel zudem weiter verschärft wird.
Nach wie vor ist auch die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ein zentrales Thema für Hamburger Arbeitnehmer:innen. Als weitere Qualitäten guter Arbeit werden von Hamburger Beschäftigten eine gute, angemessene und gleiche Entlohnung sowie ein sicheres, also unbefristetes Arbeitsverhältnis genannt.
„Ein wesentliches Augenmerk dieser Untersuchung liegt dabei darauf, inwieweit sich diese Einschätzung der Arbeitsqualität nach Beschäftigtengruppen unterscheidet.“
In ihrer Analyse setzen Daniel Gotthardt und Lidiya Mishieva einerseits die Aussagen zur Arbeitsqualität in der Hansestadt mit den deutschlandweiten Ergebnissen ins Verhältnis und arbeiten anderseits Unterschiede zwischen den verschiedenen Hamburger Beschäftigtengruppen heraus.
Zunächst zeigt sich, dass die durchschnittliche Bewertung der Arbeitsqualität durch die Hamburger Beschäftigten im Mittelfeld und somit auch etwa im Bundesdurchschnitt liegt. Hierbei wird jedoch deutlich, dass sich die einzelnen Einschätzungen Hamburger Arbeitnehmer:innen stark unterscheiden. Die Spannbreite ist groß und liegt zwischen sehr guten und teils sehr schlechten Einschätzungen – etwa die Hälfte der Beschäftigten bewertet die Arbeitsqualität unterdurchschnittlich, 16% sogar als „schlecht“.
„Im Vergleich zum Bund ist dabei insbesondere das obere Mittelfeld ‚guter Arbeit‘ kleiner und dementsprechend weniger Beschäftigte in Hamburg schätzen ihre Arbeitsqualität als überdurchschnittlich ein.“
Als Gründe hierfür identifizieren die Forschenden neben mangelnden Weiterbildungsmöglichkeiten und einer belastenden Arbeitszeitlage auch unzulängliche Arbeitssicherheit und schlechte Rentenaussichten. Dahingegen seien starke körperliche Belastungen in der Hamburger Arbeitswelt ein kaum relevanter Negativ-Faktor.
Die größten Unterschiede zwischen den Hamburger Beschäftigtengruppen finden sich im Teilindex Einkommen und Sicherheit, so bewerten Frauen ihre Einkommens- und Rentensituation deutlich schlechter und sind auch von belastenden Körperhaltungen während der Arbeit stärker betroffen. Diese Einschätzung der Hamburger Arbeitnehmerinnen deckt sich mit Ergebnissen der aktuellen Studie des Bundesseniorenministeriums, laut derer 22,4% der über 80-Jährigen von Altersarmut betroffen sind, wobei der Anteil bei Frauen mehr als 9 Prozentpunkte über dem der Männer liegt. Bei der Belastung durch atypische Arbeitszeiten zeigt sich jedoch, dass Frauen seltener Lohnarbeit an Wochenenden sowie abends und nachts verrichten als Männer.
Der Index gibt viele weitere Gesichtspunkte wieder, die auch die grundsätzliche Frage aufwerfen, wie wir in Zukunft arbeiten wollen.
Die Corona-Pandemie hat die Arbeitsbedingungen vieler Menschen nachhaltig verändert. Homeoffice und digitale Kommunikationsformen sind in vielen Sektoren nicht mehr wegzudenken und beschleunigen die Digitalisierung der Arbeitswelt. Und gleichzeitig wachsen die Herausforderungen für eine Zukunft der Guten Arbeit. Besonders Weiterbildungsmöglichkeiten, ein sicheres, ausreichendes und gleiches Einkommen sowie gute Rentenaussichten sind zentrale Stellschrauben für das Entwicklungspotenzial Guter Arbeit in Hamburg. Um diese Entwicklungen auf den Weg zu bringen, hat die Hamburger Sozialsenatorin Dr. Melanie Leonhard die Gründung des „Bündnis für Gute Arbeit“ angekündigt.