Georgien
Kriege in Georgien seit 1945
Georgien (Südossetien I, 1990 - 1992)
AKUF-Datenbanknr.: |
202 |
Kriegsdauer: |
12/1990 - 7/1992 |
Kriegstyp: |
B-2 |
Kriegsbeendigung |
durch Vermittlung Dritter (Nachbarstaat(en)) |
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Kriegführende |
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Seite A |
Georgien |
Seite B |
Südossetische Nationalisten |
KONFLIKTGEGENSTAND UND -ZIELE
1989 begann sich der Konflikt um die zu Georgien gehörende Autonome Region Südossetien zuzuspitzen. Bestrebungen Südossetiens, sich mit der zur Russischen Föderation gehörenden Autonomen Republik Nordossetien zu vereinigen, und Versuche der georgischen Zentralmacht, Georgisch zur Amtssprache zu erklären und Rechte der Minderheiten zu beschneiden, führten zur Verschlechterung der Beziehungen zwischen Osseten und Georgiern. Im September 1990 - parallel zu den Unabhängigkeitsbestrebungen Georgiens - erklärte sich Südossetien für unabhängig; im Dezember 1990 hob Georgien im Gegenzug die Autonomie Südossetiens auf. Der Nationalitätenkonflikt eskalierte zum Krieg.
ERGEBNISSE DES KRIEGES
Mit der Stationierung von russisch-georgisch-ossetischen Friedenstruppen am 14. Juli 1992 konnte der Krieg in Südossetien beendet werden. Der Konflikt schwelt jedoch weiter: So blieben bei den georgischen Parlamentswahlen am 11. Oktober 1992 die Wahlbüros in Südossetien geschlossen.
Der Krieg forderte mindestens 150 Todesopfer und führte zur Flucht von etwa 20.000 Osseten und 100.000 Georgiern.
Thomas Dorenwendt / Peter Tautkus
Georgien (Anti-Regimekrieg, 1991 - 1993)
AKUF-Datenbanknr.: |
201 |
Kriegsdauer: |
9/1991 - 31.12.1993 |
Kriegstyp: |
A-2 |
Kriegsbeendigung |
durch militärischen Sieg Seite A |
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Kriegführende |
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I. Phase |
(1991 - 1993) |
Seite A |
Oppositionelle Nationalbewegung¹ |
Seite B |
Georgien |
II. Phase |
(1993 - 1994) |
Seite A |
Swiadisten (Oppostionsbewegung des gestürzten Präsidenten |
Seite B |
Georgien |
KONFLIKTGEGENSTAND UND -ZIELE
Swiad Gamsachurdia, der mit seinem Bündnis "Runder Tisch - freies Georgien" die ersten freien Wahlen im Oktober und November 1990 gewonnen hatte und am 26. Mai 1991 in einer Direktwahl als Präsident bestätigt worden war, gelang es nicht, die Verschlechterung der wirtschaftlichen und sozialen Lage im Land aufzuhalten. Zunehmend schuf er sich durch seinen diktatorischen Regierungsstil und seine brutale Nationalitätenpolitik entschiedene Feinde in den eigenen Reihen. Als Gamsachurdia sich im August 1991 mit den Moskauer Putschisten gegen die Opposition in Georgien verbünden zu wollen schien, schlug die Stimmung der Georgier, die ihn ursprünglich wegen seiner strikt anti-sowjetischen Politik gewählt hatten, endgültig um. Im September schloß sich die Mehrheit der oppositionellen Bewegungen zusammen; Polizei- und Militäreinsätze gegen ihre Demonstrationen vor dem Regierungspalast in Tblissi (Tiflis) führten zu Schießereien, die schließlich zum offenen Krieg zwischen "Swiadisten" (nach dem Vornamen des Präsidenten) und Gamsachurdia-Gegnern eskalierten.
