Libyen
Kriege in Libyen seit 1945
Tschad (1966 - 1996)
AKUF-Datenbanknr.: |
92 |
Kriegsdauer: |
6/1966 - 8/1996 |
Kriegstyp: |
A-1/AC-1/A-1 |
Kriegsbeendigung |
durch Kämpfe unterhalb der Ebene Krieg |
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Kriegführende |
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Seite A |
Front de Libération Nationale (FROLINAT, 6/1966 - 15.4.1975), verschieden Fraktionen FROLINAT (4/1975 - 12.2.1979), Forces Armées du Nord (FAN)/Forces Armées Populaire (FAP) (12.2.1979 - 5.3.1979, FAP (23.3.1980 - 15.12.1980), FAN (1981 - 9.6.1982), FAP (1082 - 1987), Libyen (1987 - 1989), Mouvement Patriotique due Salut (MPS) (1989 - 1.12.1990), Mouvement pour la Démocratie et le Développement (MDD) (1991-7/1996) [3] / Comité de Sursaut National de la Paix et de la Démocratie (CSNPD) (1991-8/1994) / Forces Armées de la République Fédérale (FARF) (8/1994-8/1996) [3] |
Seite B |
Tschad (6/1996 - 15.4.1975), Tschad/verschiedene Fraktionen FROLINAT (4/1975 - 12.2.1979), Forces Armées Tchadiennes (FAT), (12.2.1979 - 5.3.1979), Tschad (23.3.1980 - 8/1996) |
Intervention zugunsten A: |
Libyen (1982 - 1986) |
KONFLIKTGEGENSTAND UND -ZIELE
Die FROLINAT formierte sich im Juni 1966 aus programmatisch unterschiedlichen Exilgruppen des Tschad, die vor allem die ethnischen Gruppen des Nordens vertraten. Ihr gemeinsames Ziel war der Sturz des Präsidenten Tombalbaye. Dies gelang ihnen am 15. April 1975. Bis dahin kann die bewaffnete Konfrontation im Tschad als reiner Anti-Regime-Krieg angesehen werden; danach entwickelte sich der Krieg zu einem innerstaatlichen Zermürbungskampf mit häufig wechselnden Regierungen, die jeweils ohne breite Legitimationsbasis versuchten, ihre Macht mit Hilfe Dritter - vor allem Frankreichs [1], Libyens [2] und der USA - zu behaupten.
Während anfänglich die Konfliktlinien entlang des ethnischen Nord-Süd-Gegensatzes liefen, führte das Machtvakuum nach dem Sturz Tombalbayes zu einer Zersplitterung der politisch-militärischen Gruppen und Parteien; aus Teilen der 1977 aufgelösten FROLINAT entstanden unter anderem die FAN unter Hissene Habré und die FAP unter Goukoni Oueddei. Die Konfliktlinien veränderten sich in der Folgezeit mehrfach. Erst unter Präsident Habré, der nach langjährigen Kämpfen gegen seinen früheren Verbündeten Oueddei im Oktober 1983 Präsident des Tschad wurde, stabilisierte sich vorübergehend die innenpolitische Lage, ohne daß der Krieg zu Ende ging. Der Grenzkrieg mit Libyen um den Aouzou-Streifen zwischen 1987 und 1989 festigte kurzfristig das Habré-Regime; Ende 1990 wurde es durch aufständische Truppen unter Idriss Déby gestürzt.
Am Anfang der Präsidentschaft Débys beruhigte sich die Lage im Tschad, doch schon Ende 1991 nahm die Intensität wieder zu. Mit der CSNPD konnte 1994 ein Friedensvertrag geschlossen werden, ihr Anführer Moise Kettè wurde Minister im Kabinett Déby. Seit Mitte der neunziger Jahre nimmt die Intensität der Kampfhandlungen im Tschad langsam, aber kontinuierlich ab. Gruppen wie der MDD oder die FNTR treten immer seltener als kämpfende Verbände in Erscheinung, und mit der FARF, einem Flügel der CSNPD, der den Kampf fortsetzte, wurde 1998 ein Friedensschluß erreicht. Es gibt aber weiterhin kämpfende Gruppen, wie seit 1998 die MDJT, deren Potential jedoch schwer einzuschätzen ist.
