Research
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Projekt "Zur Geschichte der Wirtschafts- und Sozialwissenschaften an der Universität Hamburg"
Ein Beitrag zum Publikationsprojekt anlässlich des Universitätsjubiläums 2019
1919 wurde die Universität Hamburg gegründet und eine Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät eingerichtet. Dort waren drei volkswirtschaftliche Professuren angesiedelt, die bereits 1920 besetzt waren. Die Anfangsphase der (universitären) Hamburger Nationalökonomie fällt in eine Zeit, in der sich die Disziplin in einem Umbruch befand, im deutschsprachigen Raum wurde sogar häufig von einer Krise gesprochen. Die Kritik an der „Jüngeren Historischen Schule“, die in den Jahrzehnten nach der Reichsgründung die VWL in Deutschland dominiert hatte, verband die schon seit der Jahrhundertwende entstandenen unterschiedlichen Strömungen. Die jüngere Generation der Volkswirte suchte Anschluss an die zeitgenössischen angelsächsischen Diskussionen und setzte sich mit klassischen, neoklassischen und marxistischen Theorien auseinander. Der statistischen Erfassung des Wirtschaftsgeschehens war in der Kriegszeit eine prominente Rolle zugefallen. Diese systematisch gesammelten Daten eröffneten den Wirtschaftswissenschaftlern neue Einblicke und Forschungsmöglichkeiten.
Die Soziologie, die sich in diesen Jahren als eigenständige Disziplin formierte, differenzierte sich aus der Nationalökonomie heraus: Viele der Begründer des Faches, so z.B. Max Weber, waren Professoren der Nationalökonomie. Es war vor allem ihre Vielfalt, die die Volkswirtschaftslehre in den Weimarer Jahren kennzeichnete. Blickt man mit dem durch die Denkgewohnheiten der modernen VWL geprägtem Blick zurück, so springt vor allem ins Auge, dass es weder einen Konsens über theoretische Herangehensweisen noch allgemein akzeptierte Standards der empirischen Forschung gab. Erst in den Jahren bzw. Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg bildete sich ein solcher Konsens heraus, der sich schließlich in angelsächsisch geprägten „Mainstream“ einfügte.
Die Entwicklung der Wirtschafts- und Sozialwissenschaften an der Universität Hamburg wollen wir vor diesem Hintergrund nachzeichnen. Der Schwerpunkt unseres Projektes liegt in der Zeit zwischen der Universitätsgründung 1919 und dem Jahr 1954, in dem die Wirtschafts- und sozialwissenschaftliche von der Rechtswissenschaftlichen Fakultät getrennt wurde. Mit Blick auf die ökonomische Theoriegeschichte interessiert uns, welche Forschungsthemen an der Universität Hamburg im Vordergrund standen, welche Entwicklungen rezipiert und welche mitgestaltet wurden. Die Publikationen der berufenen Wissenschaftler sind dabei nur ein Aspekt: Wir untersuchen, mit welchen Themen sich die Doktorandinnen und Doktoranden beschäftigten. Gibt es Anzeichen dafür, dass sie ihren Betreuern und Lehrern vorauseilten oder den Entwicklungen im Fach eher hinterherhinkten? Wie spiegeln sich die Veränderungen in der Disziplin im Lehrangebot?
Die Nationalökonomie war in den Jahren unmittelbar nach dem Ersten Weltkrieg ein sehr beliebtes Studienfach und von einem überproportionalen Anstieg der Studierendenzahlen betroffen, der in der zweiten Hälfte der 1920er Jahre allerdings deutlich abebbte. Bis 1923 das Diplomexamen eingeführt wurde, war der Regelabschluss eines VWL-Studiums die Promotion. Das Studium wurde durch die Einführung des Diploms stärker strukturiert, es wurden Pflichtfächer und Wahlpflichtfächer definiert. Uns interessiert, ob sich in den Prüfungsordnungen der Wandel in der Disziplin der VWL spiegelt. Auch die Studierendenschaft der VWL in Hamburg wollen wir genauer untersuchen: In der von uns betrachteten Zeit, wurde bei der Immatrikulation eine Matrikelkarte angelegt, in die die Studierenden persönliche Informationen eintrugen. Wir möchten diese Informationen auswerten und untersuchen, was die Studierenden charakterisierte, die sich für das Fach Nationalökonomie entschieden und ob sich diese Charakteristiken im Zeitablauf änderten. Uns interessiert zum Beispiel, welche Studierenden sich nach Abschluss des Diplomexamens für eine Promotion entschieden.