ERGEBNISSE DES KRIEGES
Nach viermonatigen Kämpfen und nach dem Überlaufen von Teilen der Nationalgarde unter dem ehemaligen Verteidigungsminister Tengis Kitovani kam es in den beiden letzten Dezemberwochen des Jahres 1991 zu einer militärischen Entscheidung zugunsten der Opposition. Gamsachurdia floh am 7. Januar 1992 nach Armenien. Mindestens 100 Menschen starben bei diesen Kämpfen. Ein Militärrat als höchstes Exekutivorgan, bestehend aus den Führern der Opposition (Chanturia, Iosseliani, Kitovani) beauftragte den unter Gamsachurdia zurückgetretenen ehemaligen Ministerpräsidenten T. Sigua mit der Bildung einer Übergangsregierung. Nach der Regierungsbildung wurde der ehemalige sowjetische Außenminister Schewardnadse zum Vorsitzenden des Staatsrates ernannt. Putschversuche von Gamsachurdia-Anhängern im April und Juni 1992 wurden niedergeschlagen. Die Sympathie für Gamsachurdia blieb in Mingrelien, im Westen Georgiens, jedoch ungebrochen. Im Zusammenhang mit dem Krieg in Abchasien (vgl. Krieg Nr. 207) kam es erneut zu Kämpfen. Die Anhänger Gamsachurdias nutzten im August 1993 den ersten georgisch-abchasischen Waffenstillstand vom 28. Juli 1993 und den damit verbundenen georgischen Truppenabzug aus Abchasien zu einer militärischen Offensive, bei der sie bis Mitte September ganz Westgeorgien unter ihre Kontrolle brachten. Sie profitierten dabei von einer Offensive die abchasische Truppen unter Bruch des Waffenstillstands gegen die georgischen Truppen in Suhumi unternommen hatten. Nachdem der georgische Staatschef, Eduard Schewardnardse, am 8. Oktober die Bereitschaft Georgiens erklärt hatte der GUS beizutreten und der Einrichtung russicher Militärbasen in seinem Land zugestimmt hatte, übernahm Rußland die Sicherung wichtiger Verkehrsverbindungen in Georgien und gewährte der georgischen Regierung verdeckte militärische Unterstützung. Daraufhin starteten die georgischen Truppen Mitte Oktober eine Gegenoffensive bei der sie die Swiadisten innerhalb weniger Wochen aus Westgeorgien vertreiben. Swiad Gamsachurdia flüchtete erneut und beging am 31. Dezember 1993 in Tschetschenien Selbstmord.
ANMERKUNGEN
[1] Die oppositionelle Nationalbewegung besteht aus mehr als 30 verschiedenen Gruppierungen, die nur durch ihre Gegenerschaft zu der Regierung Gamsachurdia geeint ist. Die wichtigsten Akteure sind die Nationaldemokratische Partei unter der Führung von Gia Chanturia und der bewaffnete Arm der Opposition, die "Mchedrioni" (Weißen Ritter), unter der Führung von Dschaba Iosseliani. Zusätzlich kämpfen Teile der übergelaufenen Nationalgarde unter Führung des zurückgetretenen Verteidigungsministers Tengis Kitovani auf Seiten der Opposition.
Claus Neukirch
Goergien (Abchasien, 1992 - 1994)
AKUF-Datenbanknr.: |
207 |
Kriegsdauer: |
14.08.1992 - 1994 |
Kriegstyp: |
B-2¹ |
Kriegsbeendigung |
durch Vermittlung Dritter |
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Kriegführende |
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Seite A |
Georgien |
Seite B |
Abchasische Milizen mit Unterstützung von Freiwilligen der Konföderation der (kaukasischen) Bergvölker und verschiedener autonomer Republiken der russischen Föderation |
KONFLIKTGEGENSTAND UND -ZIELE
Abchasien, dessen Titularnation zu Beginn des Krieges nur 18% der Bevölkerung stellte (bei 48% Georgiern) ist aus georgischer Sicht integraler Bestandteil Georgiens. Nach der Russischen Revolution 1917 hatte es allerdings für kurze Zeit eine eigene Unionsrepublik gebildet und wurde erst 1931 als ASSR in die Georgische SSR eingegliedert. Ende der 80er Jahre wurden als Reaktion auf die wachsenden georgischen Unabhängigkeitsbestrebungen in der Abchasischen ASSR Bestrebungen stärker, die Unabhängigkeit von Georgien zu erreichen bzw. in der Sowjetunion zu verbleiben. Eine unter dem nur etwa 100.000 Menschen zählenden abchasischen Volk zunehmende Angst vor Überfremdung und Assimilation mischte sich mit regionalen Machtkonkurrenzen sowie sowjetischen Versuchen, Abchasien als Trumpfkarte gegen die georgischen Unabhängigkeitsbestrebungen einzusetzen. Ein 1988 begonnener "Krieg der Gesetze" zwischen Suchumi und Tiflis eskalierte 1992 mit der Wiederinkraftsetzung der Georgischen Verfassung von 1921, respektive der Verfassung der Abchasischen SSR von 1925. Am 14. August 1992 rückten georgische Einheiten unter dem Befehl des damaligen Verteidigungsministers Tengis Kitowani in Abchasien ein, womit der "Krieg der Gesetze" zu einem richtigen Krieg eskalierte. Nachdem mehrere von der Russischen Föderation vermittelten Waffenstillstände von abchasischer Seite gebrochen worden waren und diese mit Unterstützung von Kosakken, Freiwilligen der "Föderation der Völker des Kaukasus" sowie (ehemaliger) russischer Offiziere die georgischen Nationalgarde aus Abchasien vertrieben hatte, erwies sich schließlich ein am 14. Mai 1994 geschlossener vierter Waffenstillstand als haltbarer. Er wird von einer ca. 1.500 Mann starken GUS-Friedenstruppe sowie 130 UN-Militärbeobachtern (UNOMIG) überwacht.
