Completed Dissertations
Dissertation Janina Zeh
Doppelt marginalisiert? Zum Verhältnis von prekärer Beschäftigung und freiwilligem Engagement. Ein Vergleich zwischen Deutschland und Großbritannien unter besonderer Berücksichtigung von Genderungleichheiten
Kurzzusammenfassung: Seit den 1990er Jahren ist in Deutschland das Erstarken einer aktivierenden Arbeitsmarktpolitik bei gleichzeitiger Abnahme wohlfahrtsstaatlicher Leistungen zu beobachten. In diesem Kontext findet eine „Beschwörung der Zivilgesellschaft“ als Allheilmittel für soziale Probleme statt. Demgegenüber steht die These einer Abnahme von Solidarität und Engagement infolge der Prekarisierung der Erwerbsarbeit. Konkret wird im soziologischen Prekarisierungsdiskurs von einem Zusammenhang zwischen der Verschlechterung der Position auf dem Arbeitsmarkt und der Schwächung von Beziehungsstützen, wie z. B. nachbarschaftliche Beziehungen, Vereins- und Gewerkschaftsmitgliedschaften, ausgegangen. Da in Deutschland der Anteil der atypisch Beschäftigten an allen Erwerbstätigen seit den 1970er Jahren deutlich ansteigt, ist eine Analyse der instabilen Zwischensituationen, in denen sich atypisch und prekär Beschäftigte bewegen, von großer Bedeutsamkeit. Die zentralen Forschungsfragen der Studie lauten: In welchem Verhältnis stehen prekäre Beschäftigung und freiwilliges Engagement? Zeichnen sich Personen in prekärer Beschäftigung durch niedrigeres oder höheres freiwilliges Engagement aus als Personen in regulärer Beschäftigung? Kommt es zu einer Aufgabe oder Aufnahme freiwilligen Engagements, wenn eine Person von einer regulären in eine prekäre Beschäftigung wechselt? Es ist anzunehmen, dass prekäre Beschäftigung je nach „Normalitätsvorstellung“ von Erwerbsarbeit gruppenspezifisch höchst unterschiedlich wahrgenommen wird. Da dies wiederum das Verhältnis von prekärer Beschäftigung und freiwilligem Engagement spezifisch prägt, wird die theoretische und empirische Analyse erstens nach Gender differenziert durchgeführt. Um zweitens den Einfluss von arbeitsmarktspezifischen und wohlfahrtsstaatlichen Rahmenbedingungen auf das Verhältnis von prekärer Beschäftigung und freiwilligem Engagement zu untersuchen, steht Großbritannien neben Deutschland im Zentrum der Analysen. Drittens erfolgt eine quer- und längsschnittliche Betrachtung. Zur theoretischen Fundierung der Frage nach dem Zusammenhang von prekärer Beschäftigung und freiwilligem Engagement werden zwei soziologische und sozialpsychologische Erklärungsmöglichkeiten herangezogen: das Gefühl relativer Deprivation und Anerkennungsverluste. Die Ergebnisse zeigen, erstens, dass in westlichen Demokratien Integrationsschwierigkeiten in dem Sinne vorhanden sind, dass jene, die sich an den Rändern des Arbeitsmarktes finden, auch an den Rändern der Zivilgesellschaft stehen. Ausgenommen von diesem Phänomen der doppelten Marginalisierung sind lediglich Frauen in Deutschland, die eine prekäre Integration in den Arbeitsmarkt mit freiwilligem Engagement kompensieren. Zweitens verweist der Ländervergleich darauf, dass Engagementunterschiede zwischen prekärer und regulärer Beschäftigung in Großbritannien schwächer sind als in Deutschland. Drittens wird deutlich, dass sich die im Querschnitt festzustellenden Differenzen im freiwilligen Engagement zwischen prekärer und regulärer Beschäftigung im Längsschnitt in der Tendenz verkleinern, wenn nicht gar auflösen. Dies verweist auf die Relevanz von Persönlichkeitsmerkmalen oder Werten als Erklärungsfaktoren. Datengrundlage der empirischen Analysen sind das Sozio-oekonomische Panel (SOEP) sowie das British Household Panel Survey (BHPS). Im Fokus stehen die Jahre 2001 bis 2011 bzw. 2007.
Betreuerinnen: Prof. Dr. Petra Böhnke (Universität Hamburg)
Prof. Dr. Nicole Mayer-Ahuja (Universität Göttingen)
Gutachterinnen: Prof. Dr. Petra Böhnke (Universität Hamburg)
Prof. Dr. Anne Busch-Heizmann (Universität Duisburg-Essen)
Prof. Dr. Susanne Strauß (Universität Konstanz)
Tag der Disputation: 10. November 2016
Kontakt: janina.zeh"AT"ifbq.hamburg.de
janina.zeh"AT"gmx.net
Die Dissertation ist im Springer VS-Verlag als Buch erschienen.
