marEEshift-Bericht
Quo Vadis Deutsche Fischerei –
Zukunftsperspektiven aus Sicht
von Berufsfischern
27. März 2023
Im Rahmen des vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten Forschungsprojekts marEEshift befragten Wissenschaftler der Universität Hamburg im März und April 2023 deutsche kommerzielle Fischer an der Nord- und Ostsee zum aktuellenStand der Fischerei und zu Zukunftsperspektiven. Mehr als 50 Berufsfischer nahmen an derStudie teil. Die Teilnehmer weisen auf mehrere Probleme hin und geben klare Signale, wie die Situation in Zukunft verbessert werden kann.
Schlechte Bestände aus unterschiedlichen Gründen
Kaum mehr Aale, Dorsche und wenige Heringe – der aktuelle Zustand der Fischbestände in Nord- und Ostsee ist schlecht, geben die Berufsfischer an. Das deckt sich mit Beobachtungen aus der westlichen Ostsee, bei denen die Dorschbestände in ein nicht nachhaltiges Regime gekippt sind (Möllmann et al. 2021). Dass die Fangquoten in den nächsten fünf Jahren steigen werden, halten die meisten Fischer für unwahrscheinlich. Über 80 Prozent der Befragten blicken pessimistisch auf die wirtschaftliche Zukunftsfähigkeit der deutschen Fischerei. Diese trüben Aussichten spiegeln sich auch darin wider, dass kaum ein Kind eines Fischers den Beruf der Eltern fortführen möge, könne oder solle.
Große Zustimmung für mehr Nachhaltigkeit
Und doch herrscht große Einigkeit über die Zielvorstellungen. Ein „dauerhaft guter ökologischer Zustand der Ostsee“ soll her, das fordern 43 Prozent der Fischer, die hierzu geantwortet haben. Das gilt gerade in Hinblick auf die Artenvielfalt und den Schutz vor Überdüngung sowie vor Schadstoffbelastung. Weitere 32 Prozent der Fischer geben an, dass das Ökosystem und Fischbestände in einem solchen Zustand sein sollten, dass dauerhaft die biologisch maximal mögliche Menge an Fisch pro Jahr entnommen werden kann. Die wirtschaftliche Nutzung von erholten Fischbeständen ist somit, nicht überraschend, zentral aus der Perspektive der Berufsfischer. Verantwortlich für den aktuellen Zustand der Gewässer und Bestände machen deutsche Fischer neben dem Klimawandel und der Landwirtschaft vor allem die EU. Das kann eine mögliche Erklärung für das geringe Vertrauen der Fischer in die länderübergreifende Institution sein. Deutlich mehr Vertrauen wird im Hinblick auf die Fischereipolitik dem Deutschen Fischereiverband entgegengebracht.
Staat sollte mehr Verantwortung übernehmen
Für die Zukunft wünschen sich die Fischer ein ausgewogenes und in etwa gleichrangiges Engagement zwischen der EU und der Bundesregierung. Dafür sollte die EU weniger Verantwortung und die Bundesregierung mehr Verantwortung übernehmen. Die EU soll aber einer der wichtigsten Akteure bleiben. Gleichzeitig appellieren sie auch an die eigene Gemeinschaft: Die Berufsfischer sehen sich in Teilen mitverantwortlich für den Schutz der Meere und Bestände. Sie wollen mit einbezogen und mit ihren Interessen gehört werden. So soll die Nachhaltigkeits-Transformation unter Beteiligung verschiedener Parteien geschehen.
Hoffnung auf Regeneration
Eine Erholung der Fischbestände scheint für viele Fischer in der mittleren Frist nicht ausgeschlossen. Während weniger als 40% der Fischer eine Erholung der Dorsch- und Heringsbestände innerhalb der nächsten 10 Jahren für wahrscheinlich halten, gibt es innerhalb der nächsten 20 Jahre Hoffnung. 56% der Fischer halten es für wahrscheinlich, dass sich der Heringsbestand in diesem Zeitraum in Nord- und Ostsee auf ein nachhaltiges Niveau erholt, und 43%, dass dies auch für den Dorschbestand erreicht werden kann. Was es dafür braucht, ist laut der befragten Fischer aber die gemeinsame Anstrengung auf nationaler und europäischer Ebene.
All das weckt Hoffnung. Die Teilnehmer der Studie senden ein klares Signal an die Institutionen auf nationaler und europäischer Ebene. Sie sollen sich für die Regeneration der deutschen See einsetzen und mit mehr Konsequenz ein System fördern, das die ökologische Situation verbessert und zugleich in Zukunft eine bessere ökonomische Nutzung der Meeresressourcen erlaubt.
Referenzen
Möllmann, C., Cormon, X., Funk, S., Otto, S. A., Schmidt, J. O., Schwermer, H., Sguotti, C.,
Voss, R., & Quaas, M. (2021). Tipping point realized in cod fishery. Nature Scientific Reports,
11(1), 14259. https://doi.org/10.1038/s41598-021-93843-z
Über marEEshift
Das Forschungsprojekt marEEshift beschäftigte sich mit der Frage, wie die Resilienz maritimer Systeme erhöht werden kann. Zum einen geht es darum, Prozesse zu identifizieren, die schon heute positiv sowie negativ auf die Resilienz einwirken. Im zweiten Schritt sollen konkrete Maßnahmen und Institutionen ausgemacht werden, die den zukünftigen Wandel der ökologisch-ökonomischen Nutzungssysteme hin zur Nachhaltigkeit fördern können. Die beteiligten Wissenschaftler untersuchen sowohl ökologische, wirtschaftliche, soziale und politische Faktoren, die sich auf die Transformation im Nordatlantik auswirken. Die westliche Ostsee dient als Modellfall. Analysiert wird das Potential der Verlagerung der Nutzung der Ostsee hin zu einem Nachhaltigkeitsregime. Das Forschungsprojekt wurde vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert und umfasste mehrere Forschungsgruppen in ganz Deutschland.