ERGEBNISSE DES KRIEGES
Die bedeutendste Folge des Krieges von 1992-94 stellte die Flucht von ca. 250.000 Menschen, in der Mehrzahl Georgier, aus Abchasien dar. Damit ist fast die gesamte georgische Bevölkerung von dort vertrieben worden. Bei den georgisch-abchasischen Verhandlungen über die Rückführung der Flüchtlinge und eine politische Lösung des Konflikts auf der Basis der territorialen Integrität Georgiens kam es in der Folgezeit trotz der Vermittlungsbemühungen der Russischen Föderation und der Vereinten Nationen zu keinen grundlegenden Fortschritten. Diese ungelösten Probleme sind wesentliche Ursachen für die Enstehung eines neuerlichen Bewaffneten Konfliktes in Abchasien im Mai 1998 (vgl. Bewaffneter Konflikt in Georgien (Abchasien / Weiße Legion)).
ANMERKUNGEN
[1] Die in Abchasien stationierten russischen Truppen wurden sporadisch in Scharmützel verwickelt. Das russische Verteidigungsministerium betont hierzu, es habe sich stets nur um Selbstverteidigung gegenüber georgischen Angriffen gehandelt, während das georgische Verteididungsministerium behauptet, die russischen Truppen würden gezielt auf der Seite Abchasiens in den Krieg eingreifen.
Claus Neukirch
Georgien (Südossetien II, 2008)
AKUF-Datenbanknr.: | |
Kriegsdauer: | 08.08.2008 - 12.08.2008 |
Kriegstyp | BC-2 |
Kriegsbeendigung | Militärischer Sieg der Seite B |
Kriegführende | |
Seite A: | Georgien |
Seite B: | Russland mit Unterstützung der Republik Südossetien |
Konfliktgegenstand und -ziele:
Gegenstand des Konflikts sind die sezessionistischen Bestrebungen der georgischen Region Südossetien. Die kriegerische Abspaltung zur Autonomieregion vollzog sich bereits Anfang der 1990er im Zuge des Zerfalls der Sowjetunion (Datenbanknr. 202). Das Resultat der Konfliktbeendigung unter russischer Vermittlung war 1992 die Stationierung einer Joint Peacekeeping Force (JPKF) auf südossetischem Territorium. Die Mission setzte sich aus Kontingenten von russischen, georgischen und südossetischen Truppen zusammen. Eine langfristige und stabile Friedenslösung konnte jedoch nicht gefunden werden. In der Region Süddossetien lebten nach dem Zensus 1989 98.000 Einwohner, von denen ethnische Osseten einen Anteil von ca. 66 % und ethnische Georgier ca. 29 % ausmachten.1
2004 verschärfte sich die Situation unter dem neu gewählten Präsidenten Saakashvili erneut. Durch den EU- und westlich orientierten Stil Saakashvilis sah Moskau nicht nur seinen Einfluss in der kaukasischen Peripherie schwinden, sondern durch Georgiens Teilnahme am „Individual Partnership Action Plan“ (IPAP) der NATO auch eine direkte Bedrohung seiner Grenzen, Territorien und Sicherheitsinteressen. Entsprechend versuchte die russische Administration in den Jahren vor dem Krieg, Einfluss auf die Südossetien zu nehmen; beispielsweise durch die massenhafte Verteilung russischer Pässe und die Stationierung von Truppen nahe der Grenze zu Georgien. Hinzu kommt, dass Saakashvili sich der Aufgabe verschrieb die territoriale Integrität Georgiens wiederherzustellen, die seit 1994 und 1992 durch die de-facto Autonomie Abchasiens und Südossetiens verletzt wurde. Anfang 2008 kam es dabei an der innergeorgischen Grenzlinie zu Südossetien immer wieder zu kleineren Gefechten und Verletzungen des Luftraums.
