soziale Innovation (ROSI)
Abschluss des Forschungsprojekt in Kooperation mit dem CaritasverbandBedarfslagen junger BPOC-Männer am Hansaplatz im Hamburger Stadtteil St. GeorgQualitative Studie zur Ermittlung von Anknüpfungspunkten für die Soziale Arbeit
3. Februar 2021

Foto: Google Maps
Das durch den Quartiersfond Hamburg-Mitte bewilligte Kooperationsprojekt zwischen dem Projektbüro Angewandte Sozialforschung und dem Fachbereich „Flucht und Integrationsprojekte“ des Caritasverbandes Hamburg wurde Ende 2018 initiiert und Ende 2020 abgeschlossen. Die wissenschaftliche Leitung übernahm Laura Adam (M. A. Politikwissenschaft, stellvertretende Leitung der Geschäftsstelle des Projektbüros). Unterstützt wurde sie von insgesamt 8 studentischen Hilfskräften. Pia-Mareike Heyne betreute das Projekt im Namen des Caritasverbandes für das Erzbistum Hamburg.
Das Anliegen der qualitativen Studie war eine verbesserte Kenntnis über die Bedarfslagen der bisher nicht weiter definierten Gruppe der BPoC-Männer am Hansaplatz im Hamburger Stadtteil St. Georg zu erlangen. Im Bereich des Hansaplatzes gibt es unterschiedliche Angebote der sozialen Arbeit für verschiedene Personengruppen, die den Platz regelmäßig aufsuchen. Anhand einer Bedarfsanalyse sollte deshalb zunächst geklärt werden, wo ggf. Angebotslücken bestehen und welche möglichen Hürden für die Inanspruchnahme von Angeboten für die Zielgruppe bestehen. Dabei sollte die Innenperspektive der Zielgruppe im Zentrum der Forschung stehen und bestehende öffentliche Diskurse rund um den Platz und ihre Nutzer*innen gezielt zurückgestellt werden.
Die qualitative Forschung teilte sich methodisch in zwei Phasen auf, indem zunächst teilnehmende sowie nicht-teilnehmende Beobachtungen zur Identifizierung der Zielgruppe durchgeführt wurden, um anschließend leitfadengestützte Interviews führen zu können. Der Beobachtungszeitraum lag zwischen Juli und September 2019, dabei wurden in Zweier-Teams zu verschiedenen Tages- und Wochenzeiten knapp 90 Beobachtungsprotokolle angefertigt sowie Interviewpartner akquiriert. Im Anschluss wurden mit Hilfe von Sprachmittler*innen 17 ca. 1-stündige Interviews und zwei Gruppeninterviews in den Sprachen Deutsch, Englisch, Französisch, Spanisch, Portugiesisch sowie Arabisch geführt. Nach der Digitalisierung der Daten wurden diese qualitativ inhaltsanalytisch ausgewertet.
Zu den Ergebnissen aus den Beobachtungsprotokollen gehört, dass der Platz zum einen von heterogenen Gruppen genutzt wird und zum anderen eine sozialräumliche Trennung zwischen den Gruppierungen zu erkennen ist. Hinsichtlich der Zielgruppe ist die Nutzung des Platzes durch vielfältige Aktivitäten (u.a. Treffpunkt, Einkaufsort, Verweilen), dynamischen Stimmungswechseln und einer kontinuierlichen Neubildung und Auflösung von Gruppen geprägt. Auch die polizeiliche Praktik fällt im Zusammenhang mit der Zielgruppe auf und besteht in dem Kontrollieren von Ausweispapieren, dem Erteilen von Platzverweisen, bis hin zu Festnahmen.
Welche Rolle der Hansaplatz für die Zielgruppe spielt, blieb in den Beobachtungen jedoch weitestgehend für die Forscher*innen ungesehen und zeigte sich erst im Rahmen der geführten Interviews. Dort wurde deutlich, dass der Hansaplatz für die Zielgruppe den Rahmen und den Raum für ein Netzwerk gegenseitiger Fürsorgepraktiken und Unterstützungsangebote bietet, welche von psycho-sozialer Unterstützung bis hin zu konkreter Vermittlung von Unterkunft und Verdienstmöglichkeit reicht. Die heterogene Gruppe von Männern unterschiedlicher Herkunft und Lebenssituationen nutzt zudem den Hansaplatz zur Community-Bildung. Dabei findet eine Solidarisierung und Vernetzung mit Menschen statt, die sich in ähnlichen Lebenssituationen befinden und vor den gleichen Herausforderungen im Zuge eines Ankommens in Hamburg stehen. Auf dem Hansaplatz kann man sich treffen, ablenken, kommunizieren und auch die ansässigen Geschäfte nutzen. Insgesamt wird der Platz jedoch auch von den Befragten sehr divers und teilweise konträr mit positiven wie negativen Eindrücken assoziiert und beschrieben. Die Interviewpartner erzählten auch aus ihrer Perspektive von den unverhältnismäßigen polizeilichen Kontrollen, dessen Gründe sie meist nicht nachvollziehen können bzw. auf Racial Profiling schließen lassen.
Für die Bedarfe von Angeboten der sozialen Arbeit zeigt sich, dass v.a. bestehende Angebote besser an die Zielgruppe herangetragen und vorhandene (sprachliche sowie identitätsstiftende) Barrieren abgebaut werden müssen.
Am 17.12.2020 wurde der Forschungsbericht bei einer digitalen Veranstaltung öffentlich vorgestellt.
Der komplette Bericht lässt sich hier herunterladen.