Das Regime Débys orientiert sich sehr langsam auf Integration und pluralistische Reformen hin. Grundlage dafür war die Nationalkonferenz von Januar 1993, die bestimmte, daß am Ende einer Übergangszeit ein Verfassungsreferendum stattfinden sollte. Dieses fand im März 1996 statt. Ende 1996 und Anfang 1997 wurden die ersten Präsidentschafts- und Parlamentswahlen abgehalten, aus denen Déby und seine Partei, die MPS, als Sieger hervorgingen.
ERGEBNISSE DES KRIEGES
Über weite Jahre hin muß die Staatlichkeit des Tschad als quasi nicht-existent beschrieben werden. Vor allem der Einfluß Frankreichs führte schließlich zur Stabilisierung des Regimes, zur Einführung einer Verfassung und zu einem demokratischen Beginn. Die fortlaufenden, unregelmäßigen Kampfhandlungen stellen jedoch nach wie vor eine ernstzunehmende Bedrohung für das Regime Débys dar, trotz der in den letzten Jahren relativ geringen Intensität der Auseinandersetzungen. Die Vielzahl der kämpfenden Gruppen und die Ungewißheit über ihre Stärke macht es sinnvoller, die Stabilisierung des Staates als einen Friedensschluß als Ende des Krieges zu erkennen. Das Verfassungsreferendum 1996 nimmt hier, auch wenn diese und die folgenden Wahlen nur mit massiver Unterstützung Frankreichs durchgeführt werden konnten, als Zeichen für eine Konsolidierung des Staates eine herausragende Stellung ein.
Der Krieg hat den Tschad als eines der ärmsten Länder der Welt zurückgelassen, die Hoffnung auf ökonomischen Aufschwung knüpft sich vor allem an die 1994 gefundenen Ölvorkommen, die in den nächsten Jahren erschlossen werden sollen. Die Zahl der Toten ist kaum zu bestimmen, sie liegt jedoch bei wenigstens 230.000 Kriegsopfern.
ANMERKUNGEN
[1] Die ehemalige Kolonialmacht Frankreich vollzog eine Schaukelpolitik, welche die jeweils stärkste militärische Gruppe des Tschad unterstützte. Frankreich intervenierte bis 1990 immer zugunsten der vom Sturz oder durch Libyen bedrohten Regierung, ließ schließlich aber den als prolibysch geltenden Rebellenführer Déby gewähren.
[2] Libyen hat mehrfach in den innerstaatlichen Konflikt eingegriffen. Zwischen 1987 und 1989 führte es außerdem einen verlustreichen zwischenstaatlichen Krieg mit dem Tschad um den Aouzou-Streifen, den Libyen bereits seit 1973 besetzt hielt. Inzwischen haben sich die Beziehungen zwischen den beiden Ländern verbessert.
[3] Teile von MDD und FARF waren auch über das Ende des Krieges im August 1996 hinaus noch sporadisch an Kampfhandlungen beteiligt, ebenso wie zahlreiche weitere Rebellengruppen, die zum Teil erst nach 1996 entstanden.
Philipp Bailly
Libyen (2014 - )
AKUF-Datenbanknr.: | |
Kriegsdauer | 2014 - andauernd |
Kriegstyp | |
Kriegführende | |
Seite A | Nationale Einheitsregierung |
Seite B | Repräsentantenhaus (Toburk u. Libyan) / National Army (LNA) / Islamischer Staat (IS) |
Konfliktgegenstand und -ziele
Seit dem Bürgerkrieg 2011 ist die Lage in Libyen instabil. Weite Teile des Landes standen unter der Kontrolle von lokalen Milizen, welche sich nicht dem Nationalen Übergangsrat unterstellten und die unübersichtlichen politischen und ökonomischen Verhältnisse nutzten, um Macht und Einfluss zu erlangen. Insbesondere Flughäfen, Exporthäfen und Ölterminals blieben Schauplätze von starken Auseinandersetzung. In Teilen des Landes gewannen auch dschihadistische Tendenzen an Einfluss.