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Dissertation Isabel Valdés Cifuentes
Die sozialen Folgen prekärer Arbeit. Zum Zusammenspiel von prekärer Beschäftigung und sozialen Beziehungen vor dem Hintergrund nationaler Beschäftigungs- und Sozialpolitiken. Ein europäischer Vergleich
Kurzzusammenfassung: Der Wandel der Beschäftigungs- und Sozialpolitik, der in weiten Teilen Europas stattgefunden hat, beinhaltet zunehmend aktivierende Elemente und betont die Relevanz individueller Ressourcen zur Risikoabsicherung. Dass sich diese auch auf die Ressourcen des privaten Netzes beziehen, wird aus der Formulierung einer „Bedarfsgemeinschaft“ deutlich. Problematisch wird dies dann, wenn bestimmte Bevölkerungsgruppen über eine schlechtere soziale Einbettung verfügen als andere und damit weniger Ressourcen im Bedarfsfall akquirieren können. Innerhalb des Prekarisierungsdiskurses wird davon ausgegangen, dass das Risiko sozialer Desintegration für prekär Beschäftigte höher ist als für regulär Beschäftigte. Angesichts einer zunehmenden Anzahl an Personen, die nicht vollständig in den Arbeitsmarkt integriert sind, werden die europäischen Länder damit mit einer steigenden Gefahr sozialer Spaltung konfrontiert. Diese These ist zwar einleuchtend und weit verbreitet, es mangelt jedoch an einer systematischen Überprüfung. Insbesondere gilt dies für den europäischen Vergleich. Letzterer ist aber umso wichtiger, da sich die beschäftigungs- und sozialpolitischen Rahmenbedingungen zwischen den Ländern deutlich unterscheiden, wodurch große Unterschiede innerhalb Europas angenommen werden können.
Die zentralen Fragen dieser Untersuchung lauten demnach: (1) Gibt es einen Zusammenhang zwischen prekärer Beschäftigung und sozialen Beziehungen und wenn ja, wie gestaltet sich dieser? (2) Welchen Einfluss haben die beschäftigungs- und sozialpolitischen Maßnahmen auf dieses Zusammenspiel?
Um diese Fragen zu beantworten werden mit der Ungleichheits-, Differenzierungs-, Anerkennungs- und Stresstheorie soziologische und sozialpsychologische Theorien herangezogen. Betrachtet werden drei Dimensionen sozialer Beziehungen, die möglichst viele Informationen über die soziale Ressourcenausstattung der Individuen beinhalten: Kontakthäufigkeit, Unterstützungsressourcen und Beziehungsqualität. Um die Besonderheiten familialer Beziehungen herauszuarbeiten, werden diese im Vergleich zu außerfamilialen Beziehungen analysiert. Prekäre Beschäftigung wird als Spezialfall atypischer Beschäftigung verstanden und durch eine Kombination aus objektiven (atypische Vertragsart) und subjektiven (Arbeitsplatzunsicherheit) Unsicherheitsmerkmalen definiert. Auf der Kontextebene werden insbesondere aufgrund von Annahmen aus der Institutionalismusforschung die Flexicurity-Maßnahmen der EU als beschäftigungs- und sozialpolitischer Rahmen betrachtet.
Die Ergebnisse, die sich mit Daten des European Quality of Life Survey (2012) ergeben, liefern folgende Erkenntnisse: Erstens verfügen prekär Beschäftigte im Vergleich zu regulär Beschäftigten europaweit über weniger soziale Beziehungen. Zweitens wurde deutlich, wie wichtig eine Unterscheidung zwischen atypischer und prekärer Beschäftigung ist und welch zentrale Informationen unerkannt bleiben, wenn objektive Unsicherheitsfaktoren am Arbeitsmarkt nicht um subjektive Merkmale ergänzt werden. Drittens ist der familiäre Rückhalt in vielen Fällen zwar existent, die Untersuchung erkennt jedoch gerade auch die Relevanz außerfamilialer Kontakte. Viertens ist der Einfluss der beschäftigungs- und sozialpolitischen Maßnahmen eher schwach und unsystematisch. Es kristallisierte sich aber heraus, dass den Hypothesen gemäß insbesondere einkommenssichernde Elemente, das heißt staatliche finanzielle Unterstützung im Bedarfsfall, die sozialen Beziehungen prekär Beschäftigter entlasten und somit dazu beitragen können, dass prekär und regulär Beschäftigte in ähnlicher Weise auf soziale Beziehungen zurückgreifen können. Insgesamt jedoch wurde durch den eher schwachen staatlichen Einfluss deutlich, dass die sozialen Risiken prekärer Beschäftigung nur schwer durch staatliche Maßnahmen abgefedert werden können, sodass politische Maßnahmen vorher ansetzen sollten und verhindern, dass aus einer atypischen Beschäftigung eine prekäre wird.