Mit der Offensive der georgischen Seite am 8. August begannen schließlich offene Kriegshandlungen. Georgische Truppen attackierten dabei die ossetische Stadt Tskhinvali an. Zum Ziel des Angriffs wurden auch die russischen und südossetischen Kontingente der JPKF. Kurz darauf reagierte der Kreml mit der Entsendung russischer Truppen. Die russische Seite begründet ihre Intervention mit ihrer Rolle als friedenssichernde Macht und dem Schutz der Bevölkerung vor georgischer Aggression. Georgien legitimierte seinen Angriff mit der Wiederherstellung von ‚Recht und Ordnung‘ und machte ebenfalls seine Rolle als friedenssichernde Macht geltend.
Ergebnisse des Krieges:
Am 12. August erklärte der Kreml die russischen Operationen für beendet, die georgischen Truppen hatten sich zu diesem Zeitpunkt fast vollständig von südossetischem Territorium zurückgezogen. Trotzdem folgten in den Tagen darauf weitere russische Militäreinsätze. So besetzten russische Truppen beispielsweise den georgischen Hafen in Poti und drangen weiter in georgisches Gebiet vor und zerstörten militärisches Gerät und Infrastruktur. Am 26. August erkannte der Kreml gleichzeitig die Unabhängigkeit von Abchasien und Südossetien an.2
Mit der Einführung der visa-freien Reisemöglichkeit zwischen Südossetien und Russland band sich die Region weiter an die Russische Föderation. Gleichzeitig wurde jedoch die Einreise für georgische Staatsbürger erschwert. Auch in der russischen Außenpolitik wird Südossetien seitdem als „eigenständiger Staat“ unterstützt und behandelt. Indes ist Südossetien immer stärker auf die wirtschaftliche und militärische Unterstützung Russlands angewiesen. Ohne den Beistand des Kremls wäre die Funktionalität der staatlichen Institutionen und Gewalthoheit massiv eingeschränkt.
Zur Klärung der Umstände des Konflikts rief die EU Ende 2008 die „Independent International Fact-Finding Mission on the Conflict in Georgia“ ins Leben. Der daraufhin veröffentlichte Bericht kommt zumindest insofern zu dem Schluss, dass Georgien nicht, wie von Saakashvili behauptet, auf eine russische Invasion reagierte. Russland habe demnach zwar in den Vormonaten des Krieges provoziert, der georgischen Seite wird allerdings eine erhebliche Mitschuld am Ausbrechen offener Kampfhandlungen gegeben. Zusätzlich war es Georgien, dessen Truppen die ersten Angriffe durchführten.
Insgesamt forderten die Kämpfe im August 2008 ca. 600 Tote.
Anmerkungen:
1 Der letzte vollständige Zensus wurde 1989 durchgeführt. Alle nachfolgenden Erhebungen lassen sich aufgrund der schwierigen Lage kaum verifizieren. Eine 2012 von der Republik Südossetien durchgeführte Umfrage gibt die ethnische Verteilung mit 89,1 % Osseten und 8,9 % Georgier an.
2 Völkerrechtlich ist Südossetien dabei weiterhin Teil Georgiens, de-facto aber autonom und nur von Russland, Nicaragua, Nauru und Venezuela anerkannt
Roman Brandt
Literatur:
Artman, Vincent M. (2013): Documenting Territory: Passportisation, Territory, and Exception in Abkhazia and South Ossetia, in: Geopolitics, Vol. 18:3, 682-704
Independent International Fact-Finding Mission on the Conflict in Georgia (2006): Report Vol. 1-3. Online unter: http://www.mpil.de/en/pub/publications/archive/independent_international_fact.cfm Abgerufen am 25.04.2017
Karagiannis, Emmanuel (2014): The Russian Interventions in South Ossetia and Crimea Compared: Military Performance, Legitimacy and Goals, in: Contemporary Security Policy, Vol. 35:3, 400-420
Shevchuk, Zinaida (2014): The evolving nature of the armed conflict in South Ossetia from “frozen” to “hot” and back, in: Obrana a Strategie/Defence and Strategy, Vol. 2014:1, 51-64
Bewaffnete Konflikte in Georgien seit 1993
- Georgien (Abchasien, 1998 - andauernd)
- Georgien (Südossetien, 2004 - andauernd)