Die Machtübernahme der Nationalsozialisten und die Vertreibung von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern war auch für die Hamburger VWL ein schwerer Einschnitt: Der Sozialdemokrat Professor Eduard Heimann, zum Beispiel, und der Privatdozent Kurt Singer, beide aus jüdischen Familien stammend, wurden entlassen und in die Emigration gezwungen. Wir wollen beleuchten, wie die Stellen nachbesetzt wurden und wie sich die Volkswirtschaftslehre in Hamburg in den Folgejahren und bis in die frühen Jahre der Bundesrepublik ausrichtete. Die Gemeinsamkeiten mit den in der Fakultät versammelten Nachbardisziplinen, nämlich der Rechtswissenschaft, Soziologie und Betriebswirtschaftslehre sollen betrachtet werden, sowie die sich im Zuge der fachlichen Differenzierung herausbildenden Abgrenzungskriterien. Diese Entwicklungen spiegeln auch die Ablösung vom ganzheitlichen Zugang zu sozioökonomischen Fragestellungen, der die historisch-ethischen Schulen kennzeichnete. Vor dem Hintergrund der vorliegenden Forschung zu diesen Prozessen im deutschsprachigen Raum werden wir die Hamburger Entwicklungen einordnen und charakterisieren. Auch zur Entwicklung der Wirtschafts- und Sozialwissenschaften an der Universität Hamburg liegen Arbeiten vor, auf denen wir aufbauen können.
Die Geschichte des Faches entfaltet sich nicht losgelöst von institutionellen und personellen Entwicklungen. Neben fachlichen Aspekten, ist die Ausdifferenzierung der wirtschafts- und sozialwissenschaftlichen Fächer und die Aufspaltung der ehemals gemeinsamen Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät im Jahr 1954 vor allem das Ergebnis universitätspolitischer Prozesse, konkreter persönlicher Konstellationen und dem Ringen um Einfluss und Macht. Von besonderem Interesse sind die Berufungsentscheidungen: Nicht nur erfolgreiche Berufungen, auch gescheiterte oder verhinderte Berufungen sind aufschlussreich. Entscheiden sich mit der Besetzung von Lehrstühlen die wissenschaftlichen Wege, die eine Universität einschlägt, so möchten wir ebenfalls erfahren, welche Wege nicht eingeschlagen werden konnten, weil Besetzungen nicht zustande kamen.
Mit dem Stichwort „Praxisbezug“ wollen wir einen weiteren Aspekt der Ausrichtung der Wirtschafts- und Sozialwissenschaften ansprechen. Die Forderung nach Praxisbezug begleitet diese Disziplinen seit ihrer Institutionalisierung. Welche „Praxis“ gemeint ist, hängt dabei vom Standpunkt des Betrachters ab. Seit der Jahrhundertwende zum 20. Jahrhundert wurde unter diesem Stichwort Kritik an der Ausrichtung der Nationalökonomie formuliert. In der wilhelminischen Zeit bildete das weite Feld der staatlichen Sozialpolitik für viele Ökonomen den Anwendungsbezug. Mit dem Entstehen neuer Berufsfelder für Volkswirte in Verbänden und Unternehmen wurde gefordert, die Interessen von Industrie und Handel stärker in den Blick zu nehmen statt sich nur auf staatliches Handeln zu konzentrieren. Für den Hafen- und Reedereistandort Hamburg untersuchen wir, wie sich die Fächer bzw. die Gewichte zwischen den Fächern entwickeln (z.B. Sozialpolitik, Verkehrswesen und Weltwirtschaft) und suchen nach institutionellen und persönlichen Beziehungen, sowohl im akademischen Milieu als auch in Politik und Privatwirtschaft.
