Skill in Poker
Die empirische Messung der Skill-Komponente im Poker
Der Pokermarkt ist ein Milliardenmarkt. Die „Global Betting and Gaming Consultants“ schätzen den Umsatz für Onlinepoker weltweit auf drei Milliarden US-Dollar und in Deutschland werden zwischen einer und zwei Millionen aktive Pokerspieler angenommen. Weitere Zuwächse in diesem Markt sind zu erwarten. Noch immer herrscht eine Debatte darüber, ob die beliebte NL-Holdem Variante im Poker ein Glücksspiel darstellt und seine Veranstaltung und die Werbung dafür damit nach § 284, § 285 StGB strafbar sind, oder ob es sich um ein Geschicklichkeitsspiel handelt. Ein Glücksspiel wird im Glücksspielstaatsvertrag § 3 Abs.1 wie folgt definiert:
„Ein Glücksspiel liegt vor, wenn im Rahmen eines Spiels für den Erwerb einer Gewinnchance ein Entgelt verlangt wird und die Entscheidung über den Gewinn ganz oder überwiegend vom Zufall abhängt.
Das kritische Definitionsmerkmal für das Pokerspiel ist, ob der Zufall oder die Geschicklichkeit überwiegt, also für das Spielergebnis zu mehr als 50% verantwortlich ist. Diese Definition gilt dabei für den durchschnittlichen Spieler. Unstrittig ist, dass beim Pokerspiel – im Gegensatz zu reinen Glücksspielen wie dem Roulett – auch die Geschicklichkeit eine Rolle spielt. Es handelt sich also um ein Mischspiel. Die Schwierigkeit besteht in der Messung, ob der Zufall oder die Geschicklichkeit überwiegt. Hierzu sind bereits einige Untersuchungen getätigt worden, die jedoch alle methodische Mängel aufweisen und/oder sich der Thematik lediglich mit einem „Bauchgefühl“ annähern. In keiner der bisherigen Veröffentlichungen konnte das Verhältnis Geschicklichkeitsanteil zu Zufall exakt bestimmt werden. Meyer & Hayer leiten den Bedarf einer empirischen Untersuchung zur Quantifizierung des Geschicklichkeitsfaktors im Poker ab.
Im Gegensatz zu bisherigen Untersuchungen untersuchen wir das Pokerspiel nicht im Rahmen einer künstlichen Pokerumgebung, sondern anhand des tatsächlichen Spielverhaltens von Pokerspielern. Hierzu zeichnen wir das Online-Spielverhalten von Pokerspielern anhand so genannter Handhistories auf und werten diese aus.
Anhand dieser Untersuchung haben wir die kritische Wiederholungshäufigkeit (CRF-Wert) für das Pokerspiel bestimmt. Der CRF-Wert basiert auf der Annahme, dass sich der Zufall mit zunehmender Spielwiederholung ausmittelt, der Einfluss des Geschicks jedoch verbleibt und sich addiert. Der CRF-Wert stellt dann den Schwellenwert an Wiederholungen dar, ab dem der Anteil des Geschicks gleich dem Anteil des Zufalls ist. Bei einem großen CRF-Wert handelt es sich bei dem Spiel eher um ein Glücksspiel, bei einem kleinen CRF-Wert eher um ein Geschicklichkeitsspiel.
In unserer empirischen Untersuchung kommen wir zu dem Schluss, dass es sich beim Poker eher um ein Geschicklichkeitsspiel als um ein Glücksspiel handelt. Jedoch ist dieses Ergebnis stark abhängig von der Stichprobe, da sich die Geschicklichkeitsdifferenz zwischen den Spielern im Zeitablauf aufgrund von Lerneffekten der Spieler und der Zuwanderung unbedarfter Spieler ändert. Bei einer anderen Stichprobe könnte die Differenz der Geschicke der Spieler daher geringer sein. Dies würde in einem deutlich höheren CRF-Wert resultieren, da dieser wenig robust gegenüber dem Geschicklichkeitsdifferenz ist. Zudem ist die Entscheidung, ab welchem CRF-Wert es sich bei einem Spiel um ein Geschicklichkeitsspiel handelt, eine normative Frage, die letztlich nur von einem Gericht oder einem Gesetz entschieden werden kann.
Poker liegt daher im Kontinuum zwischen Glücks- und Geschicklichkeitsspiel und seine Klassifizierung als Glücks- oder Geschicklichkeitsspiel bleibt eine politische Frage mit der damit verbundenen Lobbyarbeit und Rechtsunsicherheit. Für den Gesetzgeber sollte bei der Entscheidung zur Regulierung von Spielen ohnehin nicht entscheidend sein, ob das Spielergebnis vom Glück oder vom Geschick abhängt, sondern vielmehr, ob das Spiel sozialschädlich ist. Die nächste Herausforderung ist daher eine Glücksspieldefinition, die alle sozial schädlichen Spiele abdeckt und nicht zu Rechtsunsicherheit führt.
Veröffentlichungen
- Ingo Fiedler, Jan-Philipp Rock, 2009, Quantifying Skill in Games – Theory and Empirical Evidence for Poker, Gaming Law Review and Economics, February 2009 (13), 50-57, Abstract.
- Jan-Philipp Rock, Ingo Fiedler, 2008, Die Empirie des Online-Pokers – Bestimmung des Geschicklichkeitsanteils anhand der kritischen Wiederholungshäufigkeit, Zeitschrift für Wett- und Glücksspielrecht, 412-422.
Fachvorträge
- 14th International Conference on Risk Taking & Gambling, May 2009, Skill in Games - Theory and Empirical Evidence for Poker
- EMLE-Midterm Meeting, February 2009, Skill in Games - Theory and Empirical Evidence for Poker
Pressestimmen
Celeste Biever, New Scientist, April 2009/2702: Poker skills could sway gambling laws
Arthur S. Reber, www.pokerlistings.com, May 2009: Skill vs. Luck: Let's Get it Right
Arthur S. Reber, Casinopulse, Poker: A Skill Game - Now With Scientific Proof