Die derzeitigen Konfliktlinien und Hauptakteure bildeten sich im Zuge der Wahlen im Juni 2014 heraus. Bereits im Mai 2014 ließ General Chalifa Haftar [1] das Parlament in Tripolis von seinen Anhängern, der selbsternannten Libyische Nationalarmee (LNA), stürmen. Er verkündete die Auflösung des Nationalkongresses aufgrund islamistischer Tendenzen, warf ihnen eine Zusammenarbeit mit der Muslimbruderschaft vor und initiierte Neuwahlen. Diese konnten, bei einer geringen Wahlbeteiligung, von den Unterstützer Haftars für sich entscheiden werden.
Allerdings erklärte das neu gegründete Bündnisses Fadschr Libiya (Morgenröte), bestehend aus der Muslimbruderschaft nahestehenden Milizen, dschihadistischen Gruppen mit Verbindung zu Al-Qaida und säkularen Aktivisten der Demokratischen Partei Libyens, das Ergebnis nicht anzuerkennen. Sie rekrutierten Kämpfer, besonders aus dem Westen Libyens und der Stadt Misrata, und übernahmen nach schweren Kämpfen im Juli 2014 die Kontrolle über Tripolis. Dort riefen sie die Bildung des Neuen Allgemeinen Nationalkongresses und eines National Salvation Government (Heilsregierung) unter Khalifa al-Ghwell aus. Das gewählte Repräsentantenhaus floh in den Osten des Landes nach Tobruk und ernannte General Haftar zum Oberbefehlshaber der Streitkräfte. Somit existierten seit Mitte 2014 pro forma zwei unterschiedliche Regierungen in Libyen. De facto allerdings war und ist die Loyalität der heterogenen, politisch, religiös und ideologisch völlig verschiedenen Milizen zu den offiziellen Regierungen äußerst fragil und instrumentell. Somit lässt sich im „Zweiten libyschen Bürgerkrieg“ nicht von zwei Lagern, sondern einer Vielzahl an ausdifferenzierten, in zerbrechlichen und undurchsichtigen Bündnissen temporär vereinter Milizen mit je unterschiedlichen Zielen und Interessen sprechen.
Wichtige Ereignisse
2015 kam es unter Vermittlung der UN zur Bildung einer Nationalen Einheitsregierung (GNA). Diese Regierung unter Staatsoberhaupt Fayiz as-Sarradsch ist seit März 2016 von der internationalen Gemeinschaft als offizielle Vertretung Libyens anerkannt. Daraus folgend spaltete sich das Bündnis „Morgenröte“ in Unterstützer der Einheitsregierung und islamistische Milizen mit Kontakten zum Islamischen Staat (IS).
Nachdem durch eine zusätzliche Klausel General Chalifa Haftar entmachtet werden sollte, kannten sowohl die 2014 gewählten und geflohenen Vertreter als auch die LNA die GNA nicht an. Auch beschränkte sich der Einfluss der GNA lediglich auf einige Bezirke der Hauptstadt, während die LNA unter dem Kommando von Haftar weite Teile des Ostens und Nordostens Libyens kontrolliert. Unterstützt wird die LNA von einflussreichen Alliierten in Ägypten und den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE)
Neben der Hauptkonfliktlinie zwischen Haftars LNA und Sarradschs GNA haben seit 2014 radikal-islamistische Milizen aktiv in den Kampf um die Macht eingegriffen. So konnte der IS am 13. Februar 2015 die Stadt Sirte erobern und im Laufe des Jahres sein Territorium in der Region um Sirte und Derna beträchtlich erweitern. Der Einheitsregierung gelang mit Unterstützung der US-Luftwaffe im Dezember 2016 die Rückeroberung Sirtes, womit der IS sein festes Territorium im Land einbüßte. Ihre andauernde Präsenz im Land drückt sich jedoch in anhaltenden Attentaten aus.
Der Konflikt dauert auch ins Berichtsjahr 2018 an. Die größten militärischen Konfrontationen des Jahres fanden im Juni um Ölterminals im Golf von Sirte sowie um die letzte Hochburg des IS in Derna statt. Allerdings wurden auch Verhandlungen und informelle Gespräche zwischen Sarradsch und Haftar geführt. Bei diesen wurde sich darauf geeinigt die nicht durchführbaren Wahlen vom Dezember 2018 auf Juni 2019 zu verschieben.