Ein weiteres interessantes Kapitel in der Geschichte der Hamburger VWL sind die Kontakte mit dem 1916 gegründeten „Wirtschaftsdienst“. Zahlreiche Angehörige der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät schrieben für diese „Zeitschrift für Wirtschaftspolitik“, in der auch regelmäßig Beiträge von John Maynard Keynes erschienen. Die aufeinander folgenden Chefredakteure Kurt Singer und Eduard Rosenbaum lehrten an der Universität Hamburg. Singer habilitierte 1920, 1925 wurde ihm der Professorentitel verliehen und 1931 wurde er zum außerordentlichen Professor für Nationalökonomie ernannt. Wie Karl Rathgen, der Gründungsrektor der Universität, war Singer ein Japan-Experte. Er nahm 1931 eine Einladung an die Universität Tokio an – in Japan war die deutsche historisch-ethische Nationalökonomie intensiv rezipiert worden war.
Wir arbeiten mit den Beständen des Universitätsarchivs sowie des Staatsarchivs Hamburg, z.B. mit Personalakten, Studierenden- und Vorlesungsverzeichnissen, Sitzungsprotokollen des Fakultätsrats, Studienordnungen etc. Wie erwähnt untersuchen wir die Publikationen der Promovierten, der Mitarbeiter und Professoren.
Elisabeth Allgoewer und Felix Schroeter
Hinweis:Im Wintersemester 2017/18 bieten wir im Bachelorstudiengang VWL ein Seminar zu diesen Themen an und hoffen, unsere Studierenden für die Geschichte unseres Faches und für die Geschichte der Universität Hamburg begeistern zu können: Seminarankündigung (PDF) Das Projekt und erste Ergebnisse werden am 09.11.2017 im Seminar „The state and the economy in historical perspective“ vorgestellt: Seminarprogramm (PDF) Besuchen Sie auch die Arbeitsstelle für Universitätsgeschichte: https://www.uni-hamburg.de/einrichtungen/weitere-einrichtungen/arbeitsstelle-fuer-universitaetsgeschichte.html und den Hamburger Professorinnen- und Professoren-Katalog: https://www.hpk.uni-hamburg.de/ |
Early women Economists in/from the German speaking countries
In 2000 Edward Elgar published a Dictionary of Women Economists (edited by Robert Dimand, Mary Ann Dimand and Evelyn L. Forget). Several economists connected to the German speaking countries (through birth, studies at the Universities or professional activities) were included in this edition, many of whom had emigrated after 1933 and some who had lost their lives in the Holocaust ( Käthe Bauer-Mengelberg, Hilde Behrend, Cora Berliner, Martha Stephanie Browne (née Hermann), Marie Dessauer-Meinhardt, Käthe Leichter, Charlotte Leubuscher, Helene Lieser, Gertrud von Lovasy, Rosa Luxemburg, Ilse Schüller Mintz, Cläre Tisch, Frieda Wunderlich).
In view of an extension of the Dictionary in a later edition we started researching women economists from the German speaking countries. We selected women from a fairly large sample following the guidelines as sketched by the editors of the Dictionary of Women Economists in their “Introduction” (2000, xvi). All women included in our table are dead. They either made substantive contributions to the field (as it was seen at their time) or were historically important (as being “first” in some sense or context). Some additional comments on the selection follow.
For an easy overview the women are grouped in “generations” – where the borders drawn might seem somewhat arbitrarily. For the “younger” generations the details on different types of university positions held are mainly listed in German, as they give some indication on status and pay. Furthermore, information on the type of research (degree thesis, publication) is included in the table.