Forschung
Zentraler Gegenstand der Forschung an der Professur ist die gesellschaftliche Auseinandersetzung mit ökologischen Problemen – insbesondere dem Klimawandel. Dabei interessiert uns einerseits, wie ökologische Krisen wissenschaftlich gedeutet und politisch bearbeitet werden und wie sie ggf. in Prozesse gesellschaftlichen Wandels münden; und andererseits, wie dabei neue soziale Konflikte, aber auch neue Formen sozialer Koordination entstehen, die verschiedene gesellschaftliche Akteure, Governanceebenen und Dimensionen von Autorität miteinander verknüpfen. Konzeptuell und methodisch zeichnet sich die Forschung durch eine Verknüpfung von Ansätzen aus Soziologie und Politikwissenschaft, Science and Technologie Studies und Ethnographie aus.
Die übergeordneten Fragen werden in drei Themenkomplexen bearbeitet:
Sozial-ökologische Transformation: Erstens interessieren wir uns für die gesellschaftlichen Dynamiken von sozial-ökologischen Transformationsprozessen, insbes. in Europa. Hier untersuchen wir etwa, wie unterschiedliche historische Ausgangspunkte, Akteurskonstellationen und Diskursformationen Transformationsprozesse bedingen, und welche Rolle Zukunftswissen in der Form von Modellrechnungen und Szenarien in der öffentlichen Debatte spielt. Empirisch liegt der Fokus in den nächsten Jahren auf der deutschen Klimawende. Im Rahmen einer Mercator-Förderung koordiniert die Professur die Erstellung einer jährlichen Studie zum Stand der deutschen Klimawende, die zentrale soziale Treiber der Dekarbonisierung untersucht und eine sozialwissenschaftliche Plausibilitätsanalyse ihrer Langfristziele vornimmt, sowie den Aufbau einer webbasierten Datenbank zur gesellschaftlichen Dynamik der Klimawende. Dazu werden auch gesellschaftliche Akteure und Beobachtungsinstanzen eingebunden.
Globale Klimapolitik: Zweitens untersuchen wir, wie im Zuge globaler Klimakonferenzen und -verhandlungen neue politische Steuerungsformen, aber auch neue gesellschaftliche Bruchlinien und Konflikte sichtbar werden. In diesem Rahmen wurden in verschiedenen Teams Beobachtungsmissionen bei internationalen Klima- und Umweltkonferenzen seit der COP14 in Poznan in 2008 durchgeführt. Anlässlich der COP21 in Paris konnten wir zeigen, dass solche Konferenzen auch jenseits rechtlich verbindlicher Abkommen eine soziale Koordinationsfunktion ausüben, indem sie zur Klimatisierung globaler Diskurse und sozialer Praktiken beitragen. Diese Forschung wird aktuell im Rahmen des Exzellenzclusters CLICCs weitergeführt.
Soziologie der Begrenzung: Drittens analysieren wir Versuche wissenschaftlicher Organisationen, Politiker*innen und gesellschaftlicher Akteure, globale ökologische Grenzen in verschiedenen Politikfeldern und gesellschaftlichen Teilbereichen zu verankern. Ein Beispiel für eine solche Grenze ist das 1,5°C Ziel für die globale Klimaerwärmung. Dieses bildet die Grundlage für neue Investmentpraktiken, die sich durch die Bestimmung von nachhaltigkeitsbasierten Risikoindikatoren und Rechenschaftspflichten für Finanzmarktakteure auszeichnen (sustainable finance); es bildet auch die normative Grundlage für Klimaklagen gegen Staaten und Unternehmen, in denen diese zur Einhaltung von Klimazielen oder zur Zahlung von Entschädigungen für Klimaschäden gezwungen werden sollen (climate litigation). Dieser Forschungsstrang wird insbes. im Rahmen der Forschungsgruppe Zukünfte der Nachhaltigkeit verfolgt.