Betreuerinnen: Prof. Dr. Petra Böhnke (Universität Hamburg)
PD Dr. Karin Schulze Buschoff (Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliches Institut (WSI) in der Hans-Böckler-Stiftung)
Gutachterinnen: Prof. Dr. Petra Böhnke (Universität Hamburg)
Jun.-Prof. Dr. Natascha Nisic (Universität Hamburg)
Tag der Disputation: 08.02.2017
Kontakt: I.Valdes@gmx.de(Isabel.ValdesCifuentes"AT"wiso.uni-hamburg.de)
Die Dissertation ist im Springer VS-Verlag als Buch erschienen.
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Dissertation Ann-Christin Renneberg
Gesundheitliche Ungleichheit zwischen Paarmüttern und Alleinerziehenden in Europa – Die Rolle von Erwerbsarbeit, Ressourcen, institutionellen Kontextfaktoren und gesellschaftlichen Einstellungen
Kurzzusammenfassung: Alleinerziehende sind zahlreichen Risiken ausgesetzt. Neben einem vergleichsweise hohen Armutsrisiko sind sie auch häufiger als Paarmütter von Depressionen und physischen Beeinträchtigungen betroffen. Vor allem die gesundheitliche Ungleichheit zwischen Müttern konnte bisher noch nicht in ausreichender Weise erklärt werden.
Der Arbeitsmarktintegration Alleinerziehender wird eine große Bedeutung beigemessen, um die Lebenssituation der Mütter zu verbessern. Den gesundheitlichen Konsequenzen, die mit der Erwerbsarbeit für Mütter einhergehen, wurde bisher aber kaum Beachtung geschenkt. Arbeitszeiten sowie das Beschäftigungsverhältnis könnten dabei mit Ressourcendefiziten, Vereinbarkeitsproblemen und Planungsunsicherheiten verbunden sein. Aufgrund ihrer spezifischen Lebenssituation könnten Alleinerziehende von Belastungen durch die Erwerbsarbeit stärker betroffen sein als Paarmütter. Zur Kompensation der Risiken, die mit der Erwerbsarbeit in Verbindung stehen, kommt dem Wohlfahrtsstaat eine bedeutsame Rolle zu. Ziel dieser Arbeit ist es herauszufinden, in welchen europäischen Ländern eine gesundheitliche Benachteiligung Alleinerziehender festgestellt werden kann und ob diese durch die Erwerbseinbindung, Ressourcenausstattung sowie institutionelle Kontextfaktoren und gesellschaftliche Einstellungen erklärt werden kann.
Zur Klärung der Frage werden Individualdaten des European Working Conditions Survey 2010 herangezogen sowie Makroindikatoren von Eurostat, OECD u.a., um zwei Verfahren der Mehrebenenanalyse anzuwenden. Dabei zeigt sich, dass in den wenigsten Ländern eine signifikante Benachteiligung Alleinerziehender festzustellen ist. Bezüglich der selbsteingeschätzten Gesundheit ist dies in Belgien, Bulgarien, Tschechien, Frankreich und Lettland der Fall. Diese Benachteiligung kann durch individuelle Charakteristika wie Alter und das Bildungsniveau erklärt werden. Hinsichtlich der mentalen Gesundheit ist eine Benachteiligung Alleinerziehender in Bulgarien, Frankreich und Zypern festzustellen, die durch Alter, Bildung, Arbeitszeiten oder die persönliche Ausstattung mit finanziellen, sozialen und Freizeitressourcen erklärt werden. Auf der Makroebene spielen insbesondere das Gesundheitssystem wie der Zugang zu Ärzten und die privaten und staatlichen Gesundheitsausgaben eine Rolle. Auch die Familienpolitik, vor allem eine gut ausgebaute Kinderbetreuung und ein ausgeglichener Gender-Employment Gap können die Gesundheit der Alleinerziehenden fördern. Kaum von Relevanz sind hingegen die gesellschaftlichen Einstellungen zur Müttererwerbstätigkeit und geschlechtlicher Arbeitsteilung, die Arbeitsmarktflexibilisierung und Aktivierung.
Betreuerinnen: Prof. Dr. Petra Böhnke (Universität Hamburg)
Prof. Dr. Birgit Pfau-Effinger (Universität Hamburg)
Gutachterinnen: Prof. Dr. Petra Böhnke (Universität Hamburg)
Prof. Dr. Stefanie Kley (Universität Hamburg)
Tag der Disputation: 13.04.2017
Kontakt: renneberg"AT"dzhw.eu